# | Year | Text | Linked Data |
---|---|---|---|
1 | 1896 | Max Weber sagt in einem Vortrag : Für unsere heutigen sozialen Probleme haben wir aus der Geschichte des Altertums wenig oder nichts zu lernen. Ein heutiger Proletarier und ein antiker Sklave verständen sich so wenig wie ein Europäer und ein Chinese. |
|
2 | 1911 | Max Weber beginnt mit der Untersuchung Chinas. |
|
3 | 1915 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Der Konfuzianismus [ID D18957]. Erstabdruck der ersten Fassung. Weber sagt in Berlin : Ich fühle mich so wohl und arbeitsfähig, sobald ich mit chinesischen und indischen Sachen zu tun habe, sehne ich mich sehr danach. |
|
4 | 1916 | Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Hinduismus und Buddhismus [ID D18958]. Erstabdruck der ersten Fassung. |
|
5 | 1918-1920 | Max Weber überarbeitet seinen Text Der Konfuzianismus von 1915. |
|
6 | 1920 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen. Einleitung http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Einleitung. Konfuzianismus und Taoismus. I. Soziologische Grundlagen: A. Stadt, Fürst und Gott http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Konfuzianismus+und+Taoismus/I.+Soziologische+Grundlagen%3A+A.+Stadt,+F%C3%BCrst+und+Gott. II. Soziologische Grundlagen: B. Feudaler und präbendaler Staat http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Konfuzianismus+und+Taoismus/II.+Soziologische+Grundlagen%3A+B.+Feudaler+und+pr%C3%A4bendaler+Staat. III. Soziologische Grundlagen. C. Verwaltung und Agrarverfassung http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Konfuzianismus+und+Taoismus/III.+Soziologische+Grundlagen.+C.+Verwaltung+und+Agrarverfassung. IV. Soziologische Grundlagen: D. Selbstverwaltung, Recht und Kapitalismus http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Konfuzianismus+und+Taoismus/IV.+Soziologische+Grundlagen%3A+D.+Selbstverwaltung,+Recht+und+Kapitalismus. V. Der Literatenstand http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Konfuzianismus+und+Taoismus/V.+Der+Literatenstand. VI. Die konfuzianische Lebensorientierung http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Konfuzianismus+und+Taoismus/VI.+Die+konfuzianische+Lebensorientierung. VII. Orthodoxie und Heterodoxie (Taoismus) http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Konfuzianismus+und+Taoismus/VII.+Orthodoxie+und+Heterodoxie+(Taoismus). VIII. Resultat: Konfuzianismus und Puritanismus / Fussnoten http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/ Konfuzianismus+und+Taoismus/VIII.+Resultat%3A+Konfuzianismus+und+Puritanismus. Quellen aus Fussnote 1 : Chavannes, Edouard. The Chinese classics. James Legge [ID D2212]. Conrady, August. Dvorak, Rudolf. Edkins, Joseph. Religion in China [ID D2381]. Forke, Alfred. Frühling und Herbst Annalen. Groot, J.J.M. Grube, Wilhelm. Lao-tze. Tao-teh-king. Paul Carus [ID D5896]. Lao-tse. Tao te king. Victor von Strauss [ID D4587]. Laotse. Tao te kin. Richard Wilhelm [ID D4445]. Lauterer, Joseph. China [ID D2886]. Faber, Ernst. Eine Staatslehre auf ethischer Grundlage oder Lehrbegriff des chinesischen Philosophen Mencius [ID D628]. Franke, Otto. Vorzügliche Skizze. Grube, Wilhelm. Harlez, Charles de. Kang, Youwei. Chen Huan Chang. Legge, James. The life and teachings of Confucius [ID D18433]. Morse, Hosea Ballou. The trade and administration of the Chinese empire [ID D10003]. Parker, Edward. Peking gazette [ID D18434]. Pelliot, Paul. Plath, Johann Heinrich. Über die Städte. Richthofen, Ferdinand von. Rosthorn, Arthur von. Das soziale Leben der Chinesen [ID D4710]. Sacred books of the East. Beal, Samuel ; Müller F. Max. [ID D8367]. Se Ma Tsien [Sima, Qian. Shi ji]. Singer, J. Über soziale Verhältnisse in Ostasien [ID D18435]. Tschepe, Albert. Tsur, Nyok Ching. Die gewerblichen Betriebsformen der Stadt Ningpo. Williams, S. Wells. The Middle kingdom [ID D2096]. Weber schreibt in der Einführung : Es ist ja ganz klar, dass jemand, der auf die Benutzung von Übersetzungen darauf angewisen ist, über die Art der Benutzung und Bewertung der monumentalen, dokumentarischen oder literarischen Quellen sich in der häufig sehr kontroversen Fachliteratur zu orientieren, die er seinerseits in ihrem Wert nicht selbständig beurteilen kann, allen Grund hat, über den Wert seiner Leistung sehr bescheiden zu denken… Der Sinologe, Indologe, Semitist, Ägyptologe wird in ihnen natürlich nichts ihm sachlich Neues finden. Wünschenswert wäre nur : dass er nichts zur Sache Wesentliches findet, was er als sachlich falsch beurteilen muss. Die späteren Aufsätze über die Wirtschaftsethik der Weltreligionen versuchen, in einem Überblick über die Beziehung der wichtigsten Kulturreligionen zur Wirtschaft und sozialen Schichtung ihrer Umwelt, beiden Kausalbeziehungen soweit nachzugehen, als notwendig ist, um die Vergleichspunkte mit der weiterhin zu analysierenden okzidentalen Entwicklung zu finden. |
|
7 | 1920.1 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus I. Soziologische Grundlagen: A. Stadt, Fürst und Gott. Auszüge. China war, in scharfem Gegensatz zu Japan, schon seit einer für uns vorhistorischen Zeit ein Land der großen ummauerten Städte. Nur Städte hatten einen kanonisierten Ortspatron mit Kult. Der Fürst war vornehmlich Stadtherr… Noch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde die endgültige Unterwerfung der Miao (1872) durch einen zwangsweisen Synoikismos, eine Zusammensiedlung in Städte, besiegelt.. Ebenso war China von jeher die Stätte eines für die Bedarfsdeckung großer Gebiete unentbehrlichen Binnenhandels. Dennoch aber war, entsprechend der überragenden Bedeutung der agrarischen Produktion, bis in die Neuzeit hinein die Geldwirtschaft schwerlich je so entwickelt wie etwa im ptolemäischen Aegypten. Dafür ist schon das – allerdings teilweise nur als Verfallsprodukt zu verstehende – Geldsystem mit seinem fortwährend zeitlich und überdies von Ort zu Ort wechselnden Kursverhältnis des Kupferkurants zum Barrensilber – dessen Stempelung in den Händen der Gilden lag –, Beweis genug. Das chinesische Geldwesen bewahrt Züge äußerster Archaistik in Verbindung mit scheinbar modernen Bestandteilen… Sowohl die Bergbautechnik aber als die Münztechnik der Chinesen ist auf ganz primitiver Stufe stehen geblieben… Schon deshalb allein waren sie kein eindeutig brauchbarer Standard für den Verkehr… Die Wendung brachte erst der Verkehr mit den Abendländern in der Zeit nach der Eröffnung der mexikanisch-peruanischen Silberminen, von deren Ertrag ein erheblicher Teil als Gegenwert gegen Seide, Porzellan, Tee nach China floß… Die Bergwerke wurden teils in Eigenregie mit Fronden, teils durch Private, aber unter Ankaufsmonopol der Regierung für die Ausbeute, betrieben; die hohen Transportkosten des Kupfers zur Münze in Peking – welche den Ueberschuß über den Staatsmünzbedarf verkaufte – verteuerten die Münzherstellung beträchtlich… Daß alle Minen technisch schlecht ausgebeutet wurden, wird noch aus dem 17. Jahrhundert berichtet: der Grund war – neben den Schwierigkeiten, welche die später zu erwähnende Geomantik machte – der allgemeine, später zu erörternde, in der politischen, ökonomischen und geistigen Struktur Chinas liegende Traditionalismus, der auch jede ernsthafte Münzreform immer wieder scheitern ließ… Das Grundübel aber waren offenbar die schwankenden Münzmetall-Vorräte, unter der gerade der Norden, wo die Verteidigung gegen die Barbaren der Steppe zu führen war, ganz ungleich stärker litt als der mit metallenen Umlaufsmitteln von jeher weit reicher ausgestattete Süden, der Sitz des Handels. Die Finanzierung jedes Kriegs bedingte gewaltsame Münzreformen und Verwendung der Kupfer-Münzen für die Waffenfabrikation (wie bei uns im Kriege der Nickelmünzen). Herstellung des Friedens bedeutete Ueberschwemmung des Landes mit Kupfer durch die willkürliche Verwertung des Heeresguts seitens der 'demobilisierten' Soldaten. Jede politische Unruhe konnte die Bergwerke sperren, erstaunliche – selbst nach Abzug der wahrscheinlichen Uebertreibungen sehr bedeutende – Preisschwankungen als Folge der Münzknappheit und des Münzüberschusses werden berichtet. Massenhafte private, zweifellos von den Beamten geduldete, Nachmünzstätten entstanden stets aufs neue und auch die einzelnen Satrapien spotteten des Monopols immer wieder... Eine Herstellung von Gold- und Silbermünzen durch die Regierung, – an sich nur als Gelegenheitserscheinung auftauchend, – scheint seitdem nicht mehr zu verzeichnen… Die sehr starken Schwankungen des Münzwerts mit ihren Folgen für die Preise sind es denn auch gewesen, welche den immer wieder gemachten Versuch, ein einheitliches Budget auf der Grundlage reiner (oder annähernd reiner) Geldsteuern zu schaffen, ebenso regelmäßig wieder zum Scheitern brachten: stets erneut mußte zur (mindestens teilweisen) Naturalbesteuerung mit ihren selbstverständlichen, die Wirtschaft stereotypierenden Konsequenzen zurückgegangen werden. Für die Zentralregierung kam bei ihren Beziehungen zum Geldwesen neben unmittelbarem Kriegsbedarf und andern rein fiskalischen Motiven auch die Preispolitik sehr stark beherrschend in Betracht. Inflationistische Neigungen – Freigabe der Prägung, um die Kupfergeldproduktion anzuregen – wechselten mit Maßregeln gegen die Wirkung der Inflation: Schließung eines Teils der Münzstätten. Vor allem aber war das Verbot und die Kontrolle des Außenhandels valutapolitisch mitbestimmt: teils durch Angst vor dem Abströmen des Geldes bei freier Einfuhr, teils durch die Sorge vor Ueberschwemmung mit fremdem Geld bei freier Ausfuhr von Waren. Ebenso war die Verfolgung der Buddhisten und Taoisten zwar zum sehr wesentlichen Teil religionspolitisch… Die Papiergeldpolitik stand unter ähnlichen Gesichtspunkten. Die Emissionen der Banken, welche offenbar zunächst Zertifikat-Charakter hatten: – die übliche Sicherung des Großhandels gegen Münzverwirrung, – und später Umlaufsmittelcharakter, insbesondre zu interlokalen Remittierungszwecken, annahmen, waren der Anreiz zur Nachahmung gewesen. Technische Voraussetzung war die Entstehung der seit dem 2. Jahrhundert nach Chr. importierten Papierindustrie und ein geeignetes Holzschnitt-Druckverfahren… Zuerst Anfang des 9. Jahrhunderts begann der Fiskus, den Kaufleuten ihre Wechsel-Verdienstgelegenheit aus der Hand zu nehmen… Unter normalen Verhältnissen hielt sich das Verhältnis von Papier- zur Metallzirkulation etwa in der Grenze wie in England im 18. Jahrhundert... Kriege, Verlust der Minendistrikte an Barbaren und – in wesentlich geringerem Umfang – industrielle Verwertung des Metalls in Zeiten großer Besitzakkumulation und buddhistischer Klosterstiftungen führten zur Inflation, der Krieg in seinen Folgeerscheinungen wiederholt zum Assignatenbankerott… Die Edelmetall- und Kupfer-Industrie wurden verstaatlicht und Metallgeld überhaupt nicht mehr geprägt… Die reine Papierwährung schien damit das endgültige Geldsystem zu werden… Die Gilden der Bankiers in den Großhandelsorten, deren Wechsel überall honoriert wurden, nahmen die Gründung von solchen in die Hand und erzwangen die Zahlbarkeit aller Handelsschulden in Banko-Währung… Die Gehälter der Beamten – der mächtigsten Interessenten – waren wesentlich in Silber zahlbar. Breite Schichten von ihnen waren mit den Interessen des Handels an der Nichtintervention der Pekinger Regierung in die Währung solidarisch, weil in ihren Einkommenschancen auf den Handel angewiesen. Jedenfalls aber waren alle Provinzialbeamten einmütig gegen jede Stärkung der Finanzmacht und vor allem: der Finanzkontrolle der Zentralregierung interessiert.. Wir stehen nun vor den beiden eigentümlichen Tatsachen: 1. daß die sehr starke Vermehrung des Edelmetallbesitzes zwar unverkennbar eine gewisse Verstärkung der Entwicklung zur Geldwirtschaft herbeigeführt hat, insbesondere in den Finanzen, – daß sie aber nicht mit einer Durchbrechung, sondern mit einer unverkennbaren Steigerung des Traditionalismus Hand in Hand ging, kapitalistische Erscheinungen aber, soviel ersichtlich, in keinem irgendwie greifbaren Maß herbeigeführt hat. Ferner: 2. daß eine kolossale Vermehrung der Bevölkerung (über deren Umfang noch zu sprechen sein wird) eingetreten ist, ebenfalls ohne daß dafür eine kapitalistische Formung der Wirtschaft den Anreiz gegeben oder aber ihrerseits durch sie Impulse erhalten hätte, vielmehr gleichfalls verknüpft mit (mindestens!) stationärer Form der Wirtschaft. Das bedarf der Erklärung… Das chinesische Zeichen für 'Stadt' bedeutet: 'Festung'. Dies galt nun auch für die Antike und das Mittelalter des Okzidents. In China war die Stadt im Altertum Fürstenresidenz und blieb durchweg bis in die Neuzeit in erster Linie Residenz der Vizekönige und sonstigen großen Amtsträger: ein Ort, in dem, wie in den Städten der Antike und etwa in dem Moskau der Leibeigenschaftszeit, vor allen Dingen Renten, teils Grundrenten, teils Amtspfründen und andere direkt oder indirekt politisch bedingte Einkünfte, verausgabt wurden. Daneben waren die Städte natürlich, wie überall, Sitze der Kaufmannschaft und – jedoch in merklich geringerer Exklusivität wie im okzidentalen Mittelalter – des Gewerbes. Marktrecht bestand auch in den Dörfern unter dem Schutz des Dorftempels. Ein durch staatliches Privileg garantiertes städtisches Marktmonopol fehlte. Der Grundgegensatz der chinesischen, wie aller orientalischen, Städtebildung gegen den Okzident war aber das Fehlen des politischen Sondercharakters der Stadt. Sie war keine 'Polis' im antiken Sinne und kannte kein 'Stadtrecht' wie das Mittelalter. Denn sie war keine 'Gemeinde' mit eigenen politischen Sonderrechten. Es hat kein Bürgertum im Sinne eines sich selbst equipierenden stadtsässigen Militärstandes gegeben, wie in der okzidentalen Antike… Revolten der Stadtinsassen gegen die Beamten, welche diese zur Flucht in die Zitadelle zwangen, sind zwar jederzeit an der Tagesordnung gewesen. Immer aber mit dem Ziel der Beseitigung eines konkreten Beamten oder einer konkreten Anordnung, vor allem einer neuen Steuerauflage, nie zur Erringung einer auch nur relativen, fest verbrieften, politischen Stadtfreiheit... Der zugewanderte Stadtinsasse (vor allem: der begüterte) behielt seine Beziehung zum Stammsitz mit dem Ahnenlande und mit dem Ahnenheiligtum seiner Sippe, also: alle rituell und persönlich wichtigen Beziehungen, in dem Dorf, von wo er stammte… Der chinesische Stadtgott war nur örtlicher Schutzgeist, nicht aber: ein Verbandsgott, in aller Regel vielmehr: ein kanonisierter Stadtmandarin… Es gab in China bis in die Gegenwart Gilden, Hansen, Zünfte, in einigen Fällen auch eine 'Stadtgilde', äußerlich ähnlich der englischen »Gilda mercatoria«. Wir werden sehen, daß die kaiserlichen Beamten mit den verschiedenen Verbänden der Stadtinsassen sehr stark zu rechnen hatten, daß, praktisch angesehen, diese Verbände in überaus weitgehendem Maß, weit intensiver als die kaiserliche Verwaltung, und in vieler Hinsicht auch weit fester als die durchschnittlichen Verbände des Okzidents, die Regulierung des ökonomischen Lebens der Stadt in der Hand hielten… Und überdies hatte China seit Jahrhunderten auf eigene Seemacht – die unentbehrliche Grundlage des Aktivhandels – verzichtet und schließlich, im Interesse der Erhaltung der Tradition, die Beziehungen zum Ausland bekanntlich auf einen einzigen Hafen (Kanton) und eine kleine Zahl (13) konzessionierter Firmen beschränkt. Dieses Ende war nicht zufällig. Schon der »Kaiserkanal« wurde, wie jede Karte und auch die erhaltenen Berichte ergeben, geradezu nur gebaut, um den durch Piraterie und vor allem durch die Taifune unsichern Seeweg für die Reissendungen von Süd nach Nord zu vermeiden… Das Gedeihen der chinesischen Stadt hing sehr stark nicht von dem ökonomischen und politischen Wagemut ihrer eigenen Bürger, sondern von dem Funktionieren der kaiserlichen Verwaltung, vor allem: der Stromverwaltung, ab… Das chinesische kaiserliche Beamtentum war sehr alt. Die Stadt war hier – vorwiegend – ein rationales Produkt der Verwaltung, wie schon ihre Form zu zeigen pflegte. Zuerst war die Pallisade oder Mauer da, dann wurde die oft im Verhältnis zum ummauerten Areal unzulängliche Bevölkerung, eventuell zwangsweise, herangeholt, und mit der Dynastie wechselte entweder auch die Hauptstadt selbst oder doch ihr Name. Die schließliche Dauerresidenz Peking war bis in die Neuzeit nur in äußerst geringem Maße ein Handels- und Exportindustrieplatz. Die außerordentlich geringe Intensität der kaiserlichen Verwaltung brachte es zwar, wie schon angedeutet, mit sich, daß tatsächlich die Chinesen in Stadt und Land 'sich selbst verwalteten'. Wie die Sippen – deren Rolle öfter zu erörtern sein wird – auf dem Lande, so waren neben ihnen, und für denjenigen, der keiner oder doch keiner alten und starken Sippe angehörte: statt ihrer, in der Stadt die Berufsverbände souveräne Herren über die ganze Existenz ihrer Mitglieder. Nirgends (außer – in anderer Art – in den indischen Kasten) war die unbedingte Abhängigkeit des einzelnen von der Gilde und Zunft (beide wurden terminologisch nicht geschieden) so entwickelt wie in China… Zu der Masse der Berufsverbände stand der Zutritt jedem, der das betreffende Gewerbe betrieb, offen (und war, normalerweise, für ihn pflichtmäßig). Aber es fanden sich nicht nur zahlreiche Reste alter, als tatsächlich erbliches Monopol oder geradezu erbliche Geheimkunst betriebener Sippen- und Stammesgewerbe, sondern daneben auch Gildemonopole, welche durch die fiskalische oder fremdenfeindliche Politik der Staatsgewalt geschaffen wurden... Für die Entstehung der seit aller sicheren geschichtlichen Erinnerung bestehenden Zentralgewalt und ihres Patrimonialbeamtentums ist in China die Notwendigkeit der Stromregulierung als Voraussetzung aller rationalen Wirtschaft entscheidend gewesen, wie sehr deutlich z.B. eine Bestimmung in einem bei Mencius erwähnten, ins 7. Jahrhundert vor Chr. verlegten, angeblichen Kartell der Feudalfürsten beweist. Im Gegensatz zu Aegypten und Mesopotamien stand allerdings, wenigstens im nördlichen China, der politischen Keimzelle des Reiches, der Ueberschwemmungsschutz durch Deiche und der Kanalbau zu Binnenschiffahrtszwecken (vor allem: Fouragetransportzwecken) voran, nicht in gleichem Maß der Kanalbau zum Zweck der Bewässerung, an dem in Mesopotamien die Anbaufähigkeit des Wüstengebietes überhaupt hing. Die Stromregulierungsbeamten und die schon in sehr alten Dokumenten – damals als eine Klasse hinter den 'Nährständen' und vor den 'Eunuchen' und 'Lastträgern' – erwähnte 'Polizei' bildeten den Keim der präliterarischen, reinen Patrimonialbureaukratie –… Das chinesische Altertum kannte einerseits für jeden Lokalverband einen aus dem Geist des fruchtbaren Erdbodens (sehê) und dem Erntegeist (tsi) zusammengeschmolzenen, bereits als ethisch strafende Gottheit entwickelten bäuerlichen Doppelgott (sche-tsi) und andererseits die Tempel der Ahnengeister (tsong-miao) als Gegenstand des Sippenkults. Diese Geister zusammen (sche-tsi-tsong-miao) bildeten den Hauptgegenstand der ländlichen Lokalkulte, den zunächst wohl noch naturalistisch, als eine halbmaterielle magische Kraft oder Substanz vorgestellten Heimatsschutzgeist, dessen Stellung etwa jener des (schon früh wesentlich personaler vorgestellten) westasiatischen Lokalgottes entsprach. Mit steigender Fürstenmacht wurde der Geist des Ackerlandes zum Geist des Fürstengebietes. Mit Entwicklung des vornehmen Heldentums entstand offenbar auch in China, wie meist, ein persönlicher Himmelsgott, etwa dem hellenischen Zeus entsprechend, vom Gründer der Tschou-Dynastie zusammen mit dem Lokalgeist in dualistischer Verbindung verehrt. Mit der Entstehung der kaiserlichen Macht, zunächst als oberlehensherrlicher Gewalt über den Fürsten, wurde das Opfer für den Himmel, als dessen 'Sohn' der Kaiser galt, dessen Monopol; die Fürsten opferten den Geistern des Landes und der Ahnen, die Hausväter den Ahnengeistern des Geschlechts. Der, wie überall, so auch hier, animistisch-naturalistisch schillernde Charakter der Geister, vor allem des Himmelsgeistes (Schang-ti), der sowohl als der Himmel selbst wie als Himmelskönig vorgestellt werden konnte, wendete sich nun aber in China, gerade bei den mächtigsten und universellsten von ihnen, immer mehr ins Unpersönliche… Die Gottesvorstellung der chinesischen Philosophen blieb lange höchst widerspruchsvoll… In der konfuzianischen Philosophie verschwand die Vorstellung eines persönlichen Gottes, die noch im 11. Jahrhundert Vertreter fand, seit dem 12. Jahrhundert, unter dem Einfluß des noch von Kaiser Kang Hi (Verfasser des 'Heiligen Ediktes') als Autorität behandelten Materialisten Tsche Fu Tse. Daß sich diese Entwicklung zur Unpersönlichkeit nicht ohne dauernde Rückstände der Personalkonzeption vollzog, ist später zu erörtern… Das chinesische Reich wurde in historischer Zeit trotz aller Kriegszüge doch immer mehr ein befriedetes Weltreich. Zwar der Anfang der chinesischen Kulturentwicklung stand unter rein militaristischen Zeichen. Der schih, später der 'Beamte', ist ursprünglich der 'Held'. Die spätere 'Studienhalle' (Pi yung kung), in welcher, dem Ritual nach, der Kaiser persönlich die Klassiker auslegte, scheint ursprünglich ein 'Männerhaus' in dem über fast die ganze Welt bei allen spezifischen Kriegs- und Jagdvölkern verbreiteten Sinn gewesen zu sein… 'Mutterrecht' scheint primär überall, soviel heut ersichtlich, die Konsequenz der militaristischen Familienfremdheit des Vaters gewesen zu sein. In geschichtlicher Zeit lag das weit zurück. Der individuelle Heldenkampf, auch in China, wie anscheinend über die ganze Erde hin (bis Irland), durch die Verwertung des Pferdes, zunächst als Zugtier des Kriegswagens, auf die Höhe gebracht, ließ die infanteristisch orientierten Männerhäuser zerfallen: der hochtrainierte und kostspielig bewaffnete Einzelheld trat in den Vordergrund. Auch dies 'homerische' Zeitalter Chinas lag aber weit zurück und es scheint, daß hier so wenig wie in Aegypten oder Mesopotamien die ritterliche Kriegstechnik je zu einer so individualistischen Sozialverfassung geführt hat, wie im »homerischen« Hellas und im Mittelalter. Die Abhängigkeit von der Stromregulierung und damit von der fürstlichen bureaukratischen Eigenregie ist vermutlich das entscheidende Gegengewicht gewesen. Die Stellung von Kriegswagen und Gepanzerten wurde den einzelnen Bezirken auferlegt… Doch immerhin war der »vornehme Mann« Kiün tse, (gentleman), des Konfuzius ursprünglich der waffengeübte Ritter. Aber die Wucht der statischen Tatsachen des Wirtschaftslebens ließ die Kriegsgötter nie zu einem Olymp aufsteigen: der chinesische Kaiser vollzog den Ritus des Pflügens, er war ein Schutzpatron des Ackerbauers geworden und also längst nicht mehr ein Ritterfürst. Zwar die rein chthonischen Mythologeme haben keine beherrschende Bedeutung erlangt. Aber seit der Herrschaft der Literaten war die zunehmend pazifistische Wendung der Ideologien naturgegeben, – und: umgekehrt, wie wir sehen werden. Der Himmelsgeist wurde nun – zumal nach der Vernichtung des Feudalismus – im Volksglauben ganz wie die ägyptischen Gottheiten aufgefaßt nach Art einer idealen Beschwerdeinstanz gegen die irdischen Amtsträger, vom Kaiser angefangen bis zum letzten Beamten… Diese Vorstellung und nur sie stand, als eine Art superstitiöser Magna Charta, und zwar als eine schwer gefürchtete Waffe, den Untertanen gegen die Beamten und ebenso gegen alle Privilegierten, auch die Besitzenden, zur Seite: ein ganz spezifisches Merkmal bureaukratischer und zugleich pazifistischer Gesinnung. Die Zeit irgendwelcher wirklicher Volkskriege jedenfalls liegt in China jenseits der historischen Epochen. Freilich war mit der bureaukratischen Staatsordnung die kriegerische Epoche Chinas nicht abgebrochen. Sie führte seine Heere nach Hinterindien und bis in die Mitte von Turkestan. Die älteren literarisch-dokumentarischen Quellen rühmen allen andern voran den Kriegshelden. In historischer Zeit ist nach der offiziellen Auffassung allerdings nur einmal ein siegreicher General als solcher vom Heer zum Kaiser proklamiert worden (Wang Mang um Chr. G); – tatsächlich ist natürlich das gleiche weit öfter geschehen, aber in den rituell gebotenen Formen oder durch rituell anerkannte Eroberung oder Revolte gegen einen rituell inkorrekten Kaiser. In der für die Prägung der geistigen Kultur entscheidenden Zeit zwischen 8. und 3. Jahrhundert vor Chr. war das Reich ein sehr lockerer Verband politischer Herrschaften, welche zwar sämtlich formell die Oberlehensherrlichkeit des politisch ohnmächtig gewordenen Kaisers anerkannten, aber untereinander in Fehde und vor allem im Kampf um die Hausmeierstellung standen… Der kaiserliche Oberlehensherr ist zugleich der legitime Oberpriester war… Die Abwehr und Unterwerfung der Barbaren aber war eine rein sicherheitspolizeiliche Aufgabe der Regierung. Der 'Himmel' konnte daher hier nicht die Form eines in Krieg, Sieg, Niederlage, Exil und Heimatshoffnung verehrten, in der Irrationalität der außenpolitischen Schicksale des Volks sich offenbarenden Heldengottes annehmen. Dafür waren, wenn man von der Zeit der Mongolenstürme absieht, seit der Errichtung der großen Mauer diese Schicksale im Prinzip nicht mehr wichtig und nicht irrational genug, standen gerade in den Zeiten der ruhigen Entwicklung der religiösen Spekulation nicht greifbar genug, als drohende oder als überstandene Fügungen, als beherrschende Probleme der ganzen Existenz, jederzeit vor Augen, waren vor allem nicht eine Angelegenheit der Volksgenossen. Die Untertanen wechselten nur den Herren bei Thronusurpationen ebenso wie bei gelungenen Invasionen, und in beiden Fällen bedeutete dies lediglich einen Wechsel des Steuerempfängers, nicht einen Wechsel der sozialen Ordnung. Die Jahrtausende alte unerschütterte Ordnung des politischen und sozialen Innenlebens wurde daher hier das, was der göttlichen Obhut anheimfiel und sie offenbarte…Für die chinesische Himmelsmacht waren die alten sozialen Ordnungen Eins und Alles. Als Hüter ihrer Stetigkeit und ungestörten Geltung und als Hort der durch die Herrschaft vernünftiger Normen garantierten Ruhe, nicht als Quelle irrationaler, befürchteter oder erhoffter, Schicksalsperipetien, waltete der Himmel. Solche Peripetien waren Unruhe und Unordnung. Sie waren daher spezifisch dämonischen Ursprungs… Diese politischen Grundlagen des chinesischen Lebens also begünstigten den Sieg derjenigen Elemente des Geisterglaubens, welche zwar überall in aller zum Kult sich entwickelnden Magie vorgeformt waren… Es war die spezifisch chinesische, aus andern Gründen und in anderer Art auch in Indien in der Oberhand gebliebene Wendung der Religiosität, welche an der Unverbrüchlichkeit und Gleichmäßigkeit des die Geister zwingenden magischen Rituals und des für ein Ackerbauvolk grundlegenden Kalenders, beide: die Naturgesetze und die Ritualgesetze in Eins setzend und nun an diese Einheit des »Tao« anknüpfend, das Zeitlose, Unabänderliche zur religiös höchsten Macht erhob. Nun wurde statt eines überweltlichen Schöpfergottes ein übergöttliches, unpersönliches, immer sich gleiches, zeitlich ewiges Sein, welches zugleich ein zeitloses Gelten ewiger Ordnungen war, als letztes und höchstes empfunden… Gutes Ergehen der Untertanen dokumentierte die himmlische Zufriedenheit, also: das richtige Funktionieren der Ordnungen. Alle schlimmen Ereignisse dagegen waren Symptome einer Störung der providentiellen himmlisch-irdischen Harmonie durch magische Gewalten. Diese für China durchaus grundlegende optimistische Vorstellung von der kosmischen Harmonie ist aus dem primitiven Geisterglauben allmählich herausgewachsen. Das Ursprüngliche war hier wie anderwärts der Dualismus der guten (nützlichen) und der bösen (schädlichen) Geister, der 'Shen' und der 'Kwei', welche das ganze Universum erfüllten und in den Naturereignissen ebenso wie im Handeln und Ergehen der Menschen sich äußerten. Auch die »Seele« des Menschen galt… als zusammengesetzt aus der dem Himmel entstammenden Shen- und der irdischen Kwei-Substanz, welche sich nach dem Tode wieder trennten. Die allen Philosophenschulen gemeinsame Lehre faßte dann die »guten« Geister als das (himmlische und männliche) Yang-Prinzip, die 'bösen' als das (irdische und weibliche) Yin-Prinzip zusammen, aus deren Verbindung die Welt entstanden sei. Beide Prinzipien waren ewig, wie Himmel und Erde. Dieser konsequente Dualismus war aber hier, wie fast überall, optimistisch abgeschwächt und getragen durch die Identifikation des dem Menschen Heil bringenden magischen Charisma der Zauberer und Helden mit den heilbringenden Shen-Geistern, die der segenspendenden Himmelsmacht, dem Yang, entsprangen. Da nun der charismatisch qualifizierte Mensch offensichtlich Macht über die bösen Dämonen (die Kwei) hatte, und feststand: daß die Himmelsmacht die gütige höchste Leiterin auch des sozialen Kosmos war, so mußten also die Shen-Geister im Menschen und in der Welt in ihrem Funktionieren gestützt werden. Dazu genügte es aber, daß die dämonischen kwei-Geister in Ruhe gehalten wurden: dann funktionierte die vom Himmel geschützte Ordnung richtig. Denn ohne Zulassung des Himmels waren die Dämonen unschädlich. Die Götter und Geister waren mächtige Wesen. Kein einzelner Gott oder vergötterter Heros oder noch so mächtiger Geist aber war 'allwissend' oder 'allmächtig'. Die nüchterne Lebensweisheit der Konfuzianer konstatierte im Fall des Unglücks frommer Menschen unbefangen: daß 'Gottes Wille oft unstet' sei. Alle diese übermenschlichen Wesen waren zwar stärker als der Mensch, standen aber tief unter der unpersönlichen höchsten Himmelmacht und auch unter einem kaiserlichen Pontifex, der in der Himmelsgnade stand… Zeigte sich dann, daß ein Schutzgeist nicht stark genug war, die Menschen trotz aller Opfer und Tugenden zu schützen, so mußte man ihn wechseln. Denn nur der Geist, der sich als wirklich machtvoll bewährte, verdiente Verehrung. Ein solcher Wechsel geschah tatsächlich oft und insbesondere der Kaiser verlieh den Göttern, die sich bewährt hatten, Anerkennung als Objeketn der Verehrung, Titel und Rang und setzte sie eventuell wieder ab… Entscheidend für die Kulturentwicklung war wesentlich Eins: die Frage, ob das militärische Charisma des Kriegsfürsten und das pazifistische Charisma des (in der Regel: meteorologischen) Zauberers beide in einer Hand lagen oder nicht. Im ersten Fall (dem des 'Cäsaropapismus') aber: welches von beiden primär die Grundlage der Entwicklung der Fürstenmacht wurde. In China nun haben – wie früher schon eingehend dargelegt wurde – grundlegende, für uns aber vorhistorische Schicksale, vermutlich durch die große Bedeutung der Stromregulierung mitbedingt, das Kaisertum aus dem magischen Charisma hervorgehen lassen und weltliche und geistliche Autorität in einer Hand, jedoch unter sehr starkem Vorwalten der letzteren, vereinigt. Das magische Charisma des Kaisers mußte sich zwar auch in kriegerischen Erfolgen (oder doch dem Fehlen eklatanter Mißerfolge), vor allem aber in gutem Erntewetter und gutem Stande der inneren Ruhe und Ordnung bewähren. Die persönlichen Qualitäten aber, die er, um charismatisch begnadet zu sein, besitzen mußte, wurden von den Ritualisten und Philosophen ins Rituelle und weiterhin ins Ethische gewendet: er mußte den rituellen und ethischen Vorschriften der alten klassischen Schriften entsprechend leben. Der chinesische Monarch blieb so in erster Linie ein Pontifex: der alte 'Regenmacher' der magischen Religiosität, ins Ethische übersetzt. Da der ethisch rationalisierte 'Himmel' eine ewige Ordnung schützte, waren es ethische Tugenden des Monarchen, an denen sein Charisma hing. Er war, wie alle genuin charismatischen Herrscher, ein Monarch von Gottes Gnaden nicht in der bequemen Art moderner Herrscher, welche auf Grund dieses Prädikates beanspruchten, für begangene Torheiten 'nur Gott', und das heißt praktisch: gar nicht, verantwortlich zu sein. Sondern im alten genuinen Sinne der charismatischen Herrschaft. Das hieß nach dem soeben Ausgeführten: er hatte sich als 'Sohn des Himmels', als der von ihm gebilligte Herr, dadurch auszuweisen: daß es dem Volke gut ging. Konnte er das nicht, so fehlte ihm eben das Charisma. Brachen also die Flüsse durch die Deiche, blieb der Regen trotz aller Opfer aus, so war dies, wie ausdrücklich gelehrt wurde, ein Beweis, daß der Kaiser jene charismatischen Qualitäten nicht besaß, welche der Himmel verlangte. Er tat dann – so noch in den letzten Jahrzehnten – öffentlich Buße für seine Sünden. Ein solches öffentliches Sündenbekenntnis verzeichnet die Annalistik schon für die Fürsten des Feudalzeitalters und die Sitte hat bis zuletzt fortbestanden: noch 1832 folgte auf eine solche öffentliche Beichte des Kaisers alsbald der Regen. Wenn auch das nicht half, hatte er Absetzung, in der Vergangenheit wohl Opferung, zu gewärtigen. Er war der amtlichen Rüge der Zensoren ausgesetzt wie die Beamten. Vollends ein Monarch, welcher den alten festen sozialen Ordnungen, einem Teil des Kosmos, der als unpersönliche Norm und Harmonie über allem Göttlichen stand, zuwiderhandelte: …würde damit gezeigt haben, daß er von seinem Charisma verlassen und unter dämonische Gewalt geraten war. Man durfte ihn töten, denn er war ein Privatmann… |
|
8 | 1920.2 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus II. Soziologische Grundlagen: B. Feudaler und präbendaler Staat. Auszüge. Soviel ersichtlich, war das politische Lehenswesen in China nicht primär mit der Grundherrschaft (im okzidentalen Sinn) als solcher verknüpft. Sondern beide sind, wie in Indien, aus dem 'Geschlechterstaat' erwachsen, nachdem die Häuptlingssippen den alten Banden des Männerhauses und seiner Derivate sich entzogen hatten. Die Sippe stellte nach einer Notiz ursprünglich die Kriegswagen und sie war auch die Trägerin der alten ständischen Gliederung. Die an der Schwelle der sicheren geschichtlichen Kunde in einigermaßen deutlichen Umrissen erscheinende wirkliche politische Verfassung…: dem 'Reich der Mitte', das heißt: dem direkt vom siegreichen Herrscher, als Hausmacht, durch seine Beamten: persönliche Klienten und Ministerialen, verwalteten 'inneren' Gebiet um den Königssitz herum, wurden immer mehr durch Tributärfürsten beherrschte 'Außen'-Gebiete angegliedert, in deren Verwaltung der Kaiser: der Herrscher des Reichs der Mitte, soweit, und nur soweit, eingriff, als die Erhaltung seiner Macht und die mit ihr verbundenen Tributinteressen dies unbedingt erheischten und: als er es vermochte… Die politische Feudalisierung, welche sich entwickelte…: Berücksichtigung bei der Besetzung der abhängigen Stellungen, vom Tributärfürsten bis zu dessen höfischen und Provinzialbeamten, beanspruchten und erreichten nur Sippen schon herrschender politischer Gewalthaber und ihrer Gefolgschaft. Vor allem die kaiserliche Sippe selbst. Ebenso aber die Sippen derjenigen Fürsten, welche sich ihm rechtzeitig unterworfen und im vollen oder teilweisen Besitz ihrer Herrschaft belassen waren. Und endlich die Sippen aller derjenigen, die sich als Helden und Vertrauensleute ausgezeichnet hatten… Nicht der durch freie Kommendation in die Vasallität und Investitur erlangte Lehensbesitz schuf den Stand, sondern – im Prinzip wenigstens – umgekehrt: die Zugehörigkeit zu jenen adligen Sippen qualifizierte, je nach dem herkömmlichen Rang der Familie, zu einem Amtslehen bestimmten Ranges. Minister- und selbst bestimmte Gesandtenposten finden wir im chinesischen feudalen Mittelalter fest in den Händen bestimmter Familien und auch Konfuzius war vornehm, weil er von einer Herrscherfamilie abstammte. Die auch in den Inschriften späterer Zeiten hervortretenden 'großen Familien' waren diese charismatischen Sippen, die ihre Stellung ökonomisch vorwiegend aus politisch bedingten Einkünften, daneben aus erblich zusammengehaltenem Grundbesitz bestritten… In China war das Erbcharisma der Sippe – in der für uns zugänglichen Zeit – stets das Primäre (mindestens der Theorie nach; erfolgreiche Parvenus hat es immer gegeben). Nicht etwa (wie später im Okzident) die Erblichkeit des konkreten Lehens also: – die vielmehr als grober Mißbrauch galt –, sondern der durch den ererbten Sippenrang gegebene Anspruch auf ein Lehen bestimmten Ranges. Daß die Tschou-Dynastie die fünf Adelsgrade 'eingerichtet' und dann das Prinzip der Vergebung von Lehen nach dem Adelsrang eingeführt haben soll, ist wohl Legende; daß aber damals die hohen Vasallen (Tschou-Lou, die 'Fürsten') nur aus Nachkommen alter Herrscher ausgelesen wurden, ist glaubhaft… Als die Wei (nach dem Sturze der Han-Dynastie) ihre Hauptstadt nach Lo yang verlegten, führten sie nach der Annalistik die »Aristokratie« mit sich. Diese bestand aus ihrer eignen Sippe und aus alten erbcharismatischen Sippen. Ursprünglich also natürlich: Stammeshäuptlingsfamilien. Damals aber schon: Nachkommen von Amtslehen- und Amtspfründeninhabern. Und nun verteilten sie – noch damals! – den 'Rang' (und dementsprechend den Anspruch auf Pfründen) je nach dem Amt, das einer der Vorfahren der Familie gehabt hatte… Die Entstehung eines eigentlichen 'Hofadels' tritt erst in der Zeit Schi hoang Ti's (von 221 vor Chr. an) gleichzeitig mit dem Sturz des Feudalismus auf: damals zuerst wird eine Rangverleihung in der Annalistik erwähnt. Und da gleichzeitig die finanziellen Notwendigkeiten erstmalig den Aemterkauf – also: die Auslese der Beamten nach dem Geldbesitz – erzwangen, verfiel der Erbcharismatismus trotz prinzipieller Aufrechterhaltung der Rangunterschiede. Noch 1399 findet sich die Degradation zum »Plebejer« (ming) erwähnt, allerdings damals unter ganz anderen Verhältnissen und in anderem Sinne. In der Feudalzeit entsprach der erbcharismatischen Rangabstufung eine Ordnung der Lehen, nach Beseitigung der Subinfeudation und Uebergang zur Beamtenverwaltung: der Pfründen, die bald fest klassifiziert wurden: unter den Tsin und, nach ihrem Muster, den Han, in 16 Klassen von Geld- und Reisrenten fest abgestuft. Das bedeutete schon die volle Beseitigung des Feudalismus. Den Uebergang stellte der Zustand dar: daß die Aemter in zwei dem Range nach verschiedene Kategorien geschieden waren: koan nei heu: Landpfründen, und lie heu: Rentenpfründen, die auf die Abgaben bestimmter Ortschaften angewiesen waren. Die ersteren waren die Nachfolger der alten Lehen der reinen Feudalzeit. Diese bedeuteten natürlich praktisch sehr weitgehende herrschaftliche Rechte über die Bauern. Sie bestanden so lange, als nicht das Ritterheer durch das fürstliche, später kaiserliche, aus Bauern ausgehobene und disziplinierte stehende Heer ersetzt war. Aeußerliche Aehnlichkeit des alten Feudalismus mit dem okzidentalen bestand also, trotz der innerlichen Unterschiede, in weitgehendem Maße. Insbesondere waren die nicht (ökonomisch und durch Waffenübung) Wehrfähigen natürlich von jeher in China ebenso von allen politischen Rechten entblößt wie überall sonst. Und zwar dies sicher schon vor dem Feudalismus. Daß angeblich der Fürst in der Tschou-Zeit das 'Volk' vor Kriegen und bei Kapitalstrafen befragt, das heißt: die wehrhaften Sippen, entsprach den bei Bestand eines Heerbanns allgemein herrschenden Zuständen. Vermutlich ist durch das Aufkommen der Kriegswagen die alte Heeresverfassung gesprengt oder obsolet geworden und der erbcharismatische 'Feudalismus' zuerst entstanden, der dann auf die politischen Aemter übergriff. Das älteste schon zitierte Dokument über die Verwaltungsorganisation: das Tschou-Li, zeigt bereits ein stark schematisch konstruiertes, aber immerhin auf bureaukratisch geleiteter Bewässerung… Eine Periode faktisch so gut wie ganz unabhängiger Lehenstaaten füllte die Zeit vom 9.-3. Jahrhundert vor Chr. aus… Der Kaiser war Oberlehensherr; vor ihm stiegen die Vasallen vom Wagen; auf Verleihung durch ihn allein konnten letztlich 'rechtmäßige' politische Besitztitel zurück geführt werden. Er erhielt von den Vasallenfürsten Geschenke, deren Freiwilligkeit ihn mit wachsender Ohnmacht in peinliche Abhängigkeit brachte. Er verlieh fürstlichen Rang in Abstufungen. Die Untervasallen hatten keinen direkten Verkehr mit ihm. Die Entstehung der Lehen aus der Uebergabe einer Burg zur Bewachung, die dann zur Verleihung wurde, ist mehrfach (so für die Entstehung des Lehensstaats Tsin) berichtet. Die Lehen waren in der Theorie im Erbfall neu zu muten und der Kaiser verlieh sie rechtlich nach Ermessen dem qualifizierten Erben; indessen bei einem Konflikt zwischen der Bestimmung des Vaters und der des Kaisers über die Person des Erben gab, nach Bericht der Annalen, der Kaiser nach. Die Größe der Ritterlehen hat wohl geschwankt… Später und bis in die letzte Zeit der Monarchie galt, aus rituellen Gründen, die mit den Ahnenopfern zusammenhingen, die Regel: daß der Nachfolger aus einer dem toten Herrscher gegenüber jüngeren Generationsstaffel gewählt werden solle. Politisch waren die oberlehensherrlichen Rechte fast auf ein Nichts zusammengeschrumpft. Das war die Folge davon, daß nur die Grenzvasallen: die Markgrafen, Kriege führten, und also: Militärmächte waren, der Kaiser – wohl eben deshalb – zunehmend nur pazifistischer Hierarch… Nicht in diesen gelegentlichen Fürstenversammlungen, sondern in der 'Kultureinheit' kam die Einheit des Reichs praktisch zum Ausdruck… : 1. die Einheit der ständischen Rittersitte, 2. die religiöse, das hieß: rituelle Einheit und 3. die Einheit der Literatenklasse. Die rituelle Einheit und die Einheit des Standes der ritterlichen wagenkämpfenden Vasallen, der Burglehensinhaber… Ein Krieg gegen einen rituell unkorrekten Fürsten galt als verdienstliches Werk. Auch später ist jede der zahlreichen tatarischen Erobererdynastien Chinas von den Trägern der rituellen Tradition alsbald als »legitim« behandelt worden, wenn sie sich den rituellen Regeln (und damit der Macht der Literatenkaste) korrekt angepaßt hatte. Teils rituellen, teils ritterlich-ständischen Ursprungs waren nun auch diejenigen 'völkerrechtlichen' Ansprüche, welche wenigstens die Theorie als Ausdruck der Kultureinheit an das Verhalten der Fürsten stellte. Es findet sich der Versuch, durch eine Fürstenversammlung einen Landfrieden zu vereinbaren. Rituell unkorrekt war nach der Theorie ein Krieg gegen einen in Trauer oder gegen einen in Not befindlichen, namentlich einen durch Hungersnot bedrängten Nachbarfürsten; gegenüber diesem statuierte die Theorie die brüderliche Nothilfepflicht als ein den Geistern wohlgefälliges Werk. Wer seinen Lehensoberen Böses zufügte oder für eine ungerechte Sache focht, gewann keinen Platz im Himmel und Ahnentempel. Die Ansage von Ort und Zeit der Schlacht galt als Rittersitte. Der Kampf mußte irgendwie zur Entscheidung gebracht werden: »man muß wissen, wer Sieger und Besiegter ist«, denn der Kampf war Gottesurteil. Die Praxis der Fürstenpolitik sah freilich in der Regel wesentlich anders aus. Sie zeigte einen rücksichtslosen Kampf der großen und kleinen Vasallen gegeneinander; die Untervasallen benutzten jede Gelegenheit sich selbständig zu machen, die großen Fürsten warteten ausschließlich auf jede Chance, die Nachbarn zu überfallen, und die ganze Epoche war ein Zeitalter von – nach den Annalen zu schließen – unerhört blutigen Kriegen. Die Theorie war gleichwohl nicht bedeutungslos, sondern wichtig als Ausdruck der Kultureinheit. Deren Träger wurden: die Literaten, d.h. die Schriftkundigen, deren sich die Fürsten im Interesse der Rationalisierung ihrer Verwaltung im Machtinteresse in ähnlicher Art bedienten, wie die indischen Fürsten der Brahmanen und die okzidentalen Fürsten der christlichen Kleriker… Die 'Bücher' – Ritualbücher und Annalen (Sammlungen von Präzedenzfällen) – der Fürsten begannen, auch als Beuteobjekte, eine Rolle zu spielen und die Bedeutung der Literaten stieg sichtlich. Sie führten die Rechnungen und die diplomatische Korrespondenz der Fürsten, von welcher die Annalistik zahlreiche (vielleicht als Paradigmata redigierte) Beispiele erhalten hat; sie gaben die meist recht 'machiavellistischen' Mittel an, auf kriegerischem und diplomatischem Wege die Nachbarfürsten zu überwinden, schmiedeten die Allianzen und sorgten für die Kriegsbereitschaft. Vor allem durch rationale Heeresorganisation, Magazin-und Steuerpolitik: es ist offenbar, daß sie als Rechnungsführer der Fürsten dazu befähigt waren. Die Fürsten suchten sich gegenseitig in der Wahl der Literaten zu beeinflussen, sie sich abspenstig zu machen, die Literaten ihrerseits korrespondierten miteinander, wechselten den Dienst, führten oft eine Art von Wanderleben von Hof zu Hof… Die Konkurrenz der Teilstaaten um die politische Macht entband die Rationalisierung der Wirtschaftspolitik der Fürsten… Fürstenkartelle gegen die Subinfeudation, die Festlegung des Grundsatzes durch die Literaten: daß die Erblichkeit einer Beamtenstelle rituell anstößig und daß Nachlässigkeit in der Ausführung der Amtspflicht magische Nachteile (frühen Tod) nach sich ziehe, kennzeichnen die Verdrängung der alten Verwaltung durch Vasallen und also: durch die charismatisch qualifizierten großen Familien, zugunsten der Beamtenverwaltung. Schaffung von fürstlichen Leibgarden, fürstlich equipierten und verpflegten Heeren mit Offizieren statt der Vasallenaufgebote brachten in Verbindung mit der Steuer- und Magazinpolitik die entsprechende Umwälzung auf militärischem Gebiet. Der ständische Gegensatz der großen charismatisch qualifizierten Sippen: derjenigen, welche dem Fürsten auf ihren Kriegswagen mit ihrem Gefolge in das Feld folgten, gegenüber dem gemeinen Volk, wird in der Annalistik überall als selbstverständlich vorausgesetzt… Der Kampf der Teilstaaten verringerte deren Zahl zunehmend auf einen immer kleineren Kreis rational verwalteter Einheitsstaaten. Schließlich gelang es im Jahre 221 dem Fürsten von Tsin, nach Verdrängung der nominellen Dynastie und aller andern Vasallen als 'erster Kaiser' ganz China dem 'Reich der Mitte', dem Patrimonium des Herrschers, einzuverleiben, d.h. der eigenen Beamtenverwaltung zu unterstellen. Eine echte 'Selbstherrschaft', unter Beseitigung des alten feudalen Kronrats, mit zwei Großwesiren (nach Art der praefecti praetorio), Scheidung der Militär- von den Zivilgouverneuren (nach Art der spätrömischen Institutionen), beide überwacht von fürstlichen Aufsichtsbeamten (nach persischer Art), aus denen später die reisenden 'Zensoren' (missi dominici) entwickelt wurden, und streng bureaukratische Ordnung mit Avancement nach Verdienst und Gnade bei allgemeiner Zulassung zum Amt traten an die Stelle der alten theokratisch-feudalen Ordnung. Für diese 'Demokratisierung' des Beamtentums wirkte dabei nicht nur das überall wirksam gewesene natürliche Bündnis des Selbstherrschers mit den Plebejerschichten gegen die ständisch Vornehmen, sondern auch ein finanzielles Moment: Es ist, wie schon bemerkt, kein Zufall, daß die Annalistik diesem »ersten Kaiser« (Schi Hoang Ti) die erstmalige Praktizierung des Aemterverkaufs zuschreibt… Alle Verlehnung politischer Macht, auch innerhalb der Sippe des Kaisers, wurde verboten. Die ständische Gliederung blieb zwar unangetastet. Aber mit der Etablierung einer festen Aemterhierarchie, für welche die Vorstufen schon in einigen der Teilstaaten geschaffen worden waren, steigerte sich die Chance des Aufstiegs von Beamten niederer Herkunft. Tatsächlich setzte sich das neue Kaisertum gegen die feudalen Gewalten mit Hilfe plebejischer Mächte durch. Bis dahin war Leuten plebejischer Abkunft der Aufstieg zu politischem Einfluß nur innerhalb der Schicht der Literaten unter besonderen Umständen möglich gewesen… In den ersten Jahren Schi Hoang Ti's – im Jahre 237, noch vor Einigung des Reichs – findet sich denn auch eine Austreibung der fremdbürtigen Literaten (und Händler) berichtet. Aber die Machtinteressen des Fürsten führten ihn zunächst zum Widerruf dieser Maßregel und sein erster Minister blieb seitdem ein Literat, der sich selbst als Parvenu niederer Abkunft bezeichnet. Nach der Einigung des Reichs aber wendete sich der rationale traditionsfeindliche Absolutismus des Selbstherrschers – wie er auch in seinen Inschriften deutlich zutage tritt – mit Wucht auch gegen die soziale Macht der Bildungsaristokratie der Literaten. Das Altertum sollte nicht über die Gegenwart und seine Interpreten nicht über den Monarchen herrschen: »der Kaiser ist mehr als das Altertum«. In einer gewaltigen Katastrophe suchte er – wenn wir der Ueberlieferung glauben können – die gesamte klassische Literatur und den Literatenstand selbst zu vernichten. Die heiligen Bücher wurden verbrannt und angeblich 460 Literaten lebendig begraben. Das damit inaugurierte Hereinbrechen des reinen, auf persönliche Günstlinge ohne Rücksicht auf Herkunft oder Bildung sich stützenden, Absolutismus kennzeichnete die Ernennung eines Eunuchen zum Großmeister des Haushalts und zum Lehrer des zweiten Sohnes, den nach dem Tode des Kaisers der Eunuch in Gemeinschaft mit dem Parvenuliteraten gegen den ältesten Sohn und den Kommandierenden des Heeres auf den Thron hob. Die von der Bildungsaristokratie der Literaten fortan durch alle Jahrhunderte des Mittelalters mit wechselndem Erfolg stets bekämpfte Günstlingswirtschaft des reinen orientalischen Sultanismus mit ihrer Verbindung von ständischer Nivellierung und absoluter Autokratie schien nun über China hereinzubrechen. Der Kaiser hatte, als Ausdruck der Stellung, die er beanspruchte, den alten Namen 'Volk' (Min) für die Gemeinfreien beseitigt und den Namen Kien tscheu, 'Schwarzköpfe', sicherlich gleichbedeutend mit: 'Untertanen', an die Stelle gesetzt. Die kolossale Anspannung der Fronlasten für die kaiserlichen Bauten erforderte die rücksichtslose ungefesselte Disposition über die Arbeitskräfte und Steuerkräfte des Landes, nach Art des pharaonischen Reichs. Andererseits wird von dem unter Schi Hoang Ti's Nachfolger allmächtigen Palasteunuchen ausdrücklich berichtet, daß er empfohlen habe, die Herrscher sollten sich mit dem »Volk« verbinden und die Aemter ohne Rücksicht auf Stand oder Bildung vergeben; es sei jetzt die Zeit, wo der Säbel herrschen müsse, nicht aber feine Manieren: ganz dem typischen orientalischen Patrimonialismus entsprechend. Der Kaiser wehrte andrerseits den Versuch der Magier ab, ihn – unter dem Vorwand der Erhöhung seines Prestiges – 'unsichtbar' zu machen, d.h. wie den Dalai Lama zu internieren und die Verwaltung ganz in die Hände der Beamten zu legen, behielt sich vielmehr die 'Selbstherrschaft' im eigentlichsten Sinn vor… Nicht die vornehmen Schichten aber, sondern ein Parvenu errang den Sieg, stürzte die Dynastie und begründete, während das Reich zunächst wieder in Teilstaaten zerfiel, die Macht der neuen Dynastie, welche das Reich wieder einte. Aber der Erfolg fiel schließlich doch wiederum den Literaten zu, deren rationale Wirtschafts- und Verwaltungspolitik auch diesmal für die Herstellung der Kaisermacht ausschlaggebend und der von ihnen stets bekämpften Günstlings- und Eunuchenverwaltung damals technisch überlegen war. Vor allem wirkte aber das gewaltige Prestige ihrer Ritual- und Präzedenzienkenntnis und ihrer – damals noch eine Art von Geheimkunst bildenden – Schriftkunde entscheidend in dieser Richtung. Schi Hoang Ti hatte Einheit der Schrift, des Maßes und Gewichtes, der Gesetze und Verwaltungsreglements geschaffen oder doch erstrebt. Er rühmte sich, den Krieg abgeschafft und Frieden und innere Ordnung gestiftet, dies alles durch 'Arbeit Tag und Nacht' erreicht zu haben… Rückschläge in den Feudalismus sind auch weit später noch eingetreten. In der Epoche Se Ma Tsien's (2. Jahrhundert vor Chr.), unter den Kaisern Tschu fu yen und U, mußte der neuerstandene Feudalismus abermals niedergeworfen werden, der zuerst aus der Verlehnung von Aemtern an kaiserliche Prinzen wieder entstanden war. Zunächst wurden kaiserliche Ministerresidenten an die Höfe der Vasallen zur Ueberwachung geschickt, dann die Ernennung aller Beamten an den kaiserlichen Hof gezogen, dann (127 vor Chr.) die Erbteilung der Lehen verfügt, um die Macht der Vasallen zu schwächen, schließlich (unter U) niedrig Geborenen (darunter einem gewesenen Schweinehirten) die bisher vom Adel beanspruchten Hofämter verliehen. Gegen die letzte Maßregel opponierte der Adel heftig, die Literaten aber setzten (124 vor Chr.) durch, daß ihnen die hohen Aemter vorbehalten blieben. Wir werden später sehen, wie in diese für Chinas politische und kulturliche Struktur entscheidenden Kämpfe der Gegensatz der konfuzianischen Literaten gegen den – damals mit den Aristokraten, später mit den Eunuchen verbündeten, literatenfeindlichen und der Volksbildung im Interesse ihrer Magie abgeneigten – Taoismus hineinspielte. Zum endgültigen Austrag kam der Kampf auch damals nicht. In der Standesethik des Konfuzianismus wirkten feudale Reminiszenzen stark nach. Für Konfuzius selbst darf als unausgesprochene, aber selbstverständliche, Voraussetzung unterstellt werden: daß die klassische Bildung, welche er als entscheidende Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Herrenstande verlangte, der Tatsache nach auf die herrschende Schicht der überlieferten 'alten Familien' beschränkt sei, zum mindesten der Regel nach… Die feudalen Bestandteile der sozialen Ordnung traten immer stärker zurück, und in allen wesentlichen Punkten wurde doch der Patrimonialismus, wie sich zeigen wird, die für den Geist des Konfuzianismus grundlegende Strukturform. Wie bei ausgedehnten patrimonialstaatlichen Gebilden unter unentwickelter Verkehrstechnik durchweg, so blieb auch hier das Maß der Zentralisation der Verwaltung eng begrenzt. Auch nach Durchführung des Beamtenstaates blieb nicht nur der Gegensatz der »inneren«, d.h. im altkaiserlichen Patrimonium angestellten, zu den »äußeren«, den Provinzialbeamten und der Rangunterschied beider bestehen, sondern es blieb – mit Ausnahme einer Anzahl der höchsten Aemter in jeder Provinz – die Aemterpatronage und vor allem, nach stets neuen vergeblichen Zentralisationsversuchen, fast die gesamte Finanzwirtschaft schließlich den einzelnen Provinzen überlassen. Darum ist freilich in allen großen Finanzreformperioden immer erneut gekämpft worden. Wang-An-Schi (11. Jahrhundert) ebenso wie andre Reformer haben die effektive Durchführung der Finanzeinheit: Ablieferung aller Steuererträge nach Abzug der Kosten der Erhebung und: Reichsbudget, gefordert… Das Reich glich einer Konföderation von Satrapien mit pontifikaler Spitze. Die Macht lag formell – auch nur: formell – bei den großen Provinzialbeamten. Die Kaiser ihrerseits aber verwendeten nach der Schaffung der Reichseinheit in ingeniöser Weise die dem Patrimonialismus eigentümlichen Mittel der Erhaltung ihrer persönlichen Gewalt: kurze Amtsfristen: offiziell drei Jahre, nach deren Ablauf der Beamte in eine andere Provinz versetzt werden sollte, Verbot der Anstellung eines Beamten in seiner Heimatprovinz, Verbot der Anstellung von Verwandten im gleichen Sprengel, und ein systematisches Spionagesystem in Gestalt der sogenannten 'Zensoren'. All dies aber, ohne damit – aus gleich zu erwähnenden Gründen, – sachlich eine präzise Einheitlichkeit der Verwaltung herzustellen… Soweit die Provinzen finanziell – als Militär- oder Arsenalstandorte – »passiv« waren, bestand ein verwickeltes System von Anweisungen auf die Einnahmen der Ueberschußprovinzen und im übrigen kein verläßlicher Etat, weder der Zentrale noch der Provinzen, sondern traditionelle Appropriationen. Klarer Einblick in die Finanzen der Provinzen fehlte der Zentralgewalt.. Bis in die letzten Jahrzehnte waren es die Provinzialstatthalter und nicht die Zentralregierung: – die dafür nicht einmal ein Organ besaß –, welche die Verträge mit den fremden Mächten abschlossen. Fast alle wirklich wichtigen Verwaltungsanordnungen gingen formell von den Provinzialstatthaltern, in Wahrheit, wie wir sehen werden, von den ihnen untergeordneten, und zwar den unoffiziellen, Beamten aus. Die Anordnungen der Zentralgewalt wurden daher bis in die Gegenwart von den Unterinstanzen oft mehr als ethisch maßgebliche Vorschläge oder Wünsche, denn als Befehle behandelt, wie dies ja der pontifikalen, charismatischen, Natur des Kaisertums entsprach… Der Mandarin, welcher, begleitet von einer ganzen Schar von Sippengenossen, Freunden und persönlichen Klienten, sein Amt in einer ihm unbekannten Provinz antrat, deren Dialekt er in aller Regel nicht verstand, war zunächst schon sprachlich meist auf die Dienste eines Dolmetschers angewiesen. Er kannte ferner das örtliche Recht der Provinz nicht, welches auf zahlreichen Präzedenzfällen beruhte, die er – da sie der Ausdruck heiliger Tradition waren – nicht ohne Gefahr zu verletzen wagen durfte. Und er war deshalb völlig abhängig von den Belehrungen eines unoffiziellen, ebenso wie er selbst literarischen, aber mit den örtlichen Gewohnheiten kraft örtlicher Abstammung genau vertrauten Beraters, einer Art von »Beichtvater«, der als sein 'Lehrer' bezeichnet und von ihm mit Respekt, oft mit Devotion, behandelt wurde… Das weltberühmte und höchst wirksame Mittel des chinesischen Patrimonialismus, eine feudal-ständische Emanzipation der Amtsträger von ihrer Macht zu unterbinden: die Einführung der Examina und die Verleihung der Aemter nach Bildungsqualifikationen, statt nach Geburt und ererbtem Rang, war zwar für den Charakter der chinesischen Verwaltung und Kultur von einschneidendster Bedeutung,.. Aber einen präzis funktionierenden Mechanismus in den Händen der Zentralinstanz vermochte man angesichts jener Verhältnisse dadurch nicht herzustellen… Die Patrimonialbureaukratie war zwar in China wie im Okzident der feste Kern, an dessen Entfaltung die Bildung des Großstaats anknüpfte. Das Auftreten von Kollegialbehörden und die Entwicklung von 'Ressorts' waren dabei hier wie dort die typischen Erscheinungen. Aber der 'Geist' der bureaukratischen Arbeit war hier und dort – wie wir sehen werden – ein überaus verschiedener… Die ursprüngliche Herkunft des Patrimonialbeamtentums aus der Vorflut- und Kanalisierungsarbeit, also aus dem Bauwesen, die Herkunft der Machtstellung des Monarchen aus den, zunächst im Wasserregulierungsinteresse, unumgänglichen Fronden der Untertanen (wie in Aegypten und Vorderasien), die Herkunft des Einheitsreichs aus dem immer weiter um sich greifenden Interesse an Einheitlichkeit dieser Wasserregulierung für immer größere Gebiete im Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach politischer Sicherung des Kulturlandes gegen die Nomadeneinbrüche drücken sich anschaulich darin aus, daß nach der Legende der »heilige« (legendäre) Kaiser Yü die Vorflut und den Kanalbau reguliert, und der erste rein bureaukratische Herrscher, der 'Schi Hoang Ti', zugleich als größter Bauherr für Kanäle, Straßen und Festungen und, vor allem, als Erbauer der großen Mauer galt (die in Wahrheit von ihm nur zu einem gewissen Abschluß gebracht wurde). Diese Bauten dienten sämtlich, neben der Bewässerung, fiskalischen, militärischen und Verproviantierungsinteressen, der berühmte Kaiserkanal vom Yangtse zum Hoangho z.B. dem Transport des Reistributs aus dem Süden nach der neuen Hauptstadt (Peking) des Mongolenkhans… Als die eigentlich ideale Form der Deckung des öffentlichen Bedarfes galt noch dem Mencius die Fron und nicht die Steuer… Die Fron blieb aber die klassische Form der Staatsbedarfsdeckung. Wie naturalwirtschaftliche (durch Fronden bewirkte) und geldwirtschaftliche (durch Submission bewirkte) Deckung der Staatsbedürfnisse sich praktisch zueinander verhielten, zeigt (für das 17. Jahrhundert) eine Erörterung vor dem Kaiser über die Frage, nach welchem von beiden Systemen gewisse Reparaturen am Kaiserkanal zu bewerkstelligen seien. Man beschloß, die Bauten gegen Geld zu vergeben, da sonst die Reparaturen zehn Jahre in Anspruch genommen hätten. Eine Entlastung der Zivilbevölkerung wurde immer wieder – in Friedenszeiten – durch Heranziehung des Heeres zum Frondienst versucht. Neben den Militärgestellungen, Fronden und Leiturgien finden sich schon in früher Zeit Steuern. Die Fron auf dem Königsland scheint besonders früh (im 6. Jahrhundert v. Chr.) im Teilstaat Tsin abgeschafft zu sein, dessen Herrscher später (im 3. Jahrhundert v. Chr.) der 'erste Kaiser' des Gesamtreiches wurde… Die Befriedung des Reichs unter der Mandschu-Dynastie gestattete dem Hof den Verzicht auf bewegliche Einkünfte und führte zu dem berühmten, als Quelle der neuen Blüte Chinas im 18. Jahrhundert gepriesenen Edikt von 1713, welches die Grundsteuerpflichtigkeiten der Provinzen – der Absicht nach – in feste Abgaben verwandelte. Neben der Grundsteuer spielten namentlich die Salzgabelle, die Bergwerke und erst in letzter Linie die Zölle eine Rolle in den Einkünften der Zentralverwaltung. Auch für sie wurde aber der nach Peking abzuführende Betrag tatsächlich ein traditionell feststehender. Erst die Kriege mit europäischen Mächten und die finanzielle Notlage im Gefolge der Taiping-Revolution (1850-64) ließen die 'Likin' -Zölle unter der glänzenden Finanzverwaltung Sir Robert Harts in den Vordergrund der Finanzen des Reichs treten… Daß auch der einst bedeutende Eigenhandel Chinas nach außen keinerlei Neubelebung erfuhr, sondern nur Passivhandel in einem einzigen, den Europäern unter strenger Kontrolle geöffneten Hafen (Kanton) stattfand. Daß auch von einem von innen, aus eigenem kapitalistischen Interesse der Bevölkerung heraus, entstandenen Streben, diese Schranke zu sprengen, nicht das mindeste (sondern ausschließlich: das Gegenteil) bekannt ist. Und daß überhaupt auf dem Gebiet der Technik, Wirtschaft und Verwaltung auch nicht die geringste, im europäischen Sinn, 'fortschrittliche' Entwicklung einsetzte, vollends aber die Steuerkraft des Reichs, wenigstens dem Anschein nach, keinem ernsten Stoß gewachsen war, als die Erfordernisse der Außenpolitik dies gebieterisch erheischt hätten. Wie ist dies alles angesichts jener bei aller Kritik doch nicht zu bezweifelnden ganz ungewöhnlich mächtigen Volkszunahme zu erklären? Das ist unser Zentralproblem. Es hatte sowohl ökonomische wie geistige Ursachen. Die ersteren, von denen jetzt zunächst zu sprechen ist, waren durchaus staatswirtschaftlicher und also politisch bedingter Natur, teilten aber mit den »geistigen« den Umstand: daß sie aus der Eigenart der führenden Schicht Chinas: des Beamten- und Amtsanwärterstandes (der 'Mandarinen'), hervorgingen… Die sogenannte Fixierung der Grundsteuer im Jahre 1713 war der Sache nach eine finanzpolitische Kapitulation der Krone vor den Amtspfründnern. Denn in Wahrheit wurde ja nicht etwa die Steuerpflichtigkeit der Grundstücke in eine feste Grundrente verwandelt (wie z.B. in England), sondern es wurde vielmehr dasjenige, was den Provinzialbeamten von der Zentralverwaltung als Steueraufkommen ihres Bezirks angerechnet wurde: der Betrag also, von welchem sie einen Pauschalquotienten als Tribut an die Krone abzugeben hatten, fixiert und so – auf den Effekt gesehen – nur die Höhe der Besteuerung der Pfründen dieser Satrapen durch die Zentralverwaltung für alle Zeiten festgelegt. Dem genuinen Charakter aller spezifisch patrimonialen Verwaltung entsprechend wurde das Einkommen, welches der Beamte aus der Verwaltung seines Bezirks zog, als seine Pfründe behandelt, die von seinen Privateinkünften nicht wirklich geschieden war. Die Inhaber der Amtspfründen ihrerseits dagegen waren soweit wie möglich davon entfernt, die Grundsteuer (oder irgendwelche andere Pflichtigkeit) der Steuerzahler als in ihrem Gesamtaufkommen pauschaliert zu behandeln… Die Zentralverwaltung hatte keinerlei Uebersicht über die wirklichen Bruttoeinkünfte der einzelnen Provinzen und Bezirke, der Provinzialstatthalter keine über diejenigen der Präfekten usw. Auf seiten der Steuerzahlenden andererseits stand nur der eine Grundsatz fest: sich nach Möglichkeit der Erhebung nicht traditionell feststehender Abgaben zu widersetzen, und wir werden sehen, daß und warum sie dies innerhalb weiter Grenzen mit großem Erfolg zu tun in der Lage waren. Indessen abgesehen von der prekären Natur dieses wesentlich von der Machtlage abhängigen Widerstands gegen die trotz allem stets erneut versuchten Uebererhebungen hatten die Beamten zwei Mittel, die Einkünfte zu steigern… Das Kompromiß von 1712/13 zwischen der Zentralregierung und den Provinzialbeamten entsprach in geldwirtschaftlicher Form etwa der naturalwirtschaftlichen Fixierung der Feudalpflichten im Okzident. Mit dem Unterschiede zunächst: daß es sich in China, wie in allen spezifischen Patrimonialstaaten, nicht um Lehen, sondern um Pfründen handelte, und nicht um Militärdienstleistungen sich selbst ausrüstender Ritter, auf deren Heeresdienst der Fürst angewiesen war, sondern um Natural- und, vor allem, Geldtribute der für Patrimonialstaaten typischen Gebühren- und Steu erpfründner, auf deren Verwaltungsleistungen die Zentralgewalt angewiesen war. Und noch ein weiterer wichtiger Unterschied gegenüber dem Okzident lag vor… In China war, sahen wir, gerade der 'etatsmäßige' Beamte frei absetzbar und versetzbar, ja: mußte er in kurzen Fristen versetzt werden. Teils (und vor allem) im Interesse der Erhaltung der politischen Macht der Zentralverwaltung; daneben aber auch – wie gelegentlich hervortritt: – damit auch andere Anwärter die Chance hätten, einmal an die Reihe zu kommen. Das Beamtentum als Ganzes war im Genuß des gewaltigen Pfründeneinkommens gesichert, der einzelne Beamte dagegen gänzlich prekär gestellt und daher, da der Erwerb des Amts (Studien, Kauf, Geschenke und 'Gebühren') ihm gewaltige Kosten gemacht und ihn oft in Schulden gestürzt hatte, genötigt, in der kurzen Amtszeit soviel als möglich aus dem Amt herauszuwirtschaften. Er war infolge des Fehlens fester Taxen und Garantien dazu auch in der Lage. Daß das Amt dazu da sei, ein Vermögen zu erwerben, verstand sich durchaus von selbst, und nur das Uebermaß galt als tadelnswert. Aber noch andere und weiter reichende Wirkungen gingen auf diesen Zustand zurück. Zunächst: die Machtstellung der Zentralverwaltung gegenüber den Personen der Beamten wurde allerdings durch das System der Versetzungen auf das wirksamste gesichert. Jeder Beamte war infolge dieser fortwährenden Umschichtungen und des steten Wechsels seiner Chancen der Konkurrent jedes anderen um die Pfründe… Der 'konservativen' Schule der nördlichen Provinzen stand in den letzten Jahrzehnten die 'fortschrittliche' der mittleren Provinzen und die »radikale« der Kantonesen gegenüber; von dem Gegensatz der Anhänger der Erziehung nach der Methode der Sung gegen die der Han innerhalb eines und desselben Yamen sprachen kaiserliche Edikte noch in dieser Zeit. Indessen infolge des Grundsatzes der Fremdbürtigkeit der Beamten und der steten Versetzung von Provinz zu Provinz und weil überdies die Anstellungsbehörde sorgsam auch darauf hielt, die rivalisierenden Schulen und Landsmannschaften in einem und demselben Amtsbezirk und derselben Aemterstaffelung möglichst zu mischen, konnte sich wenigstens auf dieser Basis kein landsmannschaftlicher Partikularismus entwickeln, der die Einheit des Reichs gefährdet hätte: – dieser hatte ganz andere Grundlagen, wie gleich zu erwähnen ist. Auf der anderen Seite war aber die Schwäche der Beamten nach oben mit ihrer schon erörterten ebenso großen Schwäche nach unten erkauft. Und eine noch weit wichtigere Folge der Struktur dieses Pfründentums war der extreme administrative und wirtschaftspolitische Traditionalismus, den sie mit sich führte. Soweit dieser gesinnungsmäßig begründet war, ist später von ihm zu sprechen. Aber er hatte daneben auch höchst »rationale« Gründe… Gerade mit Fortschreiten der Geldwirtschaft und gleichmäßig damit zunehmender Verpfründung der Staatseinnahmen sehen wir deshalb in Aegypten, in den Islamstaaten und in China, nach kurzen Zwischenperioden, die nur dauerten, solange die Pfründenappropriation noch nicht vollzogen war, jene Erscheinung eintreten, welche man als 'Erstarrung' zu werten pflegt. Es war daher eine allgemeine Folge des orientalischen Patrimonialismus und seiner Geldpfründen: daß regelmäßig nur militärische Eroberungen des Landes oder erfolgreiche Militär- oder religiöse Revolutionen das feste Gehäuse der Pfründnerinteressen sprengten, ganz neue Machtverteilungen und damit neue ökonomische Bedingungen schaffen konnten, jeder Versuch einer Neugestaltung von innen aber an jenen Widerständen scheiterte… Auch in der Epoche der Staatenkonkurrenz war in China die Rationalisierung der Verwaltung und Wirtschaft in engere Schranken gebannt als im Okzident… |
|
9 | 1920.3 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus Soziologische Grundlagen D. Selbstverwaltung, Recht und Kapitalismus. Auszüge. In der Zeit der Konkurrenz der Einzelstaaten um die politische Macht scheint wohl der in Patrimonialstaaten übliche politisch bedingte Kapitalismus der Geldgeber und Lieferanten der Fürsten hier wie überall unter gleichen Umständen erhebliche Bedeutung gehabt und mit hohen Profitraten gearbeitet zu haben. Daneben werden Bergwerke und Handel als Quellen der Vermögensakkumulation angeführt. Unter der Han-Dynastie soll es, in Kupfer gerechnet, Multimillionäre gegeben haben. Aber die politische Vereinheitlichung zum Weltreich hat hier, wie im kaiserlich römischen geeinigten orbis terrarum, offenbar einen Rückgang dieses ganz wesentlich am Staat und seiner Konkurrenz mit anderen Staaten verankerten Kapitalismus zur Folge gehabt… Die alte klassische Hochwertung des Ackerbaues als des eigentlich heiligen Berufs hinderte daher nicht, daß schon im 1. Jahrhundert v. Chr. (ähnlich wie im Talmud) die Gewinnchancen des Gewerbes höher als die der Landwirtschaft und die des Handels am höchsten eingeschätzt wurden. Aber das bedeutete keinen Ansatz zur Entwicklung eines modernen Kapitalismus. Gerade jene charakteristischen Institutionen, welche schon das in den mittelalterlichen Städten des Okzidents aufblühende Bürgertum entwickelte, fehlten bis in die Gegenwart entweder ganz oder zeigten eine sehr charakteristisch verschiedene Physiognomie. Es fehlten in China die Rechtsformen und auch die soziologischen Unterlagen des kapitalistischen 'Betriebs' mit seiner rationalen Versachlichung der Wirtschaft, wie sie in dem Handelsrecht der italienischen Städte schon früh in unverkennbaren Ansätzen vorhanden waren… Es hatte sich auf der Basis der politischen Besitzakkumulation ein, wenn auch labiles, Patriziat und ein Bodenmagnatentum mit Parzellenverpachtung entwickelt, welches weder feudales noch bürgerliches Gepräge trug, sondern auf Chancen rein politischer Aemterausbeutung spekulierte. Es war also, wie in Patrimonialstaaten typisch, nicht vorwiegend rationaler ökonomischer Erwerb, sondern, – neben dem Handel, der gleichfalls zu Anlage von Gelderwerb in Land führte, – vor allem innenpolitischer Beutekapitalismus, der die Vermögens-, insbesondere auch die Boden-Akkumulation beherrschte… In China war die im okzidentalen Mittelalter schon so gut wie völlig erloschene Bedeutung der Sippe sowohl für die lokale Verwaltung der kleinsten Einheiten wie für die Art der ökonomischen Assoziation vollkommen erhalten geblieben und hatte sich sogar in einem Maß entwickelt, wie es anderwärts, auch in Indien, unbekannt geblieben ist. Die patrimoniale Regierung von oben her stieß mit den als Gegengewicht gegen sie fest ausgestalteten Organisationen der Sippen von unten her zusammen. Ein sehr bedeutender Bruchteil aller politisch gefährlichen »geheimen Gesellschaften« bestand bis in die Gegenwart aus Sippen. Die Dörfer hießen vielfach nach dem Namen einer Sippe, welche in ihnen ausschließlich oder vorwiegend vertreten war. Oder sie waren Sippenkonföderationen. Die alten Grenzsteine zeigen, daß das Land nicht Einzelnen, sondern den Sippen zugeteilt war und die Sippenkommunion erhielt diesen Zustand in ziemlich weitem Umfang aufrecht. Aus der an Zahl mächtigsten Sippe wählte man den – oft besoldeten – Dorfvorstand. 'Aelteste' (der Sippen) standen ihm zur Seite und beanspruchten das Recht der Absetzung. Die einzelne Sippe aber, von der jetzt zunächst zu reden ist, beanspruchte als solche selbständig die Macht, ihr Mitglied zu strafen und setzte dies durch, so wenig die moderne Staatsgewalt es offiziell anerkannte. Der Zusammenhalt der Sippe und seine Bewahrung – trotz der rücksichtslosen Eingriffe der Patrimonialverwaltung mit ihren mechanisch konstruierten Haftungsverbänden, ihren Umsiedelungen, Bodenumteilungen und Gliederungen der Bevölkerung nach ting: arbeitsfähigen Individuen, – beruhte zweifellos ganz und gar auf der Bedeutung des Ahnenkults als des einzigen nicht durch die cäsaropapistische Regierung und ihre Beamten, sondern durch den Hausvorstand als Hauspriester, unter Assistenz der Familie besorgten, aber unzweifelhaft klassischen und uralten 'Volkskults'. Schon im 'Männerhaus' der militaristischen Urzeit scheinen die Ahnengeister eine Rolle gespielt zu haben… In historischer Zeit war von jeher der Glaube an die Macht der Ahnengeister, nicht nur der eignen, aber vor allem der eignen, an ihre rituell und literarisch bezeugte Vermittler-Rolle für Wünsche der Nachfahren beim Himmelsgeist oder -Gott, an die unbedingte Notwendigkeit, sie durch Opfer zu befriedigen und günstig zu stimmen, der schlechthin grundlegende Glaube des chinesischen Volks. Die Ahnengeister der Kaiser waren die nahezu gleichgeordneten Gefolgschaft des Himmelsgeistes. Ein Chinese, der keinen männlichen Nachfahren hatte, mußte unbedingt zur Adoption schreiten, und wenn er dies unterließ, so nahm die Familie eine posthume fiktive Adoption für ihn vor, – weniger in seinem, als in ihrem eignen Interesse: um Ruhe vor seinem Geist zu haben. Die soziale Wirkung dieser alles beherrschenden Vorstellungen liegt klar zutage. Zunächst die ungeheure Stärkung der patriarchalen Gewalt. Dann aber der Zusammenhalt der Sippe als solcher… Im Prinzip jede Sippe hatte (und zwar bis in die Gegenwart hinein) ihre Ahnenhalle im Dorf. Außer den Kultparamenten enthielt sie oft eine Tafel der von der Sippe anerkannten 'Moralgesetze'. Denn das Recht, sich selbst Statuten zu geben, war für die Sippe faktisch nie bezweifelt und wirkte nicht nur praeter, sondern – sogar in Ritualfragen – unter Umständen auch contra legem. Die Sippe stand nach außen solidarisch zusammen. Existierte auch, außerhalb des Kriminalrechts, wie erwähnt, Solidarhaft nicht, so pflegte sie doch, wenn möglich, die Schulden eines Mitglieds zu ordnen. Unter Vorsitz des Aeltesten verhängte sie nicht nur Prügel und Exkommunikation – welche bürgerlichen Tod bedeutete – sondern, wie der russische Mir, auch Strafexil… Eine klar geregelte Nothilfepflicht und Kreditbeihilfe war primär nur innerhalb der Sippe gegeben. Die Sippe führte nötigenfalls Fehden nach außen: die rücksichtslose Tapferkeit hier, wo es sich um persönliche Interessen und persönliche Verbundenheit handelte, kontrastierte auf das augenfälligste mit der vielberufenen 'Feigheit' der aus gepreßten Rekruten oder aus Söldnern bestehenden Heere der Regierung. Die Sippe sorgte nötigenfalls für Medikamente, Arzt und Begräbnis, versorgte die Alten und Witwen, vor allen Dingen: die Schulen. Die Sippe besaß Eigentum, vor allem: Grundeigentum ('Ahnenland': schi tien und, bei wohlhabenden Sippen, oft umfangreiches Stiftungsland… Alle verheirateten Männer hatten gleiches Stimmrecht, die nichtverheirateten Männer nur beratende Stimmen, die Frauen waren, wie vom Erbe (sie hatten nur Mitgiftanspruch), so von den Sippenberatungen ausgeschlossen. Als Verwaltungsausschuß fungierten die Aeltesten, nach Erbstämmen, aber: von allen Sippengenossen als Wählern, jährlich gekoren, welche die Einkünfte einzuziehen, den Besitz zu verwerten und den Ertrag zu verteilen, vor allem die Ahnenopfer zu besorgen und Ahnenhallen und Schulen in Ordnung zu halten hatten… Die »Stadt« war, wie im allgemeinen schon früher angedeutet, eben infolgedessen nie die »Heimat«, sondern eigentlich die typische »Fremde« für die Mehrzahl ihrer Einwohner. Um so mehr als sie sich vom Dorf, von dem nun zu sprechen ist, durch den früher erwähnten Mangel an organisierter Selbstverwaltung unterschied. Man kann, ohne allzugroße Uebertreibung, sagen, daß die chinesische Verwaltungsgeschichte ausgefüllt ist von dem stets erneuten Streben der kaiserlichen Verwaltung, sich auch außerhalb der Stadtbezirke zur Geltung zu bringen. Abgesehen von Kompromissen in der Steuerleistung aber gelang ihr dies nur auf kurze Zeiten und konnte, bei der ihr eigenen Extensität, dauernd auch nicht gelingen. Diese Extensität: die geringe Zahl der wirklichen Beamten, war bedingt durch die Finanzen (und bedingte ihrerseits wieder deren Lage). Die offizielle kaiserliche Verwaltung blieb, der Sache nach, eine Verwaltung von Stadtbezirken und Stadtunterbezirken. Hier, wo ihr die massiven Blutsverbände der Sippen nicht so wie draußen gegenüberstanden, konnte sie – wenn sie sich mit den Gilden und Zunften verhielt – effektiv wirken. Außerhalb der Stadtmauern hörte ihre Gewalt sehr schnell auf, wirklich effektiv zu sein. Denn neben der an sich schon großen Gewalt der Sippen stand hier auch noch die organisierte Selbstverwaltung des Dorfes als solchen ihr gegenüber. Da auch Bauern zahlreich in den Städten wohnten, diese also meist »Ackerbürgerstädte« waren, so besteht nur der verwaltungstechnische Unterschied: 'Stadt' gleich Mandarinensitz ohne Selbstverwaltung, – 'Dorf' gleich Ortschaft mit Selbstverwaltung ohne Mandarinen! Die dorfmäßige Siedelung als solche beruhte in China auf dem Bedürfnis nach Sicherheit, welches die jedes Begriffs von 'Polizei' ermangelnde extensive Verwaltung des Reichs niemals hat befriedigen können. Die Dörfer waren meist befestigt, ursprünglich und, wie es scheint, oft noch heute: pallisadiert, wie die alten Städte, häufig aber auch: ummauert. Sie stellten, zur Ablösung der Reih-um-gehenden Wachtpflicht (s. gleich) die besoldeten Wächter an. Von der »Stadt« unterschieden sie sich – zuweilen viele Tausende von Einwohnern zählend – eben dadurch: daß sie selbst diese Funktionen wahrnahmen und dazu, im Gegensatz zur Stadt, ihr Organ hatten. Dies war, da ein 'Korporations'-Begriff dem chinesischen Recht und vollends den Denkgewohnheiten der Bauern natürlich völlig fehlte: – der Dorftempel, der in der Neuzeit meist irgendeinem der populären Götter: dem General Kwan Ti (Kriegsgott), dem Pah Ti (Handelsgott), dem Wan Tschang (Gott der Schulen), dem Lang Wang (Regengott), dem Tuti (einem unklassischen Gott, dem wegen der »Conduite« des Toten im Jenseits jeder Todesfall notifiziert werden mußte) usw. dediziert zu sein pflegte, – welchem? scheint ziemlich gleichgültig gewesen zu sein… Der Tempel hatte, wie die Ahnenhalle, Eigentum, vor allem: Grundeigentum. Aber sehr oft auch Geldbesitz, den er zu nicht immer niedrigen Zinsen auslieh. Der Geldbesitz stammte vor allem aus den traditionellen Marktabgaben: die Marktstände standen von altersher, wie fast überall in der Welt, unter dem Schutz des Lokalgotts. Das Tempelland wurde, wie das Ahnenland, verpachtet, und zwar vorzugsweise an die Besitzlosen des Dorfes, die daraus entspringenden Renten und überhaupt alle Einkünfte des Tempels wurden jährlich ebenfalls an Einnahmepächter vergeben, der nach Abzug der Kosten bleibende Reinertrag verteilt… Der 'Tempel' hatte Gerichtsbarkeit in Bagatellsachen und usurpierte sehr oft solche in Sachen aller Art, ohne daß die Regierung – außer bei Staatsinteressen – intervenierte. Dies Gericht, nicht die staatliche Gerichtsbehörde, genoß das Vertrauen der Bevölkerung. Der 'Tempel' sorgte für Straßen, Kanäle, Verteidigung, polizeiliche Sicherheit, – durch Turnus-Wachtpflicht, die faktisch meist abgelöst wurde, – Verteidigung gegen Räuber oder Nachbardörfer, für Schule, Arzt, Medikamente, Begräbnis, soweit die Sippen dies nicht tun konnten oder wollten. Der Dorftempel enthielt das Waffendepot des Dorfs. Durch den Dorftempel, der in dieser Funktion der 'Stadt' fehlte, war das Dorf rechtlich und faktisch als Kommunalkörper aktionsfähig. Vor allem: das Dorf, nicht aber die Stadt, war ein, im Umkreis der Interessen der Dorfbewohner, tatsächlich wehrhafter Verband. Nicht immer hat sich die Regierung derart auf den laissezfaire-Standpunkt gegenüber dieser inoffiziellen Selbstverwaltung gestellt, wie in der letzten Zeit des alten Regims. Unter den Han versuchte sie z.B. den reinen patrimonialen Absolutismus Schi Hoang Ti's durch geordnete Heranziehung der Gemeindeältesten zu Selbstverwaltungsämtern (san lao) abzubauen und die urwüchsige Selbstverwaltung so zu reglementieren und zu legalisieren... Man darf sich das Leben des Bauern in einem chinesischen Dorf, allen Anzeichen nach, keineswegs als eine harmonische patriarchale Idylle vorstellen. Nicht nur die Fehden nach außen bedrohten den Einzelnen recht oft. Nein: vor allem fungierte die Sippenmacht und auch die Verwaltung des Dorftempels überaus oft in gar keiner Weise genügend, um Besitz: zumal überragenden Besitz, zu schützen… Gegenüber der literarisch gebildeten Beamtenschaft war das aliterarische Alter also solches das stärkste Gegengewicht. Dem absolut bildungslosen Aeltesten seiner Sippe hatte sich innerhalb der durch die Tradition festgelegten Sippenangelegenheiten auch der durch noch so viele Examina gegangene Beamte bedingungslos zu fügen. Ein praktisch erhebliches Maß von ursurpierter und konzessionierter Selbstverwaltung stand jedenfalls einerseits: in Gestalt der Sippen, andererseits: dieser Organisationen der Armut, der Patrimonialbureaukratie gegenüber. Deren Rationalismus befand sich hier gegenüber einer im ganzen und auf die Dauer ihm weit überlegenen, weil stetig und vom engsten persönlichen Verbande gestützt wirkenden, entschlossen traditionalistischen Macht. Jede Neuerung, welcher Art immer, konnte ja überdies bösen Zauber stiften… Die Sippenältesten waren es auch: – das geht uns hier besonders an –, deren Einfluß für die Annahme oder Verwerfung religiöser Neuerungen meist entscheidend war und, selbstverständlich, fast ausnahmslos in die Wagschale der Tradition fiel, insbesondere wo sie Bedrohung der Ahnenpietät witterten. Diese gewaltige Macht der streng patriarchal geleiteten Sippen war in Wahrheit der Träger jener vielberedeten 'Demokratie' in China, welche nur der Ausdruck 1. des Fortfalls feudaler Ständebildung, 2. der Extensität der patrimonial-bureaukratischen Verwaltung und 3. der Ungebrochenheit und Allgewalt der patriarchalen Sippen andererseits war und mit »moderner« Demokratie gar nichts gemein hatte. Auf realer oder nachgeahmter persönlicher Versippung ruhten fast alle diejenigen organisatorischen Gebilde ökonomischer Art, welche über den Rahmen der Einzelwirtschaft überhaupt hinausgriffen. Zunächst die Tsung-tse-Gemeinschaft. Die in dieser Form organisierte Sippe besaß neben der Ahnenhalle und dem Unterrichtsgebäude auch Sippenhäuser für Vorräte und Geräte zur Reisverarbeitung, Konservenbereitung, Weberei und andere Hausproduktionen… Sie bedeutete also: produktivgenossenschaftlich erweiterte Sippen- und kumulative Hausgemeinschaft. Andererseits bestanden neben dem gewerblichen Einzelmeisterbetrieb in den Städten spezifisch kleinkapitalistische (genossenschaftliche) Betriebsgemeinschaften in gemeinsamen Ergasterien mit oft weitgehender manueller Arbeitsteilung, oft mit durchgeführter Spezialisierung der technischen und kaufmännischen Betriebsführung und mit Verteilung des Gewinns nach Maßgabe… Alle diese Formen der Schaffung größerer Wirtschaftseinheiten hatten, sozial angesehen, einen spezifisch 'demokratischen' Charakter… Das Verlagssystem dagegen, welches bei uns die kapitalistische Unterjochung einleitete, steckte anscheinend bis in die Gegenwart, – in welcher es quantitativ bedeutend namentlich in den Fernabsatzgewerben entwickelt ist, – organisatorisch noch in den verschiedenen Formen rein faktischer Abhängigkeit des Handwerkers vom Händler und war nur in einzelnen Gewerben bis zur Heimarbeit mit eingesprengten Zwischenmeisterwerk stätten und zentralem Verkaufsbureau vorgeschritten… Die Textilindustrie kam gegen das Hausgewerbe schwer auf; nur die Seide hatte ihren Markt, auch Fernmarkt. Aber diesen letzteren okkupierten die Seidenkarawanen des kaiserlichen Oikos. Die Metallindustrie konnte bei der großen Unergiebigkeit der Bergwerke nur bescheidene Dimensionen annehmen… Für die Teebereitung finden sich bildliche Darstellungen großer arbeitsteiliger Werkstätten, vergleichbar den altägyptischen Bildern ähnlicher Art. Die staatlichen Manufakturen stellten (normalerweise) Luxusartikel her (wie im islamischen Aegypten); die Erweiterung der staatlichen Metallindustrie aus valutarischen Gründen war vorübergehend. Die Zünfte, von denen schon gesprochen wurde, regulierten zwar das Lehrlingswesen. Von besonderen Gesellenverbänden hören wir dagegen nichts… Für die unreinen Berufe bestanden, wie unter indischen Verhältnissen, feste, vererbliche und verkäufliche Kundschaften. Konnubium, Kommensalität und Zulassung zu den Graden blieb allen degradierten Kasten versagt. Jedoch war kraft kaiserlicher Erlasse für diejenigen, welche einen unreinen Beruf aufgaben, gerichtliche Rehabilitierung zulässig (und wurde z.B. noch 1894 für einzelne dieser Kasten verfügt). Sklaverei entstand seit Einstellung der Eroberungskriege durch Ergebung oder Verkauf seitens der Eltern oder (strafweise) seitens der Regierung. Der Freigelassene schuldete dem Patron Obödienz – wie im Okzident – und war unfähig, Grade zu erwerben. Die Kontraktarbeiter (Ku kong) schuldeten während des Dienstes Obödienz und entbehrten der Kommensalität mit dem Herren... Neben den Sippen, den Gilden und Zünften blühte im neuzeitlichen China – für die Vergangenheit ist für den Außenstehenden Sicheres nicht zu ermitteln – die Assoziation in Form des Klubs, hwui, auf allen, auch ökonomischen, kreditgenossenschaftlichen, Gebieten… Außer einem verliehenen Titularadel existierten in der Neuzeit – wenn die strenge Scheidung der im Mandschu-Heerbann registrierten Familien, der Ausdruck der seit dem 17. Jahrhundert bestehenden Fremdherrschaft, beiseite gelassen wird – geburtsständische Unterschiede unter Chinesen selbst, sahen wir, nicht mehr. Und nachdem zuerst im 8. Jahrh. die 'bürgerlichen' Schichten eine starke Lockerung der polizeistaatlichen Fesselung erlangt hatten, bestand im 19. Jahrhundert, und zwar offenbar seit langer Zeit: Freizügigkeit, obwohl auch diese in offiziellen Edikten nicht anerkannt war. Die Zulassung zur Ansiedelung und zum Grundbesitz in einer andern als der Heimatgemeinde ist sicherlich, wie im Okzident, erst durch den Fiskalismus erzwungen worden. Seit 1794 erwarb man die Ortszugehörigkeit durch Erwerb von Grundbesitz und 20 jährige Steuerzahlung und verlor damit die Ortszugehörigkeit in der Heimatgemeinde. Ebenso bestand seit langem – so sehr (1671) das 'Heilige Edikt' noch das Bleiben im Beruf empfahl – freie Berufswahl. In der Neuzeit bestand weder Paßzwang noch Schul- oder Militärdienstzwang. Ebenso fehlten Wucher- und ähnliche den Güterverkehr beschränkende Gesetze. Immer wieder muß angesichts all dessen betont werden: Dieser, der freien Entfaltung des bürgerlichen Erwerbs scheinbar höchst förderliche Zustand hat dennoch keine Entwicklung eines Bürgertums okzidentalen Gepräges hervorgebracht… Politisch stand die patrimoniale Staatsform, vor allem der patrimoniale Charakter der Verwaltung und Rechtsfindung mit ihren typischen Folgen: dem Nebeneinander eines Reiches der unerschütterlichen heiligen Tradition und eines Reiches der absolut freien Willkür und Gnade, hier wie überall der Entwicklung wenigstens des in dieser Hinsicht besonders empfindlichen gewerblichen Kapitalismus im Wege: das rational kalkulierbare Funktionieren der Verwaltung und Rechtspflege, welches ein zum rationalen Betrieb sich entwickelndes Gewerbe bedurfte, fehlte. In China, wie in Indien, wie im islamischen Rechtsgebiet und überhaupt überall, wo nicht rationale Rechtsschaffung und Rechtsfindung gesiegt hatte, galt der Satz: 'Willkür bricht Landrecht'. Er konnte aber der Entwicklung kapitalistischer Rechtsinstitute nicht, wie er es im okzidentalen Mittelalter tat, zugute kommen, weil einerseits die korporative Autonomie der Städte als politischer Einheiten und andererseits die privilegienmäßig garantierte und fixierte Festlegung der entscheidenden Rechtsinstitutionen… Wirklich garantierte 'Freiheitsrechte' des einzelnen fehlten im Grunde gänzlich. Der Rationalismus des Literatenbeamtentums in den miteinander konkurrierenden Teilstaaten hatte in einem Einzelfall (536 n. Chr. im Staate Tsheng) die Kodifikation des Rechts (auf Metalltafeln) in Angriff genommen. Aber bei der Diskussion dieser Frage innerhalb der Literatenschicht wurde nach der Annalistik mit Erfolg (durch einen Minister des Tsin-Staates) geltend gemacht: 'Wenn das Volk lesen kann, wird es seine Oberen verachten'. Das Charisma der gebildeten Patrimonialbureaukratie schien in Gefahr, an Prestige zu verlieren, und diese Machtinteressen ließen einen solchen Gedanken seitdem nie wieder aufkommen. Verwaltung und Rechtsfindung waren zwar formal durch den Dualismus der Fiskal- und Justizsekretäre, aber nicht wirklich in der Art ihrer Ausübung getrennt, wie auch – durchaus patrimonial – die Hausdiener des Beamten, die er auf seine Kosten engagierte, die Polizisten und Subalternbeamten für seine Verwaltung hergaben. Der antiformalistische patriarchale Grundzug verleugnete sich nirgends: anstößiger Lebenswandel wurde gestraft auch ohne Spezialbestimmung. Das Entscheidende war aber der innerliche Charakter der Rechtsfindung: Nicht formales Recht, sondern materiale Gerechtigkeit erstrebte der ethisch orientierte Patrimonialismus hier wie überall… Die Edikte der Kaiser selbst über Verwaltungsmaßregeln hatten meist jene lehrhafte Form, welche päpstlichen Bullen des Mittelalters eignet, nur ohne deren dennoch meist vorhandenen präzisen rechtlichen Gehalt. Die bekanntesten von ihnen stellten Kodifikationen von ethischen, nicht von rechtlichen Normen dar und zeichneten sich durch literarische Gelehrsamkeit aus… Die ganze kaiserliche Verwaltung stand – soweit sie orthodox orientiert war – unter dem Einfluß einer dem Wesen nach theokratischen, etwa einer Kongregation der päpstlichen Kurie entsprechenden Literatenbehörde: der sog. »Akademie« (Han-lin-yuan), der Hüterin der reinen (konfuzianischen) Orthodoxie, die uns mehrfach begegnet ist… In der patriarchalen chinesischen Justiz war für Advokaten im okzidentalen Sinn gar kein Platz. Als Anwälte fungierten für die Sippengenossen etwaige literarisch gebildete Mitglieder; sonst fertigte ein Winkelkonsulent die Schriftsätze. Es war eben die in allen spezifischen Patrimonialstaaten, am meisten in den theokratischen oder ethisch-ritualistischen Patrimonialstaaten orientalischen Gepräges, wiederkehrende Erscheinung: daß zwar neben der wichtigsten, aber nicht 'kapitalistischen' Quelle der Vermögensakkumulation: der rein politischen Amts- und Steuerpfründe, auch 'Kapitalismus': der Kapitalismus der Staatslieferanten und Steuerpächter, also: politischer Kapitalismus, blühte und unter Umständen wahre Orgien feierte, daß ferner auch der rein ökonomische, d.h. vom »Markt« lebender Kapitalismus des Händlertums sich entwickeln konnte, – daß dagegen der rationale gewerbliche Kapitalismus, der das Spezifische der modernen Entwicklung ausmachte, unter diesem Regime nirgends entstanden ist... Aber warum blieb diese Verwaltung und Justiz so (kapitalistisch angesehen) irrational? – dies ist die entscheidende Frage. Einige im Spiel befindliche Interessen lernten wir kennen. Aber sie bedürfen der vertieften Erörterung. Wie die von materialer Individualisierung und Willkür unabhängige Justiz, so fehlten für den Kapitalismus auch politische Vorbedingungen. Es fehlte zwar nicht die Fehde: – im Gegenteil ist die ganze Geschichte Chinas voll von großen oder kleinen Fehden bis zu den massenhaften Kämpfen der einzelnen Dorfverbände und Sippen. Aber es fehlte, seit der Befriedung im Weltreich, der rationale Krieg und, was noch wichtiger war, der diesen ständig vorbereitende bewaffnete Friede mehrerer miteinander konkurrierender selbständiger Staaten gegeneinander und die dadurch bedingten Arten von kapitalistischen Erscheinungen: Kriegsanleihen und Staatslieferungen für Kriegszwecke… Der rationale Betriebskapitalismus, dessen spezifische Heimat im Okzident das Gewerbe wurde, war eben außer durch das Fehlen des formal garantierten Rechts und einer rationalen Verwaltung und Rechtspflege und durch die Folgen der Verpfründung auch durch das Fehlen gewisser gesinnungsmäßiger Grundlagen gehemmt worden. Vor allem durch diejenige Stellungnahme, welche im chinesischen 'Ethos' ihre Stätte fand und von der Beamten- und Amtsanwärterschicht getragen wurde. |
|
10 | 1920.4 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus V. Der Literatenstand. Auszüge. In China bestimmte seit zwölf Jahrhunderten, weit mehr als der Besitz, die durch Bildung, insbesondere: durch Prüfung, festgestellte Amtsqualifikation den sozialen Rang. China war das Land, welches am exklusivsten, noch weit exklusiver als die Humanistenzeit Europas oder als zuletzt Deutschland, die literarische Bildung zum Maßstab sozialer Schätzung gemacht hatte. Schon im Zeitalter der Teilstaaten, reichte die literarisch – das hieß zunächst nur: durch Schriftkenntnis – vorgebildete Amtsanwärterschicht, als Träger der Fortschritte zur rationalen Verwaltung und aller 'Intelligenz', durch die sämtlichen Teilgebilde hindurch und bildete – wie das Brahmanentum in Indien – den entscheidenden Ausdruck der Einheitlichkeit der chinesischen Kultur… Die – mit Unterbrechungen und unter oft heftigen Kämpfen, aber doch stets erneut und stets zunehmend – herrschende Schicht in China sind und waren, endgültig seit reichlich zweitausend Jahren, die Literaten. Sie, und nur sie, redete, 1496 nach der Annalistik zum erstenmal, der Kaiser mit 'meine Herren' an. Es ist nun von unermeßlicher Wichtigkeit für die Art der Entwicklung der chinesischen Kultur gewesen, daß diese führende Intellektuellenschicht niemals den Charakter der Kleriker des Christentums oder Islam, auch nicht der jüdischen Rabbinen, auch nicht der indischen Brahmanen oder der altägyptischen Priester oder der ägyptischen oder indischen Schreiber gehabt hat. Sondern daß sie herausgewachsen ist zwar aus ritueller Schulung, doch aber aus einer vornehmen Laienbildung. Die 'Literaten' des Feudalzeitalters, damals offiziell: puo tsche, »lebendige Bibliotheken«, genannt, waren … Abkömmlinge, meist wohl jüngere Söhne, feudaler Familien, welche sich literarische Bildung, vor allem: Schriftkunde, angeeignet hatten und deren soziale Stellung auf dieser Schrift-und Literaturkunde beruhte. Die Schriftkunde konnte sich – wenn auch bei dem chinesischen Schriftsystem nur schwer – auch ein Plebejer aneignen, und dann nahm er an dem Prestige des Schriftgelehrtentums teil: es ist schon in der Feudalzeit die Literatenschicht kein erblicher Stand und nicht exklusiv gewesen, im Gegensatz zu den Brahmanen… Die Schriftlichkeit der Ritualbücher, des Kalenders und der Annalistik reichen in China in vorgeschichtliche Zeiten zurück. Schon der ältesten Ueberlieferung galten die alten Schriften als magische Objekte und die Schriftkundigen als Träger magischen Charismas. Und, wie wir sehen werden, ist dies so geblieben. Aber nicht das Charisma magischer Zauberkraft, sondern die Schrift- und Literaturkenntnis als solche, daneben ursprünglich vielleicht astrologische Kenntnisse, machten ihr Prestige aus… Die Bedeutung der Magie war zwar selbstverständliche Voraussetzung hier wie überall. Aber, soweit dabei Interessen der Gemeinschaft in Frage kamen, lag die Beeinflussung der Geister in den Händen der Vertreter der Gemeinschaft: für die politische Gemeinschaft des Kaisers als Oberpontifex und der Fürsten, für die Familie des Sippenhaupts und Hausvaters. Die Beeinflussung des Gemeinschaftsschicksals, vor allem: der Ernte, erfolgte eben seit sehr alter Zeit durch rationale Mittel: die Wasserregulierung, und daher war die richtige 'Ordnung' der Verwaltung von jeher das grundlegende Mittel der Beeinflussung auch der Geisterwelt. Neben Schriftkunde als Mittel der Kenntnis der Tradition war Kalender- und Sternenkunde zur Ermittlung des himmlischen Willens, vor allem: der dies fasti und nefasti nötig, und es scheint, daß die Stellung der Literaten jedenfalls auch aus der Hofastrologenwürde heraus sich entwickelt hat. Diese rituell (und ursprünglich wohl auch horoskopisch) wichtige Ordnung zu erkennen und darnach die berufenen politischen Gewalten zu beraten war das, was die Schriftkundigen und nur sie vermochten… Im schärfsten Gegensatz zu den wesentlich außenpolitisch interessierten jüdischen Propheten waren also die chinesischen rituell geschulten Literaten-Politiker primär an den Problemen der inneren Verwaltung orientiert, mochten diese auch – wie wir früher sahen – vom Standpunkt ihrer Fürsten aus durchaus im Dienst der Machtpolitik stehen und mochten sie selbst auch, als fürstliche Korrespondenzführer und Kanzler, tief in die Leitung der Diplomatie hineingezogen werden. Diese stete Orientierung an den Problemen der 'richtigen' Staatsverwaltung bedingte einen weitgehenden praktisch-politischen Rationalismus der Intellektuellenschicht des Feudalzeitalters. Im Gegensatz gegen den strengen Traditionalismus der späteren Zeit zeigen uns die Annalen die Literaten gelegentlich als kühne politische Neuerer. Grenzenlos war ihr Bildungsstolz und weitgehend – wenigstens nach der Aufmachung der Annalistik – die Deferenz der Fürsten. Entscheidend für die Eigenart der Literatenschicht war nun ihre intime Beziehung zum Dienst bei patrimonialen Fürsten… Sie stützten mit ihrer Wissenschaft jenen kirchlichen Anstaltscharakter des Staats und gingen von ihm als der gegebenen Voraussetzung aus. Sie schufen in ihrer Literatur den 'Amts'-Begriff, vor allem das Ethos der 'Amtspflicht' und des 'öffentlichen Wohls'. Sie sind, wenn der Annalistik einigermaßen getraut werden darf, von Anfang an Gegner des Feudalismus und Anhänger der amtsmäßigen Anstaltsorganisation des Staats gewesen. Ganz begreiflich: weil von ihrem Interessenstandpunkt aus nur der (durch literarische Bildung) persönlich Qualifizierte verwalten sollte. Andererseits nahmen sie für sich in Anspruch, den Fürsten den Weg der militärischen Eigenregie: – eigene Waffenfabrikation und Festungsbau – gewiesen zu haben, als Mittel: »Herr ihrer Länder« zu werden… In der Zeit der Feudalstaaten konkurrierten die verschiedenen Höfe um die Dienste der Literaten und sie suchten die Gelegenheit, Macht und – nicht zu vergessen – Erwerb zu finden, da, wo sie am günstigsten war. Es bildete sich eine ganze Schicht vagierender 'Sophisten' (tsche-sche), den fahrenden Rittern und Gelehrten des Mittelalters im Okzident vergleichbar. Und es fanden sich auch – wie wir sehen werden – prinzipiell amtsfrei bleibende Literaten. Dieser freibewegliche Literatenstand war damals der Träger philosophischer Schulbildungen und Gegensätze, wie in Indien, im hellenischen Altertum und bei den Mönchen und Gelehrten des Mittelalters. Dennoch fühlte sich der Literaten stand als solcher als Einheit, sowohl in seiner Standesehre wie als einziger Träger der einheitlichen chinesischen Kultur. Und für den Stand als Ganzes blieb eben die Beziehung zum Fürstendienst als der normalen oder mindestens normalerweise erstrebten Erwerbsquelle und Betätigungsgelegenheit das ihn von den Philosophen der Antike und wenigstens der Laienbildung Indiens (deren Schwerpunkte außerhalb des Amtes lagen) Unterscheidende. Konfuzius wie Laotse waren Beamte, ehe sie amtlos als Lehrer und Schriftsteller lebten, und wir werden sehen, daß diese Beziehung zum staatlichen (»kirchenstaatlichen«) Amt für die Art der Geistigkeit dieser Schicht grundlegend wichtig blieb. Vor allem: daß diese Orientierung immer wichtiger und ausschließlicher wurde. Im Einheitsstaat hörten die Chancen der Konkurrenz der Fürsten um die Literaten auf. Jetzt konkurrierten umgekehrt diese und ihre Schüler um die vorhandenen Aemter und es konnte nicht ausbleiben, daß dies die Entwicklung einer einheitlichen, dieser Situation angepaßten, orthodoxen Doktrin zur Folge hatte. Sie wurde: der Konfuzianismus. Und mit der wachsenden Verpfründung des chinesischen Staatswesens hörte daher die anfänglich so freie Bewegung des Geistes der Literatenschicht auf. Diese Entwicklung war in jener Zeit schon in vollem Gange, als die Annalistik und die meisten systematischen Schriften der Literaten entstanden und als die von Schi Hoang Ti ausgerotteten heiligen Bücher »wiedergefunden« wurden und nun, revidiert, retouchiert und kommentiert von den Literaten, kanonische Geltung erlangten… Die klassischen, mit dem Namen des im Jahre 478 v. Chr. verstorbenen Kungtse: Konfuzius, als Redaktor verknüpften Schriften lassen in ihren ältesten Teilen noch die Zustände der charismatischen Kriegskönige erkennen. Die Heldenlieder des Hymnenbuches (Schi-king) singen wie die hellenischen und indischen Epen von wagenkämpfenden Königen. Aber in ihrem Gesamtcharakter sind sie schon nicht mehr, wie die homerischen und germanischen Epen, Verkünder individuellen oder überhaupt rein menschlichen Heldentums. Das Heer der Könige hatte schon zur Zeit der jetzigen Redaktion des Schi-king nichts mehr von Gefolgschafts- oder homerischer Aventiuren-Romantik, sondern besaß schon den Charakter einer bureaukratisierten Armee mit Disziplin und, vor allem, mit 'Offizieren'. Und – was für den Geist entscheidend ist – die Könige siegen schon im Schi-king nicht, weil sie die größeren Helden sind, sondern weil sie vor dem Himmelsgeist sich moralisch im Recht befinden und ihre charismatischen Tugenden die überlegenen, die Feinde aber gottlose Verbrecher sind, welche sich am Wohle ihrer Untertanen durch Bedrückung und Verletzung der alten Sitten versündigt haben und so ihr Charisma verwirkten. Zu moralisierenden Betrachtungen hierüber weit mehr als zu heldenhafter Siegesfreude gibt der Sieg Veranlassung. Im Gegensatz zu den heiligen Schriften fast aller anderen Ethiken fällt ferner sofort das Fehlen jeder irgendwie »anstößigen« Aeußerung, jedes auch nur denkbarerweise 'unschicklichen' Bildes auf. Hier hat offensichtlich eine ganz systematische Purifikation stattgefunden und diese dürfte wohl die spezifische Leistung des Konfuzius sein. Die pragmatische Umprägung der alten Ueberlieferung in der Annalistik, wie sie die amtliche Historiographie und die Literaten produzierten, ging über die im Alten Testament, etwa im 'Buch der Richter', vorgenommene priesterliche Paradigmatik offenbar hinaus. Die Chronik, deren Verfasserschaft besonders ausdrücklich dem Konfuzius selbst zugeschrieben wird, enthält die denkbar dürrste und sachlichste Aufzählung von Kriegszügen und Rebellenbestrafungen, in dieser Hinsicht vergleichbar etwa den assyrischen Keilschriftprotokollen. Wenn Konfuzius wirklich die Meinung ausgesprochen haben sollte: man werde sein Wesen aus diesem Werke besonders deutlich erkennen – wie die Ueberlieferung sagt –, dann müßte man wohl der Ansicht derjenigen (chinesischen und europäischen) Gelehrten zustimmen, wel che dies dahin verstehen: eben diese systematische pragmatische Korrektur der Tatsachen unter dem Gesichtspunkt der 'Schicklichkeit', welche sie dargestellt haben muß (für die Zeitgenossen – denn für uns ist der pragmatische Sinn meist undurchsichtig geworden –), sei das Charakteristische gewesen. Fürsten und Minister der Klassiker handeln und reden als Paradigmata von Regenten, deren ethisches Verhalten der Himmel belohnt. Das Beamtentum und sein Avancement nach Verdienst ist Gegenstand der Verklärung. Es herrscht zwar noch Erblichkeit der Fürstentümer und zum Teil auch der lokalen Aemter als Lehen, aber mindestens für die letzteren wurde dies System von den Klassikern skeptisch betrachtet und galt letztlich als nur provisorisch. Und zwar in der Theorie auch einschließlich der Erblichkeit der Kaiserwürde selbst. Die idealen legendären Kaiser (Yau und Schun) designieren ihre Nachfolger (Schun und Yü) ohne Rücksicht auf Abkunft aus dem Kreise ihrer Minister und über den Kopf ihrer eigenen Söhne lediglich nach ihrem, von den höchsten Hofbeamten bescheinigten, persönlichen Charisma, und ebenso alle ihre Minister, und erst der dritte von ihnen, Yü, designiert nicht seinen ersten Minister (Y), sondern seinen Sohn (Ki). Eigentliche Heldengesinnung sucht man in den meisten klassischen Schriften (ganz im Gegensatz zu den alten echten Dokumenten und Monumenten) vergebens. Die überlieferte Ansicht des Konfuzius geht dahin: daß Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit sei und ein unangebrachtes Einsetzen seines eigenen Lebens dem Weisen nicht zieme. Die tiefe Befriedung des Landes zumal seit der Mongolenherrschaft hat diese Stimmung sehr gesteigert. Das Reich wurde nunmehr ein Reich des Friedens. 'Gerechte' Kriege gab es in seinen Grenzen, da es ja als Einheit galt, nach Mencius überhaupt nicht. Die Armee war im Verhältnis zu seinem Umfang schließlich geradezu winzig geworden. Daß die Kaiser nach Loslösung der Literatenschulung vom Zusammenhang mit der ritterlichen Bildung neben den literarischen Staatsprüfungen auch sportliche und literarische Wettkämpfe um Militärdiplome beibehielten – deren Erlangung übrigens seit langem mit der wirklichen Militärkarriere in fast keinem Zusammenhang mehr stand –, hatte daran nichts geändert, daß der Militärstand ebenso verachtet blieb wie in England seit zwei Jahrhunderten, und daß ein literarisch Gebildeter mit Offizieren nicht auf gleichem Fuß verkehrte. Der Mandarinenstand, aus deren Mitte sich alle Klassen der chinesischen Zivilbeamten rekrutierten, war in der Zeit der Einheitsmonarchie eine Schicht diplomierter Pfründenanwärter geworden, deren Amtsqualifikation und Rang nach der Zahl der bestandenen Prüfungen sich richtete. Diese Prüfungen gliederten sich in drei Hauptstufen, welche jedoch zufolge der Zwischen-, Wiederholungs- und Vorprüfungen, sowie der zahlreichen Sonderbedingungen um ein vielfaches vermehrt wurden: es gab allein zehn Arten von Prüflingen ersten Grades. 'Wieviel Examina er bestanden habe?', war die Frage, welche an einen Fremden, dessen Rang unbekannt war, gestellt zu werden pflegte. Nicht: wieviele Ahnen man hatte, bestimmte also – trotz des Ahnenkults – den sozialen Rang. Vielmehr genau umgekehrt: vom eigenen amtlichen Rang hing es ab, ob man einen Ahnentempel (oder, wie die Illiteraten, nur eine Ahnentafel) haben und wieviel Ahnen darin erwähnt werden durften. Selbst der Rang eines Stadtgottes im Pantheon hing von dem Rang des Mandarinen der Stadt ab. Der konfuzianischen Zeit (6./5. Jahrh. n. Chr.) war diese Möglichkeit des Aufstiegs zu Beamtenstellen und vollends das Prüfungswesen noch unbekannt. Die 'großen Familien' waren, wie es scheint, in den Feudalstaaten zum mindesten in aller Regel im Besitz der Macht. Erst die Han-Dynastie, stellte den Grundsatz der Verleihung der Aemter nach der Tüchtigkeit auf. Und erst die Tang-Dynastie schuf (690 n. Chr.) das Reglement für die Prüfung höchsten Grades. Es darf als höchstwahrscheinlich gelten, daß die literarische Bildung, vielleicht von Einzelausnahmen abgesehen, zunächst faktisch und vielleicht auch rechtlich ebenso Monopol der »großen Familien« blieb… Die Kaisersippe war zwar nicht von allen Prüfungen, wohl aber von der Prüfung ersten Grades entbunden. Und die Bürgen, welche jeder Prüfungskandidat zu stellen hatte, mußten bis zuletzt auch seine Abstammung aus 'guter Familie' bezeugen (was in der Neuzeit nur den Ausschluß der Abkömmlinge von Barbieren, Bütteln, Musikern, Hausdienern, Trägern usw. bedeutete)… Wirklich voll durchgeführt seit Ende des 7. Jahrhunderts, war das Prüfungswesen eines der Mittel, durch welche der Patrimonialherrscher die Bildung eines ihm gegenüber geschlossenen Standes, der das Recht auf die Amtspfründen nach Art der Lehensleute und Ministerialen monopolisiert hätte, zu hindern wußte. Seine ersten Spuren scheinen sich in dem später alleinherrschend gewordenen Teilstaat Tsin etwa in der Zeit des Konfuzius (und Huang Kong) zu finden: wesentlich nach militärischer Tüchtigkeit bestimmte sich die Auslese. Indessen schon das Li Ki und Tschou Li verlangen ganz rationalistisch: daß die Bezirkschefs ihre Unterbeamten periodisch auf ihre Moral hin prüfen, um sie danach dem Kaiser zum Avancement vorzuschlagen. Im Einheitsstaat der Han begann der Pazifismus die Richtung der Auslese zu bestimmen… In den später zu besprechenden wütenden Pfründenkämpfen der Folgezeit schloß er sich ständisch zusammen. Nachdem die noch heut vom Glanz: der eigentliche Schöpfer von Chinas Größe und Kultur gewesen zu sein, umstrahlte Tang-Dynastie die Stellung der Literaten erstmalig reglementiert und Kollegien für die Ausbildung eingerichtet (7. Jahrhundert), auch das Han lin yüan, die sog. 'Akademie', zunächst zur Redaktion der Annalen für die Gewinnung von Präzedenzien, und an deren Hand: Kontrolle der Korrektheit des Kaisers, geschaffen hatte, wurden nach den Mongolenstürmen durch die nationale Ming-Dynastie im 14. Jahrhundert die, im wesentlichen, abschließenden Statuten erlassen. In jedem Dorf sollte auf je 25 Familien eine Schule gegründet werden… Beamte wählten die besten Schüler aus und nahmen sie in bestimmter Zahl in die – in der Hauptsache verfallenen, zum Teil neu entstandenen – Kollegien auf. 1382 wurden für diese 'Studenten' Reisrente-Pfründen ausgeworfen, 1393 ihre Zahl bestimmt. Seit 1370 sollten nur Examinierte Amtsanwartschaft haben. Sofort setzte der Kampf der Regionen, besonders von Nord und Süd, ein. Der Süden lieferte schon damals gebildetere, weil aus der umfassenderen Umwelt stammende, Examensanwärter; aber der Norden war militärisch der Grundstein des Reichs. Der Kaiser griff also ein und bestrafte (!) Examinatoren, die einen Südländer als »Primus« placiert hatten. Es entstanden gesonderte Listen für Nord und Süd. Aber es entstand ferner auch sofort: der Kampf um die Amtspatronage. Schon 1387 wurden besondere Examina für Offiziers-Söhne bewilligt. Die Offiziere und Beamten gingen aber weiter und verlangten die Befugnis der Nachfolgerdesignation (also: die Re-Feudalisierung). 1393 wurde dies konzediert, aber schließlich doch nur in der Form: daß die Präsentaten den Vorzug bei Aufnahme in die Kollegien haben und Pfründen für sie reserviert werden sollten: 1465 für drei Söhne, 1482 für einen Sohn. Einkauf in die Kollegien (1453) und Aemter (1454) trat im 15. Jahrhundert bei militärischem Geldbedarf, wie stets, auf, wurde 1492 abgeschafft, 1529 wieder eingeführt. Ebenso kämpften die Ressorts. Das Ressort der Riten examinierte (seit 736), das Ressort der Aemter aber stellte an. Boykott der Examinierten durch letzteres und Examensstreiks durch ersteres als Antwort waren nicht ganz selten. Formal war der Ritenminister, material der Aemterminister (Hausmeier) zuletzt der mächtigste Mann in China. Es kamen nun Kaufleute in die Aemter, von denen man sich – sehr zu Unrecht natürlich – erhoffte, daß sie minder 'geizig' sein würden. Die Mandschus begünstigten die alten Traditionen, damit die Literaten und – soweit möglich – die 'Reinheit' der Aemterbesetzung. Aber nach wie vor bestanden nebeneinander die drei Wege: 1. kaiserliche Gnade für die Söhne der »Fürsten«-Familien (Examensprivilegien), – 2. leichte Prüfung (alle 3-6 Jahre offiziell) für die Unterbeamten durch die höheren mit Patronage dieser, wobei dann das Aufrücken auch in die höheren Stellen unvermeidlich stets neu eintrat, – 3. effektive reine Examensqualifikation: der einzige legale Weg… Die beiden äußersten historischen Gegenpole auf dem Gebiete der Erziehungszwecke sind: Erweckung von Charisma (Heldenqualitäten oder magischen Gaben) einerseits, – Vermittlung von spezialistischer Fachschulung andererseits. Der erste Typus entspricht der charismatischen, der letzte der rationalbureaukratischen (modernen) Struktur der Herrschaft. Beide stehen nicht beziehungs- und übergangslos einander gegenüber. Auch der Kriegsheld oder Magier bedurfte der Fachschulung. Auch dem Fachbeamten pflegt nicht nur Wissen angeschult zu werden. Aber sie sind Gegenpole. Zwischen diesen radikalsten Gegensätzen stehen alle jene Erziehungstypen mitten inne, welche eine bestimmte Art einer, sei es weltlichen oder geistlichen, in jedem Falle aber: einer ständischen, Lebensführung dem Zögling ankultivieren wollen… Ein Charisma kann man nicht lehren oder anerziehen. Es ist im Keim da oder wird durch ein magisches Wiedergeburtswunder eingeflößt, – sonst ist es unerreichbar. Die Facherziehung will die Zöglinge zu praktischer Brauchbarkeit für Verwaltungszwecke: – im Betrieb einer Behörde, eines Kontors, einer Werkstatt, eines wissenschaftlichen oder industriellen Laboratoriums, eines disziplinierten Heeres, – abrichten… Die chinesischen Prüfungen stellten nicht, wie die modernen, rational bureaukratischen Prüfungsordnungen unserer Juristen, Mediziner, Techniker usw., eine Fachqualifikation fest. Andererseits aber auch nicht den Besitz eines Charisma, wie die typischen Erprobungen der Magier und Männerbünde… Alle Stufen sollten Proben der Schreibkunst, der Stilistik, der Beherrschung der klassischen Schriften, endlich aber Proben einer einigermaßen vorschriftsmäßigen Gesinnung sein. Der einerseits rein weltliche, andererseits aber an die feste Norm der orthodox interpretierten Klassiker gebundene und höchst exklusiv literarische, buchmäßige, Charakter dieser Bildung war dabei das für unsere Zusammenhänge Entscheidende… Die chinesische höhere Bildung hatte nicht immer ihren heutigen Charakter gehabt. Die öffentlichen Lehranstalten (Pan kung) der Feudalfürsten vermittelten, neben Kenntnis der Riten und der Literatur: Tanz- und Waffenkunst. Erst die Befriedung des Reichs im patrimonialen Einheitsstaat und endgültig das reine Amtsprüfungswesen wandelten jene der althellenischen wesentlich näher stehende Erziehung in die bis in dies Jahrhundert bestehende um… Neben die häusliche trat nun die Schulerziehung, für welche in jedem Hsien eine Volksschule vorhanden sein sollte. Die höhere Bildung setzte das Bestehen der ersten Zulassungsprüfung voraus. Vor allem blieb also dieser chinesischen (höheren) Bildung zweierlei eigentümlich. Zunächst: daß sie ebenso, wie anderwärts alle priesterlich geschaffene Bildung, ganz unmilitärisch und rein literarisch war. Dann aber, daß der in wörtlichem Sinne literarische: schriftmäßige Charakter hier ins Extrem gesteigert wurde. Dies scheint zum Teil eine Folge der Eigentümlichkeit der chinesischen Schrift und der aus ihr erwachsenen literarischen Kunst. Da die Schrift in ihrem bildhaften Charakter verharrte und nicht zu einer Buchstabenschrift, wie sie die Handelsvölker des Mittelmeeres geschaffen haben, rationalisiert wurde, so wendete sich das literarische Produkt an Auge und Ohr zugleich und an das erstere wesentlich mehr als an das letztere. Jedes 'Vorlesen' der klassischen Schriften war schon eine Uebersetzung aus dem Schriftbild in das (nicht geschriebene) Wort, denn der anschauliche Charakter zumal der alten Schrift stand dem Gesprochenen dem inneren Wesen nach fern. Die monosyllabische Sprache, welche nicht nur das Laut-, sondern auch das Tongehör in Anspruch nimmt, steht, in ihrer nüchternen Knappheit und ihrem Zwang syntaktischer Logik, im äußersten Gegensatz zu jenem rein anschaulichen Charakter der Schrift. Aber trotz oder vielmehr – wie Grube geistvoll darlegt – zum Teil wegen ihrer, der Struktur nach, stark rationalen Qualitäten hat sie weder der Dichtung noch dem systematischen Denken noch der Entfaltung der rednerischen Kunst die Dienste leisten können, welche der hellenische, lateinische, französische, deutsche und russische Sprachbau, jeder in anderer Art, dargeboten hat. Der Schriftzeichenschatz blieb weit reicher als der unvermeidlich festbegrenzte Wortsilbenschatz, und aus der dürftigen formelhaften Verstandesmäßigkeit dieses flüchteten sich daher alle Phantasie und aller Schwung in die stille Schönheit jenes zurück. Die übliche Dichtungssprache galt der Schrift gegenüber als im Grunde subaltern, nicht das Sprechen, sondern das Schreiben und das die Kunstprodukte des Schreibens rezipierende Lesen als das eigentlich künstlerisch Gewertete und des Gentleman Würdige. Das Reden blieb eigentlich eine Sache des Pöbels. Im schärfsten Gegensatz gegen das Hellenentum, dem die Konversation alles, die Uebertragung in den Stil des Dialoges die adäquate Formung jedes Erlebten und Erschauten war, verharrten gerade die feinsten, weit über der charakteristischerweise gerade in der Mongolenzeit blühenden Dramatik gewerteten, Blüten der literarischen Kultur gewissermaßen taubstumm in ihrer seidenen Pracht. Von den namhaften Sozialphilosophen hat Meng Tse (Mencius) sich der Dialogform systematisch bedient. Eben deshalb erscheint er uns leicht als der einzige zu voller 'Klarheit' gediehene Repräsentant des Konfuzianismus. Die sehr starke Wirkung der (von Legge) sog. »konfuzianischen Analekten« auf uns beruht ebenfalls darauf, daß die Lehre hier (wie übrigens gelegentlich auch sonst) in die Form von (teilweise wohl authentischen) sentenziösen Antworten des Meisters auf Fragen der Schüler gekleidet, also, für uns, in die Sprachform transponiert ist. Im übrigen enthält die epische Literatur die oft in ihrer lapidaren Wucht höchst eindrucksvollen Anreden der alten Kriegskönige an das Heer und besteht ein Teil der didaktischen Annalistik aus Reden, deren Charakter jedoch eher pontifikalen 'Allokutionen' entspricht. Sonst spielt die Rede in der offiziellen Literatur keine Rolle. Ihre Unentwickeltheit wurde, wie wir gleich sehen werden, durch soziale und politische Gründe mitbedingt. Einerseits blieb so trotz der logischen Qualitäten der Sprache das Denken weit stärker im Anschaulichen stecken und erschloß sich die Gewalt des Logos, des Definierens und Räsonierens, dem Chinesen nicht. Andererseits löste diese reine Schriftbildung den Gedanken noch stärker von der Geste, der Ausdrucksbewegung, als dies der literarische Charakter einer Bildung ohnedies zu tun pflegt. Zwei Jahre lang lernte der Schüler etwa 2000 Schriftzeichen lediglich malen, ehe er in ihren Sinn eingeführt wurde. Weiterhin bildete der Stil, die Verskunst und die Bibelfestigkeit in den Klassikern, endlich die zum Ausdruck gebrachte Gesinnung des Prüflings, den Gegenstand der Aufmerksamkeit. Sehr auffällig tritt in der chinesischen Bildung, selbst der Volksschulbildung, das Fehlen einer Schulung im Rechnen hervor. Und zwar obwohl im 6. Jahrhundert v. Chr., also in der Periode der Teilstaaten, der Positionsgedanke entwickelt war, die »Rechenhaftigkeit« im Verkehr alle Schichten der Bevölkerung durchdrungen hatte und die Abrechnungen der Verwaltungsstellen ebenso minutiös wie – aus den früher erwähnten Gründen – unübersichtlich waren. Die mittelalterliche Jugendlehre (Siao Hio I, 29) zählt zwar unter den sechs »Künsten« auch das Rechnen auf und zur Zeit der Teilstaaten gab es eine Mathematik, welche angeblich neben Regeldetri und kaufmännischem Rechnen auch Trigonometrie einschloß. Angeblich sei diese Literatur bei der Bücherverbrennung Schi Hoang Ti's bis auf Trümmer verloren gegangen. Jedenfalls ist von der Rechenkunst weiterhin in der Erziehungslehre nirgends mehr auch nur die Rede. Innerhalb der Erziehung des vornehmen Mandarinentums trat die Schulung im Rechnen im Lauf der Geschichte immer mehr zurück und verschwand schließlich ganz: die gebildeten Kaufleute lernten es erst im Kontor. Der Mandarin war seit der Reichseinheit und der Erschlaffung der Rationalisierungstendenz in der Staatsverwaltung ein vornehmer Literat… Der weltliche Charakter dieser Bildung stand im Gegensatz gegen andere, ihr sonst verwandte, Erziehungssysteme literarischen Gepräges. Die literarischen Prüfungen waren rein politische Angelegenheit. Der Unterricht erfolgte teils durch private Einzellehre, teils in gestifteten Kollegien mit Lehrkörpern. Doch kein Priester war an ihm beteiligt… Die chinesische Bildung diente Pfründeninteressen und war schriftgebunden, dabei aber reine Laienbildung teils rituellzeremonialen, teils traditionalistisch-ethischen Gepräges. Weder Mathematik noch Naturwissenschaft, noch Geographie, noch Sprachlehre trieb die Schule. Die Philosophie selbst hatte weder spekulativ-systematischen Charakter, wie die hellenische und, teilweise und in anderem Sinne, die indische und die okzidental-theologische Schulung, noch rational-formalistischen, wie die okzidental-juristische, noch empirisch-kasuistischen, wie die rabbinische, die islamische und, teilweise, die indische. Sie gebar keine Scholastik, da sie nicht, wie der Okzident und vorderasiatische Orient, beide auf hellenistischer Basis, eine fachmäßige Logik betrieb. Dieser Begriff sogar blieb der rein an den praktischen Problemen und Standesinteressen der Patrimonialbureaukratie orientierten, schriftgebundenen und undialektischen chinesischen Philosophie schlechterdings fremd. Was es bedeutete, daß dieser Kernproblemkreis aller abendländischen Philosophie ihr unbekannt blieb, tritt in der Art der Denkformen der chinesischen Philosophen, Konfuzius an der Spitze, ungemein deutlich zutage. Bei größter praktischer Nüchternheit verharrten die geistigen Werkzeuge in einer Gestalt, die – gerade bei manchen wirklich geistvollen, dem Konfuzius zugeschriebenen Aussprüchen – in ihrer Gleichnishaftigkeit eher an die Ausdrucksmittel indianischer Häuptlinge als an eine rationale Argumentation erinnert. Das Fehlen des Gebrauchs der Rede als eines rationalen Mittels zur Erzielung politischer und forensischer Wirkungen, wie es historisch zuerst in der hellenischen Polis gepflegt wurde, wie es aber in einem bureaukratischen Patrimonialstaat mit nicht formalisierter Justiz gar nicht entwickelt werden konnte, machte sich darin fühlbar. Die chinesische Justiz blieb teils summarische Kabinettsjustiz (der hohen Beamten), teils Aktenjustiz. Es gab kein Plädoyer, sondern nur schriftliche Eingaben und mündliche Einvernahme der Beteiligten. In gleichem Sinn aber wirkte die Uebermacht der Gebundenheit an die konventionellen Schicklichkeitsinteressen der Bureaukratie, welche die Erörterung »letzter« spekulativer Probleme als praktisch unfruchtbar, unziemlich und für die eigene Position, wegen der Gefahr von Neuerungen, bedenklich ablehnte. Wenn so die Technik und der sachliche Gehalt der Prüfungen rein weltlichen Charakter hatten und eine Art von »Literatenkultur-Examen« darstellten, so verband doch die volkstümliche Anschauung mit ihnen einen ganz anderen, magischcharismatischen, Sinn. In den Augen der Massen war der chinesische, erfolgreich geprüfte Kandidat und Beamte keineswegs nur ein durch Kenntnisse qualifizierter Amtsanwärter, sondern ein erprobter Träger magischer Qualitäten, die dem diplomierten Mandarin ebenso anhafteten wie dem geprüften und ordinierten Priester einer kirchlichen Gnadenanstalt oder dem zünftig erprobten Magier. Und auch die Stellung des mit Erfolg geprüften Kandidaten und Beamten entsprach in wichtigen Punkten derjenigen etwa eines katholischen Kaplans. Die Absolvierung des Unterrichts und der Prüfung bedeutete kein Ende der Unmündigkeit des Zöglings. Der zum »Baccalaureat« Geprüfte unterstand der Disziplin des Schuldirektors und der Examinatoren. Bei schlechter Führung wurde er aus den Listen gestrichen. Er erhielt unter Umständen Schläge in die Hand. Hatte dann der Amtsanwärter die Prüfungen der höheren Grade mit ihrer strengen Klausur glücklich passiert: – in den Klausurzellen der Prüfungslokalitäten waren schwere Erkrankungen, Todesfälle durch Selbstmorde nicht selten und galten, der charismatischen Auffassung der Prüfung als magischer 'Erprobung' entsprechend, als Beweis sündhaften Lebenswandels des Betroffenen, – und rückte er dann, je nach der Rangnummer der bestandenen Prüfung und der Patronage, die er besaß, in ein Amt ein, so blieb er auch weiterhin sein Leben lang unter Schulkontrolle. Nicht nur unterstand er, außer der Gewalt seiner Vorgesetzten, der beständigen Aufsicht und Kritik der Zensoren: ihre Rüge erstreckt sich ja auch auf die rituelle Korrektheit des Himmelssohnes selbst. Und nicht nur war von jeher vorgeschrieben und nach Art der katholischen Sündenbeichte als Verdienst gewertet die Selbstanklage der Beamten… Alle, auch die nur examinierten, nicht angestellten Literaten waren ständisch privilegiert. Die Literaten erfreuten sich nach Festigung ihrer Stellung bald spezifischer ständischer Privilegien. Die wichtigsten waren: 1. Freiheit von den 'sordida munera', den Fronden, – 2. Freiheit von der Prügelstrafe, – 3. Pfründen (Stipendien)… 'Offenheit' und 'Loyalität' rühmte die alte Annalistik als Kardinaltugenden. 'Mit Ehre zu sterben' war die alte Parole. »Unglücklichsein und nicht zu sterben wissen ist feig.« So insbesondere ein Offizier, der nicht »bis zum Tode« kämpfte. Selbstmord eines Generals, der eine Schlacht verloren hatte, war eine Tat, die er sich als Privileg rechnete: ihn ihm zu gestatten hieß: auf das Recht der Strafe verzichten und galt daher als nicht unbedenklich. Durch die patriarchale Hiao-Vorstellung waren diese feudalen Begriffe abgewandelt worden: man soll Verleumdungen leiden und unter ihren Folgen in den Tod gehen, wenn es der Ehre des Herrn nutzt; man kann (und soll) überhaupt durch treuen Dienst alle Fehler des Herrn ausgleichen, und das war hiao. Der Kotau vor dem Vater, älteren Bruder, Gläubiger, Beamten, Kaiser war gewiß kein Symptom feudaler Ehre… Die Ehre des Beamten behielt in starkem Maße einen Einschlag von durch Prüfungsleistungen und öffentliche Zensuren der Vorgesetzten geregelter Scholarenehre, auch wenn er die höchsten Prüfungen absolviert hatte. Ganz anders noch als dies für jede Bureaukratie (wenigstens auf den unteren Staffeln, und in Württemberg mit seinem berühmten »Note- I-Fischer«, auch in den höchsten Amtsstellungen) ebenfalls in gewissem Sinn galt… Der 'Kiün-tse', der 'fürstliche Mensch', einst: der 'Held', war der Literatenzeit der zu allseitiger Selbstvervollkommnung gelangte Mensch: ein 'Kunstwerk' im Sinne eines klassischen, ewig gültigen, seelischen Schönheitskanons, wie ihn die überlieferte Literatur in die Seelen ihrer Schüler pflanzte. Daß andererseits die Geister die 'Güte' im Sinn der sozialethischen Tüchtigkeit belohnen, war seit der Han-Zeit spätestens feststehender Glaube der Literaten. Güte, temperiert durch klassische (= kanonische) Schönheit, war daher das Ziel der Selbstvervollkommnung. Kanonisch vollendete schöne Leistungen waren, wie der letzte Maßstab der höchsten Prüfungsqualifikation, so die Sehnsucht jedes Scholaren. Ein vollkommener Literat, das heißt, ein (durch Erringung der höchsten Grade) 'gekrönter Dichter' zu werden, war der Jugendehrgeiz Li Hung Tschangs': daß er ein Kalligraph von großer Meisterschaft ist, daß er die Klassiker, vor allem des Konfuzius 'Frühling und Herbst' (die früher erwähnten, für unsere Begriffe unendlich dürftigen 'Annalen') wörtlich hersagen kann, blieb sein Stolz und war für seinen Oheim, nachdem er dies erprobt, Anlaß, ihm seine Jugenduntugenden zu verzeihen und ein Amt zu verschaffen. Alle anderen Kenntnisse (Algebra, Astronomie) galten ihm nur als unumgängliche Mittel, »ein großer Poet zu werden«. Die klassische Vollendung des Gedichts, welches er als Gebet im Tempel der Seidenbau-Schutzgöttin im Namen der Kaiserin-Witwe verfaßt hatte, erwarb ihm die Gunst der Herrscherin. Wortspiele, Euphuismen, Anspielungen auf klassische Zitate und eine feine, rein literarische Geistigkeit galt als Ideal der Konversation vornehmer Männer, von der alle aktuelle Politik ausgeschlossen blieb. Daß diese sublimierte, klassisch gebundene 'Salon'-Bildung zur Verwaltung großer Gebiete befähigen sollte, mag uns befremdlich erscheinen. Und in der Tat: mit bloßer Poesie verwaltete man auch in China nicht. Aber der chinesische Amtspfründner bewährte seine Standesqualifikation, sein Charisma, durch die kanonische Richtigkeit seiner literaturgerechten Formen, auf welche deshalb auch im amtlichen Verkehr bedeutendes Gewicht gelegt wurde. Zahlreiche wichtige Kundgebungen der Kaiser, als der Hohenpriester der literarischen Kunst, hatten die Form von Lehrgedichten. Und andererseits hatte der Beamte sein Charisma darin zu bewähren, daß seine Verwaltung »harmonisch«, d.h. ohne Störungen durch unruhige Geister der Natur oder der Menschen, ablief, mochte die wirkliche 'Arbeit' auch auf den Schultern von Subalternen ruhen… Der soziale Charakter der Bildungsschicht bestimmte nun auch ihre Stellungnahme zur Wirtschaftspolitik. Wie so viele andere typischen Züge patrimonial-bureaukratischer Gebilde theokratischer Prägung trug das Staatswesen seiner eigenen Legende nach schon seit Jahrtausenden den Charakter eines re ligiösutilitarischen Wohlfahrtsstaates. Allerdings hatte die reale Staatspolitik die Wirtschaftsgebarung, wenigstens soweit Produktion und Erwerb in Betracht kam, in China ebenso wie im alten Orient, seit schon sehr langen Zeiten im wesentlichen – soweit nicht Neusiedelungen, Meliorationen (durch Bewässerung) und fiskalische oder militärische Interessen im Spiel waren – immer wieder sich selbst überlassen, aus den schon erörterten Gründen. Nur die militärischen und militärfiskalischen Interessen hatten immer aufs neue – wie wir sahen – leiturgische, monopolistische oder steuerlich bedingte, oft recht tiefe, Eingriffe in das Wirtschaftsleben: teils merkantilistische, teils ständische Reglementierung, hervorgerufen. Mit dem Ende des nationalen Militarismus fiel alle derartige planmäßige »Wirtschaftspolitik« dahin. Die Regierung, im Bewußtsein der Schwäche ihres Verwaltungsapparates, begnügte sich nun mit der Sorge für Vorflut und Unterhaltung der Wasserstraßen, welche für die Reisversorgung der führenden Provinzen unentbehrlich waren, im übrigen mit der typischen patrimonialen Teuerungs- und Konsumpolitik. Sie besaß keine Handelspolitik im modernen Sinne: die Zölle, welche die Mandarinen an den Wasserstraßen errichteten, hatten, soviel bekannt, nur fiskalischen, niemals wirtschaftspolitischen Charakter… Wie die Wirtschaft daher in weitem Maße sich selbst überlassen blieb, so setzte sich auch die Abneigung gegen 'Staatsintervention' in ökonomischen Dingen, vor allem gegen die dem Patrimonialismus überall als Fiskalmaßregel geläufigen Monopolprivilegien als eine dauernde Grundstimmung fest. Allerdings nur als eine neben ganz andern, aus der Ueberzeugung von der Abhängigkeit alles Wohlergehens der Untertanen von dem Charisma des Herrschers hervorgehenden Vorstellungen, die oft ziemlich unvermittelt daneben standen und die typische Vielregiererei des Patrimonialismus wenigstens als Gelegenheitserscheinung immer erneut erstehen ließen. Und ferner stets mit dem selbstverständlichen Vorbehalt der teuerungs- und nahrungspolitischen Reglementierung des Konsums, wie sie auch die Theorie des Konfuzianismus in zahlreichen Spezialnormen über Ausgaben aller Art kennt. Vor allem aber mit der jeder Bureaukratie selbstverständlichen Abneigung gegen zu schroffe, rein ökonomisch durch freien Tausch bedingte Differenzierung… Die politische Gesamtstellung der Literaten wird nur verständlich, wenn man sich gegenwärtig hält, gegen welche Mächte sie zu kämpfen hatten. Vorerst sehen wir von den Heterodoxien ab, von denen später (Nr. IV) die Rede sein wird. In der Frühzeit waren ihre Hauptgegner die »großen Familien« der Feudalzeit gewesen, die sich nicht aus ihrer Amtsmonopolstellung hatten drängen lassen wollen. Sie haben sich mit den Bedürfnissen des Patrimonialismus und der Ueberlegenheit der Schriftkunde abfinden müssen und haben Mittel und Wege gefunden, durch kaiserliche Gnade ihren Söhnen den Weg zu ebnen. Sodann: die kapitalistischen Amtskäufer: die natürliche Folge der ständischen Nivellierung und Geldwirtschaft in den Finanzen. Hier konnte der Kampf nicht dauernd und absolut, sondern nur relativ erfolgreich sein, weil jeder Kriegsbedarf als einziges Finanzierungsmittel der finanzlosen Zentralverwaltung Pfründenverschacherung darbot, auch bis in die jüngste Gegenwart. Sodann: die rationalistischen Interessen der Verwaltung am Fachbeamtentum. Schon 601 unter Wen ti hervorgetreten, feierten sie 1068 unter Wang An Schiin der Not der Verteidigungskriege einen kurzlebigen vollen Triumph. Aber die Tradition siegte abermals und nun endgültig. – Es blieb nur ein dauernder Hauptfeind: der Sultanismus und die ihn stützende Eunuchenwirtschaft: der Einfluß des eben deshalb von den Konfuzianern mit tiefstem Mißtrauen angesehenen Harems. Ohne die Einsicht in diesen Kampf ist die chinesische Geschichte vielfach fast unverständlich… Welche Rolle bei diesen durch die ganze chinesische Geschichte sich ziehenden Kämpfen die Taoisten und Buddhisten gespielt haben: – warum und inwieweit sie natürliche, inwieweit Konstellations-Koalierte der Eunuchen waren, – ist hier noch nicht zu erörtern. Mehr beiläufig sei bemerkt, daß auch die Astrologie wenigstens dem modernen Konfuzianismus als unklassische Superstition und Konkurrenz gegen die alleinige Bedeutung des Tao-Charisma des Kaisers für den Gang der Regierung galt, was ursprünglich nicht der Fall war. Hier dürfte die Ressort-Konkurrenz der Hanlin-Akademie gegen das Astrologenkollegium entscheidend mitgespielt haben, vielleicht auch die jesuitische Provenienz der astronomischen Meßinstrumente… Das konfuzianische, letztlich pazifistische, an innenpolitischer Wohlfahrt orientierte, Literatentum stand natürlich den militärischen Mächten ablehnend oder verständnislos gegenüber. Von der Beziehung zu den Offizieren wurde schon geredet. Die ganze Annalistik ist davon paradigmatisch erfüllt, sahen wir. Proteste dagegen, daß man 'Prätorianer' zu Zensoren (und Beamten) mache, finden sich in der Annalistik. Besonders da die Eunuchen als Favorit-Generäle nach Art des Narses beliebt waren, lag diese Gegnerschaft gegen das rein sultanistisch-patrimoniale Heer nahe. Den populären militärischen Usurpator Wang Mang rühmen sich die Literaten gestürzt zu haben: die Gefahr des Regierens mit Plebjern lag eben bei Diktatoren stets sehr nahe. Nur dieser eine Versuch aber ist bekannt. Dagegen der faktischen, auch rein durch Usurpation (wie die Han) oder Eroberung (Mongolen, Mandschu) geschaffenen Gewalt haben sie sich, auch unter Opfern – die Mandschus nahmen 50% der Aemter, ohne Bildungsqualifikation – gefügt, wenn der Herrscher sich seinerseits ihren rituellen und zeremoniellen Anforderungen fügte: dann stellten sie sich, modern ausgedrückt, 'auf den Boden der Tatsachen'. 'Konstitutionell' konnte – das war die Theorie der Konfuzianer – der Kaiser nur durch diplomierte Literaten als Beamte regieren, 'klassisch' nur durch orthodox konfuzianische Beamte. Jede Abweichung davon konnte Unheil und, bei Hartnäckigkeit, Sturz des Kaisers und Untergang der Dynastie bringen. – Welches war nun der materiale Gehalt der orthodoxen Ethik dieses für den Geist der Staatsverwaltung und der herrschenden Schichten maßgebenden Standes? |
|
11 | 1920.5 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus VI. Die konfuzianische Lebensorientierung. Volltext Wie von der Macht des zunehmend expropriierten Feudalismus und des nie entwickelten Bürgertums, so ist die Patrimonialbureaukratie auch von der Konkurrenz einer selbständigen Hierokratie verschont geblieben. Von einer sozial machtvollen Prophetie – sei es vorderasiatischen, iranischen oder indischen Gepräges – ist nicht das Geringste bekannt. Niemals sind im Namen eines überweltlichen Gottes ethische 'Forderungen' durch Propheten gestellt worden. Der ungebrochen gebliebene Charakter der Religiosität schließt ihre Existenz geradezu aus: die pontifikale, cäsaropapistische, Gewalt hat nur mit Feudalen, nicht mit Propheten, ernstlich zu kämpfen gehabt. Sie schaltete jede an solche auch nur erinnernde Bewegung als heterodoxe Häresie gewaltsam und systematisch aus. Nie ist die chinesische 'Seele' durch einen Propheten revolutioniert worden. 'Gebete' der Privaten gab es nicht: der rituelle, literarische, Amtsträger und vor allem: der Kaiser sorgten für alles. Nur sie konnten das. Ein machtvolles Priestertum hat es, soweit geschichtliche Kunde reicht – mit den für den Taoismus zu machenden Vorbehalten – nicht gegeben. Vor allem keine eigene Erlösungslehre, keine eigene Ethik und: keine eigene Erziehung durch autonome religiöse Mächte. Es lebte sich also der intellektualistische Rationalismus einer Beamtenschicht frei aus, der hier wie überall im Innersten die Religionen verachtete, wo er ihrer nicht zur Domestikation benötigte, ihren berufsmäßigen Trägern aber nur dasjenige Maß von offizieller Geltung beließ, welches für jene Domestikationszwecke unerläßlich, und der starken traditionsgebundenen Macht der lokalen Sippenverbände gegenüber unausrottbar war. Jede weitere äußere und innere Entwicklung aber wurde radikal abgeschnitten. Staatsangelegenheit waren die Kulte der großen Gottheiten des Himmels und der Erde, verbunden mit einigen vergötterten Heroen und Spezialgeistern. Sie wurden nicht durch Priester, sondern durch die Träger der politischen Gewalt selbst, gepflegt. Staatlich vorgeschriebene 'Laienreligion' war allein der Glaube an die Macht der Ahnengeister und ihr Kult. Alle sonstige Volksreligiosität blieb – wie wir sehen werden – im Prinzip ein ganz systemloses Nebeneinander magischer und heroistischer Spezialkulte. Weit entfernt, daß der Rationalismus der Patrimonialbureaukratie diesen von ihm innerlich verachteten chaotischen Zustand systematisch umzuformen getrachtet hätte, akzeptierte er ihn vielmehr schlechthin. Denn einerseits mußte auch vom Standpunkt der konfuzianischen Staatsraison aus 'dem Volke die Religion erhalten' werden: ohne Glauben konnte, nach einem Wort des Meisters, die Welt nicht in Ordnung gehalten werden und seine Erhaltung war daher politisch sogar noch wichtiger als die Fürsorge für die Nahrung. Andererseits aber war die kaiserliche Gewalt ihrerseits das höchste religiös geweihte Gebilde. Sie stand in gewissem Sinne über dem Gewimmel der Volksgottheiten. Zwar ruhte die persönliche Stellung des Kaisers, wie wir sahen, ausschließlich auf seinem Charisma als Vollmachtträger ('Sohn') des Himmels, in dem seine Ahnen weilten. Aber – wie wir gleichfalls schon sahen – auch die Ehrung und Bedeutung der einzelnen Gottheiten war, ganz ebenso wie etwa diejenige des Heiligen eines neapolitanischen Kutschers oder Bootführers, noch gänzlich dem charismatischen Prinzip der Bewährung unterworfen. Gerade dieser charisma tische Charakter der Religiosität nun entsprach dem Selbsterhaltungsinteresse des Beamtentums. Denn alles Unheil, welches das Land betraf, desavouierte nun nicht die Beamtenschaft als solche, sondern nur allenfalls den einzelnen Beamten und den einzelnen Kaiser, dessen göttliche Legitimation dann verwirkt erschien. Oder: den Spezialgott. Es war also durch diese besondere Art von irrationaler Verankerung der irdischen Ordnungen das Optimum der Vereinigung von Legitimität der Beamtenmacht mit dem absoluten Minimum von selbständiger, mit dem Beamtentum denkbarerweise konkurrierender Gewalt überweltlicher Mächte und ihrer irdischen Vertretung erzielt. Jede Rationalisierung des Volksglaubens zu einer selbständigen, überweltlich orientierten Religion würde dagegen unentrinnbar eine selbständige Gewalt gegenüber der Beamtenmacht konstituiert haben. Dies 'Pragma' machte sich immer wieder, bei jedem Ansatz, einen Stein aus diesem geschichtlich verwachsenen Gebäude zu lösen, in Gestalt entschlossenen Widerstandes der Beamten geltend. Ein besonderes Wort für »Religion« kennt die Sprache nicht. Es gab: 1. 'Lehre' (einer Literatenschule), 2. »Riten«, ohne Unterschied: ob sie religiösen oder konventionellen Charakters waren. Der offizielle chinesische Namen für den Konfuzianismus war: 'Lehre der Literaten' (ju kiao). Die Beziehung zum Religiösen, einerlei ob magischen oder kultischen Charakters, blieb dabei ihrem Sinn nach diesseitig gewendet, weit stärker und prinzipieller als dies auch sonst überall und immer die Regel ist. Gerade in den Kulten, welche neben dem eigentlichen Staatskult der großen Geister am meisten begünstigt wurden, spielte die Hoffnung auf Verlängerung des Lebens eine Hauptrolle und es ist möglich, daß der ursprüngliche Sinn aller eigentlichen 'Gottes'-Vorstellungen in China geradezu auf dem Glauben ruhte, daß es Menschen von höchster Vollkommenheit gelungen sei, sich dem Tode zu entziehen und in einem seligen Reich ewig zu leben. Jedenfalls gilt allgemein der Satz: Um des eigenen diesseitigen Schicksals willen: für langes Leben, Kinder und Reichtum, in sehr geringem Maße um des Wohlergehens der Ahnen selbst, gar nicht aber um der eigenen »jenseitigen« Schicksale willen verrichtete – in starkem Gegensatz gegen die ägyptische, ganz und gar auf das eigene Jenseitsschicksal abgestellten Totenpflege – der orthodoxe konfuzianische Chinese (anders: der Buddhist) seine Riten. Die, zwar nicht offizielle, aber tatsächlich überwiegende, Ansicht der aufgeklärten Konfuzianer ließ schon seit langem die Seele nach dem Tode überhaupt sich verflüchtigen, in die Luft zerstieben oder sonst untergehen. Diese Lehre wurde durch Wang Tschung's Autorität ge stützt, dessen Gottesbegriff, wie gesagt, widerspruchsvoll war: Gott ist nicht anthropomorph vorzustellen, aber doch 'Leib' (ein formloses Fluidum), in welches der ihm wesensähnliche Menschengeist beim Tode, der für das Individuum ein 'Verlöschen' ist, wieder aufgeht. Das endgültige Schwinden der persönlichen Gottes- und der Unsterblichkeitsidee – durch den Materialisten und Atheisten Tschu Fu Tse im 12. Jahrhundert erreicht –, hinderte nicht, daß nachher orthodoxe Philosophen, die an einen persönlichen Gott glaubten, sich fanden. Aber der offizielle Konfuzianismus, wie er im heiligen Edikt Kaiser Kang Hi's (17. Jahrh.) redet, steht seitdem, wie früher schon erwähnt, auf jenem Standpunkt. Zum mindesten herrschte bei ihm seit langem allen Jenseitshoffnungen gegenüber eine absolut agnostische, wesentlich negative, Stimmung. Aber auch wo diese Stellungnahme nicht durchgedrungen oder durch die später zu besprechenden taoistischen und buddhistischen Einflüsse überwogen war, blieb doch das Interesse am eigenen Jenseitsschicksal gänzlich untergeordnet dem Interesse an dem möglichen Einfluß der Geister auf das diesseitige Leben. Es findet sich zwar in China – wie fast überall in patrimonialen Verbänden – die 'messianische' Hoffnung auf einen diesseitigen Heiland-Kaiser. Aber nicht: als Hoffnung auf eine absolute Utopie, – wie in Israel. Da sonst jede Eschatologie und jede Erlösungslehre, überhaupt jedes Greifen nach transzendenten Werten und Schicksalen fehlte, so blieb auch die staatliche Religionspolitik sehr einfach gestaltet. Zum einen Teil war sie Verstaatlichung des Kultbetriebes, zum anderen Gewährenlassen des aus der Vergangenheit überkommenen, für den Privatmann unentbehrlichen privatberuflich ausgeübten Zauberpriestertums. Der Staatskult war absichtsvoll nüchtern und schlicht: Opfer, rituelles Gebet, Musik und rhythmischer Tanz. Alle orgiastischen Elemente waren streng – auch aus der offiziellen, pentatonischen, Musik offenbar absichtsvoll – ausgemerzt. Fast alle Ekstase und Askese, im offiziellen Kult auch: Kontemplation, fehlten und galten als Elemente einer Unordnung und irrationalen Erregung, welche dieser Beamtenrationalismus nicht ertrug und für ebenso gefährlich halten mußte, wie etwa der römische Amtsadel den Dionysoskult. Dem offiziellen Konfuzianismus fehlte natürlich das individuelle Gebet im okzidentalen Sinne des Worts. Er kannte nur Ritualformeln. Der Meister persönlich soll in Krankheit abgelehnt haben, daß für ihn gebetet werde und bekannt haben, daß er selbst es seit langen Jahren nicht getan habe. Gebete der Fürsten und hohen Beamten für das Wohl des politischen Verbandes dagegen sind von jeher und bis in die Gegenwart als wirksam geschätzt worden. Es fehlte dem Konfuzianismus aus diesen Gründen auch notwendig die Erfahrung von der (ihm übrigens auch ganz gleichgültigen) ungleichen (religiösen) Qualifikation der Menschen und daher jeder Gedanke religiöser Differenzierung eines 'Gnadenstandes': dieser Begriff selbst mußte schon an sich ihm notwendig unbekannt bleiben. Dem politischen Gegensatz der Patrimonialbureaukratie gegen den Feudalismus und jede geburtsständische Gliederung entsprach daher in der klassischen konsfuzianischen Lehre auch auf ethischem Gebiet die Voraussetzung der prinzipiellen Gleichheit der Menschen. Diese Vorstellung war, wie wir sahen, nichts urwüchsiges. Die Zeit des Feudalismus ruhte auf der Vorstellung von der charismatischen Verschiedenheit der Sippen der 'Edlen' gegenüber dem Volk. Und die Literaten-Herrschaft schuf die schroffe Kluft der Gebildeten gegenüber den Ungebildeten, dem 'dummen Volk' (yun min), wie es der Gründer der Ming-Dynastie (14. Jahrh.) nannte. Indessen die offizielle Theorie hielt sich doch nunmehr daran: daß nicht Geburt, sondern die im Prinzip allgemein zugängliche Bildung entscheide. Die 'Gleichheit' bedeutete dabei natürlich auch jetzt keine unbedingte Gleichheit aller naturgegebenen Qualitäten. Der eine besaß sehr wohl etwas mehr natürliche Anlage zu dem, was der andere sich erst erarbeiten mußte. Aber wenigstens das, was die niemals nach den Sternen greifende konfuzianische bureaukratische Staatsraison und Sozialethik verlangte, war jedem zu erreichen möglich. Und jeder hatte daher, eine gute staatliche Verwaltung vorausgesetzt, im übrigen den Grund seiner äußeren und inneren Erfolge oder Mißerfolge bei sich selbst zu suchen. Der Mensch war an sich gut, das Schlechte kam von außen, durch die Sinne, in ihn hinein, und die Unterschiede der Qualität waren Unterschiede der harmonischen Entwicklung des einzelnen: die charakteristische Konsequenz des Fehlens eines überweltlichen ethischen Gottes; daneben auch: eine Widerspiegelung der ständischen Verhältnisse im Patrimonialstaat. Freilich wollte der Vornehme seinen Namen nach seinem Tode geehrt wissen. Aber: ausschließlich um eigener Tüchtigkeit willen. Prinzipiell nur die Lebenslage differenzierte den Menschen. Gleiche ökonomische Lage und gleiche Erziehung machte sie einander auch an Charakter wesensgleich. Und zwar war, wie schon vorweg bemerkt sei, materieller Wohlstand, – im denkbar schärfsten Gegensatz gegen die einmütige Ansicht aller christlichen Konfessionen –, ethisch betrachtet, nicht etwa in erster Linie Quelle von Versuchungen (obwohl natürlich solche anerkannt wurden), sondern vielmehr: das wichtigste Mittel zur Beförderung der Moral. Dies aus Gründen, die wir noch kennen lernen werden. Andererseits fehlte jede naturrechtliche Sanktionierung irgendeiner persönlichen Freiheitssphäre des einzelnen. Selbst ein Wort für 'Freiheit' war der Sprache fremd. Das ist aus der Eigenart des Patrimonial-staates und aus historischen Reminiszenzen ohne weiteres erklärlich. Das einzige praktisch schließlich – aber nach langen Perioden leiturgischer Negierung der Privatsphäre – mit leidlich sicheren (wie wir sahen, nicht im okzidentalen Sinn garantierten) Schranken umgebene Institut war: der private Sachgüterbesitz. Sonst gab es gesetzlich garantierte Freiheitsrechte nicht. Auch dies 'Privateigentum' an Sachgütern war nur faktisch relativ gesichert und genoß nicht den Nimbus jener Heiligkeit, wie sie z.B. in Aeußerungen Cromwells gegenüber den Levellern sich findet. Zwar die patrimonialistische Theorie, daß der Kaiser Niemandes Gast, der vorgesetzte Beamte nicht Gast der Untergeordneten sein könne, weil ihm von Rechts wegen aller Besitz des Untergebenen zu eigen gehöre, war wesentlich nur noch von zeremonialer Bedeutung. Aber die gelegentlich starken, offenbar vorwiegend fiskalisch bedingten Eingriffe der Amtsgewalt in die Art der Bewirtschaftung und Verteilung des Grundbesitzes hatten unter anderem auch den Nimbus des halb legendären Tsing-tien-Systems mit seinem patrimoni al regulierten 'Recht auf Land' durch alle Jahrhunderte hindurch lebendig erhalten. Und die in solchen Idealen sich äußernde nahrungspolitische Vorliebe für möglichste Gleichheit der Eigentumsverteilung im Interesse der Erhaltung der sozialen Ruhe paarte sich mit einer staatlichen Magazinpolitik ägyptischer Art im teuerungspolitischen Interesse. Materiale Gerechtigkeit, nicht formales Recht, war auch auf diesem Gebiet das Ideal des Patrimonialismus. Daher blieben Eigentum und Erwerb Probleme einerseits praktischer Zweckmäßigkeit, andererseits sozialethischer Fürsorge für die Ernährung der Massen, nicht aber einer naturrechtlich individualistischen Sozialethik, wie sie in der Neuzeit im Okzident gerade aus der Spannung zwischen formalem Recht und materialer Gerechtigkeit entsprang. Die gebildeten und regierenden Schichten sollten nach ihrer eigenen Ansicht begreiflicherweise eigentlich auch die am meisten Besitzenden sein. Aber das letzte Ziel war doch: möglichst universell verbreiteter Besitz im Interesse der universellen Zufriedenheit. Göttliches unwandelbares Naturrecht gab es lediglich in Gestalt des in seinen magischen Wirkungen von jeher erprobten heiligen Zeremoniells und der heiligen Pflichten gegen die Geister der Ahnen. Eine naturrechtliche Entwicklung modern okzidentalen Gepräges hätte neben so manchem anderen auch eine Rationalisierung des positiv geltenden Rechtes vorausgesetzt, wie sie der Okzident im römischen Recht besaß. Dies aber war ein Erzeugnis zuerst: autonomen städtischen Geschäftslebens, welches feste Klageschemata erzwang, dann: der Rationalisierung durch die Kunstlehre der juristischen römischen Honoratiorenschicht und schließlich: der oströmischen Bureaukratie. In China fehlte ein Juristenstand, weil die Advokatur im okzidentalen Sinn fehlte. Und diese fehlte, weil dem Patrimonialismus des chinesischen Wohlfahrtsstaates mit seiner schwachen Amtsgewalt der Sinn für die formale Entwicklung des weltlichen Rechtes abging. Dem früher Gesagten ist hinzuzufügen: nicht nur galt kraft des Satzes: 'Willkür bricht Landrecht' das örtliche Herkommen auch contra legem. Sondern vor allem entschied der chinesische Richter, als typischer Patrimonialrichter, durchaus patriarchal, d.h. soweit die geheiligte Tradition ihm dazu Raum ließ, ausdrücklich nicht nach formalen Regeln: 'ohne Ansehen der Person'. Vielmehr weitgehend gerade umgekehrt je nach deren konkreter Qualität, und je nach der konkreten Situation: nach Billigkeit und Angemessenheit des konkreten Resultats. Dieser »salomonischen« Kadi-Justiz fehlte auch ein heiliges Gesetzbuch im Sinne des Islam. Die systematische kaiserliche Gesetzsammlung galt nur soweit als unverbrüchlich, als sie zwingende magische Tradition für sich hatte. Unter solchen Umständen fehlte auch die im Okzident, im Islam und in gewissem Umfange selbst in Indien bestehende Spannung zwischen heiligem und profanem Recht vollkommen. Eine Naturrechts-Lehre im Sinne der Antike (besonders der Stoa) und des Mittelalters hätte gerade jene Spannung philosophischer oder religiöser Postulate gegenüber der 'Welt' und eine daraus entspringende 'Urstands'-Lehre vorausgesetzt, wie sie offenbar im Konfuzianismus unmöglich erstehen konnte. Denn alle ethischen Zentralbegriffe, welche dafür erforderlich gewesen wären, waren ihm fremd. Davon später. Unsere moderne okzidentale Rechtsrationalisierung war das Erzeugnis zweier nebeneinander wirkender Mächte. Einmal des kapitalistischen Interesses an streng formalem und daher – in seinem Funktionieren – möglichst wie eine Maschinerie kalkulierbarem Recht und, vor allem, Rechtsgang. Dann: des Beamtenrationalismus der absolutistischen Staatsgewalten mit seinem Interesse an kodifizierter Systematik und Gleichförmigkeit des, von einer rational geschulten und nach interlokal gleichmäßigen Avancementschancen strebenden Bureaukratie zu handhabenden, Rechtes. Wo auch nur eine der beiden Mächte fehlte, entstand kein modernes Rechtssystem. Denn der moderne Kapitalismus konnte, wie das angelsächsische Common Law zeigt, recht gut auf dem Boden eines unsystematischen, einer streng rechtslogischen Gliederung entbehrenden, aber: formalen, in der Art des Rechtsdenkens am römischen und kanonischen Recht geschulten und dabei – als Schöpfung einer Anwaltsklasse – die Autonomie der ökonomisch Mächtigen garantierenden, Rechtes leben. Der rationalistischen Bureaukratie andererseits lag formal die kompendiöse Zusammenfassung und, schon im Interesse der Ubiquität der Verwendbarkeit des Beamten, die Rechtsgleichmäßigkeit, vor allem die Ueberlegenheit der obrigkeitlichen Satzung gegenüber der Unverbrüchlichkeit des Herkommens: der Willkür der Autonomie der lokalen und sozialen Differenzierung des Rechtes, am Herzen. Inhaltlich aber, überall da wo sie allein zu schalten vermochte, nicht sowohl die formale juristische Vollendung der Rechtsnormen, als deren materiale 'Gerechtigkeit', die ja ihrem immanenten Ethos allein entsprechen konnte. Wo ihr nicht ökonomisch mächtige kapitalistische Interessen oder ein sozial mächtiger Juristenstand das Gegengewicht hielten, hat sie das Recht material rationalisiert und systematisiert, die formale, gegen die materiale 'Gerechtigkeit' gleichgültige, juristische Technik aber zerstört. Der chinesische Patrimonialismus hatte nun seit der Einheit des Reiches weder mit mächtigen und für ihn nicht zu bändigenden kapitalistischen Interessen, noch mit einem selbständigen Juristenstand zu rechnen. Wohl aber mit der Heiligkeit der Tradition, die allein seine eigene Legitimität verbürgte. Und ebenso mit den Intensitätsgrenzen seiner Verwaltungsorganisation. Daher fehlte nicht nur die Entwicklung einer formalen, Jurisprudenz, sondern ist auch eine systematische materiale Durchrationalisierung des Rechtes nie versucht worden. Die Rechtspflege behielt also im allgemeinen denjenigen Charakter, welcher der theokratischen Wohlfahrtsjustiz zu eignen pflegt. So fehlte neben der philosophischen und theologischen auch die Entwicklung einer juristischen 'Logik'. Auch eine Entfaltung systematischen naturalistischen Denkens blieb aus. Die Naturwissenschaft des Okzidents mit ihrem mathematischen Unterbau ist eine Kombination rationaler, auf dem Boden der antiken Philosophie gewachsener, Denkformen mit dem auf dem Boden der Renaissance, und zwar zuerst nicht auf dem Gebiet der Wissenschaft, sondern auf demjenigen der Kunst, entstandenen technischen 'Experiment': dem spezifisch modernen Element aller naturalistischen Disziplinen. Die 'experimentierende' hohe Kunst der Renaissance war ein Kind einer einzigartigen Vermählung von zwei Elementen: des auf handwerksmäßiger Grundlage erwachsenen empirischen Könnens der okzidentalen Künstler und ihres, kulturhistorisch und sozial bedingten, durchaus rationalistischen Ehrgeizes: ihrer Kunst Ewigkeitsbedeu tung und sich selbst soziale Geltung dadurch zu gewinnen, daß sie sie zum gleichen Rang wie eine 'Wissenschaft' erhöben. Dies letzte gerade war das dem Okzident Spezifische. Hier steckte auch die stärkste Triebfeder der »Rückkehr« zur Antike, so, wie man diese verstand. Neben dem durch Lionardo repräsentierten Typus war namentlich die Musik, vor allem im 16. Jahrhundert mit seinen Experimentier-Klaviaturen (Zarlino), ein Mittelpunkt dieses mit dem charakteristischen künstlerischen »Natur«-Begriff der Renaissance operierenden gewaltigen Ringens. Besondere soziale Bedingungen für die hochgradig agonale Ausgestaltung der Kunstübung waren dabei, ebenso wie im Altertum, mitwirksam. Oekonomische und technische Interessen der nordeuropäischen Wirtschaft, vor allem: Bedürfnisse des Bergbaues, halfen dann den geistesgeschichtlichen Gewalten dabei, das Experiment in die Naturwissenschaft hinüberzutragen. Das Nähere gehört nicht hierher. Der virtuosenhaft verfeinerten chinesischen Kunst fehlte jeder dieser Antriebe zum rationalistischen Ehrgeiz (im Sinne der okzidentalen Renaissance), und der Agon der Herrenschicht mündete innerhalb der Verhältnisse der Patrimonialbureaukratie gänzlich in die Pfründner- und literarische Graduierten-Konkurrenz aus, die alles andere erstickte. Die relativ sehr geringe Entwicklung des gewerblichen Kapitalismus ließ überdies auch die für einen Uebergang von der empirischen zur rationalen Technik nötigen ökonomischen Prämien in China nicht entstehen). So blieb alles sublimierte Empirie. Im Ergebnis konnte sich also hier die immanente Stellungnahme einer Beamtenschaft zum Leben, der nichts, keine rationale Wissenschaft, keine rationale Kunstübung, keine rationale Theologie, Jurisprudenz, Medizin, Naturwissenschaft und Technik, keine göttliche und keine ebenbürtige menschliche Autorität Konkurrenz machte, in dem ihr eigentümlichen praktischen Rationalismus ausleben und eine ihr kongruente Ethik schaffen, begrenzt nur durch die Rücksicht auf die Mächte der Tradition in den Sippen und im Geisterglauben. Es trat ihr keines der anderen Elemente spezifisch modernen Rationalismus, welche für die Kultur des Westens konstitutiv waren, zur Seite, weder konkurrierend noch unterstützend. Sie blieb aufgepfropft auf eine Unterlage, welche im Westen schon mit der Entwicklung der antiken Polis im wesentlichen überwunden war. Es kann also die von ihr getragene Kultur annähernd als ein Experiment gelten: welche Wirkung rein von sich aus der praktische Rationalismus der Herrschaft einer Amtspfründnerschaft hat. Das Resultat dieser Lage war: der orthodoxe Konfuzianismus. Die Herrschaft der Orthodoxie war ein Produkt der Einheit des theokratischen Weltreiches mit seiner obrigkeitlichen Reglementierung der Lehre. In der Zeit der wilden Kämpfe der Teilstaaten haben wir, ganz ebenso wie in der Polis-Kultur der okzidentalen Antike, den Kampf und die Beweglichkeit der geistigen Richtungen. Die chinesische Philosophie in allen ihren Gegensätzen ist in etwa dem gleichen Zeitraum wie die der Antike entwickelt worden. Seit der Konsolidierung der Einheit, etwa mit dem Beginn unsrer Zeitrechnung, ist ein ganz selbständiger Denker nicht mehr aufgetreten. Und nur die Kämpfe der Konfuzianer, Taoisten und Buddhisten und, innerhalb der anerkannten oder zugelassenen konfuzianischen Lehre, die Kämpfe philosophischer und – damit zusammenhängend – verwaltungspolitischer Schulen blieben bestehen, bis die Mandschuherrschaft die konfuzianische Orthodoxie endgültig kanonisierte. Der Konfuzianismus war, ebenso wie der Buddhismus, nur Ethik ('Tao', darin entsprechend dem indischen 'Dhamma'). Aber er war, im schärfsten Gegensatz zum Buddhismus ausschließlich innerweltliche Laiensittlichkeit. Und in noch schärferem Kontrast zu ihm war er: Anpassung an die Welt, ihre Ordnungen und Konventionen, ja, letztlich eigentlich nur ein ungeheurer Kodex von politischen Maximen und gesellschaftlichen Anstandsregeln für gebildete Weltmänner. Die kosmischen Ordnungen der Welt waren ja fest und unverbrüchlich, und nur ein Sonderfall von ihnen waren die Ordnungen der Gesellschaft. Die kosmischen Ordnungen der großen Geister wollten offensichtlich das Glück der Welt und insbesondere der Menschen. Die Ordnungen der Gesellschaft ebenso. Die 'glückliche' Ruhe des Reiches und das Gleichgewicht der Seele sollte und konnte also nur durch Einordnung in jenen in sich harmonischen Kosmos erreicht werden. Gelang diese im Einzelfalle nicht, so war menschlicher Unverstand, und zwar vor allem: ordnungswidrige Leitung des Staats und der Gesellschaft, daran schuld So wurde etwa in einem Edikt (im 19. Jahrhundert) das Vorherrschen schlechter Winde in einer Provinz darauf zurückgeführt, daß die Bevölkerung gewisse polizeiliche Pflichten (Auslieferung Verdächtiger) versäumt und dadurch die Geister in Unruhe versetzt habe, oder: daß Prozesse verschleppt werden. Die charismatische Auffassung von der Kaisergewalt und der Identität von Ordnung im Kosmos und in der Gesellschaft bedingte diese Grundvoraussetzung. Auf das Verhalten der Menschen, welche für die Leitung der als eine große patrimonial regierte Gemeinschaft gedachten Gesellschaft verantwortlich waren: der Beamten, kam daher alles an. Die bildungslose Masse des Volkes sollte der Monarch als Kinder behandeln. Materielle und ideelle Fürsorge für die Beamtenschaft dagegen und eine gute und achtungsvolle Beziehung zu ihr gehörte zu seinen ersten Pflichten. Der einzelne Privatmann aber diente dem Himmel am besten durch Entwicklung seiner eigenen wahren Natur, die unfehlbar das in jedem Menschen verborgene Gute zum Vorschein bringen werde. Alles war also ein Erziehungsproblem mit dem Ziel der Selbstentwicklung aus der eigenen Anlage heraus. Es gab das 'radikal Böse' nicht, – man muß bis in das 3. Jahrhundert vor Chr. zurückgehen, um Philosophen zu finden, welche die heterodoxe Lehre von der ursprünglichen Verderbtheit des Menschen vertraten –, sondern nur: Fehler, und diese als Folge ungenügender Bildung. Die Welt, insbesondere die soziale Welt, war, so wie sie ist, gewiß ebensowenig vollkommen wie die Menschen: – es gab eben die bösen Dämonen neben den guten Geistern, – aber sie war so gut wie sie es eben nach dem jeweiligen Bildungsstande der Menschen und nach der charismatischen Qualität der Herrscher sein konnte. Ihre Ordnungen waren ein Produkt rein natürlicher Entwicklung der Kulturbedürfnisse, der unvermeidlichen Arbeitsteilung und der daraus folgenden Interessenkollisionen. Oekonomische und sexuelle Interessen waren nach der realistischen Auffassung des Meisters die grundlegenden Triebfedern des menschlichen Handelns. Daher waren nicht kreatürliche Verderbtheit und kein »Sündenstand« der Grund auch der als schlechthin gegeben hingenommenen Notwendigkeit von Zwangsgewalt und sozialer Unterordnung. Sondern – in sehr realistischer Art – ein schlichter ökonomischer Sachverhalt: die Knappheit der gegebenen Subsistenzmittel im Verhältnis zu den immer weiter vermehrbaren Bedürfnissen, woraus ohne die Zwangsgewalt der Krieg aller gegen alle folgen würde. Die Zwangsordnung als solche, die Besitzdifferenzierung und die ökonomischen Interessenkämpfe waren daher prinzipiell gar keine Probleme. Der Konfuzianismus war – obwohl die Schule auch eine Kosmogonie entwickelt hat – an sich von jedem metaphysischen Interesse in sehr hohem Grade frei. Nicht minder bescheiden waren die wissenschaftlichen Ansprüche der Schule. Die Entwicklung der Mathematik, einst bis zu trigonometrischen Erkenntnissen vorgeschritten, verfiel früh, weil sie nicht gepflegt wurde. Konfuzius selbst hat offenbar von der Präzession der Aequinoktien, die in Vorderasien längst bekannt war, nichts gewußt. Das Amt des Hofastronomen (d.h. des Kalenderordners, wohl zu scheiden von dem Hofastrologen, der zugleich Annalist und einflußreicher Berater war) ging, als Träger von Geheimwissen, im Erbgang über; aber irgend erhebliche Kenntnisse können kaum entwickelt worden sein, wie der große Erfolg der Jesuiten mit ihren europäischen Instrumenten beweist. Die Naturwissenschaften im ganzen blieben rein empirisch. Von dem alten botanischen (= pharmakologischen) Werk, angeblich eines Kaisers, scheinen nur Zitate erhalten. Den historischen Disziplinen kam die Bedeutung der alten Zeit zugute. Die archäologischen Leistungen scheinen im 10. und 12. Jahrhundert auf der Höhe gestanden zu haben, ebenso wie, bald nachher, die Kunst der Annalistik. Einen Fachjuristenstand zur Besetzung der Aemter zu schaffen, hat Wang-An-Schi vergebens versucht. Für andere als rein antiquarische oder rein praktische Gegenstände interessierte sich jedenfalls gerade der orthodoxe Konfuzianismus nicht. (Die Einschränkung dieser Behauptung ergibt sich aus dem unter Nr. VII Gesagten.) Seine grundsätzliche Stellung zur Magie war also die: daß er, sowenig wie die Juden, Christen und Puritaner die Realität der Magie bezweifelte (man hat auch in Neu-England Hexen verbrannt). Aber die Magie hatte keine Heilsbedeutung: Das war das Entscheidende. Wie bei den Rabbinen der Satz galt: 'für Israel gelten keine Planeten', d.h. die astrologische Determiniertheit ist machtlos gegen Jahwes Willen für den Frommen, so im Konfuzianismus der entsprechende: die Magie ist machtlos gegen die Tugend: Der klassisch Lebende hat die Geister nicht zu fürchten, nur Untugend (Hochstehender) gibt ihnen Macht. Vollends die Kontemplation des buddhistischen Heiligen und seiner taoistischen Nachahmer lag ihm gänzlich fern. Nicht ohne polemische Spitze gegen den mystischen Taoismus Laotse's läßt die Tradition den Meister es ablehnen, 'im Verborgenen zu leben und Wunder zu tun, um dann bei späteren Geschlechtern Nachruhm zu ernten'. Die Stellungnahme zu einigen der großen Weisen der Vergangenheit, welche sich nach der Tradition in die Einsamkeit zurückzogen, mußte dabei freilich etwas gewunden werden: nur aus dem schlecht regierten Staat dürfe man sich zurückziehen. Im übrigen verheißt – die einzige scheinbar auf mystische Grundlagen deutende Wendung – der Meister gelegentlich als Lohn der vollendeten Tugend die Gabe der Kenntnis der Zukunft. Sieht man näher zu, so handelt es sich aber nur um die Fähigkeit, Omina richtig zu deuten, also: nicht hinter den berufsmäßigen Divinationspriestern zurückzubleiben. Die schon erwähnte, in der ganzen Welt verbreitete einzige 'messianische' Hoffnung auf einen künftigen Musterkaiser (dem, nach Rezeption dieser Märchenfigur, der Phönix vorangehen sollte), war volkstümlichen Ursprungs und wurde vom Konfuzianismus weder verworfen noch angetastet. Denn diesen interessierten lediglich die Dinge dieser Welt, wie sie einmal war. Der konventionell Gebildete wird die alten Zeremonien mit gebührendem und erbaulichem Anstand mit machen, ebenso wie er alle seine Handlungen, einschließlich der physischen Gesten und Bewegungen, nach den ständischen Sitten und den Geboten der »Schicklichkeit« – ein konfuzianischer Grundbegriff! – in Höflichkeit und Anmut regelt. Die Quellen verweilen gern bei der Schilderung, wie der Meister, in den vom Standpunkt der Etikette kompliziertesten Situationen, alle Beteiligten dem Range gemäß weltmännisch zu begrüßen und sich dabei in vollendeter Eleganz zu bewegen wußte. Der in sich und in bezug auf die Gesellschaft harmonisch abgestimmte und ausgeglichene 'höhere ('fürstliche', 'vornehme') Mensch' – jener in vielen überlieferten Aeußerungen des Meisters wiederkehrender Zentralbegriff–benimmt sich in jeder gesellschaftlichen Lage, sei sie hoch oder niedrig, dieser entsprechend und ohne seiner Würde etwas zu vergeben. Ihm eignet beherrschte Gelassenheit und korrekte Contenance, Anmut und Würde im Sinne eines zeremoniell geordneten höfischen Salons. Also, im Gegensatz zu der Leidenschaft und Ostentation des feudalen Kriegers im alten Islam: wache Selbstbeherrschung, Selbstbeobachtung und Reserve, vor allem: Unterdrückung der Leidenschaft, die in jeder Form, auch der der Freude, das Gleichgewicht der Seele und ihre Harmonie, die Wurzel alles Guten, stört. Also die Loslösung nicht, wie im Buddhismus, von allem, aber von allem irrationalen Begehren, nicht, wie im Buddhismus, um der Erlösung von der Welt, sondern um der Einfügung in die Welt willen. Der Gedanke einer Erlösung fehlte der konfuzianischen Ethik natürlich völlig. Weder von der Seelenwanderung noch von jenseitigen Strafen (die beide der Konfuzianismus nicht kannte), noch vom Leben (das er bejahte), noch von der gegebenen sozialen Welt (deren Chancen er durch Selbstbeherrschung klug zu meistern gedachte), noch vom Bösen oder einer Erbsünde (von der er nichts wußte), noch von irgend etwas sonst, außer: von der würdelosen Barbarei der gesellschaftlichen Ungeschliffenheit, begehrte der Konfuzianer »erlöst« zu werden. Und als 'Sünde' konnte ihm nur die Verletzung der einen sozialen Grundpflicht gelten: der Pietät.Denn wie der Feudalismus auf der Ehre, so ruhte der Patrimonialismus auf der Pietät als Kardinaltugend. Auf der ersten ruhte die Verläßlichkeit der Vasallentreue des Lehensmannes, auf der letzteren die Unterordnung des herrschaftlichen Dieners und Beamten. Der Unterschied war freilich kein Gegensatz, sondern mehr eine Akzentverschiebung. Auch der Vasall des Okzidents 'kommendierte' sich und hatte, ebenso wie der japanische Lehensmann, Pietätspflichten. Auch der freie Beamte hat Standesehre, auf welche als Motiv seines Handelns gerechnet wird, in China wie im Okzident und im Gegensatz zum vorderasiatischen und ägyptischen Orient, dessen Beamte aus dem Sklavenstande aufstiegen. Die Beziehung des Offiziers und Beamten zum Monarchen behält eben überall gewisse feudale Züge. Auch heute ist schon der ihm persönlich geleistete Eid ihr Merkmal. Gerade diese Elemente in der Amtsbeziehung pflegen die Monarchen aus dynastischem, die Beamten aus ständischem Interesse zu betonen. Der chinesischen Standesethik haftete die Erinnerung an den Feudalismus noch ziemlich stark an. Die Pietät (hiao) gegen den Lehensherrn wurde neben derjenigen gegen Eltern, Lehrer, Vorgesetzte in der Amtshierarchie und Amtsträger überhaupt aufgezählt, – denn ihnen allen gegenüber war das hiao prinzipiell gleichen Charakters. Der Sache nach war die Lehenstreue auf die Patronagebeziehung innerhalb der Beamtenschaft übertragen. Und der grundlegende Charakter der Treue war patriarchal, nicht feudal. Die schrankenlose Kindespietät gegen die Eltern war, wie immer wieder eingeschärft wurde, die absolut primäre aller Tugenden. Sie ging im Konfliktsfalle andern vor. Es wird in einem Ausspruch des Meisters lobend erwähnt, daß ein hoher Beamter die unzweifelhaften Mißbräuche, die sein Vater in der gleichen Stellung geduldet hatte, aus Pietät, um ihn nicht zu desavouieren, weiter duldete, im Gegensatz allerdings zu einer Stelle des Schu-king, wo der Kaiser einem Sohn das Amt des Vaters beläßt, auf daß er dessen Verfehlungen wieder gut machen könne. Keines Mannes Tun galt dem Meister als erprobt, ehe man gesehen hat, in welcher Art er um seine Eltern trauert. Es ist sehr begreiflich, daß in einem patrimonialen Staat einem Beamten – Konfuzius war zeitweise Minister – die Kindespietät, da sie auf alle Unterordnungsverhältnisse übertragen wird, als diejenige Tugend galt, aus der alle anderen folgen und deren Besitz die Probe und Garantie abgibt für die Erfüllung der wichtigsten Standespflicht der Bureaukratie: der unbedingten Disziplin. Die soziologisch grundlegende Wandlung des Heeres vom Heldenkampf zur disziplinierten Truppe liegt in China vor der historischen Zeit. Der Glaube an die Allmacht der Disziplin auf allen Gebieten findet sich in sehr alten Anekdoten und stand schon bei den Zeitgenossen des Konfuzius völlig fest. 'Insubordination ist schlimmer als niedrige Gesinnung': deshalb ist 'Extravaganz' – gemeint ist: prahlerischer Aufwand – schlimmer als Sparsamkeit. Aber – lautet die Kehrseite – Sparsamkeit ihrerseits führt zur 'niedrigen', d.h. plebejischen, im Sinne des Gebildeten unstandesgemäßen, Gesinnung, deshalb ist auch sie nicht positiv zu werten. Man sieht: die Stellung zum Oekonomischen ist hier, wie bei jeder ständischen Ethik, ein Problem des Konsums, nicht: der Arbeit. Das Wirtschaften zu erlernen lohnt sich für den »höheren« Menschen nicht. Ja es schickt sich eigentlich nicht für ihn. Nicht etwa aus grundsätzlicher Ablehnung des Reichtums als solchen. Im Gegenteil: ein gut verwalteter Staat ist der, in welchem man sich seiner Armut schämt (in einem schlecht verwalteten seines – im Zweifel im Amt unehrlich erworbenen – Reichtums). Die Vorbehalte galten nur der Sorge um Reichtums- Erwerb. Die ökonomische Literatur war Mandarinen-Literatur. Wie jede Beamtenmoral so lehnte natürlich auch diejenige des Konfuzianismus die eigene Teilnahme des Beamten am Erwerb, direkt wie indirekt, als ethisch bedenklich und standeswidrig ab. Um so eindringlicher, je mehr tatsächlich der Beamte, dessen Bezüge an sich nicht hoch waren, und überdies, wie in der Antike, vorwiegend in Naturalien-Deputaten bestanden, auf Ausbeutung seiner Amtsstellung als solcher angewiesen blieb. Irgendwelche prinzipiell antichrematistische Theorien aber hat diese utilitarische, weder feudal noch asketisch gestimmte, Ethik nicht entwickelt. Im Gegenteil. Der Konfuzianismus hat sehr modern klingende Theorien von Angebot und Nachfrage, Spekulation und Profit hervorgebracht. Die Rentabilität des Geldes (der Zins heißt chinesisch wie griechisch 'Kind' des Kapitals) versteht sich im Gegensatz zum Okzident von selbst und auch von Zinsschranken weiß die Theorie anscheinend nichts (während allerdings kaiserliche Statuten gewisse Arten von »Wucher« verwarfen). Nur sollte der Kapitalist als privater Interessent nicht Beamter werden. Der literarisch Gebildete persönlich bleibe dem Chrematismus fern. Wo soziale Bedenken gegen das Gewinnstreben als solches auftraten, waren sie wesentlich politischer Natur. Gewinnsucht galt dem Meister als Quelle sozialer Unruhen. Gemeint ist hier ersichtlich die Entstehung des typischen vorkapitalistischen Klassenkonflikts zwischen den Interessen der Aufkäufer und Monopolisten und den Konsumenteninteressen. Der Konfuzianismus war dabei naturgemäß vorwiegend konsumentenpolitisch orientiert. Aber Feindschaft gegen ökonomischen Gewinn lag ganz fern. Dies ist auch in der volkstümlichen Vorstellung nicht anders gewesen. Erpresserische und ungerechte Beamte, besonders Steuer- und andere Subalternbeamte, wurden bitter im Drama gegeißelt. Aber von Anklagen oder Verhöhnungen gegen Kaufleute und Wucherer scheint (relativ) sehr wenig die Rede zu sein. Die zornige Feindschaft des Konfuzianismus gegen das buddhistische Klosterwesen, welche zu dem Vernichtungsfeldzug des Kaisers Wu-Tsung im Jahre 844 führte, wurde in erster Linie damit begründet, daß die Klöster das Volk von nützlicher Arbeit ablenkten (tatsächlich spielte, sahen wir, 'Währungspolitik' dabei eine Rolle). In der gesamten orthodoxen Literatur tritt die Schätzung ökonomischer Aktivität stark hervor. Auch Konfuzius würde nach Reichtum streben, 'selbst als Diener mit der Peitsche in der Hand', – wenn nur der Erfolg dieses Strebens einigermaßen verbürgt wäre. Aber das ist eben nicht der Fall und daraus folgt der einzige, in der Tat sehr wesentliche Vorbehalt gegen Wirtschaftserwerb: Das Gleichgewicht und die Harmonie der Seele wird durch die Risiken des Erwerbs erschüttert. Der Standpunkt des Amtspfründners tritt so in ethischer Verklärung auf. Die amtliche Stellung ist vor allem auch deshalb die einzige eines höheren Menschen würdige, weil sie allein die Vollendung der Persönlichkeit gestattet. Ohne beständiges Einkommen, meint Mencius, vermöge der Gebildete nur schwer, das Volk aber gar nicht eine beständige Gesinnung zu haben. Wirtschaftlicher, ärztlicher, priesterlicher Erwerb ist der 'kleine Weg'. Denn – ein mit dem vorigen eng zusammenhängender höchst wichtiger Punkt: – er führt zur fachlichen Spezialisierung. Der vornehme Mensch aber strebt nach Allseitigkeit, die nur die Bildung (im konfuzianischen Sinne) gibt und die gerade das Amt – charakteristisch für das Fehlen der rationalen Fachspezialisierung im Patrimonialstaat, – vom Manne verlangt. Allerdings finden sich, wie politisch in Wang An Schi's Reformversuch, so auch in der Literatur, Andeutungen, welche die Schaffung von Fachkompetenzen der Beamten nach Art einer modernen Bureaukratie empfehlen, statt der traditionellen, unmöglich von einem einzelnen zu beherrschenden Allseitigkeit der Amtsgeschäfte. Aber eben diesen sachlichen Anforderungen und damit auch der Durchführung einer rationalen Versachlichung der Verwaltung nach Art unserer europäischen Mechanismen stand das alte Bildungsideal der Chinesen schroff gegenüber. Es mußte dem konfuzianisch gebildeten Amtsanwärter, der aus der alten Tradition herkam, fast unmöglich sein, in einer Fachbildung europäischen Gepräges etwas anderes als Abrichtung zum schmutzigsten Banausentum zu sehen. Hier lag unzweifelhaft ein Teil der wichtigsten Widerstände gegen alle »Reform« im okzidentalen Sinne. Der grundlegende Satz: 'Ein Vornehmer ist kein Werkzeug', bedeutete: er war Selbstzweck, und nicht, wie das Werkzeug, nur Mittel zu einem spezifizierten nützlichen Gebrauch. Im geraden Gegensatz gegen das sozial orientierte platonische Ideal, welches, auf dem Boden der Polis geschaffen, von der Ueberzeugung ausging: daß der Mensch nur, indem er in einer Sache Tüchtiges leiste, zu seiner Bestimmung gelangen könne, und in noch weit stärkerer Spannung zum Berufsbegriff des asketischen Protestantismus stand hier das ständische Vornehmheitsideal des allseitig gebildeten konfuzianischen 'Gentleman' (wie schon Dvorak den Ausdruck Kiün tse, 'fürstlicher Mann', übersetzt hat). Diese, auf Allseitigkeit ruhende 'Tugend', d.h. die Selbstvollendung, war mehr als der nur durch Vereinseitigung zu gewinnende Reichtum. Man konnte in der Welt nichts ausrichten, auch in der einflußreichsten Stellung nicht, ohne die aus Bildung entspringende Tugend. Aber freilich auch umgekehrt nichts mit noch so viel Tugend ohne einflußreiche Stellung. Diese, und nicht Erwerb, suchte daher der 'höhere' Mensch. Dies sind in kurzer, meist dem Meister selbst zugeschriebener, Fassung die Grundthesen der Stellung zu Berufsleben und Besitz: der feudalen Freude am Aufwand, wie sie im alten Islam schon in Aeußerungen des Propheten selbst hervortritt, ebenso entgegengesetzt wie der buddhistischen Verwerfung alles Hängens an den Weltgütern, der hinduistischen streng traditionalistischen Berufsethik und der puritanischen Verklärung der innerweltlichen asketischen Erwerbsarbeit im rational spezialisierten Beruf. Mit deren nüchternem Rationalismus besteht, wenn man von diesem Grundgegensatz einmal absieht, im einzelnen mancherlei Verwandtschaft. Die Versuchungen der Schönheit meidet der 'fürstliche' Mensch. Denn, sagt der Meister richtig: 'Niemand liebt die Tugend wie man ein schönes Weib liebt'. Nach der Ueberlieferung hatte den Meister aus seiner Stellung beim Fürsten von Lu der eifersüchtige Nachbarfürst da durch verdrängt, daß er dessen Herrn eine Kollektion schöner Mädchen zum Präsent machte, – an welcher der moralisch übel beratene Fürst mehr Gefallen fand als an den Lehren seines politischen Beichtvaters. Jedenfalls fand dieser persönlich das Weib, als ein durch und durch irrationales Wesen, ebenso schwierig zu behandeln wie die Dienstboten. Herablassung zu ihnen lasse beide die Distanz verlieren, Strenge wiederum mache sie übel gelaunt. Die durch Weltflucht bedingte Frauenscheu des Buddhismus fand daher in der durch rationale Nüchternheit bedingten Nichtachtung der Frau im Konfuzianismus ihr Gegenbild. Die neben der einen legitimen Frau schon im Interesse der Nachkommenerzeugung notwendig zugelassenen Konkubinen grundsätzlich zu verpönen ist selbstverständlich für den Konfuzianismus nie in Frage gekommen: das schon mehrfach erwähnte Kartell der Feudalfürsten wendete sich nur gegen die Gleichstellung der Konkubinensöhne als Erben, und der Kampf gegen die illegitimen Einflüsse des Harems kleidete sich in das Gewand des Kampfes gegen die drohende Uebermacht der Yin- (weiblichen) Substanz über die Yang (männliche). Treue in der Freundschaft wird hoch gepriesen. Man bedarf der Freunde. Aber man suche sie sich unter Gleichgestellten aus. Für die niedriger Gestellten habe man freundliches Wohlwollen. Im übrigen aber ging auch hier alle Ethik auf das urwüchsige Austauschprinzip des bäuerlichen Nachbarverbandes zurück: wie Du mir, so ich Dir, – die 'Reziprozität', welche vom Meister gelegentlich einer Anfrage geradezu als Fundament aller Sozialethik hingestellt wird. Die Feindesliebe der radikalen Mystiker (Laotse, Mo Ti) aber wurde, als der gerechten Vergeltung: einem Prinzip der Staatsräson, zuwiderlaufend entschieden abgelehnt: Gerechtigkeit gegen Feinde, Liebe für Freunde – was solle man diesen noch bieten, wenn man den Feinden Liebe böte? Der vornehme Gentleman des Konfuzianismus war alles in allem ein Mann, der 'Wohlwollen' mit 'Energie', und 'Wissen' mit 'Aufrichtigkeit' verband. Alles aber innerhalb der Grenzen der »Vorsicht«, deren Fehlendem gemeinen Mann den Weg zur 'richtigen Mitte' versperrte. Und vor allem – dies gab dieser Ethik erst ihr spezifisches Gepräge: – innerhalb der Grenzen des gesellschaftlich Schicklichen. Denn erst der Sinn für Schicklichkeit ist es, der den »fürstlichen« Mann zur 'Persönlichkeit' im konfuzianischen Sinne formt. An den Geboten der Schicklichkeit hat daher auch die Kardinaltugend der Aufrichtigkeit ihre Schranke. Nicht nur also gingen dieser die Pietätspflichten unbedingt vor (Notlüge aus Pietät), sondern auch die gesellschaftlichen Anstandspflichten, nach des Meisters eigener, durch die Tradition geschilderter Praxis. 'Wo wir zu Dritt sind, finde ich meinen Meister', soll Konfuzius gesagt haben: das hieß: ich füge mich der Mehrheit. Nach dieser 'Schicklichkeit' sind auch die klassischen Schriften von ihm ausgelesen. Se Ma Tsien weiß angeblich von 3000 (?) Schi-King-Oden, aus denen Konfuzius 306 ausgewählt habe. – Keinerlei Vollkommenheit aber konnte anders erreicht werden als durch nie aufhörendes Lernen, und das hieß: durch literarisches Studium. Der 'fürstliche' Mensch reflektiert und 'studiert' über alle Dinge unausgesetzt und immer erneut. Und in der Tat waren angeblich neunzigjährige Kandidaten bei den offiziellen Staatsprüfungen durchaus keine Seltenheit. Aber dies unausgesetzte Studium war lediglich Aneignung vorhandener Gedanken. Aus der eigenen Brust zu schöpfen und durch bloßes Denken vorwärts zu kommen versuchte der Meister nach einer ihm zugeschriebenen Mitteilung noch im Alter vergebens und warf sich daher wieder auf das Lesen, ohne welches nach seiner Ansicht der Geist sozusagen »im Leergang« arbeitete. An Stelle des Satzes: 'Begriffe ohne Anschauung sind leer', stand also hier der Satz: 'Denken ohne Lesefrüchte ist steril'. Denn ohne Studium, wird gesagt, vergeudet der Wissensdurst den Geist, macht uns das Wohlwollen dumm, Aufrichtigkeit unvorbedacht, Energie roh, führt Kühnheit zu Insubordination und Charakterfestigkeit zu Extravaganzen. Es wurde dann eben die 'rechte Mitte' verfehlt, welche das höchste Gut dieser Ethik der gesellschaftlichen Anpassung war, innerhalb deren es nur eine wirklich absolute Pflicht gab: die Pietät als Mutter der Disziplin, und nur ein universelles Mittel der Vervollkommnung: die literarische Bildung. Als Regierungsweisheit des Fürsten aber galt: die Auswahl der (im klassischen Sinn) 'richtigen' Minister, wie Konfuzius dem Herzog von Ngai gesagt haben soll. Diese Bildung aber wurde allein vermittelt durch das Studium der alten Klassiker, deren schlechthin kanonische Geltung in der von der Orthodoxie purifizierten Form selbstverständlich wurde. Zwar findet sich gelegentlich eine Aeußerung referiert, wonach ein Mann, der für die Probleme der Gegenwart das Altertum befrage, leicht Unheil anrichten könne, – allein dies ist wohl als Ablehnung der alten Feudalzustände zu deuten, schwerlich aber, wie Legge annimmt, im antitraditionalistischen Sinn. Denn der ganze Konfuzianismus wurde rücksichtslose Kanonisierung des Traditionellen. Wirklich antitraditionalistisch war die berühmte, direkt gegen den Konfuzianismus gerichtete, ministerielle Relation Li-Se's, welche die große Katastrophe der Bücherverbrennung nach der Schaffung des bureaukratischen Einheitsstaates herbeiführte (213 v. Chr.). Die Literatenzunft, hieß es darin, lobe das Altertum auf Kosten der Gegenwart, sie leite also zur Verachtung der Gesetze des Kaisers an, die sie am Maßstab ihrer Buchautoritäten kritisiere. Nützlich seien – in charakteristischer Umkehrung der konfuzianischen Werte – nur die Bücher über Wirtschaft, Medizin und Divination. Man sieht: dieser restlos utilitarische Rationalismus des Vernichters des Feudalsystems streifte zugunsten der eigenen Machtstellung die Traditionsgebundenheit ab, welche überall die Schranke des konfuzianischen Rationalismus war. Aber er brachte damit jenen klugen Kompromiß zwischen einerseits den Machtinteressen und andererseits dem Legitimitätsinteresse der herrschenden Schicht ins Schwanken, auf welchem die Staatsräson dieses Systems beruhte. Und es waren daher zweifellos Gründe der eigenen Sicherheit, welche bald darauf die Han-Dynastie veranlaßten, in aller Form auf den Konfuzianismus zurückzugreifen. In der Tat konnte ein in absoluter Machtstellung befindliches und dabei zugleich die offizielle Priesterfunktion monopolisierendes Patrimonialbeamtentum nicht anders als traditionalistisch gesonnen sein in bezug auf eine Literatur, deren Heiligkeit allein die Legitimität der seine eigene Stellung tragenden Ordnung verbürgte. Es mußte seinem Rationalismus an diesem Punkte ebenso Schranken ziehen wie gegenüber dem religiösen Volksglauben, dessen Bestand die Domestikation der Massen und, wie wir sahen, die Grenzen der Kritik am Regierungssystem garantierte. Der einzelne Regent konnte schlecht, also vom Charisma entblößt, sein. Dann war er nicht gottgewollt und ebenso abzusetzen wie der untaugliche Beamte. Das System als solches aber mußte auf der Grundlage der Pietät ruhen, welche mit jeder Erschütterung der Tradition in Gefahr geriet. Der Konfuzianismus hat aus diesen uns schon bekannten Gründen auch nicht den geringsten Versuch gemacht, den bestehenden religiösen Glauben ethisch zu rationalisieren. Den offiziellen Kultus, der durch den Kaiser und die Beamten erfolgte, und den Ahnenkult des Hausvaters setzte er als Bestandteil der gegebenen weltlichen Ordnung voraus. Der Monarch des Schu-King faßt seine Entschlüsse nach Konsultierung nicht nur der Großen des Reiches und des 'Volkes', d.h. damals zweifellos: des Heeres, sondern auch zweier überkommener Divinationsmittel, und es wird lediglich kasuistisch erörtert, wie man sich beim Widerspruch dieser Erkenntnisquellen untereinander zu verhalten habe. Die Bedürfnisse des Privatlebens nach seelsorgerischer Beratung und religiöser Orientierung aber verharrten, vornehmlich infolge jener Haltung der Bildungsschicht, auf der Stufe des magischen Animismus und der Funktionsgötterverehrung, ganz wie überall sonst vor dem Eingreifen von Prophetien, die in China nicht aufkamen. Dieser magische Animismus nun ist vom chinesischen Denken in ein System gebracht, welches de Groot mit dem Namen 'Universismus' bezeichnet hat. An seiner Schaffung ist aber nicht der Konfuzianismus allein beteiligt gewesen und wir müssen die, von ihm aus gesehen, heterodoxen Mächte betrachten, die dabei mitwirkten. Zunächst aber machen wir uns kurz deutlich, daß der Konfuzianismus auch von den Literatenlehren zwar die schließlich allein rezipierte, aber nicht die immer allein rezipiert gewesene Lehre war. Der Konfuzianismus ist durchaus nicht immer die staatlich allein approbierte Philosophie – hung fan (= großer Plan) ist der technische Ausdruck dafür – Chinas gewesen. Auch war Literatentum mit konfuzianischer Orthodoxie, je weiter man zurückgeht, desto weniger identisch. Die Zeit der Teilstaaten kannte die Konkurrenz der Philosophenschulen, die aber auch im Einheitsreich keineswegs verschwand: er war jeweils auf dem Tiefstand der Kaisermacht besonders scharf. Der Sieg des Konfuzianismus entschied sich erst etwa im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Es liegt hier nun fern, die Geschichte der chinesischen Philosophie zu rekapitulieren. Immerhin sei die Entwicklung zur Orthodoxie in folgenden Daten veranschaulicht: Die Stellung Lao tse's und seiner Schule bleibt, als ganz abseits stehend, vorerst beiseite (s. Nr. VII). Noch nach Konfuzius finden sich Philosophen wie Yang tschu: ein epikuräischer Fatalist, der im Gegensatz zu den Konfuzianern die Bedeutung der Erziehung ausschaltete, weil die Eigenart eines Menschen sein unabwendbares 'Schicksal' sei, und Mo Ti, der weitgehend traditionsfrei war. Vor und in Mencius' Zeit (4. Jahrh. vor Chr.: Tiefstand der Kaisermacht) stand Sun Kung, aktiver Beamter in einem Teilstaat, auf dem antikonfuzianischen Boden der Verderbtheit der Menschennatur, standen die Dialektiker, die Asketen (Tschöu Tschang), die reinen Physiokraten (Hu Hing) mit wirtschaftspolitisch sehr verschiedenen Programmen gegeneinander und noch im 2. Jahrh. nach Chr. stand das Tschung Lun des Tsui Schi auf strikt antipazifistischem Standpunkt: die Sitten verschlechtern sich in langen Friedenszeiten, führen zu Ausschweifungen und Sinnenlust. Alles das waren unklassische Ketzereien, – Mencius bekämpfte die seiner eigenen Zeit. Aber sein Zeitgenosse Hsün Tse der die Güte des Menschen (konfuzianisch) als Kunstprodukt ansah, aber nicht Gottes, sondern des Menschen selbst: – politisch gewendet: 'Gott ist der Ausdruck der Herzen des Volkes' – und der absolute Pessimist Yang Tschu, der das Ertragen des Lebens und die Abschüttelung der Todesfurcht für der Weisheit letzten Schluß hielt, standen ihm gegenüber abseits. Daß Gottes Wille »unstet« sei, wurde oft als Grund des Leidens der Frommen hingestellt. Eine Systematik der antagonistischen Literatenschulen seiner Zeit findet sich bei Se Ma Tsien, dessen Vater Taoist gewesen zu sein scheint. Sechs Schulen werden unterschieden: 1. Metaphysiker: die Yin- und Yang-Spekulation, gegründet auf Astronomie, – 2. Mi Tse (Micius und seine Schule): mystisch beeinflußt, für absolute Einfachheit der Lebensführung, auch des Kaisers, auch für die Beerdigungen, – 3. die Schule der Philologen mit Wortinterpretation und Begriffsrealismus (relativ unpolitisch, aus der Sophisten-Zeit überkommen), – 4. die Schule der Gesetze: Vertreter der Abschreckungstheorie (später durch Tsui Schui vertreten, s.o.) – 5. die Taoisten (von ihnen später), – 6. die 'Literatenschule': Konfuzianer, zu denen sich Se Ma Tsien selbst bekennt. Immerhin vertritt auch er den konfuzianischen Standpunkt noch in einer später in mehrfacher Hinsicht unklassisch erscheinenden Art. Er schätzte den bekannten zum Anachoreten gewordenen Kaiser Hoang Ti (taoistische Reminiszenzen. Seine Kosmogonie (5-Elementen-Lehre) ist offenbar astrologischen Ursprungs. Seine Schätzung des Reichtums würden die orthodoxen Konfuzianer wohl mitmachen, auch die Motivierung: daß nur der Reiche die Riten richtig befolge. Aber die Empfehlung auch des Handels als Mittel des Erwerbes war ihnen anstößig. Den Zweifel an der absolut determinierenden 'Vorsehung' würden manche von ihnen nicht beanstandet haben: daß tugendhafte Leute vor Hunger starben, war bekannt. Auch die Monumente der Han-Zeit sagen ähnliches. Immerhin war dies nicht unbedenklich. Daß Heroismus 'unnütz' sei, entsprach der späteren, auf den Meister zurückgeführte Lehre. Aber daß der gefeierte Name alles sei – wie der Kastrat Se Ma Tsien lehrte –, daß die Tugend als »Selbstzweck« dargestellt wurde, daß andererseits unmittelbar didaktische Wirkungen für Fürsten beabsichtigt wurden, war wieder kaum klassisch. Dagegen stimmte der von Se Ma Tsien virtuos geübte absolute Gleichmut des Tons der Annalistik vorzüglich zu Konfuzius' eigener Praxis. Am meisten orthodox konfuzianisch mutet der Brief an, den Se Ma Tsien, der als politisch verdächtig kastriert, dann aber angestellt worden war, dem in Haft befindlichen Freund Jen Ngan schrieb, der sich um seine Hilfe (vergeblich) bewarb: Ihm real helfen kann (oder: will) er (um selbst nichts zu riskieren) nicht. Aber: die Seele dessen, 'der den langen Weg angetreten hat', könnte Zorn gegen ihn (Se Ma Tsien) behalten (also ihn schädigen), daher will er ihm die Gründe dafür auseinandersetzen. Denn: 'der wertvolle Mensch gibt sich Mühe für den, der ihn zu würdigen weiß' (echt konfuzianisch). Statt des Eingehens auf das Schicksal des Unglücklichen findet sich aber lediglich eine Darlegung des eigenen Unglücks: der Kastration. Wie hat sich der Schreiber darüber hinausgeholfen? Die wichtigsten Punkte, heißt es, seien vier: 1. nicht die eigenen Ahnen entehren, – 2. nicht sich selbst entwürdigen, – 3. nicht die Vernunft und Würde und schließlich: – 4. nicht die »für alle gültigen Regeln« verletzen. Er, der Schreiber, werde die Schande durch sein Buch abwaschen. Wenn der ganze Brief etwas an Abaelards uns durch ihre kalte Lehrhaftigkeit so verletzenden Briefe an Héloise erinnert (aus, vermutlich, ähnlichen Gründen!), so ist doch diese kühle Temperierung der Beziehung von Mensch zu Mensch echt konfuzianisch. Und wir wollen – wenn unserem Gefühl einiges widerstreben möchte – nicht vergessen: daß auch die am Schluß des vorigen Abschnitts zitierten prachtvollen und stolzen Dokumente solche konfuzianischen Geistes sind. Die von Se Ma Tsien wiedergegebene Inschrift Schi Hoang Ti's, welche Handeln gegen die 'Vernunft' als verwerflich bezeichnet, würde von ihm (und den Konfuzianern) so interpretiert werden: daß die Anleitung dafür, wie man vernunftgemäß handeln, nur durch Studium und Wissen erlangt werde. 'Wissen' – im Sinne der durch literarische Studien erlangten Kenntnis der Tradition und der klassischen Norm – blieb im Konfuzianismus das letzte Wort und dadurch schied er sich – wie wir nun sehen müssen – von andern Systemen chinesischer Einstellung zur Welt. Die »Vernunft« des Konfuzianismus war ein Rationalismus der Ordnung: »besser ein Hund und in Frieden als ein Mensch und in der Anarchie leben«, sagt Tscheng Ki Tong. Und sie war, wie dieser Ausspruch zeigt, eben deshalb essentiell pazifistischen Charakters. Diese Eigenart hat sich historisch stetig gesteigert, bis Kaiser Khian Lung in der Geschichte der Ming-Dynastie den Satz schreiben konnte: 'Nur wer kein Menschenblut zu vergießen trachtet, kann das Reich zusammenhalten'. Denn 'die Wege des Himmels sind wandelbar und nur die Vernunft hilft uns'. Das war – während noch Konfuzius selbst Rache für die Tötung von Eltern, älteren Brüdern und Freunden als Mannespflicht gefordert hatte, – das Endprodukt der Entwicklung im Einheitsreich. Pazifistisch, innerweltlich und nur an der Angst vor den Geistern orientiert blieb also diese Ethik. Es fehlte zwar nicht eine sittliche Qualifikation der Geister. Im Gegenteil: wir sahen schon, daß, wie in Aegypten, auch in China die irrationale Justiz auf dem spätestens unter der Han-Dynastie entwickelten festen, aus idealisierter Projektion der Bureaukratie und des Beschwerderechts in den Himmel erwachsenen Glauben ruhte: daß der Schrei des Bedrückten nfehlbar die Rache der Geister herbeiführe, vor allem gegen jeden, dessen Opfer an Selbstmord, Kummer, Verzweiflung gestorben sei. Auch daß die große, jeden Beamten zur Nachgiebigkeit zwingende, Macht der im Cortège heulenden Massen (Begleiter eines wirklich oder angeblich Bedrückten) – zumal bei der Gefahr, daß die hysterischen Massenemotionen Selbstmorde herbeiführen könnten – auf dem gleichen Glauben beruhte. Gegen einen Mandarinen, der seinen Küchenjungen geschlagen hatte, so daß dieser starb, wurde durch die Menge ein Todesurteil erzwungen (1882): der Geisterglaube in dieser Funktion war die einzige, aber sehr wirksame offizielle Magna Charta der Massen in China. Die Geister wachten aber auch über den Verträgen aller Art. Sie versagten dabei ihren Schutz erzwungenen oder unsittlichen Kontrakten. Die Legalität als Tugend wurde also auch in concreto, nicht nur als Gesamthabitus, animistisch garantiert. Aber was fehlte, war: die zentrale methodisch lebensorientierende Macht einer Erlösungsreligion. Die Wirkung davon, daß sie fehlte, werden wir weiterhin kennen lernen. |
|
12 | 1920.6.1 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus VII. Orthodoxie und Heterodoxie (Taoismus) Volltext (1) Der offizielle chinesische Staatskult diente, wie überall, nur den Gemeinschaftsinteressen, der Ahnenkult Interessen der Sippe. Rein individuelle Interessen blieben bei beiden außer Spiel. Die zunehmende Verunpersönlichung der großen Naturgeister, die Reduktion ihres Kultes auf das amtliche Ritual, die Entleerung dieses Rituals von allen emotionalen Elementen, endlich seine Gleichsetzung mit bloßen gesellschaftlichen Konventionen: – Alles das Werk der vornehm gebildeten Intellektuellenschicht, – ließen die typischen religiösen Bedürfnisse der Massen ganz beiseite. Der stolze Verzicht auf das Jenseits und auf individuelle religiöse Heilsgarantien im Diesseits waren nur innerhalb einer vornehmen Intellektuellen-Schicht durchführbar. Daß diese Stellungnahme durch den Einfluß der klassischen Lehre, als einzigen Unterrichtes überhaupt, auch den Nichtmandarinen oktroyiert wurde, konnte jene Lücke nicht ausfüllen. Es ist nicht gut denkbar, daß erst in der Zeit bald nach Konfuzius, wo plötzlich Funktionsgötter aller Art und dann weiterhin vergöttlichte Heroen literarisch zuerst auftauchen, ein Prozeß der Bildung solcher Göttergestalten auch erstmalig begonnen habe. Denn diese Bildungen sind überall sonst gerade früheren Stadien: gewisse typische Funktionsgötter ('Herren') des Donners, der Winde usw. der Religion der Bauernschaft, vergöttlichte Helden der, damals in China schon vergangenen, Epoche feudalen Heldenkampfes eigen. Nur die starke Spezialisierung und Fixierung der Funktionsgötter, bis hinab zur Abtrittsgöttin, dürfte, wie die gleichartige Spezialisierung der Numina in Rom, erst Produkt des in China unter der Herrschaft der Bureaukratie zunehmenden kultischen Konventionalismus gewesen sein. Und nur für die Feststellbarkeit der Persönlichkeit eines historischen Menschen als Gegenstand eines Kultes ist die Kanonisierung des Konfuzius das erste sichere Beispiel. In der zweideutigen offiziellen Terminologie und mehr noch in bildlichen Darstellungen lassen zahlreiche Züge den Himmelsgott als ein ursprünglich persönlich gedachtes Wesen erkennen: wir sahen ja, daß erst das 12. Jahrhundert unserer Aera den (materialistisch bedingten) Abschluß der Verunpersönlichung brachte. Für die Massen, welchen zu dem verunpersönlichten höchsten Wesen des Staatskultes der direkte Zutritt in Gebet und Opfer versperrt war, scheint der urwüchsige 'Herr des Himmels', später mit Geburts-, Regierungs-, Einsiedelei- und Himmelfahrtslegenden ausgestattet, immer weitergelebt und im Hauskult verehrt worden zu sein, natürlich von seiten der Träger des amtlichen Himmelskultes ignoriert. Ebenso werden sicher andere der in der Neuzeit bekannten, vom offiziellen Kult ignorierten, vom Konfuzianismus nur unter die Schar der 'Geister' gerechneten Volksgottheiten sehr alte Funktionsgötter sein. Dem schwierigen Problem des Verhältnisses des ursprünglichen und späteren Charakters dieser Gottheiten freilich (Frage der Stellung des »Animismus«) und der Art der Auffassung der wundertätigen Naturobjekte und Artefakte (Frage der Stellung des 'Fetischismus') könnte nur ein Fachmann überhaupt näher kommen. Sie hat uns aber hier nicht zu beschäftigen. Uns soll vielmehr der Zwiespalt zwischen der Stellungnahme der Amtskirche und der unklassischen Volksreligion unter dem Gesichtspunkte interessieren: ob die letztere etwa Quelle einer abweichend orientierten Lebensmethodik werden konnte und geworden ist. Dies könnte so scheinen. Denn die Kulte der meisten Volksgottheiten galten, soweit sie nicht buddhistischen Ursprungs waren, als Angelegenheit einer vom Konfuzianismus und der von ihm beherrschten Heilsanstalt immer wieder als Heterodoxie behandelten Richtung, welche, wie die konfuzianisch orientierte Gnadenanstalt selbst, einerseits Kult- (und Zauber-) Praxis, andrerseits aber auch: Lehre, war. Es wird bald von ihr zu reden sein. Zunächst aber scheint es nützlich, das grundsätzliche Verhältnis der alten Volksgötter zur ethischen Lehre des Konfuzianismus uns weiter zu verdeutlichen. Nehmen wir dazu das uns nächstliegende Beispiel: die Beziehung der hellenischen, schulmäßig philosophischen Sozialethik zu den alten hellenischen Volksgöttern, so ist auch da die prinzipiell allen vornehmen Intellektuellenschichten aller Zeiten gegenüber dem historisch gegebenen massiven Volksglauben gemeinsame Verlegenheitssituation zu beobachten. Der hellenische Staat ließ metaphysischen und sozialethischen Spekulationen freien Raum. Er verlangte nur Innehaltung der überlieferten kultischen Pflichten, deren Vernachlässigung Unheil über die Polis als solche bringen konnte. Die ihrer spezifisch sozialethischen Orientierung nach dem Konfuzianismus entsprechenden griechischen Philosophenschulen ließen, in ihren Hauptvertretern der klassischen Zeit, die Götter der Sache nach ebenso dahingestellt, wie die chinesischen Intellektuellen der konfuzianischen Schule dies taten. Sie machten die nun einmal überkommenen Riten mit, im ganzen ähnlich, wie dies die vornehmen Intellektuellenkreise in China taten und im allgemeinen auch bei uns tun. Aber in einem Punkt bestand ein bedeutsamer Unterschied. Der konfuzianischen Redaktion der klassischen Literatur war es geglückt: – vielleicht war dies, wie schon einmal angedeutet, die wichtigste Leistung des Konfuzius –, nicht nur diese Volksgottheiten selbst, sondern auch alles für ihren eigenen ethischen Konventionalismus Anstößige aus der kanonisierten Literatur pädagogisch auszumerzen. Man braucht nur Platons berühmte Auseinandersetzung mit Homer in der Politeia zu lesen, um zu erkennen: wie gern die Sozialpädagogik der klassischen hellenischen Philosophie das gleiche getan hätte. Auch für Homer war im ethisch rationalen Staat kein Platz. Aber Homer war eine ungeheure und als klassisch geltende Macht in der überkommenen ritterlichen Erziehung. Es war ganz aussichtslos, in der kriegerischen Polis ihn und seine Heldengötter zu einer von Amts wegen und in der Erziehung ignorierten Rolle herabzudrücken und eine reine Literatenherrschaft auf der Basis einer ethisch purifizierten Literatur (und Musik) aufzurichten, wie dies der Patrimonialismus in China in seinem politischen Interesse, wie wir sahen, durchsetzte. Es konnte ferner, auch als die Domestikation der Polis im befriedeten Weltreich die rein politischen Hemmungen dafür beseitigt hatte, keiner der nebeneinander stehenden Philosophenschulen gelingen, zu ausschließlicher kanonischer Geltung zu gelangen, wie dies der Konfuzianismus für sich in China erreichte. Denn dies ist die Analogie: die Rezeption als allein korrekte Staatsphilosophie – so also, als ob die Cäsaren die Stoa allein toleriert und nur Stoiker in Aemter berufen hätten. Dies war im Okzident um deswillen unmöglich, weil keine Philosophenschule jene Legitimität des absoluten Traditionalismus für sich in dem Sinne in Anspruch nahm und in Anspruch nehmen konnte, wie Konfuzius es für seine Lehre zu tun in der Lage war und höchst absichtsvoll tat. Aus diesem Grunde vermochten sie auch politisch einem Weltherrscher und seinen Beamten nicht das gleiche zu leisten wie die konfuzianische Lehre. Sie alle waren ja, ihrer innersten Eigenart nach, an den Problemen der freien Polis orientiert: 'Bürger'-Pflichten, nicht 'Untertanen'-Pflichten war ihr Grundthema. Es fehlte die innere Verknüpfung mit altgeheiligten religiösen Pietätsgeboten solcher Art, wie sie in den Dienst des Legitimitätsinteresses eines Patrimonialherrschers hätten gestellt werden können. Und dem Pathos gerade der politisch einflußreichsten von ihnen lag jene absolute Weltanpassung und jene Ablehnung bedenklicher metaphysischer Spekulationen ganz fern, welche den Konfuzianismus den chinesischen Machthabern so dringend empfehlen mußte. Die Stoa blieb bis auf die Antonine die Lehre der opportunitätsfeindlichen Opposition und erst das Schwinden dieser nach Tacitus ermöglichte ihre Annahme durch diese Kaiser. Dies war die ideengeschichtlich wohl wichtigste Folge der Eigenart der antiken Polis.So blieb die Spannung der philosophischen Lehre und Sozialethik gegen den volkstümlichen Kult im vorchristlichen Okzident in dem Sinne bestehen: daß der (entsprechend weiterentwickelte) Kult der alten »homerischen« Helden- und Volksgötter die offizielle Institution, die Lehre der Philosophen aber unverbindliche Privatangelegenheit war: – genau umgekehrt wie in China, wo eine kanonische Lehre und von ihr kanonisierte religiöse Staatsriten neben Göttern bestanden, deren Kult eine teils, wie wir sehen werden, nur offiziös gepflegte, teils nur geduldete, teils mit Mißtrauen angesehene Privatangelegenheit blieb. Solche nicht offiziell anerkannten, teilweise verdächtigen, Privatkulte gab es natürlich, neben dem offiziellen Götterkult, auch im antiken Okzident, und ein Teil von ihnen zeichnete sich durch den Besitz einer eigenen Soteriologie und einer durch diese bestimmten Ethik aus, vom Pythagoräismus angefangen bis zu den Erlöserkulten der Kaiserzeit. Das gleiche war bei manchen nicht offiziellen Kulten in China der Fall. Aber während im Okzident die Entwicklung zu jenem welthistorischen Bündnis einer dieser soteriologischen Gemeinschaften: des Christentums, mit der Amtsgewalt führte, welches noch heute nachwirkt, verlief die Entwicklung in China anders. Es konnte einige Zeit scheinen: – wir reden davon später gesondert –, als ob der Buddhismus dort eine ähnliche Rolle spielen sollte, nachdem er von den Kaisern in aller Form rezipiert worden war. Indessen die schon angedeuteten Interessen: der Widerstand der konfuzianischen Bureaukratie, merkantilistische und Währungsinteressen und schließlich eine gewaltige Katastrophe beschränkte ihn auf die Stelle eines (immerhin einflußreichen) geduldeten Kultbetriebes neben anderen. Und vor allem war in China sein Einfluß gerade in dem uns hier besonders interessierenden Punkte: der Wirtschaftsgesinnung, wie wir später sehen werden, relativ gering. Die meisten alten Volksgottheiten aber, vermehrt um eine ganze Schar von Neuschöpfungen, sind in China unter die Patronage einer geduldeten Priesterschaft geraten, welche ihren Ursprung auf eine Philosophengestalt und eine Lehre zurückführen zu dürfen behauptet, deren ursprünglich nicht prinzipiell abweichender Sinn in Gegensatz geriet zu dem des Konfuzianismus und schließlich als durchaus heterodox galt. Wir können einen Blick auf diese Heterodoxie nicht umgehen.Individuelle mystische oder asketische Heilssuche, wie sie in Indien aus den Schichten der priesterlich nicht gebundenen Laienbildung, zumal des vedisch geschulten oder doch halbgebildeten Adels, hervorquoll, war ein dem (klassischen) Konfuzianismus gänzlich fremdes Interesse. Sie hatte im chinesischen Beamtenrationalismus ganz natürlich ebensowenig eine Stätte, wie sie jemals der Lebensführung irgendeiner Bureaukratie entsprochen hat.Anachoreten hat es, nicht nur nach Tschung Tse, sondern auch nach den erhaltenen Bildwerken und nach dem eigenen Zugeständnis der Konfuzianer, in China seit alter Zeit immer gegeben. Es finden sich selbst Notizen, welche zu der Annahme führen könnten: die Helden und Literaten hätten ursprünglich als Altersstadium ein Waldleben in der Einsamkeit geführt. In einer reinen Kriegergesellschaft war in der Tat oft der 'Alte', als wertlos, der Aussetzung preisgegeben, und es ist schon möglich, daß daher diese »Altersklassen« der Anachoreten sich zunächst aus ihnen rekrutierten. Indessen das sind unsichere Vermutungen: in historischer Zeit war eine Vanaprastha-Existenz der Alten nie, wie in Indien, als normal angesehen. Immerhin: nur die Zurückziehung von der 'Welt' schuf Zeit und Kraft für das Denken ebenso wie das mystische Fühlen, – Konfuzius ebenso wie sein Widerpart: Lao tse lebten allein und ohne Amt. Der Unterschied war nur, daß die Mystiker, – Lao tse ebenso wie Tschung Tse – das Amt im Interesse der eigenen Heilssuche ablehnten, Konfuzius es entbehrte. Auch für politisch erfolglose Literaten galt dies Anachoretentum als normale Form des Ausscheidens aus der Politik, statt Selbstmord oder Antrag auf Bestrafung. Ein Teilfürstenbruder, Tschong yong, in U, geht in die Einsiedelei. Und auch von einem erfolgreichen Kaiser: Hwang ti, berichtet Tschung, daß er abdiziert habe und Anachoret geworden sei. Das 'Heilsziel' der alten Anachoreten darf man sich nur als 1. makrobiotisch, – 2. magisch orientiert denken: langes Leben und magische Kräfte waren das Ziel der Meister und der, in kleiner Zahl, bei ihnen weilenden und sie bedienenden Jünger. Aber daran anschließend konnte sich eine 'mystische' Einstellung zur Welt und eine auf ihr ruhende Philosophie bilden und hat dies getan. Der Weise kann nur die aus der Welt, insbesondere weltlichen Würden und Aemtern, ausgeschiedenen Anachoreten etwas lehren, – erhält Kaiser Hwang ti zur Antwort. Sie sind die »Gelehrten die zu Hause sitzen«, d.h. kein Amt annahmen: der spätere Gegensatz gegen die konfuzianischen Amtsanwärter deutet sich hier schon an. Die 'Philosophie' des Anachoretentums ging darüber weit hinaus. Wie aller genuinen Mystik war die absolute Weltindifferenz das selbstverständliche, auch – nicht zu vergessen – das makrobiotisch wichtige Ziel. Und Lebensverlängerung war, wie gesagt, eine Tendenz des Anachoretentums. Wichtig unter diesem Gesichtspunkt schien nun, nach der primitiven »Metaphysik«, vor allem: sparsames und rationales Umgehen ('Wirtschaften', möchte man sagen) mit dem offensichtlichen Träger des Lebens: dem Atem. Die physiologisch feststellbare Tatsache, daß Atemregulierung Gehirnzustände spezifischer Art begünstigen kann, führte weiter. Der 'Heilige' soll 'weder tot noch lebend' sein, sich so verhalten, als lebte er nicht: – 'ich bin ein dummer (also: der Weltklugheit entronnener) Mensch', sagt Laotse zur Erhärtung seiner Heiligkeit, und Tschuang Tse wollte sich nicht (durch ein Amt) 'Zügel anlegen' lassen, sondern lieber »wie ein Schwein im schlammigen Graben« existieren. 'Sich dem Aether gleichmachen', 'den Körper abwerfen', wurde das Ziel. Ob indische Einflüsse auf die ziemlich alte Erscheinung eingewirkt haben, darüber sind die Fachleute verschiedener Ansicht. Spurlos scheinen sie nicht bei dem berühmtesten dieser aus dem Amt geflüchteten Anachoreten, dem, wenn die Tradition recht hat, älteren Zeitgenossen des Konfuzius: Laotse.Er geht uns hier nicht als Philosoph an, sondern in seiner soziologischen Stellung und Wirkung. Der Gegensatz gegen den Konfuzianismus tritt schon in der Terminologie hervor. Den harmonischen Zustand, der dem charismatischen Kaiser eignet, kennzeichnet Tsetse, der Enkel des Konfuzius, im Tschung yung als Gleichgewichtszustand, – in den durch Laotse beeinflußten oder sich als ihm anhängend ausgebenden Schriften heißt er: Leere (hu) oder Nichtssein (wu), erreichbar durch 'Wu wei' (Nichtstun) und puh yen (Nichtssagen): ersichtlich typisch mystischen, keineswegs nur chinesischen, Kategorien. Nach konfuzianischer Lehre ist das Li: die Zeremonialregeln und Riten, das Mittel zur Erzeugung des Tschung, – nach der Ansicht der Mystiker waren sie völlig wertlos. Sich so verhalten, als hätte man keine Seele, dadurch die Seele von den Sinnen zu befreien, – das ist die innere Haltung, die allein zur Gewalt des Tao-schi (gewissermaßen: Tao-Doktors) führen kann. Leben ist gleich dem Besitz eines 'schen', also Makrobiotik gleich der Pflege des schen, – dies lehrt das dem Laotse zugeschriebene Tao te king ganz in Uebereinstimmung mit den Konfuzianern. Nur die Mittel waren eben verschieden, der makrobiotische Ausgangspunkt aber der gleiche.Die uns schon wiederholt begegnete Grundkategorie: »Tao«, nach der sich später die Heterodoxie als 'Taoisten' von den Konfuzianern schied, war beiden Schulen, überhaupt: allem chinesischen Denken, dauernd gemeinsam. Ebenso alle alten Götter, – während allerdings der 'Taoismus' das Pantheon um zahlreiche der Orthodoxie als unklassisch geltende Gottheiten, wesentlich durch Apotheose von Menschen: – eine Umbiegung der Makrobiotik, – bereichert hat. Gemeinsam beiden war auch die klassische Literatur, – nur daß bei den Heterodoxen Laotse's Tao te king und die Schriften Tschuangs dazutraten, die von den Konfuzianern als unklassisch abgelehnt wurden. Auch Konfuzius selbst aber hat – worauf de Groot großen Nachdruck legt – die Grundkategorien der Gegner, auch das Wu wei (laissez faire) nicht abgelehnt und offenbar gelegentlich der Lehre von dem magischen Charisma des im Tao vollendeten Nichtstuenden nahe gestanden. Gehen wir dem Gegensatz etwas weiter nach. Der Konfuzianismus hatte alle ekstatischen und orgiastischen Reste aus dem Kult beseitigt und lehnte sie, wie der römische Amtsadel, als würdelos ab. Aber die magische Praxis hatte Ekstase und Orgiasmus hier wie überall gekannt. Die Wu (Männer oder Weiber) und Hih (Männer), die alten Medizinmänner und Regenmacher existieren bis in die Gegenwart und finden sich zu allen Zeiten literarisch erwähnt. Bei Tempelfesten waren sie noch zuletzt ekstatisch tätig; ursprünglich nahmen sie die magische 'Kraft', dann den 'Geist', dann den 'Gott' in sich auf und wirkten durch ihn. Die Wu und Hih präsentierten sich später (und galten bis zur Gegenwart) als 'taoistisch'. Aber im Anfangsstadium war es die nicht orgiastische – von ihnen sicher als würdelos abgelehnte, – sondern umgekehrt: die apathische Ekstase, welche Laotse und seine vornehmen Schüler suchten, wie alle Intellektuellen als Mystiker dies tun. Erst später, – wir werden sehen: wie – einigte sich die Gesamtheit der Magier, sich selbst als 'taoistische' Nachfolger Laotse's anzusehen, ihn als ihren Archegeten, weil er eben: Literat war oder dafür galt. In ihrer vollen Diesseitigkeit, ihrer Makrobiotik, waren diese Mystiker eher noch radikaler als die Konfuzianer. Doch worin bestanden die beiderseitigen Zentrallehren und Unterschiede? Die Heterodoxie wird gern als 'Taoismus' bezeichnet. 'Tao' ist an sich ein orthodox konfuzianischer Begriff: die ewige Ordnung des Kosmos und zugleich dieser Ablauf selbst: eine in aller nicht dialektisch durchgeformten Metaphysik häufige Identifikation. Bei Laotse ist es in Beziehung zur typischen Gottsuche des Mystikers gesetzt: es ist das allein Unveränderliche und deshalb absolut Wertvolle, sowohl Ordnung wie zeugender Realgrund, wie Inbegriff der ewigen Urbilder alles Seins, kurz das göttliche Alleine, dessen Teilhaftigkeit man – ganz wie in aller kontemplativen Mystik – durch absolute Entleerung des eigenen Ich von Weltinteressen und Leidenschaften bis zu völliger Nichttätigkeit (Wu-Wei) sich aneignet. Das konnte nicht nur Konfuzius selbst, sondern auch seine Schule akzeptieren und sie haben das auch getan. 'Tao' war bei ihm ganz das gleiche wie bei Laotse und ein ebenso geltender Begriff. Aber: sie waren keine Mystiker. Das Interesse an der gottinnigen, durch Kontemplation zu erreichenden Zuständlichkeit hätte, wie bei der Mystik meist, so bei Laotse zur völligen Entwertung der innerweltlichen Kultur als einer Quelle religiösen Heils führen müssen. Und bis zu einem gewissen Grade traf dies auch zu. Denn das höchste Heil war auch bei Laotse eine seelische Zuständlichkeit, eine unio mystica, nicht aber ein aktiv handelnd sich bewährender Gnadenstand wie bei der Askese des Okzidents. Nach außen hin wirkte diese wie alle Mystik nicht rational, sondern nur psychologisch bedingt: die universelle akosmistische Liebesgesinnung ist typische Folgeerscheinung der objektlosen Euphorie dieser Mystiker in der apathischen Ekstase, die ihnen charakteristisch, vielleicht durch Laotse geschaffen, war. Diese an sich rein psychische Gegebenheit wurde nun auch hier rational ausgedeutet: Himmel und Erde sind als die größten Götter durch die absolute Selbstlosigkeit ihrer Leistungen für den Menschen legitimiert, durch jene bedingungslose Güte, welche nur dem Göttlichen eignet und: – der makrobiotische Einschlag der Lehre: – der Grund der dem allein ewigen Tao wenigstens angenäherten Dauer dieser Naturmächte ist. Nach diesem Muster richtet sich das eigene Verhalten des Mystikers. Wiederum wird dabei die physiologisch bedingte innere Lage rational gedeutet. Die Erhaltung der eigenen Güte und Demut in der Welt durch ein innerweltliches Inkognitoleben ist ja überall der Inhalt, jene spezifische Gebrochenheit der Weltbeziehung des Mystikers, welche das Handeln, wenn sie es nicht absolut aufhebt, dann doch minimisiert, die einzige mögliche Bewährung seines Gnadenstandes, weil der einzig mögliche Beweis: daß ihm die Welt nichts anhat. Sie sind zugleich, entsprechend der eben erwähnten Theorie Laotses, die beste Gewähr der eigenen Dauer im Erdenleben, ja: vielleicht über das Erdenleben hinaus. Eine eigentliche Unsterblichkeitslehre hat Laotse selbst (oder sein schriftstellerischer Interpret) nicht entwickelt, sie scheint späteres Erzeugnis. Aber der Gedanke der Entrückung in ein ewiges Paradies bei vollendetem Tao ist wohl ziemlich alt. Allein maßgebend war er nicht. Bei Laotse selbst war vielmehr die Minimisierung des Welthandelns wenigstens primär direkte Folge der Art des mystischen Heilsbesitzes. Gewisse Folgerungen aller mystischen Religiosität hat Laotse überhaupt nur angedeutet, nicht vollzogen. Zwar der 'Heilige', den er dem konfuzianischen Ideal des 'Gentleman' überordnet, bedarf der Welttugend nicht nur nicht, sie ist ihm vielmehr als Ablenkung vom eigenen Heil im Grunde gefährlich: die weltliche Tugend und ihre Hochschätzung ist – in der bei Chinesen beliebten paradoxen Formulierung – ein Zeichen, daß die Welt unheilig und gottlos geworden ist. Und auf der niedrigsten Stufe steht ihm eine solche Welt, welche durch die konfuzianische Kardinaltugend des 'Li', der 'Schicklichkeit', zusammengehalten wird. Indessen: diese Welt ist nun einmal da und es gilt also, sich in sie zu schicken. Das geht nur durch Relativierungen irgendwelcher Art. Denn die Konsequenz der entschlossenen Weltabwendung, vor allem der grundsätzlichen Ablehnung des im Mandarinenstand lebendigen Ideals des gebildeten Gentleman (Kiün-tse) hat Laotse eben nicht gezogen. Hätte er es getan, so wäre wohl keine Spur seiner Gedanken auf uns gekommen. Er forderte freilich gegenüber der Weltanpassung des Konfuzianismus als der 'kleinen' die 'große' Tugend, d.h. die absolute Vollkommenheits-Ethik gegenüber der sozial relativierten. Aber diese Forderung konnte letztlich für ihn weder, einerseits, zu asketischen Konsequenzen, noch, andererseits, zu positiven Forderungen in der Sozialethik führen. Teils deshalb nicht, weil die kontemplative Mystik an sich solche Forderungen nicht zu gebären vermag. Aber eben auch deshalb nicht, weil die letzten Folgerungen nicht gezogen wurden. Der persönliche Gegensatz des Konfuzius gegen Laotse war, nach der (in ihrer Realität fraglichen, aber von manchen bedeutenden Fachmännern noch geglaubten) Ueberlieferung, nur durch gewisse, schon stark relativierte, Konsequenzen der Mystik des letzteren für die politischen Ideale bedingt. Auf der einen Seite der Zug zum Zentralismus des rational von Beamten regierten Wohlfahrtsstaates bei dem rationalistischen Literaten. Auf der andern Seite die möglichste Autonomie und Autarkie der einzelnen Staatsteile als kleiner Gemeinwesen, die eine Stätte schlichter bäuerlicher oder bürgerlicher Tugend bilden könnten und daher die Parole: möglichst wenig Bureaukratie, bei dem Mystiker, dessen Selbstvervollkommnung durch staatliche geschäftige Zivilisationspolitik ja unmöglich gefördert werden konnte. 'Banne der Herr seinen stolzen Geist, seine vielen Wünsche, sein schmeichelhaftes Wesen, seine ausschweifenden Pläne', schreibt die Tradition dem Laotse als Mahnung an Konfuzius bei dem berühmten Zusammentreffen beider zu, mit der vom Standpunkt des Mystikers ebenso selbstverständlichen, wie von dem des rationalistischen Sozialethikers unzulänglichen, Begründung: 'Dies alles ist ohne Nutzen für deine Person', d.h. für die Erreichung der »unio mystica« mit dem göttlichen Prinzip des 'Tao'. Diese Erlangung der mystischen 'Erleuchtung' (ming), auf Grund deren dem Menschen dann alles andere von selbst zufällt, war ein – wenn man aus seinen überlieferten Aeußerungen etwas schließen darf – dem Stifter des Konfuzianismus persönlich unzugängliches, außerhalb der Grenzen seiner Begabung liegendes Ziel. Die ihm in den Mund gelegte staunende Aeußerung über Laotse als den 'Drachen' zeigt das. Der für Laotse grundlegende Begriff der Heiligkeit (sching) spielt im konfuzianischen System keine Rolle. Er ist nicht etwa unbekannt. Er gilt aber dem Konfuzius als kaum jemals, auch von ihm selbst nicht, erreicht und steht daher beziehungslos neben dem konfuzianischen Ideal des Kiün-tse, des 'vornehmen' Menschen. Oder er wird gar, wie bei Mencius, im Grunde als ein ins Vollkommene gesteigerter Gentleman angesehen. Dagegen das Schriftzeichen für die Heiligkeit Laotses drückt Demut aus und der Laotsesche Heiligkeitsbegriff liegt, als eine Kategorie der streng individualistischen Selbsterlösung, in seiner Konsequenz in der gerade entgegengesetzten Richtung wie das konfuzianische, am Maßstab der Bildung und Angepaßtheit an die Welt und Gesellschaft, wie sie einmal ist, orientierte Ideal. Aus dem gleichen Grund, aus welchem in aller Regel der okzidentale Mystiker die Theologie als das recht eigentlich von Gott Abführende ablehnt, verwirft Laotse dies hier die Theologie vertretende Schriftgelehrtentum. Und wie gegenüber jeder konsequenten Erlösungsmystik, so ist auch gegenüber der Laotseschen der typische und ganz natürliche Vorwurf von seiten der auf die Beherrschung und Ordnung des realen Lebens gerichteten Sozialethik, im vorliegenden Falle also von seiten des Konfuzianismus der: jene sei 'Egoismus'. In der Tat konnte sie, konsequent durchgeführt, nur das eigene Heil suchen, auf andere nur exemplarisch: durch Beispiel, nicht durch Propaganda oder gar durch soziales Handeln wirken wollen. In voller Konsequenz müßte sie das innerweltliche Handeln als für das Seelenheil irrelevant gänzlich ablehnen. Einige Ansätze zu prinzipiellem Apolitismus finden sich denn auch deutlich genug ausgeprägt. Indessen ist es nun zugleich der charakteristische Zug und die Quelle aller Paradoxien und Schwierigkeiten des Laotseschen Systems, daß es darin Konsequenz nicht besitzt. Auch Laotse (oder sein Interpret) gehörte der gleichen Schicht an wie Konfuzius und auch für ihn verstanden sich daher zunächst gewisse Dinge durchaus von selbst, wie für jeden Chinesen. Erstens – in unvermeidlichem Widerspruch mit dem jenseits der Welt liegenden Selbsterlösungszweck – der positive Wert der Regierung. Er folgte vor allem aus dem überall vorausgesetzten charismatischen Beruf des Herrschers: von seinen Qualitäten hing auch für Laotse letztlich das Wohl der Menschen ab. Nur ergab sich daraus für den Mystiker: daß der Regent persönlich das Charisma des mystisch mit dem Tao Geeinten haben müsse, auf daß diese mystische Erlösung auch ebenso allen Untertanen durch die charismatische Wirkung dieser seiner Qualitäten als Gnadengabe zuteil werde. Während für den nicht-mystischen Sozialethiker es genügte, daß der Regent als solcher vom Himmel gebilligt, seine Tugenden als sozialethisch vom Standpunkt der Geister aus zulängliche seien. Nicht minder war die Annahme des gesamten offiziellen Pantheon und ebenso der Geisterglaube beiden, oder wenigstens den Nachfolgern beider, gemeinsam (während allerdings das Tao-te-king anscheinend von Magie weitgehend frei war). Ein an der praktischen Politik orientierter chinesischer Gebildeter durfte dies alles nicht ablehnen. Da ein überweltlicher persönlicher Schöpfergott und Weltregent, der über alles Kreatürliche nach seinem Ermessen schaltete und dem gegenüber alles Kreatürliche unheilig war, der chinesischen Bildung ebenso unvollziehbar blieb, wie – in der Hauptsache – der indischen, so war der Weg zu einer an dem Gegensatz von Gott und Kreatur orientierten asketischen Ethik verschlossen. Daß die gegebene, wesentlich animistische, Religion für den Erlösung suchenden Mystiker letztlich wenig bedeutete, versteht sich von selbst. Daß das gleiche für den konfuzianisch gebildeten Sozialethiker der Fall war, sahen wir und werden es immer wieder sehen. Gemeinsam war beiden aber auch die Ueberzeugung: daß eine gute Ordnung des irdischen Regiments die Dämonen am sichersten in Ruhe halten werde. In dieser charismatischen Wendung des Dämonenglaubens lag einer der Gründe, welcher radikal apolitische Konsequenzen auch für die Schüler Laotses unmöglich machte. Es ist andererseits verständlich, daß für eine Intellektuellenschicht von Beamten und Amtsanwärtern eines patrimonialen Staates die individualistische Heilssuche und gebrochene Demut des Mystikers als solche, vor allem aber die Forderung charismatischer mystischer Qualifikationen für den Herrscher und die Regierenden ganz unannehmbar war, – ganz ebenso unannehmbar wie für die römische Bischofskirche das Erfordernis des persönlichen pneumatischen Charisma. Und erst recht war selbstverständlich, daß in der politischen Staatspraxis der bureaukratische Machtstaat des Rationalisten das Feld behielt. Beides geschah so sehr, daß, – während man immer wieder die Empfindung hat: nur ein Chinese könne den Konfuzianismus im einzelnen richtig interpretieren, – die europäische Wissenschaft einigermaßen einig darüber ist, daß wahrscheinlich keinem korrekten Chinesen die Anschauungen Laotses (oder seines Interpreten) in ihrem ursprünglichen inneren erlebnismäßigen Zusammenhang heute ganz nacherlebbar sind. Die ethischen Konsequenzen der Laotseschen Mystik, wie sie bei seinen Nachfolgern, oder denen, die sich als solche ausgaben, hervortraten, mußten vollends dazu beitragen, dem Konfuzianismus das Uebergewicht zu sichern. Dazu trug die innere Inkonsequenz der Haltung der Mystiker bei. Bei Laotse selbst fehlt, wie bei der kontemplativen Mystik meist, jede religiös motivierte aktive Gegensätzlichkeit gegen die Welt: – die kontemplativ bedingte Forderung rationaler Genügsamkeit wird damit motiviert, daß sie das Leben verlängere. Es fehlt aber überhaupt jene Spannung des Göttlichen gegenüber dem Kreatürlichen, wie sie nur durch die Festhaltung eines schlechthin überkreatürlichen, außerweltlichen, persönlichen Weltschöpfers und Weltregenten garantiert worden wäre. Auch ihm war die Güte der Menschennatur selbstverständlicher Ausgangspunkt. Und da die Konsequenz der wirklichen Weltindifferenz oder gar der Weltablehnung nicht, sondern nur die der Minimisierung des Welttuns gezogen wurde, so konnte sich aus dem allem in der innerweltlichen, für die reale Welt, wie sie war, geltenden Sozialethik im Effekt lediglich eine weitere Steigerung des konfuzianischen ökonomischen Utilitarismus ins Hedonische ergeben. Der Mystiker 'genießt' Tao. Die andern, die das nicht können oder wollen, mögen genießen, was ihnen zugänglich ist. Darin drückt sich offensichtlich ein ganz prinzipieller Gegensatz zum Konfuzianismus in der Frage der ethischen und religiösen Qualifikation der Menschen aus. Der gemeine im Gegensatz zum höheren Menschen war auch für den Konfuzianer derjenige, der nur an die leiblichen Bedürfnisse denkt; aber eben diesen würdelosen Zustand wollte er durch Schaffung von Wohlstand und Erziehung von oben her behoben sehen. Denn die Tugend war an sich jedem zugänglich. Qualitative Grundunterschiede unter den Menschen gab es für ihn nicht, wie wir sahen. Für den mystischen Taoisten dagegen mußte der Unterschied zwischen dem mystisch Erleuchteten und dem Weltmenschen ein solcher der charismatischen Begabung sein. Darin kommt der immanente Heilsaristokratismus und Gnadenpartikularismus aller Mystik: die Erfahrung von der Verschiedenheit der religiösen Qualifikation der Menschen, zum Vorschein. Wer die Erleuchtung nicht hatte, der stand – okzidental ausgedrückt – außerhalb der Gnade. Er mußte und mochte also bleiben wie er war. 'Den Bauch der Untertanen möge der Herrscher füllen, nicht ihren Geist, ihre Glieder stark machen, nicht ihren Charakter': zu dieser eigentümlichen Konsequenz gelangte die Durchführung des literatenfeindlichen Erleuchtungsaristokratismus bei einem Schriftsteller, der als zur Schule Laotses gehörig zu gelten pflegt. Daß der Staat gut tue, sich auf die Fürsorge für den bloßen Unterhalt der Menschen zu beschränken, war aber eine Ansicht, die sich schon bei Laotse selbst findet, begründet bei ihm durch Abneigung gegen das literarische Wissen, welches an der wahren Erleuchtung ja nur hinderte. Soweit der mystisch erleuchtete Regent nicht durch sein bloßes Dasein direkt charismatisch und exemplarisch wirken konnte, enthielt er sich besser alles Tuns. Man möge doch die Dinge und Menschen gehen lassen, wie sie können und mögen. Zuviel Kenntnisse der Untertanen und zuviel Regierendes Staates seien die eigentlich gefährlichen Uebel. Nur absolute Fügsamkeit in die unabänderlichen kosmischen und sozialen Ordnungen führten eben zum 'Stillewerden', zu jener Bändigung der Leidenschaften, welche im übrigen auch in der Heilslehre Laotses durch Musik, andächtige Uebung der Zeremonien, Schweigsamkeit und Schulung zur Ataraxie befördert wurde. In Konsequenz dessen stellte schon das dem Laotse zugeschriebene Tao-te-king der – mit den früher gemachten Einschränkungen – in der klassischen konfuzianischen Lehre vorwiegenden Neigung zur patriarchalen Bevormundung der Untertanen das Verlangen nach möglichster Nichtintervention entgegen, da ja doch das Glück des Volkes durch die naturgesetzliche Harmonie des Kosmos am sichersten befördert werde. Nichtinterventionstheorien fanden sich auch auf dem Boden der orthodoxen Lehre, wie wir sahen. Sie ließen sich ja außerordentlich leicht aus dem Gedanken der providentiellen Harmonie, (des Tao), der Welt, welcher schon sehr früh zu Theorien von der Interessenharmonie der Klassen, fast nach Art Bastiats, geführt hatte, herleiten und entsprachen der tatsächlich geringen Intensität und Unstetheit der Verwaltung gegenüber dem Wirtschaftsleben. Die Stellungnahme des heterodoxen Taoismus war darin nur noch konsequenter. Gänzlich fehlte aber natürlich diesem chinesischen, und zwar gerade dem taoistischen, 'Manchestertum', infolge seines kontemplativ-mystischen Unterbaues, die aktive Note der »Berufsethik«, welche nur eine asketisch orientierte Laiensittlichkeit, die aus einer Spannung zwischen Gottes Willen und den Ordnungen der Welt stammt, hätte bieten können. Auch die stark betonte taoistische Tugend der Sparsamkeit trug daher keinen asketischen, sondern wesentlich kontemplativen Charakter (das konkrete Hauptobjekt des Streites mit der Orthodoxie war dabei: das Sparen an den Kosten der Totentrauer). – Wenn hier mehrfach von 'Nachfolgern' und 'Schülern' Laotses geredet worden ist, so entspricht übrigens diese Bezeichnung nicht dem Sachverhalt. Eine 'Schule' hat Laotse, mag seine persönliche Lehre historisch wie immer ausgesehen haben, wohl nicht hinterlassen. Wohl aber gab es schon geraume Zeit vor Se Ma Tsien Philosophen, die sich auf ihn beriefen, und die Mystik fand noch in weit späterer, historischer, Zeit in China einige bedeutende Vertreter, die wenigstens teilweise sich als »Schüler« Laotses betrachteten. Uns geht hier diese Entwicklung nur in einigen Punkten etwas an. Den persönlichen Gegensatz zwischen Konfuzius und Laotse schildert die (halblegendäre) Tradition. Aber von einem 'Schulgegensatz' konnte noch keine Rede sein, vor allem nicht von einem solchen, der exklusiv diese beiden Gegner entzweit hätte. Es war mehr ein, allerdings scharfer, Unterschied der Naturen, der Lebensführung und der Stellung insbesondere zu praktischen Staatsproblemen (Amt), der davorlag. Der Schulgegensatz ist offenbar (de Groot) erst durch den Enkel des Konfuzius, Tsetse einerseits, schließlich wohl durch die scharf pointierte Polemik Tschuangs andererseits geprägt worden. Es ist sicher und von den Fachleuten (de Groot vor allem) betont: daß die typisch mystische Verwerfung des rationalen Wissens als Mittel für das (eigene oder allgemeine) Wohl zu wirken, die wichtigste (theoretische) für die Konfuzianer und schon ihren Meister unakzeptable These war. Alles andere wäre tolerabel gewesen. Insbesondere betont de Groot scharf: daß auch dem Konfuzianer der 'Quietismus' (Wu Wei) nicht einfach fremd war. Die gemeinsame Herkunft aus dem alten einsamen »Denkertum« sorgte dafür. Aber freilich hatte sich unter dem Druck der politischen Geschäfte der 'Sophisten' in der Teilstaatenzeit die alte Haltung gewaltig geändert. Wie sollte man ohne sichere Kenntnis der echten Riten – die nur durch Studium zu gewinnen war – dem Tao sich anpassen, welches die »Alten« als Besitz gehabt hatten? Dahinter stand natürlich der tiefe Gegensatz der mystischen Weltindifferenz dort, der Weltanpassung und des Weltreformwillens hier. Tschuang formulierte den Widerspruch gegen die Konfuzianer, Laotses Formulierungen verschärfend, dahin: 1. Sucht nach 'Verstand' heißt: Hang am Aeußerlichen, – 2. nach 'Vernunft': Hang am Schall (Worten), – 3. an 'Menschenliebe': Verwirrung der eigenen Tugendübung, – 4. an Pflichterfüllung: Auflehnung gegen die Naturgesetze (die Allmacht des Tao), – 5. an »Li« (Regeln): Hang an Aeußerlichkeiten, – 6. Musik: Hang an Unsitte, – 7. an Heiligkeit: Hang an Verkünstelung, – 8. an Wissen: Haarspalterei. Die Punkte 1, 2, 5, 8 dürften die vom Konfuzianismus am stärksten perhorreszierten gewesen sein. Denn die vier Kardinalqualitäten des konfuzianischen Menschen waren: schen: Menschen liebe, li: Lebensregeln, I: Freigebigkeit (Pflichten), tschi: Wissen und von ihnen waren li und tschi die wichtigsten. Ketzerisch und unklassisch (puking), unrichtig (pu tuan), sittlich bedenklich linkes (falsches) tao (tso Tao) war alles was davon abwich. Die Spaltung war seit Tse tse's Angriffen da. Aber erst die Schulentwicklung und die Konkurrenz um Pfründen und Macht schufen die Bitterkeit des Streites. Denn trotz des Wu-wei-Prinzips und der Aemter-Perhorreszierung haben diejenigen späteren Literaten, die sich als 'Nachfolger' Laotse's fühlten, eine der konfuzianischen Literatenschaft ähnliche Organisation zu schaffen wenigstens gelegentlich versucht. Das Tao te king – von den Konfuzianern nicht als absolut in toto ketzerisch verdammt, aber ebenso wie Tschung tse und Kuan tschong stets als unklassisch abgelehnt, d.h. nicht zu den 'heiligen' Schriften gerechnet – ist wenigstens einmal kurze Zeit von den Kaisern unter die von den Kandidaten für das Examen zu studierenden Klassiker eingereiht worden. Die Konfuzianer ihrerseits haben ihre These von der Bedeutung des 'Wissens' als Tugend auch des Kaisers: – der, wenn er 'Gelehrter' ist, sich 'ruhig' verhalten kann, aber nur dann – durch die Anlegung der riesigen offiziellen Enzyklopädien (Ku kin tu schu tsi tsing, 1715 erschienen) betätigt. Die entscheidende Bedeutung des kaiserlichen Charisma, die das Schuking bereits ausdrücklich enthielt, ist von keiner von beiden Parteien angezweifelt worden: nur die Deutung war verschieden. Nun kam der Entwicklung einer Sonderschule auf dem Boden der Lehre Laotse's aber eine allgemeine Tendenz aller chinesischen 'Wertungen' entgegen: die Schätzung des physischen Lebens rein als solchen, also: des langen Lebens und der Glaube, daß also der Tod ein absolutes Uebel sei, welches eigentlich für einen wirklich Vollkommenen vermeidbar sein müßte. Denn der wirklich Vollkommene (tschen, tsing, schin) muß ja unverletzlich und magisch begabt sein, – worin sollte sich sonst seine Vortrefflichkeit praktisch bewähren? Dieser Schätzungsmaßstab war sehr alt. Sowohl die Schätzung der Schafgarbe – deren Kombinationen in den bekannten Orakel-Linien-Gruppen des I li eine solche Rolle spielen – wie die Schildkröte als Orakeltier erlangten ihre Rolle durch ihre Langlebigkeit. Tugendübung und speziell Studien wirkten nach dem konfuzianischen Glauben makrobiotisch, ebenso Schweigen und Meidung körperlicher Anstrengung ohne absolutes Nichtstun. Vor allem aber wurde die früher erwähnte Atemgymnastik als makrobiotisches Mittel entwickelt. Makrobiotische Pflanzen wurden spezifische Arzneimittel und das Suchen nach dem Lebenselixier systematisch betrieben, – wir sahen, daß Schi Hoang Ti eben deshalb dieser Schule seine Gnade zuwendete. Da Einschränkung der Erregung und stilles Leben nach aller Erfahrung makrobiotisch wirkten, – also: das Wu wei der Anachoreten und Mystiker, – so schien die These unanfechtbar: Meidung der Leidenschaften war die erste makrobiotische Kardinaltugend. Von da aus ging dann, unter dem Einfluß der gleichfalls beiden Parteien gemeinsamen Dämonenlehre, die Entwicklung weiter. War man einmal mit der Systematisierung der Makrobiotik vorgegangen, so lag es nahe, die Gesamtheit der apotropäischen und therapeutischen Magie zu rationalisieren. Das ist tatsächlich geschehen und die theoretischen Resultate sind im wesentlichen Gemeingut beider Schulen geworden, während allerdings die praktische Verwertung der unklassischen Schule überlassen blieb, da für den Konfuzianer jede Abwendung von dem Dogma, daß die (klassisch orientierte) Tugend schlechthin allmächtig sei, die Einheit der Ethik und, – nicht zu vergessen: – den Einfluß auf den Kaiser gefährdete, der durch den Harem ja ständig im magischen Sinn beeindruckt wurde. Eben diese rein magische Wendung der Laotse' schen Tao-Lehre ermöglichte und provozierte geradezu das Einströmen der Gesamtheit der alten Magier in diese Gemeinschaft. Sie waren im Süden, dem üppigsten Ackerbaugebiet, am zahlreichsten und dort ist denn auch diese Entwicklung vor allem vor sich gegangen. Die Vereinigung des Lehrers mit den Lernenden, außerhalb der Städte, in der Einsamkeit, war in China ebenso wie in Indien (und im Gegensatz zum Okzident) die Keimzelle der 'taoistischen' Klöster. Ist es schon nicht ganz unstreitig, inwieweit bereits Laotse durch indische Muster beeindruckt war (so selbständig er geistig dastand), so läßt sich vollends das gleiche Problem für die taoistische Klosterbildung nicht lösen: der Taoismus mit seinen Einsiedeleien bereitete dem Buddhismus vermutlich den Weg, die buddhistische Konkurrenz brachte die taoistische Klosterbewegung: – Bewegung zum organisierten Zusammenschluß der Einsiedler, – vermutlich in schnellen Gang. Die Eigenständigkeit des Taoismus scheint am deutlichsten dadurch bewährt, daß nicht nur nicht alle vielmehr gerade nicht die charakteristischten Funktionäre: die Magier, in Klostergemeinschaften lebten. Der Taoismus war eben hervorgegangen aus der Verschmelzung der weltflüchtigen Intellektuellen-Lehre mit dem innerweltlichen, an sich uralten. Gewerbe der Magier. Die 'Tao Schi', die eigentlichen Praktikanten, lebten in der Welt, verheiratet, betrieben von da aus ihre Kunst als Beruf, veranlaßten die massenhafte Stiftung von Altären für alle möglichen Heiligen: – oft schon nach kurzer Zeit, wegen Nichtbewährung, verlassen –, schufen die große offizielle Sammlung der Vorschriften und Leiturgien im 16. Jahrhundert und betrieben gegebenenfalls: Politik. Denn, kaum allgemein verbreitet, hatte der Taoismus schon eine feste hierokratische Organisation angenommen. In der Provinz Kiangsi hatte eine erbcharismatische Sippe die Fabrikation von Lebenselixieren monopolisiert und den Namen Tsien Schi (himmlischer Lehrmeister) sich appropriiert. Ein Nachfahre des Tschang ling, – der als Ratgeber der Han über Atemkunst geschrieben hatte, – stiftete in der unruhigen Zeit der Schwäche der Han-Dynastie eine Organisation, die mit eigenem Verwaltungsstab, Steuern, strenger Disziplin der politischen Gewalt erfolgreich Konkurrenz machte und schließlich, in Se tschuan, wirklich einen autonomen, zunächst allerdings als kamorristische Geheimorganisation existierenden 'Kirchenstaat' schuf: das Tai Ping Kiao (Reich des Friedens: ferner Vorläufer des modernen Gebildes, von dem noch zu reden sein wird). Durch einen Apostaten 184 denunziert, von den Han verboten und verfolgt, hielt sich der Kirchenstaat infolge des sogenannten 'Aufstandes der gelben Kopftücher' (einer typischen Süd-Organisation gegen den Norden) in einem wilden Religionskrieg (dem ersten seiner Art) gegen die Regierung, bis, 215 n. Chr., der Erbhierarch es klug fand, sich dem General Wei als Tributärfürst zu unterwerfen, als welcher er mit hohen Ehren bestätigt und anerkannt wurde. Seine weltliche Gewalt schwand, unter Nachhilfe der Regierung, stark; offiziell wurde er, nach Grubes glücklichem Ausdruck, nur der 'Führer der Götter-Konduitenliste', – nicht der einzige übrigens, – für Kanonisationsfälle. Denn neben Ahnenkult war Menschen-Apotheose die Quelle der mächtig angeschwollenen Zahl 'unklassischer', 'taoistischer', vom klassischen Kult ignorierter, Götter, deren höchster, Panku, der Himmelskönig, thronend auf dem Jaspisberg des Westens mit seinen Gattinen, der alten persönlichen Gottesvorstellung vom Himmelsherrn entnommen ist. Die Macht über die Dämonen, die sich die Tao Schi zuschrieben, war die Grundlage ihrer politischen Laufbahn, die nun begann. Denn im Kampf zwischen den Literaten und den ihnen feindlichen Gewalten finden wir fortan die Taoisten stets auf der Gegenpartei. Sie waren zuerst »aristokratisch«: die bildungslosen Feudalinteressenten brauchten sie als Werkzeuge. Ihre Gegnerschaft gegen die konfuzianischen Riten und Zeremonien und gegen die konfuzianische Ordnungs- und Erziehungswut befähigte sie zu dieser Stellungnahme: 'das Volk soll bildungslos bleiben'. In Se Ma Tsien's Epoche war dies ihre Stellung und erst 124 gelang es den Literaten, ihrer Herr zu werden und durchzusetzen, daß alle Pfründen ihnen reserviert und die Pepinière der 70 Hofliteraten aus allen Teilen des Reichs rekrutiert wurde. Dann aber, als es mit dem Feudalismus zu Ende war und der Hauptgegner der Literaten der Sultanismus, gestützt auf Eunuchen, Generäle und aliterarische Günstlinge, wurde, schlugen sich die Taoisten ganz regelmäßig auf deren Seite. Jedes Aufflammen der Eunuchenmacht führte zu politischem Einfluß der Magier. Auch dieser, stets wieder – am entschiedensten unter den pazifistischen Mandschu – mit dem Siege der Literaten endigende, Kampf hat bis in die Regierung der Kaiserin-Witwe gedauert. Und man darf sich keine falschen, an unserem Konfessions-Begriff orientierten, Vorstellungen machen: auch der konfuzianische Mandarin nahm für gewisse Dienste den Taoisten in Anspruch, wie der klassische Hellene den, sonst verachteten, 'Propheten' oder (später) Horoskopisten. Eben darauf beruhte die Unausrottbarkeit des Taoismus, daß die siegreichen Konfuzianer selbst sich das Ziel radikaler Ausrottung der Magie überhaupt, und dieser Magie im besonderen, nie stellten, sondern nur: der Monopolisierung der Amtspfründen. Indessen nicht einmal dies gelang vollständig. Wir werden später sehen, welche (geomantische) Gründe sehr oft der restlosen Beseitigung einmal existierender Baulichkeiten im Wege standen. Ließ man aber die Klöster bestehen, so mußte man wohl oder übel auch die Insassen gewähren lassen, – was auch für die Buddhisten galt, wie wir sehen werden. Und die Deisidaimonie und Magie aller Literatenschichten scheute auch immer wieder vor der Reizung der 'Geister', auch der unklassischen, zurück. Daher blieben die Taoisten staatlich geduldet, ja, in gewissem Sinn, anerkannt. Die offizielle Stellung der dem Tschang Tien Scha, dem taoistischen Erbhierarchen, untergeordneten Tao Luh Se ist offenbar der von buddhistischen Superioren nachgebildet. An bestimmten Staatstempeln existieren taoistische Staatspriesterstellen, regelmäßig: 1. ein Direktor, 2. ein Hierophant, 3. ein Thaumaturgist (für Dürre und Ueberschwemmung), 4. einfache Priester. Inschriften mancher unabhängig gewordener Nachbarfürsten zeigen ausgeprägt taoistische Züge. Die absolute Verwerfung des Taoismus durch Kang Hi's heiliges Edikt und alle Mandschu-Herrscher hat daran nichts geändert. Ehe wir zu dem, von Orthodoxen und Heterodoxen gemeinsam geschaffenen spezifisch chinesischen »Weltbild« zurückkehren, registrieren wir hier, vorgreifend, nur kurz: daß die Stellung des aus Indien, im Interesse der Gewinnung von bequemen schreibkundigen Verwaltungskräften und eines weiteren Mittels der Massendomestikation, importierten Buddhismus, politisch angesehen, sehr ähnlich war. Der spezifisch an die weibliche Gefühlsseite appel lierende, aliterarische, Charakter des reformierten (Mahayana-) Buddhismus machte ihn zu einer Lieblingskonfession des Harems. Immer wieder finden wir die Eunuchen als seinen Begünstiger, genau wie beim Taoismus, besonders im 11. Jahrhundert unter den Ming. Neben dem erwähnten währungspolitischen und dem kantilistischen Interesse des Konfuzianismus (und, natürlich, der vielfachen Pfründenkonkurrenz) war dessen Gegensatz gegen den Sultanismus, den die Buddhisten stützten, eine der Triebfedern der furchtbaren Verfolgungen. Aber: – sowenig wie den Taoismus hat man den Buddhismus wirklich 'ausgerottet', so scharf sich die Edikte der Kaiser aussprachen und trotz aller an ihn anknüpfenden Geheimgesellschaften ('weißer Lotos'). Neben dem später zu erwähnenden geomantischen Grunde war dafür auch wieder maßgebend: daß es Zeremonien gab, die der Chinese nicht missen wollte und welche nur der Buddhismus bot: Totenmessen insbesondere, und daß der Seelenwanderungsglaube eine der populären Jenseitsvorstellungen geblieben war, nachdem er einmal Fuß gefaßt hatte. Daher finden sich ganz ebenso wie taoistische auch buddhistische anerkannte Pfründen, deren Stellung uns hier noch nicht beschäftigen soll. – Denn wir kehren hier zum Taoismus zurück. – Der aliterarische und antiliterarische Charakter des späteren Taoismus wurde der Grund, weshalb er – was uns hier interessiert – gerade in Kaufmannskreisen starke (nicht: exklusive!) Wurzeln faßte: ein sehr deutliches Paradigma (das wir noch oft kennen lernen werden) dafür: daß die ökonomischen Bedingungen allein nirgends die Art der Religiosität einer Schicht bestimmt haben. Umgekehrt konnte seine Eigenart nicht gleichgültig für die Lebensführung der Kaufleute bleiben. Denn er war eine absolut antirationale und dabei – sagen wir es offen: – höchst subaltern gewordene magische Makrobiotik, Therapeutik und Apotropie geworden. Vorzeitigen Tod zu verhindern – der ihm als Sündenstrafe galt, – den (taoistischen, unklassischen) Reichtumsgott und die zahlreichen apotheosierten Beamten- und Funktionsgötter günstig zu stimmen: das versprach er zu leisten. Irgend so etwas wie eine »bürgerliche Ethik« aber war bei ihm natürlich am allerwenigsten zu finden. Insofern interessiert er uns hier schlechterdings nicht. Sondern nur in seinen indirekten, negativen, Wirkungen. Die der Orthodoxie und Heterodoxie gemeinsame Duldung und die dem Taoismus eigene positive Pflege der Magie und der animistischen Vorstellungen haben praktisch den Fortbestand der ungeheuren Macht dieser im chinesischen Leben entschieden. Werfen wir einen Blick auf die Wirkungen. Allgemein läßt sich sagen:) jede Art von Rationalisierung des an sich uralten empirischen Wissens und Könnens in China hat sich in der Richtung des magischen Weltbildes bewegt. Die Astronomie wurde Astrologie, soweit sie nicht Kalenderwissenschaft war. Als solche war sie uralt und stand zunächst im Dienst der Verteilung der Ackerbaugeschäfte auf die Jahreszeiten. Die Technik war primitiv und reichte in keiner Art an die babylonischen Leistungen heran. Mit der Neuredaktion des Kalenders unter dem literatenfeindlichen Schi Hoang Ti begann der Aufstieg der Chronomantik: eine rein nach Analogien und makrokosmischen Vorstellungen vorgenommene Verteilung der Obliegenheiten auf die Monate, auf dies fasti und nefasti (je für konkrete Dinge, nicht: allgemein). Die 'Ta Schi' ('hohe Schriftsteller') als Kalenderbehörde, ursprünglich mit den Annalisten identisch, sind in die offizielle Abteilung für Astronomie und Astrologie übergegangen. Der chronomantische Betrieb aber – an der Hand der massenhaften Nach drucke des von der Regierung hergestellten Schi Hien Schan (Kalenders, chronomantischen Grundbuchs) wurde eine Erwerbsquelle der 'Tagemeister', welche bei jeder Wahl eines Tages gefragt werden sollten. Die Astrologie andererseits stand mit der sehr alten Meteorologie im Zusammenhang. Konjunkturen, Sichtbarkeit der Venus, Art des Leuchtens der Gestirne, Feststellung der Winde, – ursprünglich, wie de Groot annimmt, durch die Bedeutung der Passate bedingt, – dann aber: Erdbeben, Bergrutsche, Aërolithen, monströse Geburten, aber auch Deutung zufälliger Aeußerungen von Kindern (als besonders unmittelbarer Medien) und dergleichen magische 'Meteorologie' aller Art haben eine ungeheure Literatur entstehen lassen, die ausschließlich der Prüfung dienen: ob die 'Geister' in Ordnung sind oder nicht: – worauf, im negativen Fall, das Weitere die Staatsleitung angeht. Die Wu und Hih, uralte meteorologische Magier und Regenzauberer, die dies betrieben, galten als »taoistisch«; – nicht selten waren es hysterische (clairvoyante) Weiber, die diesen Erwerb besonders einträglich betrieben. Die Arzneilehre und die mit ihr zusammenhängende Pharmakologie, einst achtbare empirische Leistungen aufweisend, wurden völlig animistisch rationalisiert. Es wurde schon erwähnt, daß makrobiotische Pflanzen die Schen-jo-Arzneien lieferten; sie wuchsen in Unmassen, wie die Bäume des Lebens der Hebräer, in dem 'Paradies des Westens', dem Hain der Königin Si wang mu. Inwieweit die chinesische Expansion auch durch die Hoffnung nach dessen Entdeckung mitbestimmt wurde (wie Schi Hoang Ti's See-Expedition nach dem Lebenselixier) muß wohl dahingestellt bleiben. Die älteren Zustände kennzeichnet jene (absolut geglaubte) Legende von dem Fürsten der die Krankheitsgeister in seinen Eingeweiden sich darüber unterhalten hört (!), wie sie sich am besten einnisten (Fieber-Träume animistisch rationalisiert!). Aber das ist noch relativ recht primitiv gegen die weitere Rationalisierung. Elemente, Jahreszeiten, Geschmacksarten, Wetterarten werden mit den 5 (!) menschlichen Organen, dadurch wieder: Makrokosmus mit Mikrokosmus, in Beziehung gesetzt und daran die magische Therapie orientiert. Die alte Atemtechnik mit dem Ziel: den Atem, als Träger des Lebens, im Körper 'aufzuspeichern', wie das Tao te king riet, und dazu: Gymnastik, bestand daneben als Therapie fort. Schon Tang tschuan schu (2. Jahrh. v. Chr.) lehnte die Leidenschaft als Gefährdung der Atemwirkung ab, das (nach de Groot) nachchristliche Su Wen galt als klassisches Lehrbuch der wissenschaftlichen Atemkunstlehre. Dazu traten »Fu«(Pinselstriche der – charismatischen – Mandarinen) als Amulette und dergleichen. Doch lassen wir diese, de Groot entnommenen, Dinge. Denn ungleich wichtiger ist für uns die gewaltige Entwicklung der Praxis der Geomantik, des Jang Schu oder Fung Schui ('Wind und Wasser'). Zeit für die Bauten aller Art gaben, sahen wir (mit de Groot), die Chronomanten (Schi) an. Aber die Hauptsache kam dann erst: die Formen und Oerter. Nach einem Kampf zwischen mehreren geomantischen Schulen siegte im 9. Jahrh. die »Formen«-Schule über die mehr material animistische Gegnerin: die weit größeren Sportelchancen dieser Geomanten dürften dabei entscheidend beteiligt sein. Denn seitdem galt als ausgemacht: daß alle Formen von Bergen, Höhen, Felsen, Flächen, Bäumen, Gräsern, Gewässern geomantisch bedeutsam seien, ein einziger Fels-block durch seine Form ganze Gebiete vor Angriffen übler Dämonen schützen könne, es also nichts, schlechthin gar nichts Unerhebliches auf diesem Gebiete geben könne, vor allem die geomantisch furchtbar empfindlichen Gräber wahre Pestherde geomantischer Einflüsse seien, daß also für jeden Bau, selbst intern (Wasserrinnen in Wohnungen) geomantische Kontrolle unentbehrlich sei: denn jeder Todesfall beim Nachbar konnte, auf den eigenen Bau zurückgeführt, Rache bedeuten, jede neue Grabanlage alle Grabgeister stören und furchtbares Unheil stiften. Vor allem aber: die Art des Bergwerkbetriebs war stets geeignet, im Fall von Neuerungen die Geister zu erregen; vollends Eisenbahnanlagen, Fabrikanlagen mit Rauch – man kannte und benutzte die Steinkohle in China in vorchristlicher Zeit – hätten ganze Gegenden magisch verpestet. Die magische Stereotypierung der Technik und Oekonomik, verankert an diesem Glauben und an den Sportelinteressen der Geomanten, schloß die Entstehung von Verkehrs- und gewerblichen Betrieben moderner Art als bodenständiges Produkt völlig aus. Es bedurfte erst des im Sattel sitzenden Hochkapitalismus und des Engagements gewaltiger Mandarinen-Vermögen in den Eisenbahnkapitalien, um diese ungeheure Barriere zu überrennen und die Wu und Hih ebenso wie die Chrono- und Geomanten zunehmend unter die »Schwindler« zu verweisen. Aus eigener Kraft konnte das nie geschehen. Denn es war keine Seltenheit, daß viele Kilometerweite Umwege dauernd gemacht wurden, weil ein Kanal-, Straßen- oder Brückenbau vom geomantischen Standpunkt aus gefährlich war, daß buddhistische, also ketzerische, Klöster wegen des Fung Schui, als geomantische 'Verbesserung' der Natur also, gestattet und den Mönchen gegen starken Entgelt die Verpflichtung auferlegt wurde, geomantisch wichtige Zeremonien zu halten. Vollends die Gewinne der Geomanten selbst – und jede Partei zahlte sich einen, wenn es sich um Baustreit und dergleichen handelte – sollen ins Fabelhafte gegangen sein. So ist über dies alte schlichte empirische Können der Frühzeit, dessen Reste wir überall finden, und über eine technisch nicht geringe Begabung – wie die 'Erfindungen' zeigen, – ein Ueberbau magisch »rationaler« Wissenschaft gestülpt: Chronometrie, Chronomantik, Geomantik, Meteoromantik, Annalistik, klassische, mantisch bedingte, Staatskunde, Medizin, Ethik. Waren dabei die volkstümliche Stellung und die magischen Erwerbsinteressen, also die Heterodoxie oft praktisch führend, so hat die Literatenkaste ihrerseits sich an dieser Rationalisierung entscheidend beteiligt. Die kosmogonische Spekulation mit der heiligen Fünfzahl: 5 Planeten, 5 Elemente, 5 Organe sw., Makrokosmus und Mikrokosmus in Entsprechung (ganz nach babylonischer Art, aber absolut eigenständig, wie jeder Vergleich zeigt, – diese chinesische 'universistische' Philosophie und Kosmogonie verwandelte die Welt in einen Zaubergarten. Jedes chinesische Märchen zeigt die Volkstümlichkeit der irrationalen Magie: wilde, durch nichts motivierte dei ex machina durchschwirren die Welt und können alles machen; nur Gegenzauber hilft. Von der ethischen Rationalität des Wunders ist keine Rede. Dies wurde – um es deutlich zu sagen – nicht nur bestehen gelassen und geduldet, sondern gesteigert durch die Anerkennung des magischen Weltbildes und seine Verankerung an den massenhaften Erwerbschancen, die es den Wu, Hih, Schi aller Art bot. Der Taoismus war nicht nur ebenso traditionalistisch wie der Konfuzianismus, sondern, infolge seiner aliterarischen Irrationalität, weit mehr. Ein eigenes 'Ethos' aber kannte er überhaupt nicht: Zauber, nicht Lebensführung, entschieden über das Schicksal. Dies schied ihn, in dem Endstadium seiner Entwicklung, von dem – wie wir sahen – darin gerade umgekehrt orientierten Konfuzianismus, dem die Magie gegen die Tugend als machtlos galt. Aber die eigene Hilflosigkeit gegenüber dem magischen Weltbild hinderte es völlig, daß der Konfuzianismus jemals die grundlegenden rein magischen Vorstellungen der Taoisten, mochte er sie auch verachten, auszurotten in der inneren Lage gewesen wäre. Jede Antastung der Magie erschien als Gefährdung der eigenen Macht: 'wer wird den Kaiser hindern zu tun was er will, wenn er die omina und portenta nicht mehr glaubt?' – war s.Z. die entscheidende Antwort eines Literaten auf die Anregung: mit diesem Unsinn Schluß zu machen. Der magische Glaube gehörte zu den konstitutionellen Grundlagen der chinesischen Regierungsmachtverteilung. |
|
13 | 1920.6.2 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus VII. Orthodoxie und Heterodoxie (Taoismus) Volltext (2) Aber auch die taoistische Lehre – die von diesen magischen Kruditäten und auch von der 'universistischen' Theorie unterschieden werden kann, – wirkte nicht rationaler und bildete kein Gegengewicht. Die Lehre 'von den Handlungen und Vergeltungen', ein Produkt des Mittelalters, galt als taoistisch, und mit dem gleichen Namen pflegte – sahen wir – derjenige magische Betrieb bezeichnet zu werden, welcher nicht von buddhistischen Bonzen ausgeübt wurde, sondern, soweit sichere historische Kunde zurückreicht, in den Händen jener besonderen Priesteroder vielmehr Zaubererklasse plebejischen Charakters und plebejischer Rekrutierung lag. Mit dem Konfuzianismus teilte er, wie nach dem Gesagten zu erwarten, einen Teil auch der nicht rituellen Literatur: so galt angeblich ein Buch 'vom geheimen Segen' als gemeinsam. Ebenso, sahen wir, die allgemeinen magischen Voraussetzungen. Nur waren diese eben in der geschilderten Art außerordentlich viel ausschließlicher entwickelt und außerdem, im Gegensatz zum Konfuzianismus mit bestimmten positiven Verheißungen für das Diesseits und Jenseits verknüpft. Denn in diesen bestand ja der Wert der von der vornehmen Intellektuellenschicht mißachteten volkstümlichen Gottheiten für die Massen. Was der Konfuzianismus unterließ, das nahm eben deshalb die plebejische Priesterschaft des Taoismus in Angriff: dem Bedürfnis nach einer gewissen Systematik des Pantheon einerseits, nach Kanonisierung bewährter menschlicher Wohltäter oder Geister andererseits abzuhelfen. Der Taoismus hat so den von der offiziellen Lehre verunpersönlichten alten persönlichen Himmelsgott als Yü-hoang-schang-ti mit Laotse und einer dritten Figur unbekannter Herkunft zu der Trias der 'Drei Reinen' zusammengefaßt, die überall verehrten volkstümlichen 8 Hauptgenien (zum Teil historische Personen) und die sonstigen himmlischen Heerscharen leidlich schematisiert, den Stadtgott (sehr oft einen kanonisierten Mandarinen der Stadt) in seiner Funktion als amtlichen Konduitenlistenführer für das Jenseitsschicksal der Einwohner und also als Herren über Paradies und Hölle gesichert, und die Kultorganisation für ihn und die sonstigen kanonisierten Naturgeister oder Heroen in die Hand genommen, soweit ein solcher dauernd organisierter Kult überhaupt entstand. Meist wurden die Mittel durch Subskription und Turnusdienst der lokalen Interessenten aufgebracht und nur an den großen Festen von Priestern Messen gelesen. Neben dieser Schaffung eines unoffiziellen, aber geduldeten eigentlichen Kultes ging ferner, bereits seit den Zeiten der frühesten bekannten, sich als 'Schüler' Laotses bekennenden Schriftsteller jene Esoterik her, welche die mit dem Besitz des Tao Begnadeten als Träger übermenschlicher Kräfte aller Art behandelte und ihnen die Spendung magischen Heils an die Bedürftigen zuschob. Besteht nach allem Gesagten historisch die Verknüpfung dieses esoterischen Taoismus mit Laotse oder anderen Mystikern wirklich zu Recht, so war diese Entwicklung keineswegs erstaunlich. Denn die Weiterentwicklung der schon an sich unklassischen Kontemplation und vor allem des alten Anachoretentums mußte hier, wie überall da, wo der Weg von dem heilsaristokratischen Charisma des Begnadeten zu einer rationalen Askese nicht gefunden wurde, von der mystisch-pantheistischen Vereinigung mit dem Göttlichen aus direkt zu sakramentaler Magie: zu zauberischer Beeinflussung der Geisterwelt und praktischer Anpassung an die magische Gesetzlichkeit ihres Wirkens führen. Ein anderer Weg vom Heilsaristokratismus des der Erleuchtung Teilhaftigen zu einer Volksreligiosität war kaum möglich, wie schon in der Einleitung dargetan ist. Anthropolatrische Entwicklungen, wie sie sonst bei ritualistischer Umbiegung als Anpassung der aristokratischen Erleuchtungs-Erlösung an die Massenbedürfnisse eintreten: – der begnadete Magier wird, als Träger von »Yang«- Substanz, Anbetungsobjekt und lebender 'Heiland' – hat die chinesische Regierung aus politischen Gründen früher sowenig wie im 19. Jahrh. geduldet. Kultartige Verehrung eines lebenden Charismaträgers – Anbetung und Gebet um gute Ernte – findet sich aus dem 4. Jahrhundert v.Chr. berichtet. Die spätere Praxis der Orthodoxie ließ dies indessen nur für Verstorbene, namentlich für charismatisch bewährte Beamte zu und suchte sorgsam alle und jede Qualifizierung von lebenden Menschen als Propheten oder Heilande, sobald sie über die unausrottbare Verwendung der Spezialisten bestimmter magischer Techniken hinauszugehen und vollends, sobald sie zu hierokratischen Bildungen zu führen drohte, hintanzuhalten. Dem Taoismus ist es aber immerhin, sahen wir, wiederholt gelungen, von den Kaisern anerkannt zu werden. Im 11. Jahrhundert wurde sogar ein taoistisches Prüfungswesen nach dem Muster des konfuzianischen, mit 5 Graden, neben den orthodoxen Prüfungen etabliert. In solchen Fällen handelte es sich also darum, taoistisch gebildeten Studenten die Aemter und Pfründen zugänglich zu machen; jedesmal aber erhob sich hiergegen der geschlossene Protest der konfuzianischen Schule, der es denn auch gelang, die Taoisten aus dem Pfründengenuß wieder hinauszuwerfen. Drehte sich so der Streit ökonomisch und sozial um die Frage: wer den Genuß der Steuererträge des Reichs haben sollte, so wirkte sich in diesen Kämpfen doch auch der tiefe innere Gegensatz des Konfuzianismus gegen alle emotionellen Formen der Religiosität und Magie aus. Fast stets waren es, sahen wir, Harem und Eunuchen, die traditionellen Feinde der Literaten, durch welche die taoistischen Zauberer den Weg zum Palaste fanden: – bei dem Versuch von 741 wurde ein Eunuch Akademiepräsident. Und stets war es der stolze, maskuline, rationale und nüchterne, darin dem Römertum verwandte, Geist des Konfuzianismus, der sich dagegen sträubte, die hysterische Erregung der Weiber und ihre Zugänglichkeit für Aberglauben und Mirakel sich in die Leitung der Staatsgeschäfte mischen zu lassen. Der Gegensatz ist in dieser Art bis zuletzt bestehen geblieben. In einem in anderem Zusammenhang zitierten Bericht eines Hanlin-Professors aus dem Jahre 1878 anläßlich der allgemeinen Erregung bei einer großen Dürre wird den beiden regierenden Kaiserinnen nachdrücklich vorgetragen: daß nicht Erregung, sondern ausschließlich und allein ein »gefaßter und unerschütterter Geist«, im übrigen aber die korrekte Erfüllung der rituellen und ethischen Staatspflichten die kosmische Ordnung erhalten und wiederherstellen könne. Der Antragsteller fügt mit deutlicher Spitze echt konfuzianisch hinzu: er beanspruche seinerseits nicht, die Geheimnisse der Dämonen und Geister enthüllen oder aus Zeichen wahrsagen zu können, aber Eunuchen und Gesinde des noch jugendlichen Kaisers sollten sich vor abergläubischem Geschwätz hüten, welches die Gefahr der Heterodoxie mit sich bringe. Er schließt mit der schon früher zitierten Mahnung, die Kaiserinnen sollten durch Uebung der Tugend und nicht auf andere Weise der Lage Rechnung tragen. Das in seinem stolzen Freimut eindrucksvolle Denkmal konfuzianischer Gesinnung zeigt zugleich unverkennbare Nachklänge der alten Gegensätze. Für die Anhänglichkeit von Kreisen der Kaufmannschaft an den Taoismus war, sahen wir, ausschlaggebend: daß ihr Spezialgott des Reichtums, also der Be rufsgott der Kaufmannschaft, ein von taoistischer Seite gepflegter Gott war. Der Taoismus hat ja eine ganze Anzahl von solchen Spezialgöttern zu Ehren gebracht. So den als Kriegsgott kanonisierten Heros der kaiserlichen Truppen, Studentengötter, Götter der Gelehrsamkeit und vor allem auch: der Langlebigkeit. Denn hierin lag eben, wie in den eleusinischen Mysterien, auch beim Taoismus der Schwerpunkt: in den Verheißungen von Gesundheit, Reichtum und glücklichem Leben im Diesseits und Jenseits. Die Lehre von den Handlungen und Vergeltungen stellt für alle Handlungen Belohnungen und Strafen durch die Geister in Aussicht, sei es im Diesseits, sei es im Jenseits, sei es an dem Täter selbst, sei es – im Gegensatz zur Seelenwanderungslehre – an seinen Nachkommen. Die Jenseitsversprechungen insbesondere zogen ein großes Publikum an. Da die Lehre, daß das »richtige Leben« des einzelnen für sein Verhalten, das des Fürsten für das Schicksal des Reichs und die kosmische Ordnung entscheidend sei, den Taoisten ebenso selbstverständlich war wie den Konfuzianern, so mußte auch der Taoismus ethische Anforderungen stellen. Aber diese unsystematischen Ansätze zu einer Verknüpfung des Jenseitsschicksals mit einer Ethik blieben ohne Folge. Die nackte Magie, von der konfuzianischen Bildungsschicht nie ernstlich bekämpft, überwucherte immer wieder alles. Eben infolgedessen hat sich die taoistische Lehre in der geschilderten Art zunehmend zu einer sakramentalen Therapie, Alchimie, Makrobiotik und Unsterblichkeitstechnik entwickelt. Der Urheber der Bücherverbrennung, der Feind der Literaten ist durch die Unsterblichkeitstränke der Taoisten mit ihnen zusammengeführt worden. Seine Expedition nach den Inseln der Unsterblichen im Ostmeer wird in den Annalen verzeichnet. Andere Herrscher mehr durch ihre Versuche, Gold zu machen. Innerhalb der für die Lebensführung der Gebildeten maßgebenden Schicht des literarisch geschulten Beamtentums blieb die ursprüngliche Lehre Laotses in ihrem Sinne unverstanden und in ihren Konsequenzen schroff abgelehnt, die Magie der seinen Namen führenden Priester aber wurde mit duldsamer Verachtung als geeignete Kost für die Massen behandelt. Darüber, daß der Taoismus sowohl in seiner hierarchischen Organisation, wie seiner Pantheonbildung (namentlich: der Trias der höchsten Götter), wie in seinen Kultformen, wenn nicht alles, so doch vieles, erst dem Buddhismus nachgeahmt hat, herrscht im allgemeinen unter den Sinologen kein Zweifel, wenn auch der Grad der Abhängigkeit bestritten ist. In seinen Wirkungen war der Taoismus noch wesentlich traditionalistischer als der orthodoxe Konfuzianismus. Dies ist von einer durchaus magisch orientierten Heilstechnik, deren Zauberer ja an der Erhaltung der Tradition und vor allem der überlieferten Deisidaimonie direkt mit ihrer ganzen ökonomischen Existenz interessiert waren, nicht anders zu erwarten. Und es nimmt daher nicht wunder, dem Taoismus die ausdrückliche Formulierung des Grundsatzes: 'führe keine Neuerungen ein', zugeschrieben zu finden. In jedem Falle führte von hier nicht nur kein Weg zu einer rationalen – sei es inner- oder außerweltlichen – Lebensmethodik, sondern die taoistische Magie mußte eines der ernstlichsten Hindernisse für die Entstehung einer solchen werden. Die eigentlich ethischen Gebote waren im späteren Taoismus – für die Laien – materiell wesentlich die gleichen, wie im Konfuzianismus. Nur daß der Taoist von ihrer Erfüllung persönliche Vorteile, der Konfuzianer mehr das gute Gewissen des Gentleman erwartete. Der Konfuzianer operierte mehr mit dem Gegensatz: 'recht' – 'unrecht', der Taoist, wie jeder Magier, mehr mit 'rein' – 'unrein'. Trotz seines Interesses für Unsterblichkeit und jenseitige Strafen und Belohnungen blieb er innerweltlich orientiert wie der Konfuzianer. Der Gründer der taoistischen Hierarchie soll sich das, die Aeußerung des Achilleus in der Unterwelt noch überbietende Wort des Philosophen Tschuang-Tse ausdrücklich angeeignet haben: daß »die Schildkröte lieber lebend den Schwanz durch den Kot schleifen als tot in einem Tempel verehrt werden wolle«. Nachdrücklich ist daran zu erinnern, daß die Magie auch im orthodoxen Konfuzianismus ihren anerkannten Platz behalten hat und ihre traditionalistischen Wirkungen übte. Wenn, wie erwähnt, noch im Jahre 1883 ein Zensor dagegen protestierte, daß die Deicharbeiten am Hoangho nach moderner Technik, also anders als in den Klassikern vorgesehen, vorgenommen würden, so war dabei zweifellos die Befürchtung vor Beunruhigung der Geister ausschlaggebend. Nur die bei den volkstümlichen Magiern vorkommende emotionale und die bei den Taoisten heimische apathische Ekstase, überhaupt alle in diesem psychologischen Sinn »irrationale« Magie und jede Form von Mönchsaskese lehnte der Konfuzianismus durchaus ab. Hinlänglich starke Motive für eine religiös orientierte, etwa puritanische, Lebensmethodik des einzelnen konnte die chinesische Religiosität also weder in ihrer offiziellen staatskultischen noch in ihrer taoistischen Wendung aus sich heraussetzen. Es fehlte bei beiden Formen jede Spur einer satanischen Macht des Bösen, mit welcher der im chinesischen Sinn fromme Mensch – er sei orthodox oder heterodox – um sein Heil zu ringen hätte. Die genuin konfuzianische Lebensweisheit war 'bürgerlich' im Sinne des optimistischen aufgeklärten Beamtenrationalismus mit seinem, jeder Aufklärung leicht beigemengten, supersti tiösen Einschlag. 'Ständisch' aber war sie als eine Moral des literarischen Intellektuellentums: Bildungsstolz war ihre spezifische Note. Selbst dem denkbar grenzenlosesten utilitarischen Optimismus und Konventionalismus konnte jedoch die Tatsache nicht entgehen: daß diese beste der möglichen sozialen Ordnungen, innerhalb deren Unglück und Unrecht nur die Folge von Unbildung des einzelnen oder charismatischer Unzulänglichkeit der Regierung – oder, nach taoistischer Lehre, von magisch relevanten Verfehlungen – sein sollten, angesichts der tatsächlichen Verteilung der Glücksgüter und der Unberechenbarkeit des Lebensschicksals doch oft auch mäßigen Ansprüchen nicht genügte. Das ewige Problem der Theodizee mußte auch hier entstehen. Und wenigstens dem Konfuzianer stand ein Jenseits oder eine Seelenwanderung nicht zur Verfügung. Infolgedessen findet sich in leisen Spuren innerhalb der klassischen Schriften die Andeutung einer Art von esoterischen Prädestinationsglaubens. Die Vorstellung hatte einen etwas zwiespältigen Sinn, ganz entsprechend dem Charakter der chinesischen Bureaukratie als einer dem Wesen nach dem Kriegsheldentum fernstehenden, ebenso aber auch ständisch von allem rein Bürgerlichen geschiedenen Literatenschicht. Die Konzeption einer Vorsehung fehlte dem Volksglauben, scheint es, gänzlich. Dagegen entwickelte er deutliche Ansätze eines astrologischen Glaubens an die Herrschaft der Gestirne über das Schicksal des einzelnen. Der Esoterik des Konfuzianismus – soweit man von einer solchen sprechen kann – scheint der Vorsehungsglaube nicht schlechthin fremd. Aber – namentlich bei Mencius zeigt sich das – die Vorsehung bezog sich im allgemeinen nicht auf das konkrete Schicksal des einzelnen Menschen, sondern nur auf die Harmonie und den Verlauf der Schicksale der sozialen Gesamtheit als solcher, ganz wie bei allen urwüchsigen Gemeinschaftskulten. Andererseits aber war auch die jedem rein menschlichen Heldentum – welches den Glauben an eine gütige Vorsehung überall stolz abgelehnt hat – spezifische Auffassung der Vorherbestimmung als eines irrationalen Verhängnisses im Sinne etwa der hellenischen »Moira«, einer unpersönlichen Schicksalsmacht also, welche die großen Peripetien im Leben des einzelnen bestimmt, im Konfuzianismus nicht wirklich durchgeführt. Sondern beides stand nebeneinander. Seine eigene Mission und was sie beeinflußte, sah Konfuzius offenbar als positiv providentiell geordnet an. Daneben findet sich nun der Glaube an die irrationale Moira. Und zwar in sehr charakteristischer Wendung. Nur der »höhere Mensch«, so heißt es, weiß überhaupt vom Schicksal. Und ohne Schicksalsglauben, wird hinzugefügt, kann man kein vornehmer Mensch sein. Der Glaube an eine Vorherbestimmung diente also hier, wie auch sonst, dazu, diejenige Art von stoischem Heldentum, welche dem literarischen Intellektualismus allein zugänglich ist: die 'Bereitschaft', etwa im Sinne Montaignes, zu unterbauen, um mit Gleichmut das Unabänderliche hinzunehmen und eben darin die Gesinnung des vornehm gebildeten Kavaliers zu bewähren. Der gemeine Mann jagt, schicksalsfremd oder in Angst vor dem Verhängnis, nach Glück und Gut, oder er steht – und dies schien, nach den Missionarberichten, praktisch die Regel zu sein – dem Schicksalswechsel, wenn auch nicht als einem Kismet, so doch als einem Fatum, resignierend gegenüber. Während der konfuzianische 'höhere' Mensch, vom Verhängnis wissend und ihm innerlich gewachsen, in stolzem Gleichmut seiner Persönlichkeit und ihrer Pflege zu leben gelernt hat. Man sieht: hier wie immer diente dieser, eine restlos rationale innerweltliche Theodizee wenigstens für den einzelnen ablehnende (daher von manchem Philosophen als die Ethik gefährdend verworfene und innerhalb des Konfuzianismus gegen den sonstigen Rationalismus des Systems in Spannung lebende) Glaube an die Irrationalität der Prädestination, der zu den andern uns schon bekannten irrationalen Bestandteilen des konfuzianischen Rationalismus hinzutritt, als Stütze der Vornehmheit. In einem charakteristisch anderen Sinne als der an einem persönlichen Gott und seiner Allmacht orientierte puritanische Prädestinationsglaube, der zwar gleichfalls die Güte der Vorsehung hart und klar ablehnte, aber dabei dennoch für sich nach dem Jenseits blickte. Das Jenseits aber kümmerte im Konfuzianismus den vornehmen so wenig wie den gemeinen Mann. Das einzige über den Tod hinausreichende Interesse des ersteren war die Ehre seines Namens, für die er den Tod zu leiden bereit sein mußte. Und in der Tat haben konfuzianische Herrscher und Generäle – wenn im hohen Spiel des Krieges und der Menschenschicksale der Himmel gegen sie war – mit Stolz zu sterben gewußt, besser als wir das an ihren christlichen Kollegen bei uns zu erleben hatten. Daß dieses spezifische Ehrgefühl Kennzeichen des vornehmen Mannes war, und daß es sich wesentlich an eigene Leistungen, nicht an Geburt knüpfte, war wohl das stärkste Motiv hochgespannter Lebensführung, welches der Konfuzianismus überhaupt kannte. Auch darin war diese Lebensführung durchaus ständisch und nicht in unserem okzidentalen Sinne 'bürgerlich' orientiert. Damit ist auch schon gesagt, daß die Bedeutung einer solchen Intellektuellenethik für die breiten Massen ihre Schranken haben mußte. Zunächst waren die lokalen und vor allem die sozialen Unterschiede der Bildung selbst enorme. Die traditionalistische und bis in die Neuzeit stark naturalwirtschaftliche Bedarfsdeckung, aufrechterhalten bei den ärmeren Völkskreisen durch eine nirgends in der Welt erreichte, an das Unglaubwürdige grenzende Virtuosität im Sparen (im konsumtiven Sinne des Worts), war nur möglich bei einer Lebenshaltung, welche jede innerliche Beziehung zu den Gentlemanidealen des Konfuzianismus ausschloß. Nur die Gesten und Formen des äußeren Sichverhaltens der Herrenschicht konnten hier, wie überall, Gegenstand allgemeiner Rezeption sein. Der entscheidende Einfluß der Bildungsschicht auf die Lebensführung der Massen hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach vor allem durch einige negative Wirkungen vollzogen: die gänzliche Hemmung des Entstehens einer prophetischen Religiosität einerseits, die weitgehende Austilgung aller orgiastischen Bestandteile der animistischen Religiosität andererseits. Es muß als möglich gelten, daß dadurch wenigstens ein Teil jener Züge mitbedingt ist, welche man zuweilen als chinesische Rassenqualitäten anzusprechen pflegt. Vor allem die kühle Temperierung der konfuzianischen Sozialethik, dann ihre Ablehnung anderer als rein personaler – familialer, scholarer oder kameradschaftlicher – Bande spielten hier mit. Die Wirkung der Erhaltung dieses Personalismus zeigt vor allem die Sozialethik. Es fehlte in China bis in die Gegenwart das Verpflichtungsgefühl gegenüber 'sachlichen' Gemeinschaften, seien sie politischer oder ideeller oder welcher Natur immer. Alle Sozialethik war hier lediglich eine Uebertragung organischer Pietätsbeziehungen auf andere, die ihnen gleichartig gedacht wurden. Die Pflichten innerhalb der fünf natürlichen sozialen Beziehungen: zum Herrn, Vater, Ehemann, ältern Bruder (einschließlich des Lehrers) und Freund enthielten den Inbegriff aller unbedingt bindenden Ethik. Der konfuzianische Grundsatz der Reziprozität, welcher allen außerhalb dieser Beziehungen liegenden natürlichen sachlichen Pflichten zugrunde liegt, enthielt keinerlei pathetisches Element in sich. Alle in der genuinen Sozialethik der Nachbarschaftsverbände überall bodenständigen Pflichten, so namentlich die überall als Zeichen vornehmer Lebensführung geltende, von allen heiligen Sängern gepriesene, von jeder religiösen Ethik rezipierte Gastfreiheits- und Wohltätigkeitspflicht der Besitzenden, hatten unter der Einwirkung der konfuzianischen Rationalisierung und Konventionalisierung der ganzen Lebensführung sehr stark formelhaften Charakter angenommen. So namentlich das 'Praktizieren der Tugend' – wie der charakteristische übliche Ausdruck lautete – in Gestalt der Gastlichkeit für Arme am 8. Tage des 12. Monats. Das Almosen – das urwüchsige Kerngebot aller ethischen Religiosität – war ein traditioneller Tribut geworden, dessen Verweigerung gefährlich war. Die christliche Bedeutsamkeit des Almosens hatte dazu geführt, die 'Armen', da ihre Existenz für das Seelenheil der Reichen notwendig war, als einen gottverordneten 'Stand' innerhalb der christlichen Gemeinschaft anzusehen. In China hatten sie sich in gut organisierten Gilden zusammengeschlossen, die zu prinzipiellen Feinden zu haben niemand leicht wagte. Daß im übrigen Hilfsbereitschaft dem 'Nächsten' gegenüber im allgemeinen nur erwartet wurde, wo ein konkreter persönlicher oder sachlicher Anlaß dazu vorhanden war, dürfte nicht nur in China das Normale sein und nur der Landeskenner kann beurteilen, ob tatsächlich, wie gesagt wird, hier ausgeprägter als anderwärts. Da der Volksreligiosität hier noch, wie der magischen Religiosität ursprünglich überall, dauernde leibliche Gebrechen als Folgen irgendeiner rituellen Sünde galten und das Gegengewicht religiöser Mitleidsmotive fehlte, so mag es, so sehr die Ethik (Mencius) den sozialen Wert des Mitleids rühmte, recht wohl sein, daß diese Empfindung nicht eben sehr entwickelt wurde. Jedenfalls nicht auf dem Boden des Konfuzianismus. Selbst die (heterodoxen) Vertreter der Feindesliebe (z.B. Mo ti) begründeten diese wesentlich utilitarisch. – Die heiligen persönlichen Pflichten der Sozialethik konnten nun untereinander in Konflikt geraten. Dann mußten sie eben relativiert werden. Zwangsteilungen von Familien- und fiskalischen Interessen, Selbstmorde und Weigerungen von Vätern, ihre Söhne (als Hochverräter) zu verhaften, abwechselnd Verordnung von Bambushieben für solche Beamten, die nicht trauerten, und für solche, die zu viel trauerten (also durch Amtsablehnung der Verwaltung Schwierigkeit machten) sind Zeugnisse davon. Aber ein Konflikt der Interessen des eigenen Seelenheils mit den Anforderungen der natürlichen sozialen Ordnungen nach christlicher Art war undenkbar. Ein Gegensatz von 'Gott' oder 'Natur' gegen 'positives Recht' oder 'Konvention' oder irgendwelche andere verpflichtende Mächte, und deshalb auch irgendein religiöses oder rationales, mit einer Welt der Sünde oder des Unsinns in Spannung oder Kompromiß lebendes, religiös unterbautes Naturrecht fehlte, außer aus den schon erwähnten, auch aus diesem Grunde selbst in den leisesten Ansätzen, wie jeder Blick auf die Fälle, in welchen die Klassiker gelegentlich von 'natürlich' reden, sofort zeigt. Denn dann ist immer der Kosmos der mit sich harmonischen Natur- und Gesellschaftsordnung gemeint. Gewiß erreicht fast kein Mensch die Stufe der unbedingten Vollendung. Aber jeder Mensch ist vollkommen zulänglich, sich innerhalb der sozialen Ordnungen, die ihn daran nicht im mindesten hindern, eine für ihn ausreichende Stufe der Vollkommenheit zu erwerben, indem er die offiziellen sozialen Tugenden: Menschenfreundlichkeit, Rechtlichkeit, Aufrichtigkeit, rituelle Pietät und Wissen, ausübt, je nachdem mehr in aktiver (konfuzianischer) oder mehr in kontemplativer (taoistischer) Färbung. Wenn die soziale Ordnung trotz Erfüllung jener Pflichten nicht zum Heil und zur Zufriedenheit aller führt, dann ist – sahen wir schon wiederholt – der charismatisch ungenügend qualifizierte Herrscher persönlich daran schuld. Darum gibt es im Konfuzianismus keinen seligen Urstand, sondern, wenigstens nach der klassischen Lehre, als Vorstufe der Kultur nur bildungslose Barbarei (für die man ja in den stets mit Einbruch drohenden wilden Gebirgsstämmen das Beispiel nahe hatte). Auf die Frage, wie man die Besserung der Menschen am schnellsten erreiche, antwortet der Meister im Lapidarstil: man möge sie zuerst bereichern und dann erziehen. Und in der Tat entsprach dem englischen formelhaften 'How do you do'? – charakteristisch das ebenso formelhafte 'Hast du Reis gegessen'? des Chinesen als Begrüßungsformel. Da Armut und Dummheit die einzigen beiden sozusagen »erbsündlichen« Qualitäten, Erziehung und Wirtschaft aber in der Prägung der Menschen allmächtig waren, so mußte der Konfuzianismus die Möglichkeit eines goldenen Zeitalters nicht in einem unschuldsvollen primitiven Naturstand, sondern vielmehr in einem optimalen Kulturstand erblicken. Nun wird uns in einer merkwürdigen Stelle der klassischen Schriften einmal ein Zustand geschildert, in welchem die Herrscherwürde nicht erblich, sondern durch Wahl besetzt ist, die Eltern nicht nur die eigenen Kinder als ihre Kinder lieben und umgekehrt, Kinder, Witwen, Alte, Kinderlose, Kranke aus gemeinsamen Mitteln erhalten werden, die Männer ihre Arbeit und die Frauen ihr Heimwesen haben, Güter zwar gespart, aber nicht zu Privatzwecken akkumuliert werden, die Arbeit nicht dem eigenen Vorteile dient, Diebe und Rebellen nicht existieren, alle Türen offen stehen und der Staat kein Machtstaat ist. Dies ist der »große Weg« und sein Resultat die »große Gleichartigkeit« – wogegen die durch Selbstsucht erzeugte empirische Zwangsordnung mit individuellem Erbrecht, Einzelfamilie, kriegerischem Machtstaat und der exklusiven Herrschaft der individuellen Interessen in charakteristischer Terminologie die »kleine Ruhe« genannt wird. Die Schilderung jener anarchistischen Idealgesellschaft fällt derart aus dem Rahmen der empirischen konfuzianischen Gesellschaftslehre heraus und ist speziell mit der Kindespietät als der Grundlage aller konfuzianischen Ethik so unvereinbar, daß die Orthodoxie sie teils auf Textverderbnis zurückführte, teils »tao-istische« Heterodoxie darin witterte (wie übrigens auch Legge tut), während begreiflicherweise jetzt die moderne Schule Kang-yu-wei's gerade diesen Ausspruch als Beweis für die konfuzianische Legitimität des sozialistischen Zukunftsideales zu zitieren pflegt. Tatsächlich dürfte auch diese Stelle ebenso wie manche andere im Li-ki der Ausdruck für die von de Groot besonders klar vertretene Ansicht sein: daß viele später und jetzt als heterodox oder doch unklassisch und sogar als eine besondere Religion angesehene Lehren sich ursprünglich zur Orthodoxie etwa so verhielten, wie christliche Mystik zur katholischen Kirche und sufistische Mystik zum Islam. Wie jede kirchliche Anstaltsgnade mit der individuellen Heilssuche des Mystikers stets nur künstlich in ein Kompromiß gebracht werden konnte, obwohl andererseits die kirchliche Anstalt selbst die Mystik als solche nicht grundsätzlich verwerfen durfte, so geriet hier die letzte Konsequenz des konfuzianischen Optimismus: die Hoffnung auf Erreichung rein irdischer Vollkommenheit ganz aus eigener ethischer Kraft der Individuen und durch die Macht geordneter Verwaltung, mit der ebenfalls grundlegenden konfuzianischen Anschauung in Spannung: daß die materielle und ethische Wohlfahrt des Volkes und aller einzelnen letztlich bedingt sei nur durch die charismatischen Qualitäten des vom Himmel legitimierten Herrschers und die staatliche Anstaltsfürsorge seiner Beamten. Aber eben diese Lehre führte den Taoismus zu seinen Konsequenzen. Die als heterodox geltende Lehre vom Nichtstun der Regierung als der Quelle alles Heils war ja nur die letzte Konsequenz des ins Mystische umschlagenden orthodox konfuzianischen Optimismus. Nur ihr akosmistisches Vertrauen auf die eigene Qualifikation und die Entwertung der Anstaltsgnade, welche daraus folgte, ließ dabei sofort die Gefahr einer Häresie entstehen. Die Ueberbietung der innerweltlichen Laiensittlichkeit durch das Aufsuchen besonderer Heilswege war eben hier, wie überall, das prinzipiell der Anstaltsgnade Bedenkliche, – ganz wie im kirchlichen nicht asketischen Protestantismus. Denn an sich war ja Tao: der »Weg« zur Tugend selbstverständlich, wie wir sahen, auch ein zentraler orthodox konfuzianischer Begriff. Und ebensogut, wie die mehr oder minder konsequenten, den Eingriff des Staates nur im Falle von allzu bedenklichen Exzessen der Reichtumsdifferenzierung vorbehaltenden, oben erwähnten Laissezfaire-Theorien einiger Konfuzianer, konnte sich natürlich die Mystik auf die Bedeutung der gottgewirkten, natürlichen, kosmischen und sozialen 'Harmonie' berufen, um das Prinzip des Nichtregierens daraus abzuleiten. Ebenso schwierig und zweifelhaft, wie die Feststellung, ob vom Standpunkt der mittelalterlichen Kirche ein Mystiker noch orthodox sei, war daher für den Konfuzianismus die entsprechende Feststellung für diese Lehren. Es ist also sehr verständlich, wenn de Groot die übliche Behandlung des Taoismus als einer eigentlichen Sonderreligion neben dem Konfuzianismus überhaupt ablehnt, obwohl die Religionsedikte der Kaiser selbst mehrfach und ausdrücklich neben dem Buddhismus den Taoismus als einen nur geduldeten unklassischen Glauben nennen. Der Soziologe hat sich im Gegensatz dazu an die Tatsache der hierokratischen Sonder organisation zu halten. Letztlich waren, material, die Scheidungen orthodoxer und heterodoxer Lehren und Praktiken ebenso wie alle entscheidenden Eigentümlichkeiten des Konfuzianismus durch seinen Charakter als einer ständischen Ethik der literarisch geschulten Bureaukratie einerseits, andererseits aber durch die Festhaltung der Pietät und speziell der Ahnenverehrung als der politisch unentbehrlichen Grundlage des Patrimonialismus bedingt. Nur wo diese Interessen bedroht schienen, reagierte der Selbsterhaltungsinstinkt der maßgebenden Schicht mit dem Stigma der Heterodoxie. In der grundlegenden Bedeutung des Ahnenkultes und der innerweltlichen Pietät als der Grundlage der patrimonialen Untertanengesinnung lag nun auch die wichtigste absolute Schranke der praktischen Toleranz des konfuzianischen Staates. Diese zeigte einerseits Verwandtschaft, andererseits auch charakteristische Unterschiede zu dem Verhalten der okzidentalen Antike. Der Staatskult kannte nur die offiziellen großen Geister. Aber auch die taoistischen und buddhistischen Heiligtümer begrüßte der Kaiser gegebenenfalls, nur daß er nicht, wie z.B. selbst vor dem heiligen Konfuzius, den Kotau machte, sondern sich mit einer höflichen Verbeugung begnügte. Geomantische Dienste werden staatlich entlohnt. Das Fung-schui war offiziell anerkannt. Gelegentlich finden sich Unterdrückungen von Exorzisten aus Tibet, – welche die Alten 'Wu' nannten, fügt das Dekret hinzu, – aber sicher aus rein ordnungspolizeilichen Gründen. Am Kult des taoistischen Stadtgottes nahm der Stadtmandarin offiziell teil und die Kanonisierungen durch den taoistischen Patriarchen bedurften des kaiserlichen Plazet. Weder existierten garantierte Ansprüche auf »Gewissensfreiheit«, noch waren andererseits Verfolgungen wegen rein religiöser Ansichten die Regel, außer wo entweder magische Gründe (ähnlich den hellenischen Religionsprozessen) oder politische Gesichtspunkte sie forderten. Aber diese verlangten immerhin ziemlich Erhebliches. Die kaiserlichen Religionsedikte und selbst ein Schriftsteller wie Mencius machten die Verfolgung der Ketzerei zur Pflicht. Die Mittel und die Intensität, auch der Begriff und das Ausmaß des 'Ketzerischen' wechselten. Wie die katholische Kirche die Leugnung der Sakramentsgnade und das römische Reich die Ablehnung des Kaiserkults, so hat der chinesische Staat die nach seinen Maßstäben staatsfeindlichen Häresien teils durch Belehrung (noch im 19. Jahrhundert durch ein eigenes amtlich verbreitetes Lehrgedicht eines Monarchen) bekämpft, teils aber mit Feuer und Schwert verfolgt. Entgegen der Legende von der unbeschränkten Duldsamkeit des chinesischen Staates hat noch das 19. Jahrhundert in fast jedem Jahrzehnt eine Häretikerverfolgung mit allen Mitteln (einschließlich der Zeugentortur) gesehen. Und andererseits war fast jede Rebellion mit einer Häresie intim verknüpft. Der chinesische Staat war, gegenüber etwa dem antiken römischen, insofern in einer besonderen Lage, als er außer den offiziellen Staatskulten und dem obligatorischen Ahnenkult der einzelnen auch, seit der endgültigen Rezeption des Konfuzianismus, eine offiziell allein anerkannte Lehre besaß. Insofern näherte er sich einem »konfessionellen« Staat und stand im Gegensatz zum vorchristlichen antiken Imperium. Das 'heilige Edikt' von 1672 gebot daher ausdrücklich (in der siebenten seiner sechzehn Sentenzen) die Ablehnung falscher Lehren. Dabei aber war die orthodoxe Lehre keine dogmatische Religion, sondern eine Philosophie und Lebenskunde. Das Verhältnis war in der Tat ähnlich, wie wenn etwa die römischen Kaiser des 2. Jahrhunderts die stoische Ethik offiziell als allein orthodox und ihre Annahme als Vorbedingung für die Uebertragung staatlicher Aemter rezipiert hätten. Demgegenüber war nun, wie in Indien und auf dem Boden jeder zur mystischen Erlösung führenden Religiosität überhaupt, die populäre Form der Sektenreligiosität die Spendung von Sakramentsgnade. Wurde der Mystiker zum Propheten, Propagandisten, Patriarchen, Beichtvater, so wurde er damit in Asien unvermeidlich auch zum Mystagogen. Aber das kaiserliche Amtscharisma duldete gerade solche Mächte mit selbständiger Gnadengewalt neben sich so wenig wie die Anstaltsgnade der katholischen Kirche es tun konnte. Es waren dementsprechend fast immer die gleichen Tatbestände, welche den Häretikern in den Motiven der kaiserlichen Ketzeredikte vorgeworfen wurden. Zunächst natürlich die Tatsache, daß nicht konzessionierte neue Götter verehrt wurden. Da aber im Grunde überhaupt das ganze volkstümliche Pantheon, soweit es vom staatskultischen abwich, als unklassisch und barbarisch galt, so war nicht dieser Punkt, sondern es waren die folgenden drei die wirklich entscheidenden: 1. Die Ketzer tun sich, angeblich zur Pflege tugendhaften Lebens, zu nichtkonzessionierten Gesellschaften zusammen, welche Kollekten veranstalten. 2. Sie haben Leiter, teils Inkarnationen, teils Patriarchen, welche ihnen jenseitige Vergeltung predigen und das jenseitige Seelenheil versprechen. 3. Sie beseitigen die Ahnentafeln in ihren Häusern und trennen sich zu mönchischem oder sonst unklas sischem Lebenswandel von der Familie ihrer Eltern. Der erste Punkt verstieß gegen die politische Polizei, welche nichtkonzessionierte Vereine verbot. Tugend sollte der konfuzianische Untertan privatim in den fünf klassischen sozialen Beziehungen üben. Er brauchte dazu keine Sekte, deren bloße Existenz ja das patriarchale Prinzip, auf welchem der Staat ruhte, verletzte. – Der zweite Punkt bedeutete nicht nur offenbaren Volksbetrug: – denn eine jenseitige Vergeltung und ein besonderes Seelenheil gab es ja nicht –, sondern er bedeutete auch ein Verschmähen des (innerweltlichen) Anstaltscharisma des konfuzianischen Staates, innerhalb dessen für das (diesseitige) Seelenheil zu sorgen Sache der Ahnen und im übrigen ausschließlich des vom Himmel dazu legitimierten Kaisers und seiner Beamten war. Jeder derartige Erlösungsglaube und jedes Streben nach Sakramentsgnade bedrohte also die Ahnenpietät sowohl wie das Prestige der Verwaltung. Aus dem gleichen Grunde war schließlich der dritte Vorwurf der entscheidendste von allen. Denn die Ablehnung des Ahnenkults bedeutete die Bedrohung der politischen Kardinaltugend der Pietät, an der die Disziplin in der Amtshierarchie und der Gehorsam der Untertanen hing. Eine Religiosität, welche von dem Glauben an die allentscheidende Macht des kaiserlichen Charisma und der ewigen Ordnung der Pietätsbeziehungen emanzipierte, war prinzipiell unerträglich. Dazu fügen die Motive der Dekrete je nach Umständen noch merkantilistische und ethische Gründe. Das kontemplative Leben, sowohl die individuelle kontemplative Heilssuche, wie, und namentlich, die Mönchsexistenz, war, mit konfuzianischen Augen gesehen, parasitäre Faulheit. Sie zehrte am Einkommen der erwerbstätigen Bürger, die buddhistischen Männer pflügten nicht (wegen des 'Ahimsa': des Verbotes, lebende Wesen – Würmer und Insekten – zu gefährden) und die Frauen webten nicht; das Mönchtum war überdies oft genug nur Vorwand, sich den Staatsfronden zu entziehen. Selbst Herrscher, welche den Taoisten oder Buddhisten, in der Zeit von deren Macht, den Thron verdankten, wendeten sich zuweilen alsbald gegen sie. Der eigentliche Kern der buddhistischen mönchischen Askese: der Bettel, wurde dem Klerus immer erneut ebenso untersagt wie die Erlösungspredigt außerhalb der Klöster. Diese selbst wurden, nachdem sie konzessionspflichtig geworden waren, zahlenmäßig scharf beschränkt, wie wir sehen werden. Die damit kontrastierende zeitweise entschiedene Begünstigung des Buddhismus beruhte wohl (wie bei den Mongolenkhanen die Einführung des Lamaismus) auf der Hoffnung, diese Lehre der Sanftmut zur Domestikation der Untertanen benutzen zu können. Allein die gewaltige Ausbreitung der Klöster, welche sie im Gefolge hatte, und das Umsichgreifen des Erlösungsinteresses führten schon sehr bald zu scharfer Repression, bis die buddhistische Kirche im 9. Jahrhundert jenen Schlag erhielt, von dem sie sich nie wieder ganz erholt hat. Wenn ein Teil ihrer und ebenso der taoistischen Klöster erhalten und sogar auf den Staatsetat genommen wurde, jedoch unter strengem staatlichen Diplomzwang für jeden Mönch: – nach Art des preußischen Kulturkampfes wurde eine Art von 'Kulturexamen' gefordert –, so war dafür, nach de Groots sehr plausibler Annahme, maßgebend wesentlich das Fung-schui: die Unmöglichkeit, einmal konzessionierte Kultstätten ohne vielleicht gefährliche Erregung von Geistern zu beseitigen. Wesentlich dies bedingte jene relative Toleranz, welche die Staatsräson den heterodoxen Kulten zubilligte. Diese Toleranz bedeutete keinerlei positive Schätzung, sondern mehr jene verächtliche 'Duldung', welche jeder weltlichen Bureaukratie der Religion gegenüber die natürliche, überall nur durch das Bedürfnis nach Domestikation der Massen temperierte Haltung ist. Der 'vornehme' Mensch befolgte diesen wie allen nicht offiziell von Staats wegen verehrten Wesen gegenüber den dem Meister selbst in den Mund gelegten sehr modernen Grundsatz: die Geister durch die bewährten Zeremonien zur Ruhe zu bringen, aber von ihnen 'Distanz zu halten'. Und die Praxis der Massen diesen geduldeten heterodoxen Religionen gegenüber hatte nichts mit unserem Begriff der 'Konfessionszugehörigkeit' zu tun. Wie der antike Okzidentale je nach Anlaß Apollon oder Dionysos verehrte und der Süditaliener die konkurrierenden Heiligen und Orden, so zollte der Chinese den offiziellen Zeremonien der Reichsreligiosität, den buddhistischen Messen, – die dauernd bis in die höchsten Kreise beliebt waren, – und der taoistischen Mantik ganz die gleiche Beachtung oder Mißachtung, je nach Bedarf und jeweiliger Bewährung der Wirksamkeit. Für die Begräbnisriten wurden im Pekinger Volksbrauch nebeneinander buddhistische und taoistische Sakramente verwendet, während der klassische Ahnenkult die Grundfärbung abgab. Unsinn war es jedenfalls, die Chinesen als der Konfession nach »buddhistisch« zu zählen, wie früher oft geschah. Nach unserem Maßstab wären eigentlich nur die eingeschriebenen Mönche und Priester 'Buddhisten'. Aber nicht die Mönchsform der Heterodoxie allein war das Entscheidende für die Gegnerschaft der Staatsgewalt. Im Gegenteil: als nun der Buddhismus und ebenso der von ihm beeinflußte Taoismus Laiengemeinschaften mit verheirateten Weltpriestern entwickelte, als also eine Art von Konfessions-Religiosität zu entstehen begann, griff die Regierung naturgemäß erst recht scharf ein, stellte die Priester vor die Wahl, sich entweder in die konzessionierten Klöster internieren zu lassen oder in weltliche Berufe zurückzukehren und unterdrückte vor allem die von den Sekten nach indischem Muster aufgenommene Sitte der Unterscheidungszeichen in Bemalung und Tracht in Verbindung mit den besonderen Aufnahmezeremonien und der Stufenleiter der religiösen Würden der Novizen je nach dem Rang der Mysterien, zu denen sie zugelassen waren. Denn hier entwickelte sich ja die spezifische Seite alles Sektentums: Wert und Würde der 'Persönlichkeit' wurden garantiert und legitimiert durch die Zugehörigkeit und Selbstbehauptung innerhalb eines Kreises spezifisch qualifizierter Genossen, nicht durch Blutsband, Stand oder obrigkeitliches Diplom. Gerade diese grundlegende Funktion aller Sektenreligiosität ist jeder Gnadenanstalt, der katholischen Kirche ebenso wie dem cäsaropapistischen Staat, noch weit odiöser als das leicht zu beaufsichtigende Kloster. Die zeitweilige, politisch bedingte, Förderung des Lamaismus bedeutete geschichtlich wenig, und die Schicksale des recht bedeutenden chinesischen Islam und des chinesischen, eigentümlich verkümmerten und so stark, wie sonst nirgends in der Welt, seines genuinen Charakters entkleideten Judentums, sollen uns hier nicht weiter interessieren. Die islamischen Herren im fernen Westen des Reiches wurden charakteristischerweise in manchen Edikten in der Funktion erwähnt: daß Verbrecher als Sklaven in ihren Besitz verkauft werden sollten. Die hier nicht weiter zu erörternde Verfolgung der 'europäischen Verehrung des Herrn vom Himmel' – wie der amtliche Name des Christentums lautete – bedarf keiner weiteren Motivierung. Auch bei größerem Takt der Missionare wäre sie unvermeidlich eingetreten. Nur kriegerische Gewalt hat hier zu vertragsmäßiger Duldung geführt, sobald einmal die christliche Propaganda in ihrem Sinne erkannt worden war. Die alten Religionsedikte motivierten dem Volk die Duldung der Jesuiten ausdrücklich mit ihren astronomischen Diensten. Die Zahl der Sekten (56 Nummern zählt de Groots Liste) war nicht gering und ihre Anhängerschaft groß, insbesondere in Honan, aber auch in andern Provinzen, ständisch besonders oft unter der Dienerschaft der Mandarinen und der Reistributflotte. Der Umstand, daß der orthodoxe (tsching) Konfuzianismus jede Heterodoxie (i tuan) als Versuch der Rebellion behandelte – wie ein Kirchenstaat eben verfährt – hat die meisten von ihnen recht oft dazu getrieben, zur Gewalt zu greifen. Recht viele sind über ein halbes Jahrtausend alt, manche noch älter, trotz aller Verfolgungen. Daß nicht etwa eine unüberwindliche »natürliche Anlage« es war, welche die Chinesen gehindert hat, Religionsformen von der Eigenart des Okzidents zu produzieren, bewies gerade in der neuesten Zeit der imponierende Erfolg der magiefeindlichen und bilderstürmerischen Prophetie Hang-siu-tschuan's, des Tien Wang ('Himmlischen Königs') des Taiping-tien-kwo ('Himmlischen Reichs des allgemeinen Friedens', 1850-64), der weitaus mächtigsten und dabei durchaus hierokratischen politisch-ethischen Rebellion gegen die konfuzianische Verwaltung und Ethik, welche, soviel bekannt, China überhaupt erlebt hat. Der angeblich einer verbauerten adligen Sippe angehörige Stifter, ein schwer epileptischer Ekstatiker, war, wie die byzantinischen Bilderstürmer vom Islam, so seinerseits zu seiner radikal allen Geisterglauben und alle Magie und Idolatrie puritanisch verwerfenden, halb mystisch-ekstatischen, halb asketischen Ethik vielleicht mit durch Einfluß protestantischer Missionen und der Bibel angeregt, in seiner Bildung jedoch konfuzianisch geschult (im Staatsexamen durchgefallen) taoistisch beeinflußt. Zu den kanonischen Büchern der von ihm mit Unterstützung seiner Sippe gestifteten Sekte gehörte die Genesis und das Neue Testament, zu ihren Gebräuchen und Symbolen ein der Taufe nachgeahmtes Wasserbad und statt des Abendmahls – infolge der Alkoholabstinenz – eine Art von Thee-Eucharistie, das modifizierte Vaterunser und der ebenfalls charakteristisch modifizierte Dekalog; daneben aber zitierte er das Schi King und andere klassische Werke in etwas krauser Auswahl der für seine Zwecke geeigneten Stellen, dabei natürlich, wie alle Reformer, vor allem zurückgreifend auf Aussprüche und Ordnungen des Kaiser des legendären Urzeitalters. Der Gottvater des Christentums, daneben Jesus als ihm nicht wesensgleich, aber 'heilig', endlich der Prophet als dessen 'jüngerer Bruder', auf dem der heilige Geist ruht, tiefer Abscheu gegen die Heiligen- und Bilderverehrung, ganz besonders auch gegen den Muttergotteskult, Gebete zu festen Stunden, Sabbatruhe Samstags mit zweimaligem Gottesdienst, bestehend aus Bibellesen, Litanei, Predigt, Vorlesen des Dekalogs, Hymnen, Weihnachtsfest, geistliche Schließung der (unlöslichen) Ehe, Zulässigkeit der Polygamie, Verbot der Prostitution bei Todesstrafe und strenge Absonderung der unverehelichten Weiber von den Männern, strenge Abstinenz von Alkohol, Opium, Tabak, Abschaffung des Zopfes und der weiblichen Fußverstümmelung, Opferspenden am Grabe der Toten, – diese eigentümliche, an den Eklektizismus Muhammeds erinnernde Mischung christlicher mit konfuzianischen Formen war das Resultat. Wie der orthodoxe Kaiser, so war auch der Tien Wang oberster pontifex, die fünf höchsten Res sortbeamten nächst ihm führten den Titel 'König' (des Westens, Ostens, Südens, Nordens und ein fünfter als Assistent), die drei Examensgrade fanden sich, unter Abschaffung des Aemterkaufs, auch im Taiping-Reich, alle Beamten wurden auch dort vom Kaiser ernannt, und auch die Magazinpolitik und die Zwangsrobot war der alten orthodoxen Praxis entnommen, während andererseits in manchen Punkten, so in der strengen Trennung der »äußeren« und »inneren« (wirtschaftlichen, unter Heranziehung weiblicher Leiter geführten) Verwaltung und in der verhältnismäßig 'liberalen' Verkehrs-, Straßenbau- und Handelspolitik wichtige Unterschiede bestanden. Der prinzipielle Gegensatz war wohl der gleiche wie zwischen Cromwells Regiment der Heiligen – mit einigen an den alten Islam und an das Täuferregiment in Münster erinnernden Zügen – und dem Laudschen cäsaropapistischen Staat. Der Staat war der Theorie nach das Gemeinwesen eines asketischen kriegerischen Ordens: militärischer Beutekommunismus typischer Form und ein Liebesakosmismus altchristlicher Art in Mischung miteinander, unter Zurückdrängung der nationalistischen Instinkte zugunsten der internationalen religiösen Verbrüderung. Der Beamte sollte nach religiösem Charisma und sittlicher Bewährung ausgelesen werden, die Verwaltungsbezirke waren einerseits Militärrekrutierungs- und Verproviantierungsbezirke, andererseits Kirchensprengel mit Bethallen, Staatsschulen, Bibliotheken und vom Tien Wang ernannten Geistlichen. Die militärische Disziplin war puritanisch streng wie die Lebensordnung mit ihrer Konfiskation aller Edelmetalle und Kostbarkeiten für die Gemeinschaftskosten. Auch geeignete Frauen wurden in das Heer eingereiht, Renten aus der Gemeinschaftskasse den für Verwaltungszwecke in Anspruch genommenen Familien gezahlt. In der Ethik ist der konfuzianische Schicksalsglaube mit der ins Neutestamentliche transponierten Berufstugend in Verbindung gebracht. Ethische »Korrektheit« – statt der zeremoniellen Korrektheit des Konfuzianers – ist 'das was den Menschen vom Tier unterscheidet' und auch beim Fürsten kommt auf sie alles an. Im übrigen die konfuzianische 'Reziprozität', nur daß man nicht sagen soll: man wolle den Feind nicht lieben. Mit dieser Ethik ist »das Glück zu erlangen leicht«, obwohl – im Gegensatz zum Konfuzianismus – die Natur des Menschen als von sich aus unfähig gilt, alle Gebote wirklich zu erfüllen: Reue und Gebet sind Mittel der Sündenvergebung. Die militärische Tapferkeit galt als wichtigste und Gott wohlgefälligste Tugend. Im Gegensatz zu der freundlichen Stellung zum Judentum und protestantischen Christentum wird die taoistische Magie und die buddhistische Idolatrie ebenso scharf verworfen wie der orthodoxe Geisterkult. Während protestantische Missionare des Dissent und der Low Church wiederholt in Taiping-Bethallen Gottesdienste gehalten haben, bestand die Feindschaft der Jesuiten – wegen der Bilderfeindschaft und der scharfen Verwerfung des Muttergotteskults – und der englischen High Church von Anfang an. Die Taiping-Heere waren, kraft der religiös bedingten Disziplin des Glaubenskampfes, den Heeren der orthodoxen Regierung ebenso überlegen wie die Cromwellsche Armee der königlichen. Die Regierung Lord Palmerstons fand es aber aus politischen und merkantilen Gründen zweckmäßig, diesen Kirchenstaat nicht aufkommen und jedenfalls den Vertragshafen Schanghai nicht in seine Hand fallen zu lassen. Mit Hilfe Gordons und der Flotte wurde die Taiping-Macht gebrochen und der Tien Wang, der sich jahrelang in visionären Ekstasen und einer Haremsexistenz im Palast abgeschlossen hatte, endete, nach vierzehnjährigem Bestand des Reichs, sein Leben und das seines Harems in Selbstverbrennung in seiner Residenz Nanking. Noch ein Jahrzehnt später wurden 'Rebellen'-Führer gefangen; die Menschenverluste, die finanzielle Schwächung und Verwüstung der beteiligten Provinzen sind noch weit länger nicht voll ausgeglichen worden. Auch die Taiping-Ethik war nach dem Gesagten ein eigentümliches Mischprodukt chiliastisch-ekstati scher und asketischer Elemente, immerhin mit einem in China wohl sonst niemals so stark hervortretenden Einschlag der letzteren, vor allem aber mit einer in China sonst unbekannten Sprengung der magischen und idolatrischen Gebundenheit und mit Uebernehmen des persönlichen gnädigen, universellen, von nationalen Schranken freien Weltgottes, welcher aller chinesischen Religiosität sonst ganz fremd geblieben war. Welche Bahnen der Entwicklung sie im Fall des Sieges weiter eingeschlagen hätte, läßt sich freilich schwerlich sagen. Die unvermeidliche Beibehaltung der Opfer an den Ahnengräbern – ähnlich wie sie auch die jesuitischen Missionen bis zum Einschreiten der Kurie auf die Denunziation der konkurrierenden Orden hinzugelassen hatten – und die Ansätze zur Betonung werkheiliger 'Korrektheit' hätten wahrscheinlich in ritualistische Bahnen zurückgeführt und die zunehmende zeremonielle Regelung aller staatlichen Ordnung hätte wohl auch das Prinzip der Anstaltsgnade wieder zurückgebracht. Immerhin bedeutete die Bewegung in wichtigen Punkten einen Bruch mit der Orthodoxie und bot ungleich mehr Aussicht, eine bodenständige und doch dem Christentum innerlich relativ angenäherte Religion entstehen zu lassen, als die hoffnungslosen Missionsexperimente der okzidentalen Konfessionen. Es könnte recht wohl der letzte Moment für das Entstehen einer solchen Art von Religion in China gewesen sein. – Der Begriff: 'private Gesellschaft', schon vorher politisch stark verdächtig, war seitdem vollends mit 'Hochverrat' weitgehend identisch. Dem zähen Ringen dieses 'schweigenden China' stand, zum mindesten in den Städten – weniger, aus verständlichen Gründen, auf dem Lande – die erbarmungslose Verfolgung der Bureaukratie – äußerlich erfolgreich gegenüber. Der ruhige, korrekt lebende Mann hielt sich von derartigem ängstlich fern. Das hat jenen Zug des ' Personalismus' noch verstärkt, von dem früher die Rede war. – Es ist der konfuzianischen Literatenbureaukratie also weitgehend gelungen, durch Gewalt und durch Appell an den Geisterglauben die Sektenbildung auf ein gelegentliches Aufflammen zu beschränken. Ueberdies aber waren die sämtlichen Sekten, von deren Eigenart nähere Nachrichten vorliegen, absolut heterogen gegenüber den Sektenbewegungen, mit welchen der okzidentale Katholizismus oder der Anglikanismus zu schaffen hatte. Es handelte sich stets um Inkarnationsprophetie oder um Propheten des mystagogischen Typus, welche – oft durch Generationen erblich im Besitz dieser Würde – im Verborgenen lebten, ihren Anhängern im Diesseits und (teilweise) Jenseits Vorteile versprachen, deren Heilsbedingungen aber ausschließlich magisch-sakramentalen oder ritualistischen oder allenfalls kontemplativ-ekstatischen Charakter hatten: rituelle Reinheit, die andächtige Wiederholung stets der gleichen Formeln oder bestimmte kontemplative Uebungen waren die regelmäßig wiederkehrenden soteriologischen Mittel. Nie aber, soviel bekannt, rationale Askese. Die genuin heterodox-taoistische Demut: Ablehnung aller feudalen Ostentation, hatte wesentlich kontemplative Motive, wie wir sahen. Ebenso zweifellos die Enthaltung von gewissen Arten des Luxuskonsums (Parfüms, kostbarem Schmuck), welche z.B. die Lung-Hua-Sekte ihren Gläubigen außer den üblichen buddhistischen Sektenregeln auferlegte. Auch da fehlte die Askese, wo die Sekten gewaltsame Bekämpfung ihrer Bedrücker in Aussicht nahmen und deshalb, wie eine in neuerer Zeit bekannt gewordene, das Boxen systematisch übten. Die 'League of righteous energy', wie die englische Uebersetzung des wirklichen Namens der 'Boxer' lautete, erstrebte Unverwundbarkeit durch magisches Training. Denn sie alle waren Derivate und eklektische Verschmelzungen heterodox-taoistischer mit buddhistischer Soteriologie, der sie keinerlei prinzipiell neue Elemente hinzugefügt hatten. Es scheint nicht, daß die Sekten klassenmäßig geschichtet waren. Natürlich war das Mandarinentum am strengsten orthodox konfuzianisch. Aber heterodoxe Taoisten und namentlich Anhänger der wesentlich einen gebetsformelhaften Hauskult pflegenden Lung-Hua-Sekte scheinen gerade unter den besitzenden Klassen, aus denen die Mandarinen doch ebenfalls meist hervorgingen, ziemlich verbreitet gewesen zu sein. Im übrigen stellten offenbar die Frauen hier, wie in jeder soteriologischen Religiosität, ein starkes Kontingent. Ganz begreiflicherweise, weil ihre religiöse Wertung durch die (heterodoxen und daher unpolitischen) Sekten hier ebenso, wie im Okzident, meist erheblich über dem Niveau ihrer Schätzung im Konfuzianismus stand. Im Alltagsleben der Massen spielten die vom Taoismus und Buddhismus entnommenen oder beeinflußten Elemente offenbar eine recht bedeutende Rolle. Es wurde einleitend allgemein dargelegt, daß die Heilands- und Erlösungsreligiosität überall ihre dauernde Stelle vornehmlich in den 'bürgerlichen' Klassen finden, wo sie an Stelle der Magie zu treten pflegen, welche zunächst die einzige für Not und Leid des einzelnen als solchen zur Verfügung stehende Zuflucht bildet, und daß aus der individuellen Heilssuche beim Magier die rein religiösen Gemeinden der Mystagogen herauszuwachsen pflegen. In China, wo der Staatskult ebenfalls von der Not des einzelnen keine Notiz nahm, ist die Magie niemals durch eine große Erlösungsprophetie oder einheimische Heilandsreli giosität verdrängt worden. Nur eine teils den hellenischen Mysterien, teils der hellenischen Orphik ungefähr entsprechende Unterschicht von Erlösungsreligiosität war entstanden. Sie war zwar stärker als dort, aber rein magischen Charakters geblieben. Der Taoismus war nur Organisation der Magier, der Buddhismus in der Form, wie er importiert wurde, nicht mehr die Erlösungsreligiosität der frühbuddhistischen Zeit Indiens, sondern magische und mystagogische Praxis einer Mönchsorganisation. In beiden Fällen fehlte also, wenigstens für die Laien, das soziologisch Entscheidende: eine religiöse Gemeindebildung. Diese volkstümlichen, in Magie stecken gebliebenen Erlösungsreligiositäten waren daher in aller Regel gänzlich unsozial. Der einzelne als einzelner wendete sich an den taoistischen Magier oder den buddhistischen Bonzen. Nur die buddhistischen Feste bildeten eine Gelegenheitsgemeinschaft und nur die heterodoxen, oft politische Ziele verfolgenden, aber eben deshalb auch politisch verfolgten Sekten Dauergemeinschaften. Es fehlte nicht nur alles, was unserer Seelsorge entspricht, sondern vor allem auch jede Spur von einer 'Kirchendisziplin' und also auch jedes Mittel einer religiösen Lebensreglementierung. Statt dessen hat er, wie etwa in den Mithras-Mysterien, Stufen und Grade der Heiligung und des hieratischen Ranges. – Diese, soziologisch angesehen, verkümmerten Ansätze von Erlösungsreligiosität sind dennoch, sittengeschichtlich betrachtet von erheblicher Wirkung gewesen. So gut wie alles, was das chinesische Volksleben an religiöser Predigt und individueller Heilssuche, Vergeltungs- und Jenseitsglauben, religiöser Ethik und andächtiger Innigkeit überhaupt aufwies, hat trotz der Verfolgungen, denen er ausgesetzt war, der Buddhismus importiert, wie ja ganz das gleiche auch für Japan gilt. Um freilich überhaupt zu einer 'Volksreligion' werden zu können, mußte diese mönchische Intellektuellensoteriologie Indiens die denkbar tiefstgehenden inneren Wandlungen durchmachen. Wir werden sie also zunächst auf ihrem Heimatboden betrachten müssen. Dann wird erst ganz verständlich werden, warum von dieser Mönchskontemplation her Brücken zum rationalen Alltagshandeln nicht geschlagen werden konnten und auch, warum die Rolle, die ihr in China zugestanden wurde, trotz der scheinbaren Analogie so stark von derjenigen abweicht, welche das Christentum in der Spätantike auf sich zu nehmen vermochte. |
|
14 | 1920.7 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus VIII. Resultat: Konfuzianismus und Puritanismus. Auszüge. … Es ist nach der Darstellung wohl völlig klar geworden: daß in dem Zaubergarten vollends der heterodoxen Lehre (Taoismus) unter der Macht der Chronomanten, Geomanten, Hydromanten, Meteoromanten, bei der krüden und abstrusen universistischen Vorstellung vom Weltzusammenhang, beim Fehlen aller naturwissenschaftlichen Kenntnis, welche teils Ursache teils aber auch Folge jener elementaren Gewalten war, bei der Verpfründung, der Stütze der magischen Tradition, an deren Sportelchancen sie interessiert war, eine rationale Wirtschaft und Technik moderner okzidentaler Art einfach ausgeschlossen war. Die Erhaltung dieses Zaubergartens aber gehörte zu den intimsten Tendenzen der konfuzianischen Ethik. Aber innere Gründe traten hinzu und hinderten jede Durchbrechung der konfuzianischen Macht. Die puritanische Ethik rückte, im stärksten Gegensatz zu der unbefangenen Stellungnahme des Konfuzianismus zu den Dingen der Erde, diese in den Zusammenhang einer gewaltigen und pathetischen Spannung gegenüber der 'Welt'… Der rechte Weg zum Heil war die Anpassung an die ewigen übergöttlichen Ordnungen der Welt: das Tao, und also an die aus der kosmischen Harmonie folgenden sozialen Erfordernisse des Zusammenlebens. Vor allem also: pietätvolle Fügsamkeit in die feste Ordnung der weltlichen Gewalten. Für den einzelnen war die Ausgestaltung des eigenen Selbst zu einer allseitig harmonisch ausbalancierten Persönlichkeit, einem Mikrokosmos in diesem Sinne, das entsprechende Ideal. 'Anmut und Würde' des konfuzianischen Idealmenschen: des Gentleman, äußerte sich in der Erfüllung der überlieferten Pflichten. Die zeremonielle und rituale Schicklichkeit also in allen Lebenslagen war, als Zentraltugend, Ziel der Selbstvervollkommnung, wache rationale Selbstkontrolle und Unterdrückung aller Erschütterung des Gleichgewichts durch irrationale Leidenschaften, welcher Art immer, das geeignete Mittel, sie zu erreichen. Irgendwelche 'Erlösung' aber, außer von der Barbarei der Unbildung, begehrte der Konfuzianer nicht. Was er als Lohn der Tugend erwartete, war im Diesseits langes Leben, Gesundheit und Reichtum, über den Tod hinaus aber die Erhaltung des guten Namens. Es fehlte, genau wie bei den genuinen Hellenen, jede transzendente Verankerung der Ethik, jede Spannung zwischen Geboten eines überweltlichen Gottes und einer kreatürlichen Welt, jede Ausgerichtetheit auf ein jenseitiges Ziel und jede Konzeption eines radikal Bösen. Wer die auf das Durchschnittskönnen der Menschen zugeschnittenen Gebote innehielt, war frei von Sünden. Vergebens suchten christliche Missionare ein Sündengefühl da zu wecken, wo solche Voraussetzungen selbstverständlich waren. Ein gebildeter Chinese würde entschieden ablehnen, dauernd mit 'Sünden' behaftet zu sein, wie ja übrigens für jede vornehme Intellektuellenschicht dieser Begriff etwas Peinliches, als würdelos Empfundenes zu haben und durch konventionell oder feudal oder ästhetisch formulierte Abwandlungen (etwa: 'unanständig' oder 'geschmacklos') vertreten zu werden pflegt. Gewiß gab es Sünden, aber das waren auf ethischem Gebiet Verstöße gegen die überlieferten Autoritäten: Eltern, Ahnen, Vorgesetzte in der Amtshierarchie, also gegen traditionalistische Gewalten, im übrigen aber magisch bedenkliche Verletzungen der überlieferten Bräuche, des überlieferten Zeremoniells und endlich: der festen gesellschaftlichen Konventionen. Diese alle standen untereinander gleich: 'ich habe gesündigt' entsprach unserem 'entschuldigen Sie' bei Verstößen gegen die Konvention. Askese und Kontemplation, Mortifikation und Weltfrucht waren innerhalb des Konfuzianismus nicht nur unbekannt, sondern als drohnenhaftes Schmarotzertum verachtet. Jede Form von Gemeinde-und Erlösungsreligiosität war teils direkt verfolgt und ausgerottet, teils in ähnlichem Sinne Privatangelegenheit und gering geschätzt wie etwa die orphischen Pfaffen bei den vornehmen Hellenen der klassischen Zeit. Die innere Voraussetzung dieser Ethik der unbedingten Weltbejahung und Weltanpassung war der ungebrochene Fortbestand rein magischer Religiosität, von der Stellung des Kaisers angefangen, der mit seiner persönlichen Qualifikation für das Wohlverhalten der Geister, den Eintritt von Regen und guter Erntewitterung verantwortlich war, bis zu dem für die offizielle wie für die Volksreligiosität schlechthin grundlegenden Kult der Ahnengeister, zu der inoffiziellen (taoistischen) magischen Therapie und den sonstigen bestehen gebliebenen Formen animistischen Geisterzwangs, anthropo- und herolatrischen Funktionsgötterglaubens. Mit der gleichen Mischung von Skepsis und gelegentlicher Uebermanntheit durch Deisidaimonie wie der gebildete Hellene stand der gebildete Konfuzianer, mit ungebrochener Gläubigkeit stand die in ihrer Lebensführung vom Konfuzianismus beeinflußte Masse der Chinesen innerhalb der magischen Vorstellungen. 'Tor, wer nach dort die Augen blinzend richtet....' würde der Konfuzianer mit dem alten Faust in bezug auf das Jenseits sagen, – aber wie dieser die Einschränkung machen müssen: 'Könnt' ich Magie von meinem Pfad entfernen...' Auch die im altchinesischen Sinne gebildetsten hohen Beamten zögerten selten, ein beliebiges stupides Mirakel andächtig zu verehren. Eine Spannung gegen die 'Welt' war nie entstanden, weil eine ethische Prophetie eines überweltlichen, ethische Forderungen stellenden Gottes, soweit die Erinnerung zurückreicht, völlig gefehlt hat. Daß die 'Geister' sie stellten – Vertragstreue vor allem forderten – war kein Ersatz dafür. Denn stets betraf das die unter ihren Schutz gestellte Einzelpflicht, – Eid oder was es war, – nie die innere Gestaltung der Persönlichkeit als solcher und ihrer Lebensführung. Die führende Intellektuellenschicht: Beamte und Amtsanwärter, hatten die Erhaltung der magischen Tradition und speziell der animistischen Ahnenpietät als ein absolutes Erfordernis der ungestörten Erhaltung der bureaukratischen Autoritäten konsequent gestützt und alle Erschütterungen durch Erlösungsreligiosität unterdrückt. Die – neben der taoistischen Divination und Sakramentsgnade – einzige, als pazifistisch und daher ungefährlich zugelassene Erlösungsreligion: die des buddhistischen Mönchtums, wirkte in China praktisch durch Bereicherung der seelischen Spannweite um einige Nuancen stimmungsvoller Innerlichkeit – wie wir sehen werden –, im übrigen aber nur als weitere Quelle magischer Sakramentsgnade und traditionsstärken- der Zeremonien. Damit ist auch schon gesagt, daß die Bedeutung einer solchen Intellektuellenethik für die breiten Massen ihre Schranken haben mußte. Zunächst waren die lokalen und vor allem die sozialen Unterschiede der Bildung selbst enorme. Die traditionalistische und bis in die Neuzeit stark naturalwirtschaftliche Bedarfsdeckung, aufrechterhalten bei den ärmeren Volkskreisen durch eine nirgends in der Welt erreichte, an das Unglaubwürdige grenzende Virtuosität im Sparen (im konsumtiven Sinne des Worts), war nur möglich bei einer Lebenshaltung, welche jede innerliche Beziehung zu den Gentlemanidealen des Konfuzianismus ausschloß. Nur die Gesten und Formen des äußeren Sichverhaltens der Herrenschicht konnten hier, wie überall, Gegenstand allgemeiner Rezeption sein. Der entscheidende Einfluß der Bildungsschicht auf die Lebensführung der Massen hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach vor allem durch einige negative Wirkungen vollzogen: die gänzliche Hemmung des Entstehens einer prophetischen Religiosität einerseits, die weitgehende Austilgung aller orgiastischen Bestandteile der animistischen Religiosität andererseits. Es muß als möglich gelten, daß dadurch wenigstens ein Teil jener Züge mitbedingt ist, welche man zuweilen als chinesische Rassenqualitäten anzusprechen pflegt. Es ließe sich heute sicherlich auch von genauen Kennern hier sowenig wie sonst etwas Bestimmtes darüber aussagen: wie weit der Einfluß des biologischen 'Erbgutes' reicht. Für uns ist aber eine, sehr leicht zu machende und von namhaften Sinologen bestätigte, Beobachtung wichtig: daß, je weiter zurück man in der Geschichte geht, desto ähnlicher die Chinesen und ihre Kultur (in den für uns hier wichtigen Zügen) dem erscheinen, was man auch bei uns findet. Sowohl der alte Volksglaube, die alten Anachoreten, die ältesten Lieder des Schiking, die alten Kriegskönige, die Gegensätze der Philosophenschulen, der Feudalismus, als die Ansätze kapitalistischer Entwicklung in der Zeit der Teilstaaten erscheinen uns weit verwandter mit okzidentalen Erscheinungen als die als charakteristisch geltenden Eigenschaften des konfuzianischen Chinesentums. Mit der Möglichkeit ist also zu rechnen: daß viele seiner gern als angeboren angesprochenen Züge Produkte rein historisch bedingter Kultureinflüsse waren. Für Züge dieser Art ist der Soziologe im wesentlichen auf die sicherlich sehr verschiedenwertige, aber schließlich doch die relativ sichersten Erfahrungen in sich bergende Missionarliteratur angewiesen… Das typische Mißtrauen der Chinesen gegeneinander wird von allen Beobachtern bestätigt und kontrastiert gewaltig gegen das Vertrauen auf die Ehrlichkeit der Glaubensbrüder in den puritanischen Sekten, welches gerade von außerhalb der Gemeinschaft her geteilt wurde… In bezug auf den Gebrauch der Rauschmittel gehörten die Chinesen seit der Pazifizierung (gegenüber der Bedeutung des Zechens im alten Männerhaus und an den Fürstenhöfen) zu den (relativ) 'nüchternen' Völkern. Rausch und orgiastische 'Besessenheit' hatten alle charismatische Heiligkeitsschätzung abgestreift und galten nur als Symptome dämonischer Herrschaft. Der Konfuzianismus verwarf den Gebrauch von Spirituosen, außer – als Rudiment – bei den Opfern. Daß tatsächlich der Alkoholrausch auch in China bei den unteren Volksschichten nichts Seltenes war, ändert doch nichts an der relativen Bedeutung des Unterschieds. Das als spezifisch chinesisch geltende Rauschmittel aber: das Opium, wurde erst in moderner Zeit importiert und seine Zulassung ist dem Lande bekanntlich gegen den schärfsten Widerstand der herrschenden Schichten von außen her durch Krieg aufgezwungen worden. Es liegt in seinen Wirkungen überdies in der Richtung der apathischen Ekstase, also in der geraden Verlängerung der Linie des 'Wu wei', nicht aber in der Linie des Heldenrausches oder der Entfesselung aktiver Leidenschaften. Die hellenische Sophrosyne hinderte Platon nicht, im Phaidros alles Große als aus dem schönen Wahnsinn geboren anzusehen. Darin dachte der Rationalismus sowohl des römischen Amtsadels, – welcher 'ekstasis' mit 'superstitio' übersetzte, – wie der chinesischen Bildungsschicht völlig anders. Die 'Ungebrochenheit' sowohl wie das, was als Indolenz empfunden wird, hängt vielleicht bis zu einem gewissen Grade mit diesem gänzlichen Fehlen dionysischer Elemente in der chinesischen Religiosität: – einer Folge bewußter Ernüchterung des Kults durch die Bureaukratie, – zusammen. Es gab nichts in ihr und sollte nichts in ihr geben, was die Seele aus dem Gleichgewicht hätte bringen können. Jede überstarke Leidenschaft, besonders auch der Zorn: Tschei, bewirkte bösen Zauber, und bei jedem Leiden fragte man zuerst: welchem Tschei es wohl zuzuschreiben sei. Die Erhaltung der animistischen Magie als einziger, zwar vom Gebildeten verachteter, aber doch durch den Charakter der offiziellen Kulte gestützter Form der Volksreligiosität bedingte die traditionalistische Angst vor jeder Neuerung, die bösen Zauber bringen und die Geister beunruhigen könnte. Sie erklärt die große Leichtgläubigkeit. Die Folge der Erhaltung des magischen Glaubens: daß Krankheit und Unglück Symptome selbstverschuldeten göttlichen Zornes seien, mußte eine gewisse Unterbindung jener sympathetischen Empfindungen begünstigen, welche aus dem Gemeinschaftsgefühl von Erlösungsreligionen dem Leiden gegenüber zu entspringen pflegen und daher in Indien die volkstümliche Ethik von jeher stark beherrschten. Die spezifisch kühle Temperierung der chinesischen Menschenfreundlichkeit, ja selbst der innergentilen Beziehungen, verbunden mit zeremoniöser Korrektheit und egoistischer Angst vor den Geistern, waren das Resultat. Eine Fundgrube folkloristischer Forschung, wie sie namentlich W. Grubes Arbeiten ausnutzen, stellen die unermeßlichen zeremoniellen, in ihrer Umständlichkeit und vor allem in der Unverbrüchlichkeit aller Einzelheiten fast beispiellosen Bindungen dar, wie sie die Existenz des Chinesen vom Embryo angefangen bis zum Totenkult umgaben. Davon ist ein Teil ersichtlich magischen, namentlich apotropäischen Ursprungs. Ein anderer fällt dem Taoismus und dem weiterhin noch zu erörternden Volksbuddhismus zur Last, die beide auf dem Gebiet des Alltagslebens der Massen sehr tiefe Spuren hinterlassen haben. Aber es bleibt ein sehr bedeutender Rest rein konventionell- zeremoniellen Charakters. Die zeremoniell vorgeschriebenen Fragen, auf welche die zeremoniell vorgeschriebene Antwort zu geben war, die zeremoniell unumgänglichen Anerbietungen, deren in bestimmter Form zu gebende dankende Ablehnung zeremoniell geregelt war, die Besuche, Geschenke, Achtungs-, Beileids- und Mitfreudekundgebungen zeremoniellen Charakters lassen alles weit hinter sich, was etwa in Spanien innerhalb der (feudal und wohl auch islamisch beeinflußten) altbäuerlichen Tradition sich bis an die Schwelle der Gegenwart erhalten hatte. Und hier, auf dem Gebiet der Geste und des 'Gesichtes', ist der Ursprung aus dem Konfuzianismus im ganzen als vorwiegend anzunehmen auch da, wo er nicht nachweisbar ist. Nicht immer, wohlverstanden, in der Art des Brauches, aber: in dem 'Geist', in dem er geübt wurde, wirkte sich der Einfluß seines Schicklichkeits-Ideales aus, dessen ästhetisch kühle Temperatur alle aus feudalen Zeiten überkommenen Pflichten, insbesondere die karitativen, zum symbolischen Zeremoniell erstarren ließ. Auf der andern Seite band der Geisterglaube die Sippengenossen um so enger aneinander. Die vielbeklagte Unwahrhaftigkeit war zweifellos zum Teil, – wie auch im antiken Aegypten, – direktes Produkt des patrimonialen Fiskalismus, der überall dazu erzog – denn der Hergang der Steuerbeitreibung in Aegypten und China war sehr ähnlich: Ueberfall, Prügel, Hilfe der Versippten, Heulen der Bedrängten, Angst der Erpresser und Kompromiß. – Daneben aber sicher auch des ganz ausschließlichen Kults des zeremoniell und konventionell Schicklichen im Konfuzianismus. Aber auf der anderen Seite fehlten die lebendigen feudalen Instinkte, denen aller Handel mit dem Stichwort 'Qui trompe-t-on?' gebrandmarkt ist, und es konnte sich daher aus der Pragmatik der Interessenlage des monopolistisch gesicherten und vornehmen, gebildeten Außenhandelsstandes der Ko Hang Gilde jene geschäftliche Zuverlässigkeit entwickeln, welche an ihm gerühmt zu werden pflegt. Sie wäre, wenn dies zutrifft, mehr von außen ankultiviert als von innen heraus entwickelt, wie in der puritanischen Ethik. Dies gilt aber für die ethischen Qualitäten überhaupt. Eine echte Prophetie schafft eine systematische Orientierung der Lebensführung an einem Wertmaßstab von innen heraus, der gegenüber die 'Welt' als das nach der Norm ethisch zu formende Material gilt. Der Konfuzianismus war umgekehrt Anpassung nach außen hin, an die Bedingungen der 'Welt'. Ein optimal angepaßter, nur im Maße der Anpassungsbedürftigkeit in seiner Lebensführung rationalisierter Mensch ist aber keine systematische Einheit, sondern eine Kombination nützlicher Einzelqualitäten. Das Fortbestehen der animistischen Vorstellungen von der Mehrheit der Seelen des Einzelnen in der chinesischen Volksreligiosität könnte fast als ein Symbol dieses Tatbestandes gelten. Wo alles hinausgreifen über die Welt fehlte, mußte auch das Eigengewicht ihr gegenüber mangeln. Domestikation der Massen und gute Haltung des Gentleman konnten dabei entstehen. Aber der Stil, welchen sie der Lebensführung verliehen, mußte durch wesentlich negative Elemente charakterisiert bleiben und konnte jenes Streben zur Einheit von innen heraus, das wir mit dem Begriff 'Persönlichkeit' verbinden, nicht entstehen lassen. Das Leben blieb eine Serie von Vorgängen, kein methodisch unter ein transzendentes Ziel gestelltes Ganzes. Der Gegensatz dieser sozialethischen Stellungnahme gegen alle okzidentale religiöse Ethik war unüberbrückbar. Von außen könnten manche patriarchalen Seiten der thomistischen und auch der lutherischen Ethik Aehnlichkeiten mit dem Konfuzianismus aufzuweisen scheinen. Aber dieser Schein ist äußerlich Denn keine, auch nicht eine mit den Ordnungen der Erde in ein noch so enges Kompromiß verflochtene christliche Ethik konnte die pessimistische Spannung zwischen Welt und überweltlicher Bestimmung des einzelnen mit ihren unvermeidlichen Konsequenzen so von Grund aus beseitigen, wie das konfuzianische System des radikalen Weltoptimismus. Irgendwelche Spannung zwischen Natur und Gottheit, ethischen Anforderungen und menschlicher Unzulänglichkeit, Sündenbewußtsein und Erlösungsbedürfnis, diesseitigen Taten und jenseitiger Vergeltung, religiöser Pflicht und politisch-sozialen Realitäten fehlte eben dieser Ethik vollständig und daher auch jede Handhabe zur Beeinflussung der Lebensführung durch innere Gewalten, die nicht rein traditionell und konventionell gebunden waren. Die weitaus stärkste, die Lebensführung beeinflussende Macht war die auf dem Geisterglauben ruhende Familienpietät. Sie war es letztlich, welche den immer noch, wie wir sahen, starken Zusammenhalt der Sippenverbände und die früher erwähnte Art der Vergesellschaftung in Genossenschaften, welche als erweiterte Familienbetriebe mit Arbeitsteilung gelten können, ermöglichte und beherrschte. Dieser feste Zusammenhalt war in seiner Art ganz und gar religiös motiviert, und die Stärke der genuin chinesischen Wirtschaftsorganisationen reichte etwa ebensoweit, wie diese durch Pietät regulierten persönlichen Verbände reichten. Im größten Gegensatz gegen die auf Versachlichung der kreatürlichen Aufgaben hinauslaufende puritanische Ethik entfaltete die chinesische Ethik ihre stärksten Motive innerhalb der Kreise der naturgewachsenen (oder diesen angegliederten oder nachgebildeten) Personenverbände. Während die religiöse Pflicht gegen den überweltlichen, jenseitigen Gott im Puritanismus alle Beziehungen zum Mitmenschen: auch und gerade zu dem in den natürlichen Lebensordnungen ihm nahestehenden, nur als Mittel und Ausdruck einer über die organischen Lebensbeziehungen hinausgreifenden Gesinnung schätzte, war umgekehrt die religiöse Pflicht des frommen Chinesen gerade nur auf das Sichauswirken innerhalb der organisch gegebenen persönlichen Beziehungen hingewiesen. Die allgemeine 'Menschenliebe' lehnte Mencius mit der Bemerkung ab, daß dadurch Pietät und Gerechtigkeit ausgelöscht werden: weder Vater noch Bruder zu haben sei die Art der Tiere. Inhalt der Pflichten eines konfuzianischen Chinesen war immer und überall Pietät gegen konkrete, lebende oder tote Menschen, die ihm durch die gegebenen Ordnungen nahestanden, niemals gegen einen überweltlichen Gott und also niemals gegen eine heilige 'Sache' oder 'Idee'. Denn das 'Tao' war keines von beiden, sondern einfach die Verkörperung des bindenden traditionalistischen Rituals, und nicht 'Handeln', sondern 'Leere' war sein Gebot. Die personalistische Schranke der Versachlichung hat auch für die Wirtschaftsgesinnung ohne allen Zweifel, als eine Schranke der objektivierenden Rationalisierung, erhebliche Bedeutung gehabt, indem sie den Einzelnen immer erneut innerlich an seine Sippen- und sippenartig mit ihm verbundenen Genossen, jedenfalls an 'Personen', statt an sachliche Aufgaben ('Betriebe') zu binden die Tendenz hatte. Gerade sie war, wie die ganze Darstellung ergab, auf das Intimste verknüpft mit der Art der chinesischen Religiosität, mit jener Schranke der Rationalisierung der religiösen Ethik, welche die maßgebende Bildungsschicht im Interesse der Erhaltung der eigenen Stellung festhielt. Es ist von sehr erheblicher ökonomischer Bedeutung, wenn alles Vertrauen, die Grundlage aller Geschäftsbeziehungen, immer auf Verwandtschaft oder verwandtschaftsartige rein persönliche Beziehungen gegründet blieb, wie dies in China sehr stark geschah… Die Folgen des universellen Mißtrauens Aller gegen Alle, eine Konsequenz der offiziellen Alleinherrschaft der konventionellen Unaufrichtigkeit und der alleinigen Bedeutung der Wahrung des Gesichtes im Konfuzianismus, müssen ökonomisch vermutlich – denn hier gibt es keine Maßmethoden – ziemlich hoch veranschlagt werden. Der Konfuzianismus und die konfuzianische den 'Reichtum' vergötternde Gesinnung haben wirtschaftspolitische Maßregeln entsprechender Art begünstigen können (wie das auch die weltoffene Renaissance im Okzident, sahen wir, tat). Aber gerade hier kann man die Grenze der Bedeutung der Wirtschaftspolitik gegenüber der Wirtschaftsgesinnung sehen. Materielle Wohlfahrt ist nie und nirgends in Kulturländern mit solcher Emphase als letztes Ziel hingestellt worden. Die wirtschaftspolitischen Anschauungen des Konfuzius entsprachen etwa denen der 'Kameralisten' bei uns. Den Nutzen des Reichtums, auch des durch Handel erworbenen, betonte der Konfuzianer Se Ma Tsien, der selbst einen Traktat über die 'Handelsbilanz' – das älteste Dokument chinesischer Nationalökonomie – geschrieben hat. Die Wirtschaftspolitik war eine Abwechslung von fiskalischen und laissezfaire-Maßregeln, jedenfalls aber nicht der Absicht nach antichrematistisch. 'Verachtet' waren die Kaufleute in unserem Mittelalter ebenso und sind es von den Literaten heute ebenso, wie in China. Aber mit Wirtschaftspolitik schafft man keine kapitalistische Wirtschaftsgesinnung. Die Geldverdienste der Händler der Teilstaatenzeit waren politischer Gewinn von Staatslieferanten. Die großen Bergwerksfronden galten der Goldsuche. Kein Mittelglied führte aber vom Konfuzianismus und seiner ganz ebenso fest wie das Christentum verankerten Ethik zu einer bürgerlichen Lebensmethodik hinüber. Auf diese allein kam es aber an. Sie hat der Puritanismus – durchaus gegen seinen Willen – geschaffen. Die Paradoxie der Wirkung gegenüber dem Wollen: – Mensch und Schicksal (Schicksal die Folge seines Handelns gegenüber seiner Absicht) in diesem Sinn: das kann uns diese nur auf den allerersten oberflächlichen Blick seltsame scheinbare Umkehr des 'Natürlichen' lehren. Den radikal entgegengesetzten Typus einer rationalen Weltbehandlung stellt nun der Puritanisms dar. Das ist, sahen wir früher, kein ganz eindeutiger Begriff. Die 'Ecclesia pura' bedeutete praktisch, im eigentlichsten Sinne, vor allem die zu Gottes Ehre von sittlich verworfenen Teilnehmern gereinigte christliche Abendmahlsgemeinschaft… Der Konfuzianismus erforderte stetige wache Selbstbeherrschung im Interesse der Erhaltung der Würde des allseitig vervollkommneten perfekten Weltmannes, die puritanische Ethik im Interesse der methodischen Einheit der Eingestelltheit auf den Willen Gottes. Die konfuzianische Ethik beließ die Menschen höchst absichtsvoll in ihren naturgewachsenen oder durch die sozialen Ueber- und Unterordnungsverhältnisse gegebenen persönlichen Beziehungen. Sie verklärte diese, und nur diese, ethisch und kannte letztlich keine anderen sozialen Pflichten als die durch solche persönlichen Relationen von Mensch zu Mensch, von Fürst zu Diener, vom höheren zum niederen Beamten, von Vater und Bruder zum Sohn und Bruder, vom Lehrer zum Schüler, von Freund zu Freund geschaffenen menschlichen Pietätspflichten. Der puritanischen Ethik dagegen waren eben diese rein persönlichen Beziehungen, – obwohl sie sie natürlich, soweit sie nicht gottwidrig waren, bestehen ließ und ethisch regelte, – dennoch leicht verdächtig, weil sie Kreaturen galten. Die Beziehung zu Gott ging ihnen unter allen Umständen vor. Allzu intensive, kreaturvergötternde, Beziehungen zu Menschen rein als solchen waren unbedingt zu meiden. Denn das Vertrauen auf Menschen, gerade auf die natürlich nächststehenden, würde der Seele gefährlich sein… Daraus folgten praktisch sehr wichtige Unterschiede beider ethischer Konzeptionen, obwohl wir doch beide in ihrer praktischen Wendung als 'rationalistisch' bezeichnen werden und obwohl sie beide 'utilitarische' Konsequenzen zogen. Zwar nicht nur aus jener sozialethischen Stellungnahme, – sondern auch aus Eigengesetzlichkeiten der politischen Herrschaftsstruktur –, aber doch sehr wesentlich auch aus jener folgte die Erhaltung der Sippengebundenheit in China, der durchaus an persönliche Beziehungen geknüpfte Charakter der politischen und ökonomischen Organisationsformen, die alle (relativ) in sehr auffallender Art der rationalen Versachlichung und des abstrakten transpersonalen Zweckverbandscharakters entbehrten, von dem Fehlen eigentlicher 'Gemeinden', speziell in den Städten, angefangen bis zum Fehlen ökonomischer Vergesellschaftungs- und Betriebsformen rein sachlich zweckgebundener Art. Aus rein chinesischen Wurzeln sind solche so gut wie gar nicht entstanden. Alles Gemeinschaftshandeln blieb dort durch rein persönliche, vor allem verwandtschaftliche Beziehungen, und daneben durch Berufsverbrüderungen umspannt und bedingt. Während dagegen der Puritanismus alles versachlichte, in rationale 'Betriebe' und rein sachlich 'geschäftliche' Beziehungen auflöste, rationales Recht und rationale Vereinbarung an die Stelle der in China prinzipiell allmächtigen Tradition, lokalen Gepflogenheit und konkreten persönlichen Beamtengnade setzte. Noch wichtiger scheint ein anderes. Der weltbejahende Utilitarismus und die Ueberzeugung von dem ethischen Wert des Reichtums als universellen Mittels allseitiger sittlicher Vollendung in Verbindung mit der ungeheuren Volksdichte haben in China zwar die 'Rechenhaftigkeit' und Genügsamkeit zu sonst unerhörter Intensität gesteigert. Um jeden Pfennig wurde gefeilscht und gerechnet und täglich machte der Krämer seinen Kassensturz. Zuverlässige Reisende berichten, daß Geld und Geldinteressen in einem sonst seltenen Maße das Gesprächsthema der Einheimischen unter sich zu bilden schienen. Aber höchst auffallenderweise waren große methodische geschäftliche Konzeptionen rationaler Art, wie sie der moderne Kapitalismus voraussetzte, auf ökonomischem Gebiet wenigstens, aus diesem unendlich intensiven Wirtschaftsgetriebe und dem oft beklagten krassen 'Materialismus' heraus nicht entstanden und sind China überall da fremd geblieben, wo nicht (wie z.B. bei den Kantonesen) fremder Einfluß in der Vergangenheit, oder jetzt der Eindruck des unaufhaltsam vordringenden okzidentalen Kapitalismus sie ihnen lehrte. Aus eigenem sind zwar seinerzeit (wie es scheint speziell so lange die politischen Spaltungen bestanden) die Formen des politisch orientierten Kapitalismus, der Amts- und Notkreditwucher, Großhandelsprofite und auf gewerblichem Gebiet Ergasterien (auch größere Werkstätten), wie sie auch im späten Altertum, in Aegypten und im Islam vorkamen, neuerdings auch die übliche Abhängigkeit vom Verleger und Aufkäufer, auch sie jedoch im allgemeinen ohne die straffe Organisation des 'sistema domestico' schon unseres Spätmittelalters, entstanden. Aber trotz des recht intensiven Binnentausch- (und des wenigstens zeitweise ansehnlichen Außenhandels-) Verkehrs kein bürgerlicher Kapitalismus moderner, nicht einmal spätmittelalterlicher Art: nicht die rationalen Formen des spätmittelalterlichen und vollends des scientistischen europäischen kapitalistischen gewerblichen 'Betriebs', nicht eine 'Kapital'-Bildung europäischer Art (das chinesische Kapital, welches sich bei modernen Chancen beteiligte, war vorwiegend Mandarinen-, also durch Amtswucher akkumuliertes Kapital), keine rationale Methodik der Betriebsorganisation nach europäischer Art, keine wirklich rationale Organisation des kommerziellen Nachrichtendienstes, kein rationales Geldsystem, nicht einmal eine dem ptolemäischen Aegypten gleichkommende Entwicklung der Geldwirtschaft, nur Ansätze (charakteristische, aber wesentlich in ihrer technischen Unvollkommenheit charakteristische Ansätze) von Rechtsinstitutionen, wie sie unser Firmenrecht, Handelsgesellschaftsrecht, Wechsel- und Wertpapierrecht darstellen, und eine höchst begrenzte Verwendung der zahlreichen technischen Erfindungen für rein ökonomische Zwecke, schließlich kein wirklich technisch vollwertiges kaufmännisches Schrift-, Rechnungs-und Buchführungssystem. Also, trotz des fast völligen Fehlens der Sklaven – einer Folge der Befriedung des Reichs – sehr ähnliche, aber in mancher Hinsicht vom 'Geist' des modernen Kapitalismus und seinen Institutionen noch ferner abliegende Zustände, wie sie die mittelländische Antike aufweist. Eine trotz aller Ketzerrichterei im Vergleich mit der Intoleranz mindestens des calvinistischen Puritanismus weitgehende religiöse Duldung, weitgehende Freiheit des Güterverkehrs, Friede, Freizügigkeit, Freiheit der Berufswahl und der Produktionsmethoden, Fehlen aller Perhorreszierung des Krämergeistes: dies alles hat doch keinen modernen Kapitalismus in China entstehen lassen. Daß 'Erwerbstrieb', hohe, ja exklusive Schätzung des Reichtums und utilitaristischer 'Rationalismus' an und für sich noch nichts mit modernem Kapitalismus zu tun haben, kann man also gerade in diesem typischsten Lande des Erwerbes studieren. Erfolg und Mißerfolg schrieb zwar der chinesische kleinere und mittlere Geschäftsmann (und auch der große, der in den alten Traditionen stand) ebenso wie der Puritaner, göttlichen Mächten zu. Der Chinese aber seinem (taoistischen) Reichtumsgott: sie waren für ihn nicht Symptome eines Gnadenstandes, sondern Folgen magisch oder zeremoniell bedeutsamer Verdienste oder Verstöße und wurden daher durch rituelle 'gute Werke' wieder auszugleichen gesucht. Es fehlte ihm die zentral, von innen heraus, religiös bedingte rationale Lebensmethodik des klassischen Puritaners, für den der ökonomische Erfolg nicht letztes Ziel und Selbstzweck, sondern Mittel der Bewährung war. Es fehlte die bewußte Verschlossenheit gegen die Einflüsse und Eindrücke der 'Welt', die der Puritaner durch ein bestimmt und einseitig orientiertes rationales Wollen ebenso zu bemeistern trachtete wie sich selbst, und die ihn zur Unterdrückung gerade jener kleinlichen, jede rationale Betriebsmethodik zerstörenden Erwerbsgier anleitete, welche das Tun des chinesischen Kleinkrämers auszeichnete. Jene eigentümliche Verengerung und Verdrängung des natürlichen Trieblebens, welche die streng willensmäßige ethische Rationalisierung mit sich bringt und welche dem Puritaner anerzogen wurde, war dem Konfuzianer fremd. Bei ihm hatte die Beschneidung der freien Aeußerung der urwüchsigen Triebe einen anderen Charakter. Die wache Selbstbeherrschung des Konfuzianers ging darauf aus, die Würde der äußeren Gesten und Manieren, das 'Gesicht', zu wahren. Sie war ästhetischen und dabei wesentlich negativen Charakters: 'Haltung' an sich, ohne bestimmten Inhalt, wurde geschätzt und erstrebt. Die ebenso wache Selbstkontrolle des Puritaners richtete sich auf etwas Positives: ein bestimmt qualifiziertes Handeln, und darüber hinaus auf etwas Innerlicheres: die systematische Meisterung der eigenen, als sündenverderbt geltenden inneren Natur, deren Inventar der konsequente Pietist durch eine Art von Buchführung, so wie sie noch ein Epigone wie Benjamin Franklin täglich vornahm, feststellte. Denn der überweltliche allwissende Gott sah auf den zentralen inneren Habitus, die Welt dagegen, an die sich der Konfuzianer anpaßt, nur auf die anmutige Geste. Dem universellen, allen Kredit und alle Geschäftsoperationen hemmenden Mißtrauen, welches der nur auf die äußere 'Contenance' bedachte konfuzianische Gentleman gegen andere hatte und gegen sich selbst voraussetzte, stand das Vertrauen, insbesondere auch das ökonomische, auf die bedingungslose und unerschütterliche, weil religiös bedingte Legalität des Glaubensbruders beim Puritaner gegenüber. Dieses Vertrauen war genau ausreichend, seinen tiefen realistischen und durchaus respektlosen Pessimismus in bezug auf die kreatürliche Verderbtheit der Welt und der Menschen, auch und gerade der Höchststehenden, nicht zu einem Hemmnis des für den kapitalistischen Verkehr unentbehrlichen Kredits werden zu lassen, sondern ihn nur zu einer nüchternen, auf die Konstanz der für sachliche Geschäftszwecke nach dem Prinzip: 'honesty is the best policy' unentbehrlichen Motive zählenden, Abwägung des objektiven (äußeren und inneren) Könnens des Gegenparts zu veranlassen. Das Wort des Konfuzianers war schöne und höfliche Gebärde, die ihren Selbstzweck hatte, das Wort des Puritaners sachliche, knappe und absolut verläßliche geschäftliche Mitteilung: 'Ja, ja, nein nein, was darüber ist, das ist vom Uebel'. Die Sparsamkeit des Konfuzianers, übrigens beim Gentleman durch ständische Schicklichkeit eng begrenzt und, wo sie zum Uebermaß wurde, wie bei der mystisch bedingten Demut Laotses und mancher Taoisten, von der Schule bekämpft, war bei dem chinesischen Kleinbürgertum ein Zusammenscharren im Grunde nach Art des Thesaurierens im Bauernstrumpf. Es geschah um der Sicherung der Totenriten und des guten Namens, daneben um der Ehre und Freude des Besitzes als solchen willen, wie überall bei noch nicht asketisch gebrochener Stellungnahme zum Reichtum. Dem Puritaner dagegen war der Besitz als solcher ebenso Versuchung wie etwa dem Mönch. Sein Erwerb war ebenso ein Nebenerfolg und Symptom des Gelingens seiner Askese wie der der Klöster… Beim Konfuzianer war der Reichtum, wie eine vom Stiftel überlieferte Aeußerung ausdrücklich lehrt, das wichtigste Mittel, tugendhaft, d.h. würdig leben und sich der eigenen Vervollkommnung widmen zu können. 'Bereichert sie' war daher die Antwort auf die Frage nach dem Mittel, die Menschen zu bessern. Denn nur dann konnte man 'standesgemäß' leben. Beim Puritaner war der Erwerb ungewollte Folge, aber wichtiges Symptom der eigenen Tugend, die Verausgabung des Reichtums für eigene konsumtive Zwecke aber sehr leicht kreaturvergötternde Hingabe an die Welt. Reichtumserwerb würde Konfuzius an sich nicht verschmähen, aber er schien unsicher und konnte daher zur Störung des vornehmen Gleichgewichts der Seele führen und alle eigentliche ökonomische Berufsarbeit war banausisches Fachmenschentum. Der Fachmensch aber war für den Konfuzianer auch durch seinen sozialütilitarischen Wert nicht zu wirklich positiver Würde zu erheben. Denn – dies war das Entscheidende – 'der vornehme Mann' (Gentleman) war 'kein Werkzeug', d.h.: er war in seiner weltangepaßten Selbstvervollkommnung ein letzter Selbstzweck, nicht aber Mittel für sachliche Zwecke welcher Art immer. Dieser Kernsatz der konfuzianischen Ethik lehnte die Fachspezialisierung, die moderne Fachbureaukratie und die Fachschulung, vor allem aber die ökonomische Schulung für den Erwerb ab. Einer solchen 'kreaturvergötternden' Maxime setzte der Puritanismus gerade umgekehrt die Bewährung an den speziellen sachlichen Zwecken der Welt und des Berufslebens als Aufgabe entgegen. Der Konfuzianer war der Mensch literarischer Bildung und zwar, noch genauer: Buch-Bildung, Schrift-Mensch in der höchsten Ausprägung, ebenso fremd der hellenischen Hochwertung und Durchbildung der Rede und Konversation, wie der, sei es kriegerischen, sei es ökonomischen, Energie des rationalen Handelns. Die Mehrzahl der puritanischen Denominationen (wenn auch nicht alle gleichmäßig stark) lehnten, gegenüber der freilich unumgänglichen Bibelfestigkeit (die Bibel war ja eine Art von bürgerlichem Gesetzbuch und Betriebslehre), die philosophisch-literarische Bildung, die höchste Zierde des Konfuzianers, als eitlen Zeitverderb und als religiös gefährlich ab… Der typische Konfuzianer verwendete seine und seiner Familie Ersparnisse, um sich literarisch zu bilden und für die Examina ausbilden zu lassen und dadurch die Grundlage einer ständisch vornehmen Existenz zu haben. Der typische Puritaner verdiente viel, verbrauchte wenig und legte seinen Erwerb, zufolge des asketischen Sparzwangs, wieder werbend als Kapital in rationalen kapitalistischen Betrieben an. 'Rationalismus', dies ist für uns die zweite Lehre, enthielt der Geist beider Ethiken. Aber nur die überweltlich orientierte puritanische rationale Ethik führte den innerweltlichen ökonomischen Rationalismus in seine Konsequenzen durch, gerade weil ihr an sich nichts ferner lag als eben dies, gerade weil ihr die innerweltliche Arbeit nur Ausdruck des Strebens nach einem transzendenten Ziel war. Die Welt fiel ihr, der Verheißung gemäß, zu, weil sie 'allein nach ihrem Gott und dessen Gerechtigkeit getrachtet' hatte. Denn da liegt der Grundunterschied dieser beiden Arten von 'Rationalismus'. Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus: rationale Beherrschung der Welt. Der Puritaner wie der Konfuzianer waren 'nüchtern'. Aber die rationale 'Nüchternheit' des Puritaners ruhte auf dem Untergrund eines mächtigen Pathos, welches dem Konfuzianer völlig fehlte, des gleichen Pathos, welches das Mönchtum des Okzidents beseelte. Denn die Weltablehnung der okzidentalen Askese war bei ihm mit dem Verlangen nach Weltbeherrschung als ihrer Kehrseite unauflöslich verbunden, weil ihre Forderungen im Namen eines überweltlichen Gottes an den Mönch und, in abgewandelter und gemilderter Form, an die Welt ergingen. Dem konfuzianischen Vornehmheitsideal widerstritt nichts so sehr, als der Gedanke des 'Berufs'. Der 'fürstliche' Mann war ästhetischer Wert und daher auch nicht 'Werkzeug' eines Gottes. Der echte Christ, der – außer- oder innerweltliche – Asket vollends, wollte gar nichts anderes sein als eben dies. Denn gerade nur darin suchte er seine Würde. Und weil er dies sein wollte, war er ein brauchbares Instrument, die Welt rational umzuwälzen und zu beherrschen. |
|
15 | 1920 | Max Weber schreibt über Konfuzianismus und Taoismus an seinen Verleger J.C.B. Moor : Es ist mir selbst recht unangenehm, dass ich nicht, wie ich annahm, vor 3 Wochen schon schicken konnte. Aber Monate lang war die sehr wichtige neue Literatur über China nicht erhältlich, und die Qualität der Leistung ist doch die Hauptsache. |
|
16 | 1920.8-1972 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (1) 1920 Schumpeter, Joseph. Max Webers Werke. In : Der Österreichische Volkswirt ; Jg. 12, 7. Aug. (1920) : [Nachruf]. Schumpeter schreibt über die Aufsätze Wirtschaftsethik der Weltreligionen, sie seien nicht nur die besten soziologischen Leistungen Deutschlands, sondern auch das Zentrum einer deutschen Soziologenschule und haben unendlich fruchtbar gewirkt. 1920 Emil Lederer schreibt im Nachruf über Max Weber : Was aber insbesondere seine letzten grossen Beiträge über die Wirtschaftsethik der Weltreligionen anlangt (vor vielen Jahren auf das Fruchtbarste durch die grundlegende Abhandlung über 'die protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus' eingeleitet), so bedeuten sie eine völlig neue Epoche, zumal für die soziologische Forschung. Es mag heute noch strittig sein, ob und welche Gesamtanschauung für die Menschheitsgeschichte aus diesem monumentalen Werke erwachsen wird – hier ist die ganze ungeheure Welt der transzendentalen Bildung bewältigt, und der sozialen Einsicht erobert. Und damit ist diese selbst, ist Sozialwissenschaft im weitesten Sinne in die Universalgeschichte des menschlichen Geistes eingegliedert. Und wenn diesem Werk auch nicht die Basis zugrunde lag, den immanent religiösen Sinn der Weltreligionen zu erschliessen, so strömt doch aus dieser mächtigen Arbeit, welche die Funktionalbeziehungen zwischen religiös geforderten Lebensmaximen und menschlicher Sozietät enthällt, ein unverhofftes Licht auf die tiefsten Geheimnisse noch unerschlossener und wieder versunkener Wahrheiten. 1926 Wittfogel, Karl August. Das erwachende China [ID D1603]. Wittfogel schreibt über Max Webers Religionssoziologie : Das Buch ist ein Trümmerhaufen einzelner wertvoller Geschichtstatsachen, keine Geschichte. Immerhin ist Weber der einzige bürgerliche Historiker, der überhaupt ernsthaft die Frage aufgeworfen hat, warum China nicht selbständig zum industriellen Kapitalismus kam. Seine eklektisch-unmarxistische Methode hat ihn dann allerdings gehindert, eine ausreichende Anwort auf die von ihm richtig als Kernproblem erkannte Frage zu finden. 1930 Baláz, Stefan [Balazs, Etienne]. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der T'ang-Zeit [ID D5142]. Etienne Balazs schreibt : Eine Beschäftigung mit Fragen der chinesischen Wirtschaftsgeschichte bedarf wohl heute keiner besonderen Rechtfertigung. Einerseits ist die Kenntnis der Wirtschaftskräfte zum Verständnis der widerspruchsvollen Entwicklung Ostasiens unerlässlich ; dann aber verdient auch die Eigenart des ökonomischen Systems, das sich im Laufe der Jahrhunderte allmählich herauskristallisierte, unser besonderes Interesse. Max Weber gebührt das Verdienst, die entscheidende Fragestellung dieser Zusammenhänge in seiner Chinastudie ausgesprochen zu haben. Zweifellos war China von jeher ein Agrarland, aber diese simple Feststellung enthebt uns nicht der Pflicht, nach dem Charakter der Stadt zu fragen. Gab es überhaupt Städte von Bedeutung in China ? Wenn ja, wie sind sie entstanden ? Hat sich ihre numerische Stärke und ihre Art im Laufe der Zeiten gewandelt ? Wer waren die 'Städtegründer' und war die Stadtinssassen ? Wohnten vorwiegend Kaufleute, Handwerker oder Beamte in den chinesischen Städten ? Gabe es ein Stadtrecht ? Alle diese Fragen sind meines Wissens, ausser von Max Weber kaum oder gar nicht gestellt, geschweige denn beantwortet worden. Max Webers sehr einleuchtende Ausführungen bleiben ohne historische Belege zunächst geniale Vermutungen. Seine wichtigsten Feststellungen, dass nämlich die chinesische Stadt bis in die Neuzeit in erster Linie Residenz der grossen Amtsträger blieb, ein Ort in dem 'vor allen Dingen Renten, teils Grundrenten, teils Amtspfründen und andere direkt oder indirekt politisch bedingte Einkünfte verausgabt wurden', und dass das Hauptmerkmal der chinesischen Städtebildung 'das Fehlen des politischen Sondercharakters der Stadt' war, werden sich durch historische Forschungen wahrscheinlich als durchaus richtig erweisen. 1937 Franke, Otto. Geschichte des chinesischen Reiches. Vol. 3 [ID D711]. Otto Franke schreibt über Max Weber : Nun wirbeln bei Weber die Zustände und Begebenheiten der verschiedenen Jahrtausende bunt durcheinander, so, dass man nicht weiss, welche Zeit er für dieses 'Heranholen' der Bevölkerung im Auge hat, aber in einer für uns vorhistorischen hat dies ganz bestimmt nicht stattgefunden. Indessen, von 'grossen ummauerten Städten in vorhistorischer Zeit' kann keine Rede sein, denn dann hätte man nicht mit dem Regierungssitze so oft herumziehen können, wie es noch die Schang-Herrscher [Shang] getan haben. Herbert Franke : Otto Franke war bei der Abfassung seines Werkes noch nicht bekannt, dass bereits die neolithische Lung-shan-Kultur Chinas grosse, stadtähnliche Siedlungen besass. 1964 Sprenkel, Otto B. van der. Max Weber on China [ID D18846]. Otto B. van der Sprenkel : Weber's use of historical materials is taken from widely different periods of Chinese history, ranging from the Shang-Yin and Zhou kingdoms of the second and first millennia B.C. to the early descades of the twentieth century when he himself was writing, with utter disregard for the chronological sequence of events. Weber seeks to attain clarity in the analysis of actual institutions and social behavior patterns by collecting as much observational data as possible and then classifying the picture so obtained in accordance with its degree of deviation from, or approximation to, one or more of the thematically relevant ideal-types he has set up. His method, in other words, is one of "positioning" the various situations he is examining on a sort of spectroscope whose bands are demarcated by ideal-types. Adoption of this technique no doubt accounts for Weber's predilection for the comparative method, which indeed he uses with great effect. On the other hand, he is not overly concerned with transitions from one type to another. The only developmental process which he discusses in any detail is the one he calls "the routinization of Charisma"; and in general there is little emphasis in Weber's work on the dynamics of change. Notable are : 1) Weber's correct assignment of the beginnings of 'rational' policies in internal administration, military organization and the like, to the Warring States period. 2) The importance he gives to water-control as the factor mainly responsible for the growth of centralized political authority. 3) The unerring identification of the ‘literati’ as the key status group in Chinese society, and of the bureaucracy as its creation and creature. History, for Weber, is always the handmaiden of sociology, and it was no part of his plan or purpose in studying the 'economic ethic' of confucianism to describe or account for China’s transition from feudalism to the 'patrimonial-brueaucratic' empire. Weber’s main interest lies in the morphological understanding of societies, their institutions and the patterns of behavior that characterize them ; and in answering the question : why is this what it is and not semething else, how does it work, what gives it stability (or instability) ? The central power, whose embodiment is the Son of Heaven, and whose agent is the bureaucracy. The Chinese bureaucracy, in all periods from the Han to the Manchus, is invariably qualified by Weber as 'patrimonial', and further as strongly marked by 'irrational' features. According to his typology of authoritarian modes, the patrimonial is one variant, among several, of patriarchal authority. But it is characteristic of patriarchal authority that, besides the system of inviolable sacred norms whose infraction results in magical or religious disaster, it also acknowledges a sphere in which the arbitrary decision of the ruler has free play, an area in which decisions are taken, in principle, on personal rahter than on fuctionally appropriate grounds. In this sense patriarchal authority is irrational. No sinologist would be disposed to quarrel with the view that there were irrational elements (in the Weberian sense) in Chinese government, nor would he dispute that possession of the imperial office often conferred wide powers of arbitrary decision on its holder. Nevertheless certain modifying factors should be noted : 1) that a great deal depended on the personality and caliber of the emperor ; 2) that there was no doctrin of divine right in China ; 3) that in state matters the emperor was normally expected to act in accordance with the advice of his chief ministers. Moreover there were also and inevitably differences of interest and outlook between the inner and outer courts themselves : between, on the one hand, the palace and all it included and stood for ; and, on the other, the elaborately structured bureaucracy whose members were immersed at all levels in problems of day-to-day administration as well as participating, at the higher levels at least, in the formulation and testing of policy. The conflict was important, and Weber was right in drawing attention to it, though his interpretation of it was mistaken. Weber is inclined to discount the efficacy of the Chinese civil service in part on the ground that it was technically impossible for so small an establishment to control effectively an empire so vast and so lacking in means of communication. The central government, facing the task of imposing its will on the innumerable if disunited centers of local self-rule that existed in every county of the empire, had at its disposal the instrument of the bureaucracy. But this instrument possessed only a limited effectiveness, and moreover itself represented a potential threat to the continuing authority of the emperor. It was in the periods Song, Ming and Qing, that the mandarinate achieved its most (in Weber’s sense) organization under the close direction of relatively strong centralizing governments. No hereditary nobility existed during these centuries, nor were there any discernible signs of a process of refeudalization. The classical period of Chinese feudalism was the Western Zhou. Its characteristic institutions, as Weber correclty noted, were challenged and in part subverted in the time of the Warring States ; though the decisive destruction of the territorial beses of feudal power was the work of the Qin. The danger that Weber saw as threatening the authority of the emperor in later and more settled perios, when the bureaucracy, far from being the tool of a local noblesse, was the obedient instrument of a central government that not only controlled the selection and indocrination of its members through the examination system but also habitually exercized powers of appointment, promotion, demotion and removal over every part of the civil serv ice establishment. It is hard to avoid the conclusion that Weber was led to judge as he did, not by the evidence, but by his concept of what ‘patrimonial bureaucracy’, as an ideal-type, entailed. This notion of Weber’s that the eventual aim of the official was to appropriate his prebend and transmute it into an hereditary benefice colors his whole view of the bureaucracy, suggests reasons to him for a number of the institutional devices that were part of its structure, und underlies his explanation of why the Chinese bureaucracy failed to grogress from patrimonialism to full rationality. Though Weber regards the mandarinate as patrimonial in the sense that it developed from the ruler’s own household and never completely emancipated itself from this inheritance, and also in the sense that it was an extension of and emanation from the ruler’s own authority and subject to his arbitrary will or whim, he is convinced nevertheless that between the emperor and his patrimonial staff of administrators there existed a basic opposition of interests which, if sometimes latent, was ye always present. Here he was certainly right, though not perhaps entirely so about the interests involved. Weber raises a nomber of points simultaneously. The most important is clearly his interpretation of the role played by the examination system. The Chinese were well aware that no imperial government with a vast territory to administer could exist without an efficiently functioning bureaucracy ; and that therefore the quality and training, and above all the method of selection, of its officials were matters of the greatest moment. It is enough to note, that Weber systematically neglects the main purpose of the examinations, and regards them instead as the central government’s principal weapon against the bureaucracy. By him the emphasis is placed on the use of the examination technique to divide and so weaken the officialdom, which otherwise sould form a threat to the power of the ruler. Weber’s arguments : 1) the Chinese bureaucracy, while incorporating certain features, was patrimonial in origin and remained essentially so in character sown to the end of the imperial era ; 2) the fact that it functioned in a society whose economy was predominantly natural, and was never more than partially monetized, meant that there existed an ever-present danger that the sources of taxation would be appropriated by officials and exploited as private property ; 3) the most important of the measures introduced by the central government to prevent such a development taking place was the state examination system : this system institutionalized a competitive struggle for prebends among office-seekers, excited mutual distrust among officials, and so divieded and weakened the bureaucracy ; 4) this, together with the fact that the bureaucracy was of necessity extensive rather than intensive, owing to the smalness of its numbers and the size and imperfect communications of the empire it administered, meant that it was never able fully to master the forces of local traditionalism that dominated the countryside. Weber deserves the highest praise for his recognition of the lineage as a main key to an understanding of rural China. At the time that he wrote very little attention had been given to this most important institution, and sinologists have only recently begun to appreciate its significance and subject it to detailed study. Some of Weber’s evidence is insecurely founded. Some of his judgments are wrong. He can be convicted of errors of emphasis and stress. He was also a conceptualizer of genius, and on occasion was the prisoner of his concepts. Nevertheless, his success in breaking open a way to a much more searching and profound understanding of the structure of Chinese society and the forces operative in it, is little short of amazing. The account he gives of the bureaucracy well exemplifies the merits and disadvantages of his work. 1966 Franke, Herbert. Max Webers Soziologie der ostasiatischen Religionen [ID D18832]. Herbert Franke : Es ist bewunderswert, dass Max Weber aus dem disparaten und oft genug noch von der Textgläubigkeit der sinologischen Frühzeit geprägten Material mit genialem Scharfblick Folgerungen ziehen konnte, die sich nicht nur als dauerhaft erwiesen haben, sondern die weitere Entwicklung der historischen Chinaforschung auf das stärkste beeinflusst haben. Eine der meiner Ansicht nach fruchtbarsten Einsichten Max Webers war die Erkenntnis des bsonderen Charakters der chinesischen Stadt und damit verbunden, die Eigenart der chinesischen Oberschicht, in der sich Ansätze zu einem Bürgertum und zum Kapitalismus kaum gezeigt haben, jedenfalls nicht bevor westliche Produktionsmethoden und wirtschaftliche Denkweisen durch den Westen im 19. Jahrhundert importiert wurden. Weber hat schon für vorgeschichtliche Zeiten die Existenz ummauerter stadtähnlicher Siedlungen postuliert, dass 'China schon in einer für uns vorhistorischen Zeit ein Land der grossen ummauerten Städte war', ferner, dass 'zuerst die Palisade oder Mauer da war, dann die oft im Verhältnis zum ummauerten Areal unzulängliche Bevölkerung, eventuell zwangsweise herangeholt wurde'. Ein weiterer Bestandteil der chinesischen traditionellen Gesellschaft, der von Max Weber bereits in seiner vollen Bedeutung zutreffend erkannt worden ist, ist die Bürokratie und ihr Verhältnis zur Oberschicht, dem Literatentum und der Gentry. Weber ist der erste, der das wissenschaftliche Problem einer vergleichenden Theorie der Bürokratie in seinem vollen Umfang erkannt hat. Füh ihn war die Monopolisierung der Herrschaftsfunktionen durch die Bürokratie ein allgemeines Phänomen aller fortgeschrittenen Sozialordnungen. Ein Kennzeichen der Bürokratie ist es, dass sie im Gesellschaftsganzen und jeweils von den Wertvorstellungen der religiösen und ethischen Systeme geleitet eine bestimmte Führungsschicht herausbildet. Solche Schichten können sehr verschiedene geistige oder soziale Hintergründe haben. Das eindrucksvollste Beispiel ist die chinesische konfuzianisch geprägte Bürokratie, die Schicht des gelehrten Beamtentums, der humanistisch erzogenen Literaten. Die ideologische Grundlage der Tätigkeit des Beamtentums blieb, von Ausnahmen abgesehen, der Konfuzianismus, der dem Humanismus der Beamtenschaft die Inhalte gab. Weber hat klar erkannt, dass dieser Humanismus dem Fachdenken, dem Expertentum diametral gegenüberstand. 'Der Fachmensch' war für den Konfuzianer auch durch seinen sozialutilitarischen Wert nicht zu wirklich positiver Würde zu erheben. Denn, dies war das Entscheidende, der 'vornehme Mann' war 'kein Werkzeug, d.h. : er war in seiner weltangepassten Selbstvervollkommnung ein letzter Selbstzweck, nicht aber Mittel für sachliche Zwecke welcher Art immer. Dieser Kernsatz der konfuzianischen Ethik lehnte die Fachspazialisierung, die moderne Fachbürokratie und die Fachschulung, vor allem aber die ökonomische Schulung für den Erwerb ab. Webers Deutungen in den Gründzuügen sind mehr oder weniger modifiziert : eine vorindustrielle, agrarische Gesellschaft, mit einer bürokratischen Führungsschicht, nicht erblich, aber mit dem Monopol der Erziehung und damit der Kontrolle über die Selbstergänzung, einen Staat mit totalitärem Anspruch mit Hilfe einer ebenfalls zum Totalitarismus neigenden Ideologie leitend (der spätere Konfuzianismus betrachtet sich als eine Lehre, mit der alle vorkommenden Fragen und Probleme beantwortet werden können und die grundsätzlich alle Lebensbereiche erfasst). Man muss sich fragen, wie es möglich war, dass Weber, ohne dass China sein Spezialgebiet war und auf Grund einer einseitigen Sekundärliteratur, zu derart erhellenden Erkenntnissen kommen konnte. Meiner Meinung nach liegt dies, ausser selbstverständlich in einer unwiederholbaren Einzigartigkeit wissenschaftlichen Verstehens, namentlich im Wesen der chinesischen Literatur selbst, insbesondere der geschichtlichen Quellen begründet. Max Weber hat dazu beigetragen, dass die Sinologie aus dem Ghetto der orientalischen Philologie herausgeführt wurde und uns zu verstehen gelehrt, dass China als soziales und historischen Phänomen mit der Methode einer universalen Wissenschaft erfasst und begriffen werden kann. Die vielberufene Spezialisierung muss auch die Sinologie ergreifen. Der die Geschichte Chinas erforschende Sinologe muss eine historische Schulung erfahren haben, der Sprachforscher eine linguistische, der Literaturwissenschaftler sich mit den modernen Methoden der Literaturforschung vertraut machen und der Wirtschafts- und Sozialhistoriker die Grundlagen der Nationalökonomie und der Soziologie in ihren Umrissen kennen. Die Philologie wird nur noch eine unerlässliche Voraussetzung für das Verstehen der chinssischen Quellen sein. 1972 Zingerle, Arnold. Max Weber und China [ID D18637]. Arnold Zingerle : Max Webers Bild Chinas gibt in komprimiertester Form das wieder, was in Konfuzianismus und Taoismus an Grundsätzlichem zur Herrschaftsstruktur erarbeitet ist. Dem entsprechend ist 'Patrimonialismus' der typologische Strukturbegriff, der sowohl an den entscheidenden Passagen zum Herrschaftsgefüge in den soziologischen Grundlagen als auch in den übrigen Abschnitten überall dort zum Einsatz gebracht wurde, wo auf die Grundzüge dieses Gefüges zurückgegriffen werden musste. Patrimonialismus ist das umfassende Strukturmerkmal der Bürokratie, mit der für Weber China so schicksalhaft verbunden war, dass ihre Herrschaft nicht beseitigt werden konnte 'ausser mit dem völligen Untergang der Kultur, die sie trug'. Er kann den chinesischen Beamtenstaat als 'das in seiner Art konsequenteste patrimoniale politische Gebilde' bezeichnen, weil er zeigt, wie die patrimoniale Struktur vom Staat auf die verschiedensten Kulturgebiete übergreift und von dorther ihrerseits wiederum unterstützt wird. Der Patrimonialismus ist vor allen ‚die für den Geist des Konfuzianismus grundlegende Strukturform, dessen zentrale Tugend, Pietät, oberste Handlungsnorm sowohl im patrimonialen Untertanenverhältnis der Beamten zu ihrem Herrn wie auch in demjenigen der Sippenangehörigen zu ihren Ahnen, ist Ausdruck einer kongenialen Vermittlung traditionalistischer Legimität mit ‚rationalen’ Domestikationsbestrebungen, geleistet durch die Konfinuität eines staatstragenden Literaten-Beamtentums. Von grösster Bedeutung für das Verständnis des Patrimonialismus als einer Form traditionaler Herrschaft, gerade im Hinblick auf China, ist nun, wie Weber die Handlungsgrenzen des traditionalen Herrschers bestimmt. Diese Grenzen 'definieren' die Legitimität selbst. Legitim ist der traditionale Typus des herrschaftlichen Handelns, welches mit Gehorsam rechnen kann. Weber sprich von einem 'Doppelreich a) des material traditionsgebunden Herrenhandelns b) des material traditionsfreien Herrenhandelns'. Die 'traditionale Willkür' innerhalb des letzteren 'beruht primär auf der prinzipiellen Schrankenlosigkeit von pietätspflichtmässiger Obödienz'. In diesem Bereich kann der Herr nach freier Gnade und Ungnade, persönlicher Zu- und Abneigung, und rein persönlicher, zu erkaufender Willkür 'Gunst' erweisen. In der Abstraktion Webers ist eine Struktur benannt, die – so sehr sie allgemein für traditionale Herrschaft gegolten haben mag – in China wie nirgendwo sonst einen spezifischen, institutionellen Niederschlag gefunden hat : im konfuzianischen 'Zensorat' und seiner nicht nur gegenüber den Beamten, sondern auch gegenüber dem Kaiser ausgeübten Kontrolle. Weber erwähnt diese letztere zwar nur gelegentlich seiner Behandlung charismatischer Aspekte des Kaisertums. Doch beruft er sich dabei auf Mengzi, der geradezu den chinesischen Archetyp einer Theorie jener 'traditionalitischen Revolution' geschaffen hat. Für Weber ist ein Patrimonialstaat, in dem die politische Herrschaft über die Untertanen 'prinzipiell ebenso organisiert'ist, wie die Hausherrschaft. Zur Ausübung seiner Herrschaft ist man auf seinen 'Stab' angewiesen, dass man von 'Bürokratie' sprechen kann. Nach ihm war die Quelle des patrimonialen Beamtentums in China ein zunächtst ‚parimonial rekrutierter’ Stab. Erst mit der Erweiterung des Stabes durch ‚extrapatrimoniale Rekrutierung’ spricht er von 'Bürokratie'. Der Hauptunterschied dieser 'Patrimonialbürokratie' zu ihrem 'modernen', d.h. im Kontext legal legitimierter Herrschaft stehenden Gegentypus, besteht, entsprechend dem 'pietätspflichtmässigen' Charakter jeden traditionalen Gehorsams, in der persönlichen Qualität des auf Pietät beruhenden Verhältnisses 'Diener - Herr' gegenüber dem sachlichen des auf Amtspflicht beruhenden zwischen dem 'Beamten' und seinem 'Vorgesetzten'. Eine für China spezifische Ursache für das Fehlen einer einheitlichen, alle Ebenen der Hierarchie umfassenden Trennung der Kompetenzen erblickt Weber darin, dass gerade die dem chinesischen Verwaltungssystem adäquate ‚Bürokratenmoral des Konfuzianismus’ mit ihrem Vollkommenheits-Ideal jeder Fachschulung entgegengesetzt war. Die Pfründe ist diejenige Form der Beamtenversorgung, der bei Weber die grösste Bedeutung zukommt. Gegenüber der intrapatrimonialen Versorgung unterscheiden sich die Pfründen durch ihre Regelmässigkeit, durch ihren Charakter eines Entgelts für umgrenzte, vom Herrn übertragene Verwaltungsaufgaben sowie darin, dass sie meisten ein ‚Recht auf das Amt’ konstituieren. Das Recht ist veräusserlich, ererblich und erbteilbar. Eine der Ausnahmen bildet die Etablierung des Examenssystems. Weber definiert den Ausdruck 'ständisch' im ersten Sinne als jede Form patrimonialer Herrschaft, bei welcher dem Verwaltungsstab bestimmte Herrengewalten und die entsprechenden ökonomischen Chancen appropriiert sind. Das Prädikat 'ständisch' im zweiten Sinn ist stets an eine soziologisch umschreibbare Schicht geknüpft, so z.B. an den Beamten-Stand Chinas. Der Feudalismus steht, als Eigenschaft eines politischen Herrschaftsverbandes, ebenso wie die Organisationsformen im Kontext traditionaler Legitimität. Bei beiden 'echten' Formen des Feudalismus, die Weber unterscheidet, 'Lehensfeudalismus' und 'Pfründenfeudalismus', werden zwar Herrenrechte apporpiiert ; in einem Fall in Form von Lehen, im anderen von Pfründen. Aber nur im Falle des 'Lehensfeudalismus' wird ständische, nämlich ritterliche 'Ehre' gefordert. ‚Patrimonismus’ im engeren Sinn, beschränkt auf 'nicht-politische' Herrschaft, und 'Feudalismus' als Strukturprinzip der Herrschaft über einen politischen Verband schliessen sich gegenseitig nicht nur nicht aus, sondern stehen in einem Verhältnis gegenseitiger Ergänzung. In der Mehrzahl der historischen Fälle, auf die sich Weber bezieht, überlagert die Feudalstruktur einen in diesem Sinne patrimonialen Grundraster : die Grundherrschaften. ‚Patrimonialismus’ im weiteren Sinne, als Struktur eines politischen Verbandes, und 'Feudalismus' schliessen sich nur dann gegenseitig aus, wenn es sich um 'reinen Patrimonialismus' handelt. Handelt es sich dagegen um ‚ständischen Patrimonialismus’, so berührt er sich begrifflich mit 'Feudalismus' zumindest dadurch, dass in beiden Fällen die Verwaltungsmittel dem 'Stab' appropriiert sind. Webers historische Herrschaftssoziologie Chinas : Traditionale Herrschaft 1. ohne persönlichen Verwaltungsstab des Herrn (Verwaltungsmittel sind dem Herrschaftsverband als solchem appropriiert) : Gerontokratie und primärer Patrimonialismus. 2. mit persönlichem Verwaltungsstab des Herrn. Patrimonialismus a) Reiner Patrimonialismus (Patrimonialherr im vollen Eigenbesitz der Verwaltungsmittel) Extremfall: Sultanismus b) Ständischer Patrimonialismus (Verwaltungsmittel ganz oder zu einem wesentlichen Teil an die Mitglieder des Verwaltungsstabes appropriiert) Extremfall : Feudalismus. Dominanz der patrimonialen Zentralmacht bestanden : a) durch ihre 'technische Unterlage', in der Wasserbauten eine besondere Rolle spielten ; b) einer spezifisch ansers als im Okzident verlaufenen Entwicklung des mehr auf Sippenbande als auf Land gestützten Feudalismus, auf den keine intermediäre Herrschaftsschicht von politisch weitgehend unabhängigen Grundherren folgte ; c) der Erbschaft aus der Teilstaatenepoche, in der die Kriege um die Vormacht 'rationalisierend' auf die Führung der Staaten wirkten ; d) der anschliessenden relativen 'Befriedung' des Reiches. Die innenpolitische Überlegenheit der patrimonialen Zentralmacht kam in China auf spezifische Weise zustande : a) durch die Schaffung einer loyalen Schicht von nicht erblich privilegierten Amtsanwärtern, die durch ein Prüfungssystem rekrutiert wurden und um die mit grossen Erwerbschancen ausgestatteten Beamtenstellen konkurrierten, die der Regel nach nur ihnen zugänglich waren ; b) durch ein 'rationales' Amtsreglement, welches ausser seiner Disziplinierungsfunktion die Aufgabe hatte, ein persönliches 'Fussfassen' der Beamten im lokalen Machtgefüge ihrer Amtssprengel zu verhindern. Die patrimoniale Zentralgewalt erkaufte die Domestikation ihres bürokratischen Stabes mit Extensität in der Durchführung der Verwaltung, die sich daraus ergab, dass : a) die Lokalbeamten keine Kenner ihrer Verwaltungssprengel werden durften und von ihrer literarischen Ausbildung her, von vornherein keine verwaltungstechnische Fachqualifikation haben konnten ; b) der Literaten-Beamtenstand kollektiv durch sein Interesse an der Erhaltung seines Pfründenmonopols jeder Rationalisierung der Verwaltung Widerstand leistete, die dieses hätte beeinträchtigen können ; c) quantitative Entfaltung, Zentralisierung und Kompetenzenteilung in einem Missverhältnis zu den quantitativen und qualitativen Eigenschaften des Verwaltungsobjekts standen ; d) der Mechanismus der Patrimonialbürokratie von oben her mit den von unten her 'fest ausgestalteten' Widerständen der Sippe, Berufsorganisationen und dörflichen Selbstverwaltungskernen zusammenstiess. Dass der Kampf um die reale Verfügungsgewalt über die Verwaltung im vormodernen China zugunsten der patrimonialen Monarchen ausging, steht nach Weber in einem intimen Zusammenhang mit dem Charakter der Schicht von ständisch Privilegierten, die durch die Monarchen je länger desto mehr an die eigene Macht gebunden wurden : und die den spezifischen historischen Bedingungen Chinas adäquate Form dieser Bindung, das Literaten-Beamtentum, prägte ihrerseits in entscheidender Weise die gesamte Kulturentwicklung. Die Entwicklung des Feudalismus gibt es für Weber zwei Merkmale : einmal das Fehlen einer Grundherrenschicht und zum anderen die Fertigstellung der grossen Mauer. Der Feudalismus beerbte die nachfeudale Sozialverfassung Chinas wohl auf zweifache Weise : seine verbandsmässige Basis wurde im Sippensystem fortgeführt, seine ständische Lebensform ging auf das Literaten-Beamtentum über ; aber einer transformierten Weiterführung seiner politischen Rechte auf lokaler Ebene liess der patrimoniale Zentralismus keinen Platz. Wasserregulierung : der Ausgleich von Mangel und Überfluss an agrarischer Bewässerung, die Verhinderung von Überschwemmungen durch Bauten und der Bau von Kanälen hat in China immer eine besondere Rolle gespielt. Weber thematisiert, dass die wesentlichen Bestandteile des materiellen 'Unterbaus' der chinesischen Bürokratie die 'technische' Voraussetzung für die Beseitigung des Staatenpluralismus durch einen von mehreren untereinander konkurrierenden Patrimonialherren und das Überwiegen des imperialen Zentralismus ist. Sie befähigen den Patrimonialfürsten, mit Hilfe des Personals und der Einnahmen, die sie ihm verschafften, die Heeresverwaltung in eigene bürokratische Bewirtschaftung zu nehmen. Bei Webers Betrachtung der 'immateriellen' Kulturbereiche Chinas, ist sie zunächst als Reflex des konfuzianisch gefärbten Geschichts- und Gesellschaftsbildes zu bewerten, welches die sinologischen Quellen ebenso wie deren Bearbeiter zu seiner Zeit noch weitgehend beherrschte und in dem die Befriedung des Staates und des Weltreiches einen besondern imperativen Stellenwert einnimmt. Nach Weber war es für die Herausbildung der rituellen Züge des chinesischen Kaisertums und des sie tragenden Selbstverständnisses der Staatsdoktrin entscheidend, dass in einem bestimmten Abschnitt der formativen Phase der chinesischen Kultur [Shang-Zhou-Zeit], die Spitze des Herrschaftsverbandes sich zwischen einem 'militärischen' Charisma und einem 'pazifistischen' bewegte, und dass das zweite, mitbedingt durch die Entwicklung des feudalen Staatensystems, am Kaisertum haften blieb. Die Gesichtspunkte, unter denen chinesisches Kaisertum und römische Kirche verglichen werden können, liessen sich in verschiedensten Richtungen ausweiten. Bei Weber bleiben sie begrenzt auf einen soziologischen Rahmen, innerhalb dessen die jeweils ausschlaggebende Schicht charakterisiert werden soll : das Literatentum auf der einen Seite, der Klerus auf der anderen. Webers 'Resultat' am Ende seiner China-Studie gipfelt im lapidaren Satz : "Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus : rationale Beherrschung der Welt. Der Purtinaer wie der Konfuzianer waren 'nüchtern'. Aber die rationale 'Nüchternheit' des Puritaners ruhte auf dem Untergrund eines mächtigen Pathos, welches dem Konfuzianer völlig fehlte, des gleichen Pathos, welches das Mönchstum des Okzidents beseelte". Das in den Augen Webers einzige Gemeinsame zwischen Konfuzianismus und Puritanismus : 'Rationalität' im Sinne der Zurückdrängung gefühlsmässig-irrationaler Lebensbereiche, wird durch den scharfen Kontrast aller übrigen für das Verhältnis zur 'Welt' jeweils relevanten Charakteristika völlig aus der Waagschale geworfen. Dass diese von Weber im einen Falle als 'Anpassung’ an die Welt', im andern als ‚Beherrschung und 'Umwälzung von Welt', zusammengefast werden, wird verständlich durch die entscheidende Rolle, die der Paramater 'Spannung' im 'Resultat' spielt. Weber hält den Gegensatz des konfuzianischen Verhältnisses zur 'Welt' gegen 'alle okzidentale religiöse Ethik' für 'unüberbrückbar'. 'Manche patriarchalen Seiten der thomistischen und auch der lutherischen Ethik' könnten als Parallelen zum Konfuzianismus angesehen werden. Doch sind diese Formen 'organischer Sozialethik' nach Webers Ausführungen in der 'Zwischenbetrachtung' und in 'Wirtschaft und Gesellschaft' lediglich 'Formen der Relativierung der religiösen Heilswerte und ihrer ethisch rationalen Eigengesetzlichkeit'. Kommentar von Arnold Zingerle zu seiner Dissertation (2008) : Den ersten (herrschaftssoziologisch-historischen) Teil finde ich auch heute noch gut. Er hat sich bewährt und ist auch z.B. für die Max Weber Gesamtausgabe zitabel. Der zweite (religionssoziologisch-gegenwartsbezogene) Teil enthält zwar ein paar gültige Abschnitte zum chinesischen Weltbild der Vergangenheit, doch ist die Anwendung der Protestantismusthese auf den Maoismus überspekulativ gewesen und damit problematisch – zumal die Kenntnisse der damaligen Verhältnisse in Maos Reich, bedingt auch durch die Nachrichtensperre während der Kulturrevolution, sehr begrenzt war. Wäre ich gut beraten gewesen, hätte ich bloss den ersten Teil in Aufsatzform veröffentlicht und den zweiten Teil nach einer Karenzzeit umgearbeitet. |
|
17 | 1921.1 |
Weber, Max. Schriften zur Religionssoziologie : Hinduismus und Buddhismus III. Die asiatische Sekten- und Heilandsreligiosität. Auszüge (1) Der alte Buddhismus war, wenn nicht die zeitlich letzte, so doch jedenfalls die rücksichtslos konsequenteste der hinduistischen vornehmen Intellektuellensoteriologien und insofern deren 'Vollendung' Aeußerlich ist er die einzige Erlösungsreligion gewesen, welche wenigstens auf einige Zeit einmal: unter der Maurya-Dynastie, in ganz Indien offiziell herrschende Konfession war. Freilich nicht dauernd. Seine innere Konsequenz und darum auch seine äußere Schwäche lag darin: daß er auch in seinem praktischen Verhalten die Erlösung auf diejenigen beschränkte, welche wirklich den Weg zu Ende gingen und Mönche wurden, daß er sich im Grunde um die andern, die Laien, kaum kümmerte. Denn den Vorschriften, welche er für diese schuf, sieht man es an, daß sie Akkommodationen ohne innerlich einheitlichen Gesichtspunkt waren. Und vor allem fehlte äußerlich das, was der Jainismus geschaffen hatte: eine Gemeindeorganisation der Laien. Selbst die Mönchsorganisation war ja, sahen wir, auf das Allerunentbehrlichste beschränkt. Dies Fehlen der Laienorganisation hat geschichtlich die Folge gehabt, daß der Buddhismus in seinem Heimatland gänzlich verschwunden ist. Er hielt trotz aller Akkommodation, die wir kennen lernen werden, dennoch die Konkurrenz derjenigen orthodoxen und heterodoxen hinduistischen Sekten nicht aus, welche es verstanden, die Laienschaft in feste Beziehungen zu ihrer Leitung zu setzen. Und ebenso erwies er sich widerstandsunfähig gegenüber äußerer Gewalt, vor allem gegenüber dem Islam… Im Buddhismus konzentrierte sich in den Klöstern und der Mönchsgemeinde die Existenz der Konfession überhaupt. Waren diese vernichtet, so war es mit der Gemeinschaft zu Ende, und tatsächlich haben auch nur Spuren ihrer Existenz den islamischen Einbruch überlebt…Die höfische Gesellschaft vermißte am alten Buddhismus einerseits die vornehme Schriftbildung und Gelegenheit zu künstlerischer Formung, andererseits Mittel für die Domestikation der Massen… Der Kleinbürger und Bauer konnte ja mit den Produkten der Soteriologie der vornehmen Bildungsschicht nichts anfangen. Am wenigsten mit der altbuddhistischen Soteriologie. Er dachte nicht daran, Nirwana zu begehren, ebensowenig wie die Vereinigung mit dem Brahman. Und vor allem: er hatte auch gar nicht die Mittel in der Hand, zu diesen Heilszielen zu gelangen. Denn dafür war Muße für die Meditation erforderlich, um die Gnosis zu erlangen. Diese Muße hatte er nicht und sah sich in aller Regel nicht veranlaßt, sie sich durch ein Leben als Büßer im Walde zu verschaffen. Nun hatten sowohl die orthodoxe wie die heterodoxe Soteriologie dafür in gewissem Grade vorgesorgt: die orthodoxe durch die Heilsverheißungen des Kastenritualismus, die heterodoxe durch eine sekundäre Laiensittlichkeit, für welche ebenfalls Prämien in diesem und jenem Leben versprochen waren. Allein das alles war doch wesentlich negativen und vor allem: wesentlich ritualistischen Charakters. Es befriedigte in gar keiner Art das eigentlich religiöse Bedürfnis nach emotionalem Erleben des Ueberweltlichen und nach Nothilfe in äußerer und innerer Bedrängnis. Jenes ungebrochene emotionale Bedürfnis insbesondere war und ist aber überall für den psychologischen Charakter der Religion bei den Massen das ausschlaggebende im Gegensatz zu dem rationalen Charakter aller Intellektuellensoteriologie…Der alte Buddhismus war auch in der Beziehung zu den Laien zum mindesten relativ – vielleicht sogar absolut – magiefeindlich gewesen. Denn das strenge, mit der Strafe der Todsünde belegte, Gebot an die Mönche (viertes Mönchs-Gelübde): sich nicht übermenschlicher Fähigkeiten zu rühmen, mußte, selbst wenn man seine prinzipielle Tragweite noch so einschränkend interpretiert, die Bedeutung der Mönche als magischer Nothelfer und Therapeuten ausschließen oder doch entwerten. Ebenso war der alte Buddhismus mindestens relativ bilderfeindlich gewesen. Das Verbot des Buddha, ihn bildlich darzustellen, ist zuverlässig überliefert und viele genuin altbuddhistische Reformatoren haben einen gewissen relativen Puritanismus, etwa vom Charakter des cisterziensischen, in die Kirchenkunst hineingetragen, sehr oft – wiederum wie bei den Cisterziensern – nicht zu deren künstlerischem Schaden. Der alte Buddhismus war endlich schlechthin apolitisch gewesen; eine innere Beziehung zu politischen Gewalten war von ihm aus eigentlich kaum auffindbar. In diesem letzten Punkt trat zuerst Wandel ein… Der chinesische Pilger Fa-Hien, vom Kaiser ausgeschickt, um authentische Abschriften der heiligen Bücher zu besorgen, fand in ganz Indien nur in den Klöstern von Pataliputra (dem Sitz des Königs und – angeblich – des Konzils) und in Ceylon Niederschriften, sonst nur mündliche Tradition. Es ist klar, was die Niederschrift für die Wahrung der Einheit der Kirche, ebenso aber: was sie für die Mission bedeutete. In einem Literatenland wie China konnte der Buddhismus nur als eine Buchreligion überhaupt Fuß fassen, und tatsächlich geht die Inszenierung oder wenigstens die programmatische Verkündigung der buddhistischen Weltmission auf Açoka zurück. Mit Feuereifer warf er sich gerade darauf. Durch ihn erhielt der Buddhismus den ersten großen Anstoß, eine internationale Weltreligion zu werden. Zunächst sollten die wilden Stämme bekehrt werden. Aber dann machte sich der König daran, durch Gesandtschaften an fremde Mächte, vor allem auch an die hellenistischen Großmächte des Westens bis Alexandria, die reine Lehre in aller Welt bekanntzumachen, und eine vom König gestützte Mission wendete sich den ceylonesischen und hinterindischen Gebieten zu. Einerlei welches der unmittelbare Erfolg war, – und er war zunächst nur in Ceylon und nach Norden zu bedeutend –, so hat jedenfalls die große internationale Expansion des Buddhismus in Asien damals ihren ideellen Anfang genommen. Er ist offizielle Konfession in Ceylon, Birma, Annam, Siam und andern hinderindischen Staaten und Korea, in umgewandelter Form später in Tibet geworden und geblieben und hat geraume Zeit sowohl China wie Japan religiös beherrscht. Um freilich zu dieser Rolle berufen zu sein, mußte die alte Intellektuellensoteriologie tiefgreifende Umwandlungen durchmachen. Zunächst war schon dies eine vollkommen neue Situation für den Orden: daß ein weltlicher Herrscher als solcher Rechte innerhalb ihrer Angelegenheiten in seine Hand nahm. Diese Rechte und ihre Einwirkung waren nicht unbedeutend. Insbesondere die später klassischen Gebiete des alten, orthodoxen (Hinayana-) Buddhismus geben von der eigenartigen Theokratie der buddhistischen Monarchen eine deutliche Vorstellung… Indessen mit diesen theokratischen Konsequenzen waren die Umwandlungen des altbuddhistischen Mönchtums nicht erschöpft. Die alte Mönchsgemeinschaft mußte, zunächst schon infolge des Gewichts der Massen, welche ihr zuströmten, ihren streng weltflüchtigen Charakter mildern und weitgehende Konzessionen machen an die Leistungsfähigkeit des Durchschnittsmönchs und auch an die Erfordernisse der Existenz von Klöstern, welche nicht Stätten der Heilssuche vornehmer Denker, sondern Zentren religiöser Mission und Kultur sein sollten. Im übrigen aber mußte den Bedürfnissen der Laien, welche im alten Buddhismus dessen Natur nach eine wesentlich zufällige Rolle spielen, entgegengekommen, also die Soteriologie in der Richtung der magischen und der Heilandsreligiosität umgebogen werden. Die erste der beiden Tendenzen tritt uns in den Quellen zuerst deutlich zutage. Ein Edikt Açokas spricht von 'Schismatikern' innerhalb der Samgha. Die mahayanistische Tradition läßt das große Schisma zuerst auf dem Konzil (Sanghiti) von Vaiçali (angeblich dem zweiten) zum Ausbruch kommen, welches angeblich 110 Jahre nach Buddhas Tode, vielleicht aber erst unter Açoka und auf seine Veranlassung stattfand. Unabhängig von der historischen Korrektheit der Einzelheiten ist der Grund der ältesten Spaltung sowohl nach der Tradition wie nach der Natur der Sache selbst im wesentlichen klar. Die berühmten '10 Thesen' der Vajji Mönche, über welche eine Einigung nicht stattfand, waren durchweg disziplinärer, nicht dogmatischer Natur. Neben einigen Einzelheiten der klösterlichen Lebensführung, die sämtlich auf Erleichterung der Disziplin hinzielten, aber wesentlich formales Interesse haben und einer organisatorischen Frage, die mit den Präludien des Schisma zusammenhing, gab es einen fundamental wichtigen Punkt. Genau den gleichen, an welchem sich seinerzeit die Scheidung der Konventualen und Observanten im Franziskanerorden vollzog: den ökonomischen. Die Anordnungen des Stifters verboten jeglichen Geldbesitz, also auch die Annahme von Geldspenden. Als nun – erzählt die Tradition – einer der strengen Observanz infolgedessen Geldspenden zurückwies, erklärte dies die Mehrheit für eine Beleidigung der Laien. Die ihm gewährte Gelegenheit zur öffentlichen Abbitte benutzte er, um sein Recht zu vertreten, worauf er, 'weil er ohne Auftrag der Gemeinde gepredigt habe', gebüßt wurde. Im übrigen soll nach hinayanistischer Tradition das Konzil die altorthodoxe Lehre bestätigt haben. Eine Einigung fand jedenfalls nicht statt… Die Ueberlieferung macht es wahrscheinlich, daß die Laien entweder von Anfang an oder doch später auf selten der laxeren, ursprünglich Mahasamghika (große Gemeinde) genannten Richtung, des Mahayana, und im Gegensatz zu den Sthaviras, den 'Aeltesten': erprobten charismatischen Arhats, standen. Denn als Spezialität der Mahasamghika ist die Mitwirkung der Laien auf den Konzilien überliefert. Es handelt sich natürlich nicht um die »unteren« Klassen – von denen überhaupt als aktiv treibendem Element nie die Rede ist und sein konnte – sondern gerade um Herrenschichten. Auch vornehme Damen sollen sich als Parteigängerinnen der Mahayana-Schule hervorgetan haben. Dies ist ebenso begreiflich wie die Parteinahme der Kurie im 14. Jahrhundert für die Konventualen und gegen die strenge Observanz der Franziskaner. Die Abhängigkeit der Mönche von den Herrenschichten war um so größer, je weniger 'weltablehnend' sie waren. Die fast schrankenlose klerikale Herrschaft der Hinayana-Orthodoxie in Ceylon und Birma über die Laien, gegen welche die weltliche Gewalt der Herrscher oft vollkommen ohnmächtig war, hatte – wie die bald zu erwähnenden Berichte der chinesischen Pilger zeigen – auch in Nordindien unter der Vorherrschaft des Altbuddhismus vielfach bestanden. Der gleiche Kampf zwischen der Laiengewalt und dem Mönchtum, der im byzantinischen Reich jahrhundertelang bestand, ist auch in Indien geführt worden, nur in anderen Formen. Für die weltliche Gewalt bestand das Interesse, die Mönche als Domestikationsmittel der Massen zu gebrauchen. Denn wenn auch die 'Massen' nie die aktiven Träger der buddhistischen Religiosität waren, so haben sie doch selbstverständlich, als Objekt der Beherrschung durch die Mittel des religiösen Glaubens, hier wie bei allen religiösen Stellungnahmen der Herrenschichten eine ganz entscheidende Rolle gespielt. Im Wege der Hagiolatrie aber haben die buddhistischen Mönche vielfach auch die Massen stark an sich gefesselt. Zu diesem politischen Grund trat der immer stärkere Einfluß der schulmäßigen brahmanischen Spekulation und ihrer Begriffe auf das buddhistische Denken. Noch die Schilderungen J-tsings aus dem 7. Jahrhundert lassen erkennen, daß man an die brahmanische Tradition zunächst vor allem im lehrtechnischen Interesse anknüpfte. Die Technik der Erlernung der Veden gilt ihm als unerreicht zur formalen Schulung des Geistes, vor allem für das Behalten der eigenen Argumente, aber auch der des Gegners. Das Literateninteresse verlangte eben die Pflege der Wissenschaft und die 5 Vidya: Grammatik (wie stets die wichtigste), Medizin, Logik, Philosophie und auch bereits die von den literarischen Künstler- und Techniker-Kreisen verlangte theoretische Pflege der 'schönen Künste' (Silpastha-navidya) tauchten auf – selbst in der Hinayana-Schule – und mußten sich wohl oder übel der alten brahmanischen Sprache bedienen. Klosterschulen für Laien und Kinderfibeln entstanden. Daß in dieser ganzen Entwicklung, vor allem aber im Mahayana, die vornehmen Schichten in besonderem Maße die Führung hatten, wird nicht nur durch das ausdrückliche Anerkenntnis der Kastengliederung, welche vorher ignoriert worden war, hinlänglich dargetan, sondern auch durch den äußerlichen Umstand, daß jene Schule im Gegensatz zu den alten Hinayana-Buddhisten die später zu besprechende von Kaschmir ausgehende Renaissance des Sanskrit mitmachte: ihre heiligen Schriften wurden in der alten Gelehrtensprache abgefaßt, der Pali-Kanon blieb im Besitz der südlichen Buddhisten. Die heilige Literatur schied sich nun allmählich ebenso vollständig, wie zwischen den beiden Jaina-Sekten. Denn in jeder Hinsicht wuchs der Gegensatz der Schulen sehr bald über die anfänglichen disziplinären Anlässe hinaus. Das Bild, welches man in der Reiseschilderung Fa Hiens erhält (um 400 nach Chr.), – der, selbst Mahayanist, doch zwei Jahre in Ceylon, dem Hort der Orthodoxie, verweilte, – ist noch ein relativ friedliches… Für die Gegend von Mathura berichtet Fa Hien, daß die Beamten des Königsfeste Einnahmen haben, keine Schollenfestigkeit, niedrige Steuern und nicht das im indischen Patrimonialgroßstaat übliche System der Kopf- und Steuerlisten bestand, alle Kreaturen geschont, kein Fleisch gegessen, keine Schweinehaltung und kein Viehhandel geduldet, keine geistigen Getränke und nur von der (unreinen) Tschandala-Kaste Zwiebeln und Knoblauch genossen wurden, auch die Todesstrafe fehlte. Açokas Reich war längst zerfallen. Aber relativ pazifistische Kleinkönigreiche herrschten in Nordindien vor. Der Buddhismus war nach wie vor eine Lehre der vornehmen Intellektuellen. Es interessierte alle diese Pilger, ganz ebenso wie den über 2 Jahrhunderte später nach Indien pilgernden Hiuen-Tsang, lediglich das Verhalten der Könige und ihrer Hofbeamten. Im übrigen aber hat sich in der Zeit Hiuen-Tsangs (628 und folgende Jahre) sichtlich manches geändert. Zunächst der Gegensatz der Mahayana-Schulen gegen die hinayanistische Orthodoxie. Ein Hinayanist wird von schwerer Krankheit befallen, weil er Mahayana geschmäht hat. Es ist überhaupt, eigentlich nur vom Mahayana die Rede und Hiuen Tsang hält es auch nicht für nötig, nach Ceylon zu gehen. Dazu: gesteigertes Eindringen spezifisch brahmanischer Elemente in die zunehmend vorherrschende Mahayana-Lehre. Indien heißt bei Hiuen-Tsang das 'Reich der Brahmanen' (To-lo-man). Statuen von Brahma und Indra stehen in Heiligtümern des Gangestales neben dem Standbild Buddhas. Die Veden (Wei ho) werden zwar als 'subalterne' (d.h. laienhafte) Lektüre bezeichnet, aber eben doch gelesen. Der König von Kosala verehrt den Buddha, daneben aber in brahmanischen Tempeln die hinduistischen Devas. Wenn es auch noch Könige gibt (Ciladitya), welche alljährlich das große Konzil des Buddhistenklerus einberufen, so ist dies doch offenbar nicht die Regel. Zunehmende Schärfe der Schulgegensätze, Zurückdrängung des Hinayana in Nordindien, aber auch Rückgang des Buddhismus überhaupt ist der Eindruck. Auch im Hinayana wurde das alte Geldbesitz-Verbot der strengen Observanz mit den gleichen Mitteln umgangen, wie bei den Franziskanern. Laienvertreter empfingen das Geld und verwalteten es für die Mönche… Die Laien begehrten Nirwana nicht und konnten mit einem nur exemplarischen Propheten der Selbsterlösung wie Buddha nichts anfangen. Sondern sie verlangten nach Nothelfern für das diesseitige Leben und nach dem Paradies für das jenseitige. Es setzte daher im Mahayana jener Prozeß ein, welchen man gewöhnlich als die Ersetzung des Pratyeka-Buddha- und Arhat- (Selbsterlösungs-) durch das Bodhisattva- (Heilands-) Ideal bezeichnet. Während die Hinayana-Schule ihre Anhänger in Çravakas (Laien), Pratyeka-Buddhas (Selbsterlöser) und Arhats (Erlöste) als religiöse Stände teilte, wurde das Bodhisattva–Ideal der Mahayana–Sekte eigentümlich und gemeinsam. Es setzte eine innere Umwandlung der Erlösungstheorie voraus. In der Frühzeit des Buddhismus wurde der Streit zwischen den 'Aeltesten' (Sthaviras), d.h. den charismatischen Trägern der Gemeindetradition und den 'Mahasamghika', den schulmäßig spekulativen Denkern: den Intellektuellen, geführt, wie wir sahen. Von den Fragen der Disziplin und der praktischen Ethik griff er auf spekulative Fragen über: die 'sattva'-Probleme, die Fragen nach der 'Natur' des Erlösungszustandes und folglich zunächst: über die Person des Erlösers. Die alte Schule hielt an seiner Menschlichkeit fest. Die Mahayanisten entwickelten die 'Trikaya'-Theorie: die Lehre von dem übernatürlichen Wesen des Buddha. Er hat drei Erscheinungsformen: einmal die Nirmana Kaya, den 'Verwandlungsleib', in welchem er auf Erden wandelte. Dann die Sambhoga Kaya, den, etwa dem »Heiligen Geist« entsprechenden, alldurchdringenden Aetherleib, der die Gemeinde bildet, endlich die Dharma Kaya, von der später zu reden ist. Auf diesem Wege vollzog sich zunächst an Buddha selbst der typische hinduistische Vergottungsprozeß. Damit verband sich nun die hinduistische Inkarnationsapotheose. Der Buddha war eine in einer Serie von Wiedergeburten stets erneut zur Erde steigende Verkörperung der (unpersönlichen) göttlichen Gnade, für welche vielfach auch ein ewig dauernder Träger: ein Adibuddha, als existierend gedacht wurde. Von da war der Weg nicht weit, den Buddha zu einem Typus: dem Repräsentanten des zur vollen Erlösung gelangten und dadurch vergotteten Heiligen zu machen, der in beliebig vielen Exemplaren erschienen sein und noch erscheinen konnte: 'Selbstvergottung', der alte indische Sinn der Askese und Kontemplation und damit: der lebende Heiland waren in den Glauben eingeführt. Der lebende Heiland aber ist der Bodhisattva. Formell war der Bodhisattva mit dem Buddha zunächst durch die Wiedergeburts- und die aus der hinduistischen Philosophie übernommene Weltepochentheorie verknüpft. Die Welt ist ewig, verläuft aber – wie früher erwähnt – in immer neuen endlichen Epochen. Es gab nun in jeder Weltepoche einen, im ganzen also unendlich viele Buddhas. Der historische Gautama Buddha der jetzigen Epoche hat 550 Wiedergeburten vor dem Eingang nach Nirwana durchgemacht. Bei der vorletzten Geburt hat der bei der nächsten zum Buddha sich durchringende heilige Arhat die Stufe des Bodhisattva (»dessen Wesen: sattva, Erleuchtung: bohdi, ist«) erreicht und weilt im Tuschita-Himmel, in welchem daher jetzt schon der künftige Buddha, Maitreya, sich als Bodhisattva aufhält. Aus dem Tuschita-Himmel hat sich auch der historische Gautama Buddha durch wunderbare Inkarnation im Leib seiner Mutter Maya zur letzten Erdenfahrt begeben, um vor dem Eingang im Nirwana den Menschen seine Lehre zu bringen. Es ist klar, daß mit seinem 'Verwehen' das Interesse sich dem kommenden Heiland: dem Bodhisattva, zuwenden mußte. Ebenso ist klar, daß in jenem an sich einfachen und rationalen Schema des Tuschita-Himmels und der Vielheit der Buddhas und Bodhisattvas die geeigneten Anknüpfungspunkte für eine Pantheonbildung, Wiedergeburts-mythologien und Mirakel aller Art gegeben waren. Uns sollen diese zu fabelhaftem Umfang geschwollenen Mythologeme hier nicht beschäftigen, sondern ihre ethisch-soceriologische Seite. Ein Bodhisattva war, wie wir sahen, nach dem ganz korrekten Begriff ein zur 'Vollendung' gelangter Heiliger, der bei der nächsten Wiedergeburt ein Buddha werden und nach Nirwana gelangen kann. Daß dies nun nicht geschieht, daß er vielmehr ein Bodhisattva bleibt, galt als ein Akt der Gnade, den er vollzieht, um als Nothelfer der Gläubigen wirken zu können. Er wurde infolgedessen das eigentliche Objekt der mahayanistischen Hagiolatrie und es ist klar, wie weitgehend diese Wandlung den Heilsinteressen der Laien entgegenkam. Aktive Güte (paramita) und Gnade (prasada) sind die Attribute des Bodhisattva. Er ist nicht nur zu seiner Selbsterlösung, sondern zugleich und vor allem um des Menschen willen da: der Buddha war nicht nur ein Pratyekabuddha, sondern auch ein Sammasambuddha, drückt die mahayanistische Terminologie dies aus. Er vermöchte gar nicht den Entschluß zu fassen, aus dieser Welt des Leidens sich in einsamer Selbsterlösung zu retten, solange noch andere da sind, die leiden. Upâya (die Pflicht, eigentlich: in charakteristisch zeremoniöser Terminologie: 'Schicklichkeit') hindert ihn daran. Die in der Mahayana-Schule entstandene spekulative Trinitätslehre erleichterte dies: nur in der ersten seiner Existenzformen, der Nirwana Kaya, ist er in das Nirwana eingegangen. Der Unterschied der buddhistischen gegen die christliche Trinität ist charakteristisch: der Buddha wird Mensch, wie die zweite Figur der christlichen Trinität, um die Menschen zu erlösen. Er erlöst sie aber nicht durch Leiden, sondern durch die bloße Tatsache, daß auch er nun vergänglich ist und als Ziel nur das Nirwana vor sich hat. Und er erlöst sie exemplarisch, nicht als stellvertretendes Opfer für ihre Sünden. Denn nicht die Sünde, sondern die Vergänglichkeit ist das Uebel… Eine ganze religionsphilosophische Literatur entstand, bediente sich zunehmend ausschließlich wieder der Gelehrtensprache (des 'Sanskrit'), schuf Universitäten, Disputationen, Religionsgespräche und zeitigte vor allen Dingen eine ziemlich komplizierte Metaphysik, in welcher alle alten Kontroversen der klassischen indischen Philosophie wieder auflebten. Damit aber war der Riß zwischen den wissenden Theologen und Philosophen und den nur als exoterische Mitläufer gewerteten Illiteraten ganz in brahmanischer Art in den Buddhismus getragen. Nicht die persönliche Gnosis, sondern das geschulte Buchwissen war wieder die herrschende Macht in der Gemeinschaft. Wie in den Literatenkreisen Chinas Indien nur als 'Land der Brahmanen' gewertet wurde, so war der Standpunkt der Mahayana-Literaten in Indien unter Hiuen-Tsang der: daß China ein Barbaren-(Mlechcha-) Land sei – deshalb eben sei ja der Buddha auf Indiens Kulturboden inkarniert worden und nicht dort oder anderswo –, und Hiuen-Tsangs charakteristischer Gegenbeweis ging davon aus: daß auch in China die Alten und Weisen die ersten seien, die Wissenschaft, einschließlich der Astronomie, blühe und die Macht der Musik bekannt sei. Dieser Begriff war ganz auf brahmanische – sagen wir: auf asiatische oder vielleicht sogar: auf antike – Intellektuellentheologie zugeschnitten. Es waren altbrahmanische Begriffe, und zwar nunmehr auch vedantistische, vor allem der für das Vedanta zentrale Begriff 'Maya' (kosmische Illusion), nur in Umdeutungen, welche der Theologie des Mahayana-Buddhismus zugrunde gelegt wurden… Reminiszenzen der Samkhya-Lehre finden sich vielleicht in der Mahayana-Theorie von der Alaya-vijñana, der streng allem nicht Geistigen entgegengesetzten Seele. Und hier stoßen wir auf einen fundamentalen Gegensatz gegen den alten Buddhismus. Denn eben die Ablehnung des 'Seelen'-Begriffes hatte ja grade zu seinen wesentlichsten Eigentümlichkeiten gehört. Aber diese Vorstellung war sicherlich alsbald wieder verlassen worden. Wie die 'Seelenwanderung' des Buddhismus die brahmanische wurde und nicht die der alten reinen Lehre blieb, so die göttliche Potenz. Sie ist – wie im Vedanta – eine Allseele und die extreme Spiritualisierung der als Emanation gedachten Welt streift dicht an die Maya-Lehre, die auch gelegentlich ausdrücklich auftaucht: es ist alles nur subjektiver Schein und das höchste Wissen löst ihn auf. An das Bhagavadgita endlich erinnert die nun wieder beginnende organische Relativierung der Ethik. Der Bodhisattva erscheint, wie Krischna, stets erneut auf der Erde und kann – der 'Trikaya'-Doktrin entsprechend – ganz nach den jeweiligen ethischen Bedürfnissen der Welt in jeder Form und jedem Beruf, je nach Bedarf, auftreten. Nicht nur als Mensch, auch als Tier, – zur Erlösung der in Tiere verschlagenen Seelen, – und wenn als Mensch, dann in jedem rituell anständigen Beruf. Also vor allem auch: als Krieger. Nur wird er seiner Natur nach nur in einen »gerechten« und guten Krieg gehen, in diesen aber unbedenklich. Es ist diese Theorie praktisch wohl die weitestgehende Anpassung an die Bedürfnisse der 'Welt'. Theoretisch hatten diese Akkommodationen die Einführung irgend eines überweltlichen göttlichen Wesens zur Vorbedingung, und wir sehen ja auch, daß schon in der Vergottung Buddhas selbst eine solche vollzogen wurde. Allein Buddha war im Nirwana für immer der Welt entschwunden und konnte nicht selbst oder gar allein die höchste Weltgottheit darstellen. Und dem einmal kanonisch festgelegten Ausgangspunkt der Lehre entsprechend konnte der Weltgott auch kein persönlicher Welt-Gott nach Art Vischnus oder Çivas sein. Die absolute Endlosigkeit und Uebernatürlichkeit des Göttlichen wurde ergänzt durch seine streng unpersönlichen Prädikate: Bhutatathata, das 'So-Sein' und durch die Entgegensetzung des Açunya (des 'Leeren', des 'Nichtrealen') als des spezifisch Heiligen, gegenüber dem Çunya (dem 'Vollen', 'Realen'), ganz nach Art occidentaler mystischer Versuche und auch der Upanischaden, den Gottbesitz zu beschreiben. Das letztlich unaussagbare Göttliche zeigte dabei naturgemäß, entsprechend dem 'Triratna' des alten Buddhismus, in welchem sich ja das 'Dharma' als göttliche Potenz fand, Neigung, Züge des chinesischen 'Tao' anzunehmen: Ordnung und Realgrund der Welt zu werden, ewige Norm und ewiges Sein in Eins zu setzen. Jenseits des schroffen Dualismus von ewigem Sein und durch ewige (Karman-)Normen geordneter absoluter Vergänglichkeit der Erscheinungswelt mußte das Absolute gefunden werden. Die Unverbrüchlichkeit des Karman war dabei die Stelle, an der allein es für eine hinduistische Metaphysik greifbar werden konnte. Das mystische Erlebnis aber enthielt hier wie überall nicht 'Norm', sondern im Gegenteil ein gefühltes 'Sein' in sich. Das höchste Göttliche des Mahayana-Buddhismus, das 'Dharmakaya' war, wegen dieses rational nie überbrückbaren, aber ganz unvermeidbaren Gegensatzes, nicht nur, wie selbstverständlich, jenseits jeder 'Worte' sondern die Beziehung zu ihm enthielt auch rational heterogene Prädikate in sich. Daß 'Karuna', höchste Liebe und 'Bodhi', höchste Gnosis, sich in der Beziehung des Heiligen zum Göttlichen vereinen, ist nur aus psychologischen Qualitäten der mystischen Ekstase erklärlich. Wenn also nun 'Nirwana', – ein Zustand, der jetzt in eine abgeleitete, sekundäre Stellung rückte –, zugleich negativ: Zerstörung allen Begehrens und, positiv: All-Liebe wurde, blieb nach wie vor Avidya, die Dummheit, die Quelle alles Uebels. Dies ist aus der streng intellektualistischen Herkunft dieser Soteriologie erklärlich. Das Mahayana ist so wieder eine letztlich esoterische Erlösungslehre für die Gnostiker, nicht für die Laien. Der praktisch so überaus wichtige Grundsatz der Lehre des Buddha: daß die Spekulation über unlösbare Probleme vom Uebel und heilsschädlich sei, ist in charakteristischer Art aufgegeben. Er wirkte nur darin nach, daß nach der orthodoxen Mahayana-Lehre das letzte große kosmische Rätsel: die Frage, wie denn nun eigentlich die große Wurzel alles Uebels, die 'Avidya' (Dummheit, Stumpfheit oder kosmische Illusion) in die Welt habe kommen können, für menschliches Wissen unlöslich blieb und ebenso wie das 'Warum?' der spezifischen Qualitäten des Bhutatathata nur der letzten und höchsten, in Worten nicht kommunikablen, Gnosis eines Bodhisattva sich erschloß. Die erlösende Gnosis aber trägt selbst die eigentümlichen dualistischen Züge einer Kombination praktischen Liebesfühlens und beherrschter Konzentration des Denkens. Sie verläuft nach der orthodoxen Mahayana-Lehre durch fortwährende exercitia spiritualia aufsteigend in den zehn Stadien der warmen Liebe (pramudita), der Reinigung des Herzens (vimalâ), der Klarheit der kosmischen Einsicht (prabakhari), des Strebens nach Vollendung (arcismati), der Meditation über das Wesen des Tathagata (sudurjaya), über die Art der Weltemanationen (abhimuki), der Erzeugung der Weltfremdheit trotz des innerweltlichen Tuns (durangama, das 'Gehen in die Ferne': – der inneren Haltung des Bhagavata, die wir kennen, nahe verwandt), der Erringung der vollen Gelassenheit als einer zur Natur gewordenen unbewußten und mühelos geübten persönlichen Qualität (achala), der vollen Gnosis der transzendenten Wahrheiten (sadhumati), und endlich des Hinschwindens in die 'Wolken des Dharma' (Dharmamegha): der Allwissenheit. Man bemerkt leicht die Kreuzung gnostischer und praktisch liebesakosmistischer Elemente. Die Nirwana – Konzeption der Mahayana-Schule trägt gleichfalls die Spuren dieser Kreuzung. Unterschieden wurden, neben dem absoluten Aufgehen im Dharmakaya mit dem Tode, welches jetzt, in vedantistischer Art, das gänzliche Erlöschen ersetzte, zunächst zwei Arten von diesseitigem Nirwana: 1. das Upadhiçesa Nirwana, die Freiheit von Leidenschaft, welche aber noch nicht von Samsara befreit ist, weil die intellektualistische Gnosis fehlt: – das überall charakteristische rationale Element im Buddhismus, – 2. das Anupadhiçesa Nirwana: das Upadhi-(Materialisations-) freie Nirwana, welches, durch volle Gnosis, ein von Samsara befreiter diesseitiger Seligkeitszustand des Jivanmukti ist. Aber das für die Mahayana-Schule Charakteristische ist, daß der Begriff des innerweltlichen Nirwana auch damit nicht ausgeschöpft ist. Sondern neben der weltflüchtigen Mystik gibt es 3. die innerweltliche Mystik, das weltindifferente, sich gerade innerhalb der Welt und gegen sie bewährende Leben in der Welt und ihren Hantierungen, innerlich weit-und todentronnen, welches Geburt, Tod, Wiedergeburt und Wiedertod, Leben und Handeln mit all seinen Scheinfreuden und Scheinleiden hinnimmt als die ewigen Formen des Seins und sich gerade darin: in seiner weltindifferenten Heilsgewißheit behauptet. Als Wissen und Fühlen der absoluten Nichtigkeit dieser Vorgänge gegenüber dem zeitlosen Wert der bewußten Einheit mit dem Dharmakaya und dadurch mit aller Kreatur, die mit akosmistischer erbarmender Liebe umfaßt wird, ist es die buddhistische Wendung der im Bhagavadgita, wie wir sahen, gelehrten Form der innerweltlichen Weltindifferenz. Spuren dieses Standpunkts reichen weit zurück, und es ist begreiflich, daß gerade er gegenwärtig als der 'eigentlich' mahyanistische vertreten wird, weil er das Bodhisattva-Ideal im Sinn einer sehr modernen Mystik zu interpretieren gestattet. Jedenfalls scheint etwa im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung Vasubandus 'Weckung des Bodhicitta' schon ins Chinesische übersetzt gewesen zu sein und die entscheidenden Lehren für diese Wendung des Bodhisattva-Ideals zu enthalten. Das 'Bodhicitta' ist die in jedem Menschenherzen schlummernde Fähigkeit 'wissender Liebe', welche, geweckt, pranidhâna weckt: den unerschütterbaren Willen, heißt das, durch die ganze Folge der eigenen Wiedergeburten hindurch zum Heil der Brüder als Tathagata (Heiland) zu wirken. Der Bodhisattva, welcher diese Qualität erlangt hat, gewinnt dadurch die Fähigkeit, nicht nur sein eigenes Heil zu erzeugen, sondern – worauf es ihm ankommt – einen Thesauros von Verdienst anzuhäufen, aus welchem er Gnade spenden kann. Er ist also in diesem Sinn souverän gegenüber der ehernen Macht der Karman-Vergeltung. Damit war theoretisch die Grundlage für das gewonnen, was man für die religiösen Bedürfnisse der aliterarischen Laienschichten benötigte und was der alte Buddhismus nicht hatte bieten können: lebende Heilande (Tathagatas und Bodhisattvas) und die Möglichkeit der Spendung von Gnade. Selbstverständlich zunächst von magischer, diesseitiger, und erst daneben von jenseitiger, auf die Wiedergeburt und das Jenseitsschicksal bezüglicher Gnade. Denn wenn hier die spiritualistische Form der Mahayana-Lehre, wie sie die nordindischen Philosophenschulen erzeugten, wiedergegeben worden ist, so liegt es doch auf der Hand, daß in der Praxis des religiösen Lebens alsbald die überall gewohnten Laienvorstellungen die Oberhand gewannen. Nagar-juna, der im ersten nachchristlichen Jahrhundert lebende erste Begründer der Mahayana-Lehre, hat in seinem Prajnaparamiha (Ans Jenseits-Ufer gelangtes Wissen) zwar die 'Leere' als spezifische Existenzform (sattva) des Erlösten gelehrt. Neben einer als 'Mittelweg' (Madhyamika) bezeichneten Kombination von allen Mitteln der Selbstentäußerung (darunter vor allem: Almosen und Todesbereitschaft für den leidenden Nächsten), galt ihm die anhaltende Meditation und Erkenntnis (prajna) als letztes und höchstes Mittel der Heilsgewinnung. Aber schon ihm hat der Wissende magische Gewalt. Mit dem Bannwort (dharani) und der mystischen Fingerstellung zwingt er Menschen und Naturgeister. Mit der Lehre Vasubandhus vollends, vier Jahrhunderte später, wurde neben dem hinduistischen Pantheon die volkstümliche Tantra-Magie, die Erringung des ekstatischen samadhi-Zustandes, der Wunderkraft (siddhi) verleiht, eingeführt. Damit schloß die Entwicklung ab: Vasubandhu galt als letzter Bodhisattva. Eine rationale innerweltliche Lebensführung war auch auf der Basis dieser philosophisch vornehmen spiritualistischen Soteriologie des Mahayana nicht zu begründen. Der Ausbau der alten Laienethik geht über die Empfehlung der landläufigen Tugenden und der speziell hinduistisch-buddhistischen Ritualgebote nicht heraus und es lohnt wenigstens hier für unsere Zwecke nicht, sie im einzelnen zu analysieren. Denn die Obedienz gegenüber den durch übermenschliche wundertätige Leistungen qualifizierten Bodhisattvas und die Magie wurden selbstverständlich der beherrschende Zug. Magische Therapeutik, apotropäische und magisch-homöopathische Ekstatik, Idolatrie und Hagiolatrie, das ganze Heer der Götter, Engel und Dämonen zogen in den Mahayana-Buddhismus ein. Vor allem: Himmel, Hölle und Messias. Im siebenten Himmel droben thront, jenseits vom 'Durst' (nach Leben) und von 'Name und Form' (Individualität) der Bodhisattva Maitreya, der künftige Heiland, der Träger des spezifisch buddhistischen messianischen Glaubens. Und ebenso stehen die Schrecknisse der Hölle zur Verfügung. Und endlich wurde ein Teil der mahayanistischen Stufen für die Erlösung in eine förmliche Heils-Karriere verwandelt: unterhalb des Arhat selbst gab es drei Stufen deren höchste die Wiedergeburt im Himmel als Arhat, deren nächstniedere die Wiedergeburt als Arhat nach noch einem Tode und deren niederste die Wiedergeburt als Arhat nach noch 7 Toden gewährleistete. Der Mahayanismus ist es auch gewesen, der zuerst durch formelhafte Gebetsandacht, schließlich durch die Technik der Gebetsmühlen und in den Wind gehängten oder an das Idol gespuckten Gebetspapiere das absolute Höchstmaß von Mechanisierung des Kults erreicht und mit der Verwandlung der ganzen Welt in einen ungeheuren magischen Zaubergarten verbunden hat. Nicht übersehen werden dürfen dabei jene Züge von Innigkeit und karitativem Erbarmen mit aller Kreatur, welche der Buddhismus, und in Asien nur er, wohin immer er kam, in das volkstümliche Empfinden hineingetragen hat. Darin ähnelte seine Wirkung derjenigen der Bettelmönche des Occidents. Sie treten auch und gerade in den Tugenden der Mahayana-Religiosität typisch zutage. Aber sie sind keineswegs ihr im Gegensatz zur Hinayana-Schule eigentümlich. Gänzlich dagegen fehlt jeder Ansatz zur Erzeugung einer rationalen Lebensmethodik der Laien im Mahayana. Weit entfernt, eine solche rationale Laienreligiosität erzeugt zu haben, hat der Mahayana-Buddhismus eine esoterische, dem Wesen nach brahmanische, Intellektuellen-Mystik mit grober Magie, Idolatrie und Hagiolatrie oder Gebetsformelandacht der Laien verknüpft. Die Hinayana-Schule hat ihren Ursprung aus einer vornehmen Laien-Soteriologie wenigstens insofern nicht verleugnet, als sie eine Art von systematischer klösterlicher Laien-Erziehung entwickelte, die freilich bald konventionell entartete. Die Söhne guter Familien pflegten – vermutlich seit Açokas Eintritt in den Orden – und pflegen inkorrekt hinayanistischen Ländern noch jetzt einige Zeit – freilich jetzt zuweilen nur vier Tage, also wesentlich symbolisch – im Kloster das Leben eines Bhikkshu zu führen. Aber auch eigentliche Klosterschulen für Laienbedürfnisse nach Art der Volksschulen waren bei der Hinayana-Schule eine vermutlich seit Açoka bestehende Erscheinung. Dergleichen ist vom Mahayana-Buddhismus, wenigstens als systematisch gepflegte Einrichtung, nur bei einzelnen Sekten in Japan überliefert. Es ist doch wohl anzunehmen, daß der klerikale Eifer König Açokas der Hinayana-Schule diesen Zug zur 'inneren Mission' dauernd aufgeprägt hat. So sehr die eigentliche Heilslehre des Buddhismus vornehme Intellektuellensoteriologie war, so ist doch nicht zu leugnen, daß seine Gleichgültigkeit gegen die Kasten auch praktische Konsequenzen gehabt hat: Von einigen seiner alten Schulen ist ausdrücklich überliefert, daß sie von Çudra gestiftet seien. Und in der mit der Entstehungszeit gleichzeitigen Epoche der Gildenmacht ist zweifellos auch ein literarisches Bildungsbedürfnis der bürgerlichen Schichten vorhanden gewesen. Der Unterricht war freilich, soviel bekannt, keine Schule rationalen Denkens und Lebens, sondern wohl von jeher lediglich auf Verbreitung der nötigsten religiösen Kenntnisse gerichtet: immerhin konnte dazu gerade bei der Hinayana-Schule, deren Schriften in der Volksmundart abgefaßt waren, unter Umständen das Lesen gehören… Die eigentlich große Missionsreligion Asiens war nicht die Hinayana-, sondern die Mahayana-Kirche. Auch der Mahayana Buddhismus, gewann, wie seinerzeit die Hinayana Schule, seine missionierende Tendenz zuerst durch einen König: Kanischka von Kaschmir und Nordwesthindustan, kurz nach Beginn unserer Zeitrechnung. Unter ihm ist das angeblich dritte und lelzte der kanonischen Konzilien welche der Mahayana-Buddhismus anerkennt, in einer Stadt in Kaschmir gehalten worden. Offenbar zuerst durch die Macht dieses Königs wurde der Mahayanismus im Norden Indiens, wo einst Açoka das orthodoxe Konzil abgehalten hatte, verbreitet und schließlich vorherrschend und der Hinayanismus eine 'südliche' Richtung. Der dazu führende Prozeß war freilich schon im Gange und die Entwicklung der esoterischen Mahavana-Soteriologie hatte schon lange vorher begonnen. Açvagosha schrieb seine allerdings noch maßvoll, mahayanistischen Werke mindestens I Jahrhundert vor dem Konzil. Nagarjuna gilt als die treibende Kraft des Konzils selbst. Die anderen von den Mahayanisten als Autoritäten zitierten Philosophen lebten fast sämtlich in den nächsten Jahrhunderten nach dem Konzil, keiner nach dem ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung. Die Hauptexpansionsepoche des Mahayanismus liegt in der Zeit bis zum 7. Jahrhundert. Allein schon seit dem 5. Jahrhundert begann der Stern des Buddhismus in Indien langsam zu erbleichen. Zu den Gründen gehörte außer den schon angeführten Momenten vielleicht auch jener Verpfründungs-Prozeß, welcher für alle Religionen irgendwann einzutreten pflegt und den gerade die Mahayana-Schule fördern konnte. Gnadenspendende seßhafte Hierokraten, also: Pfründner, traten an die Stelle der wandernden Bettelmönche… Die Reiseberichte der chinesischen Pilger, zeitlich miteinander verglichen, lassen deutlich den inneren Verfall der jeder hierarchischen oder ständischen Einheit entbehrenden buddhistischen Organisation erkennen. Die Renaissance des Hinduismus fand offenbar ein leicht zu bestellendes Feld und hat, wie erwähnt, heute in Vorderindien fast jede Spur der alten buddhistischen Kirche ausgerottet. Ehe wir uns aber diesem neuen Aufstieg des orthodoxen Brahmanentums zuwenden, ist in Kürze der, erst seit König Kanischkas Zeit mit gewaltigem Erfolg betriebenen Expansion des Mahayanismus über Indien hinaus zu gedenken, welche ihn zu einer 'Weltreligion' hat werden lassen. Die großen Expansionsgebiete des Mahayana-Buddhismus sind China, Korea und Japan. Der Mahayana-Buddhismus hat dabei – im allgemeinen – politisch insofern mit anderen Verhältnissen zu rechnen gehabt wie die Hinayana-Schule, als er in jenen Kulturländern, die er missionierend wenigstens teilweise eroberte, auf Dynastien stieß, die entweder mit einer unbuddhistischen Literatenschicht (China und Korea) oder mit einem unbuddhistischen Staatskult (Japan) fest verwachsen waren und daran festhielten. Hier nahm also die weltliche Gewalt im allgemeinen mehr die Stelle einer »Religionspolizei« als eines 'Schutzpatronats' gegenüber der Kirche auf sich. Die theokratische Klerikalisierung war infolgedessen weit geringer. Ueber die Schicksale des Buddhismus in China mußte im anderen Zusammenhang schon einiges gesagt werden, was hier zu ergänzen ist. Er wurde nach einigen vergeblichen Missionsversuchen zuerst importiert unter der Herrschaft und auf Veranlassung des Kaisers Mingti kurz nach Beginn unserer Zeitrechnung durch Mönchsmissionare, faßte aber erst etwa im 4. Jahrhundert Wurzel, was sich durch das häufigere Auftreten eigener chinesischer Mönche äußert. Er ist dann im 5., 6. und 7. Jahrhundert durch zahlreiche Pilgerfahrten und Gesandtschaften, amtliche Uebersetzungen buddhistischer Schriften, Eintritt einzelner Kaiser in den Mönchsorden, schließlich – 526 unter Kaiser Wuti – Uebersiedelung des 'Patriarchen' Bodhidharma aus Indien nach Nanking und weiter nach Honanfu offiziell in Staatspflege genommen worden. Mit dem 8. und endgültig mit dem 9. Jahrhundert wurde durch die gewaltigen von den Konfuzianern angeregten Kirchenverfolgungen, von denen ebenfalls schon gesprochen ist, die Blüte des Ordens in China gebrochen, ohne doch ihn dauernd ganz vernichten zu können. Das Verhalten der chinesischen Regierung war vielmehr von Anfang an und ist auch nach den großen Verfolgungen bis zum heiligen Edikt Kang Hi's beständig schwankend gewesen. Die entschiedensten Gegner waren selbstverständlich die konfuzianischen Literaten. Ihren Einwänden: daß Pflicht, und nicht die Furcht vor der jenseitigen Strafe oder die Hoffnung auf jenseitige Belohnung, die Quelle der Tugend zu sein habe und daß Frömmigkeit um der Vergebung der Sünden willen kein Ausdruck echter Pietät sei, Nirwana als Ideal aber das Nichtstun idealisiere, – setzten die Apologeten des Buddhismus den Hinweis entgegen: daß der Konfuzianismus nur das Diesseits, allenfalls das Glück der Nachfahren berücksichtige, nicht aber die jenseitige Zukunft. Sie wiesen auf Himmel und Hölle als allein wirksame Zuchtmittel für den Menschen zur Tugend hin. Namentlich dieses Argument dürfte auf die Kaiser Eindruck gemacht haben. Daneben der Glaube an die magische Macht auch der buddhistischen Literaten. Denn als vornehme Literatenlehre kam die buddhistische Religion zuerst nach China. Die Erlaubnis Mönch zu werden wurde zuerst in einem Teilstaat der Zeit des großen Interregnums 335 nach Chr. erteilt. Die Idole wurden 423 im Sang- und 426 im Wei-Königreich zerstört, 451 wieder zugelassen. Um 400 suchte der Kaiser Yao hing durch Aussendung eines Heeres sich einen literarisch voll qualifizierten Priester zu beschaffen und gleichzeitig ging Fa Hien in amtlichem Auftrag nach Indien, Uebersetzungen zu beschaffen. Nachdem ein Kaiser der Ling-Dynastie geradezu Mönch geworden war, drang mit der Uebersiedelung des Patriarchen nach China neben der Disziplin auch die eigentliche Mystik des indischen Buddhismus ein. 515 noch war Todesstrafe auf den Betrieb magischer Künste gesetzt. Indessen hinderte dies nicht, daß die Magie hier, wie überall, überwucherte. Seitdem hat die Politik der Regierung geschwankt zwischen Beförderung oder Duldung und Schließung aller Klöster, der Kontingentierung der Mönchszahl, dem Zwang für den Ueberschuß zum Wiedereintritt in den weltlichen Beruf (714), der Konfiskation der Tempelschätze für Münzzwecke (955). Sie adoptierte unter der Ming-Dynastie vorwiegend das schon vorher die Regel bildende System der Duldung unter Einschränkung des Bodenbesitzes, Begrenzung der Klöster und der Zahl der Mönche und Kontrolle der Aufnahme durch staatliche Prüfung. Kang Hi's 'heiliges Edikt' schließlich verbot (Ende 17. Jahrhunderts) den weiteren Bodenerwerb gänzlich und verwarf die buddhistische Lehre als unklassisch. Dabei ist es geblieben. Innerlich hatte der Buddhismus in China vor allem die Wandlung zu einer reinen Buchreligion, entsprechend dem Schriftgelehrten-Charakter der ganzen chinesischen Kultur, durchzumachen. Die Disputationen und Religionsgespräche, welche Indien eigentümlich waren, verschwanden: die chinesische Regierung hätte sie nicht gestattet, und der Natur des chinesischen Schrifttums widersprachen sie durchaus. Immun blieb ferner der chinesische Buddhismus, – ebenfalls entsprechend der streng antiorgiastischen Religionspolizei des chinesischen Beamtentums, – gegen jedes Eindringen der Sakti-Religiosität, welche den indischen Mahayanismus immerhin nicht ganz unberührt gelassen hatte. Der chinesische Buddhismus ist von Anfang an reine Klosterkirche ohne Wandermönche gewesen. Das buddhistische Kloster – im Gegensatz zum konfuzianischen Tempel (Miao) und den taoistischen Heiligtümern (Kuan) mit 'Si' bezeichnet – enthielt auch den Tempel mit den Bildern des ursprünglichen und der 5 sekundären Buddhas (Fo), 5 Bodhisattvas (Pu sa), die Arhats und Patriarchen und eine ganze Schar aus der Volksshagiolatrie der Chinesen rezipierter Schutzgötter (darunter auch der als Kriegsgott apotheosierte früher genannte Kuanti). Chinesisch ist dabei vor allem das Auftreten eines weiblichen Bodhisattva: Kwan Yin, der Schutzherrin der Caritas. Und zwar scheint diese Figur ihren weiblichen Charakter erst im Laute der Zeit empfangen zu haben, wahrscheinlich unter dem Einfluß der Konkurrenz der Sekten, welche – wie apolitische Konfessionen meist – auf weiblichen Zulauf reflektierten. Die Gestalt ist Gegenbild der occidentalen Muttergottes als Nothelferin und war die einzige Konzession, die der Sakti-Frömmigkeit in China gemacht wurde. Die Klöster waren ursprünglich offenbar nach dem typisch hinduistischen Filiationssystem gegliedert. Nachdem aber die chinesische Regierung ihrerseits besondere Beamte für die Aufsicht über die Klöster und die Handhabung der Disziplin eingesetzt hatte, bestand später eine von dieser Hierarchie gesonderte Organisation nicht. Auch die Ansätze des Patriarchentums haben sich nach der großen Verfolgung nicht weiter entwickelt, zweifellos aus politischen Gründen. Es blieb aber die Gemeinschaft der Klöster dadurch erhalten, daß jeder Mönch das Recht auf die Gastlichkeit in jedem Kloster hatte. Im übrigen blieb nur das charismatische Prestige einzelner Klöster als altbekannter Stätten ritueller Korrektheit bestehen. Ganz nach indischer Art spalteten sich die Klöster nach Schulen. Und zwar offenbar wesentlich entsprechend den Wellen von Mahayana-Revivals, welche unter dem Einfluß großer Lehrer von Indien aus über das Missionsgebiet hingingen. Beim ersten Import und selbst noch zur Zeit der Uebersiedelung des Patriarchen Bodhidharma war die Mahayana-Doktrin noch nicht in ihren späteren Konsequenzen (durch Nagarjuna und Vasubandhu) ausgearbeitet. Die älteste Schule, das Tschan sung, hat infolgedessen noch einen stark hinayanistischen Charakter in der Art der Heilssuche. Die alte Meditation (dhyana), das Suchen nach 'Entleerung' des Bewußtseins, die Ablehnung aller äußeren Kultmittel blieb ihr in starkem Maße eigentümlich. Sie galt – wohl schon wegen der Verwandtschaft mit der Wu-wei-Lehre – lange als die vornehmste und war geraume Zeit die größte der chinesischen Buddhasekten. Die früher dargestellten mahayanistischen Lehren Nagarjunas und Vasubandhus haben in den Sekten der Hsien-schon-tsung und Tsi-jen-tsung ihre Vertreter gefunden. Die Phantastik des Schwelgens in überirdischen Herrlichkeiten bei der ersten, der Liebesakosmismus des durch die achtfache Stufenfolge der Konzentration vollendeten Bodhisattva bei der anderen sind hier übernommen. Die zweitgenannte Sekte ist demgemäß in starkem Maße die Trägerin der spezifisch buddhistischen Karität in China geworden. Von den sonstigen Sekten hat die Tien-tai-tsung wohl die größte literarische Popularität erlangt durch Uebertragung und Kommentierung des mahayanistischen Saddharma pundarika: sie war dem Wesen nach eklektische Mischung der hinayanistischen Meditation mit Ritus und Idolatrie. Die Lutsung-Sekte war demgegenüber die am strengsten (im Sinn des Vinaya pitaka) ritualistischer die Tsching-tu-tsang-Sekte dagegen die den Laienbedürfnissen am weitesten entgegenkommende. Die Verherrlichung des Paradieses im Westen unter Leitung des Buddha Amithaba und der Kwan-yin, vermutlich auch die Rezeption dieser Figur überhaupt, war ihr Werk. Der chinesische Buddhismus hat teilweise versucht, durch Rezeption der großen Heiligen der beiden andren Systeme, eine Einheitsreligion (San chiao i ti) herzustellen. Im 16. Jahrhundert finden sich Buddha, Laotse und Konfucius auf Monumenten vereinigt und Aehnliches soll schon viele Jahrhunderte früher sich nachweisen lassen. Indessen zum mindesten der offizielle Konfuzianismus hat diese Versuche abgelehnt und den Buddhismus stets mit den gleichen Augen angesehen, wie der antik römische Amtsadel die orientalischen 'Superstitionen'. Der Charakter des späteren chinesischen Buddha-Mönchtums wurde ganz wesentlich bestimmt durch seinen zunehmend plebejischen Charakter. Ein Mann von Rang und aus guter Familie wird heute nicht in ein Mönchskloster eintreten. Dies dürfte schon seit dem Jahrhundert der großen Verfolgung, endgültig jedenfalls seit dem heiligen Edikt Kang-his so gewesen sein. Die Mönche rekrutieren sich aus aliterarischen Schichten, namentlich aus den Bauern und Kleinbürgern. Dies hat zunächst zu einer durchaus ritualistischen Ausgestaltung des Mönchslebens selbst geführt. Verstöße des Mönchs gegen das Zeremoniell und die Disziplin scheinen – wie dies ja dem Charakter des chinesischen Formalismus entspricht – oft ziemlich streng geahndet, in unserem Sinn des Wortes 'sittliche' Verfehlungen verhältnismäßig leichter genommen zu werden. Hasard, Trunk, Opium, Weiber spielten – angeblich – in manchen Klöstern eine beträchtliche Rolle. Von irgendwelchen Ansätzen zu einer systematischen ethischen Rationalisierung der Lebensführung der Laien konnte gar keine Rede sein. Klosterschulen für Laien existierten, wenigstens als verbreitete Erscheinung, wenig, und die literarische Bildung, welche der Novize, ehe er zum Mönch und dann zum Anwärter auf die Bodhisattva-Würde aufsteigt, hat sehr wenig rationalen Charakter. Der Schwerpunkt des Mönchslebens liegt in dreierlei. Zunächst im täglichen Kultus, einem Vorlesen heiliger Schriften, herausgewachsen aus der alten Uposatha-Feier. Ferner in der einsamen oder, charakteristischer, gemeinsamen Entleerungs-Meditation, der sitzenden und der in China als Spezialität gepflegten laufenden. Endlich in asketischen Virtuosenleistungen, welche der Mahayanismus der alten hinduistischen Volksaskese der Magier entlehnt hat. Die höhere Weihe alter Mönche, zum Bhodisattva-Anwärter, war mit einer Brandmarkung verbunden. Und als Virtuosenleistung kam und kommt es vor, daß ein Mönch sich entweder einzelne Körperteile verbrennen läßt oder sich in einen Holzverschlag in der vorgeschriebenen Haltung eines Betenden niedersetzt und die um ihn zur Selbstverbrennung aufgehäuften Brennstoffe selbst entzündet, oder endlich, daß er sich lebenslänglich einmauern läßt. Derartige Virtuosen werden nach dem Tode große Heilige des Klosters. Die zuweilen recht bedeutenden, von einer Schar von Beamten verwalteten buddhistischen Klöster in China waren, alles in allem, Stätten teils irrationaler Askese, teils irrationaler Meditation, nicht aber Pflegestätten rationaler Erziehung. Der in ganz China gewaltige und magisch gedeutete Nimbus des Literatentums fehlte ihnen je länger je vollständiger, obwohl (zum Teil: weil) gerade sie, im Interesse der Propaganda, Hauptstätten des Buchdrucks waren, der sich wesentlich auf erbauliche Schriften und magisch wichtige Tafeln erstreckte. Die Chinesen wendeten sich an buddhistische Gottheiten, tote oder auch lebende buddhistische Heilige als Nothelfer in Krankheit oder bei anderem Mißgeschick, die Totenmessen wurden auch von hochgestellten Kreisen geschätzt und das primitive Losorakel in den Sanktuarien spielte bei den Massen eine nicht unerhebliche Rolle. Aber das war alles. Die Mönche haben dem Laienglauben die verschiedensten Konzessionen machen müssen, unter anderem auch durch Anbringung korrekter Ahnentafeln und Darbringung von Ahnenopfern für tote Mönche. Auch ist die chinesische Pagode, die aus Indien in alle hinduistisch beeinflußten Gebiete mit den nötigen Modifikationen übernommene Form des Tempels, in China durch Verbindung mit der Fung-Schui-Lehre aus einer buddhistischen Kultstätte zu einem apotropäischen Mittel gegen die Luft- und Wasser-Dämonen geworden, welches zu diesem Behuf an geeigneten, von den Magiern ermittelten Stellen aufgeführt wird. Die starke Bedeutung der Zeremonien buddhistischer Provenienz im Volksbrauch wurde schon früher erwähnt. Der ethische Vergeltungsglauben ist durch den (älteren) Taoismus und den Buddhismus in die Massen getragen worden und hat zweifellos stärkend auf die Innehaltung der alten nachbarschaftsethischen und der speziellen Pietätsgebote der chinesischen Volksethik gewirkt. Darüber hinaus ist, wie ebenfalls schon erwähnt, wohl fast alles, was an Innigkeit, karitativem Empfinden für Mensch und Tier und stimmungshafter Sinnigkeit in China überhaupt zu finden ist, irgendwie durch die massenhaft übersetzte und bekannt gewordene buddhistische Legendenliteratur erzeugt. Aber einen beherrschenden Einfluß auf die Lebensführung hat der Buddhismus nicht gewonnen… |
|
18 | 1921.2 |
Weber, Max. Schriften zur Religionssoziologie : Hinduismus und Buddhismus III. Die asiatische Sekten- und Heilandsreligiosität. Auszüge (2) In Tibet entstand, im schroffen Gegensatz gegen die Organisationslosigkeit jener Gebiete, eine Hierarchie von solcher Einheitlichkeit, daß man die Religion ihrer Träger: der Lama-Mönche, geradezu als ein gesondertes Religionssystem: Lamaismus, zu bezeichnen sich gewöhnt hat. Hinduistische und wohl auch buddhistische Wandermönche müssen als Nothelfer schon früh nach Inner- und Nordasien gelangt sein: der magische Ausdruck 'Schamane' für die magisch-ekstatischen Exorzisten ist eine ostturkestanische Abwandlung des indischen Sramana (Pali: Samana). Die eigentlich buddhistische Mission in diesen Gebieten hat etwa mit dem 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung begonnen, und wurde im 8. Jahrhundert offiziell begründet. Wie üblich derart, daß ein König im Verwaltungsinteresse (zum Import der Schriftkunde) und zur Domestikation der Untertanen einen Heiligen aus dem benachbarten indischen Gebiet (in diesem Fall aus Udayana, welches Kaschmir benachbart ist) als Guru importierte. Der Missionar war ein Vertreter der rein tantristischen (magischen) Mahayana-Richtung: Alchemie, Zaubertränke und die übliche mahayanistische Formel-Magie scheinen bei ihm nebeneinander herzugehen. Die Mission hat nach ihm, mit zahlreichen Rückschlägen und Kämpfen der konkurrierenden Sekten, nicht mehr geruht, und es sind zeitweise das östliche Persien und große Teile von Turkestan vom mahayanistischen Buddhismus gewonnen worden, bis die islamische Reaktion der westlichen Mongolen-Khane diese Missionen wieder vernichtete. Das Mongolenweltreich war es aber andererseits, dem die Konstituierung der heiligen Kirche Tibets, der Trägerin des 'Lamaismus', verdankt wurde. 'Lama', der 'Erhabene', 'Heilige', hieß zunächst der Superior (Khan po) eines Klosters, später, höflichkeitshalber, jeder voll ordinierte Mönch. Die buddhistische Klostergründung ging anfangs ganz den üblichen Weg. Die Machtstellung einiger der Klostersuperioren steigerte sich aber im Gebiet von Tibet dadurch, daß die größeren politischen Gebilde – dem Charakter des Landes als Weidegebiet entsprechend – wieder in kleine Stammesfürstentümer zerfielen, und nun, wie im Occident in der Völkerwanderungszeit die Bischöfe, so hier die Klostersuperioren die einzig rational organisierte Macht in der Hand hielten. Die Erziehung der Superioren war demgemäß geistlich sowohl wie weltlich. Die Klöster waren längst reine Pfründnerstätten geworden, die 'Mönche' beweibt und also eine erbliche Kaste. Wie in Indien, war auch in Tibet wenigstens in einigen Klöstern, vor allem auch im Kloster Saskya, nahe den höchsten Höhen des Himalaya, die Superioratswürde selbst gentilcharismatisch erblich. Die Lamas von Saskya knüpften zuerst im 12. Jahrhundert Beziehungen zu der Dynastie Djingiz Khans an und im 13. Jahrhundert gelang ihnen die Bekehrung des Mongolenkaisers Kublai Khan, des Eroberers Chinas, welcher nun der weltliche Patron (tschakravati) der Kirche wurde. Wiederum war das Bedürfnis nach Erfindung einer Schrift für die Mongolen, also ein politisches Verwaltungsinteresse, offenbar entscheidend. Daneben das Interesse an der Domestikation der schwer zu regierenden innerasiatischen Bevölkerung. Den Lamas des Saskya-Klosters wurde zu diesem Behuf (und weil sie Träger der Schriftkunde, also für die Verwaltung unentbehrlich waren) theokratische politische Macht eingeräumt. Diese Domestikation der bis dahin ausschließlich von Krieg und Raub lebenden Mongolenstämme gelang tatsächlich und hat welthistorisch wichtige Folgen gehabt. Denn die nun beginnende Bekehrung der Mongolen zum lamaistischen Buddhismus hat den bis dahin unausgesetzt nach Ost und West vorstoßenden Kriegszügen der Steppe ein Ziel gesetzt, sie pazifiziert und damit die uralte Quelle aller 'Völkerwanderungen' – deren letzte Timurs Vorstoß im 14. Jahrhundert war – endgültig verstopft. Mit dem Zusammenbruch der Mongolenherrschaft in China im 14. Jahrhundert verfiel zunächst auch die Theokratie der tibetanischen Lamas. Die chinesische nationale Ming-Dynastie trug Bedenken, einem Einzelkloster die Alleinherrschaft zu lassen und spielte konsequent mehrere charismatische Lamas gegeneinander aus. Ein Zeitalter blutiger Klosterfehden brach an, die orgiastisch-ekstatische (Sakti-) Seite des magischen Mahayanismus trat wieder in den Vordergrund, bis in dem neuen Propheten Tson-ka-pa, dem größten Heiligen des lamaistischen Buddhismus, ein Kirchenreformator großen Stils entstand, der im Einverständnis mit dem chinesischen Kaiser die Klosterdisziplin wieder herstellte, und, nachdem ihm im Religionsgespräch der Lama des Saskya-Klosters unterlegen war, der mit der gelben Mütze ausgezeichneten und daher meist sogenannten 'gelben' Kirche, der 'Tugendsekte' (DGe-lugs-pa) die Suprematie sicherte. Disziplinär bedeutete die neue Lehre Herstellung des Cölibats und Entwertung der tantristischen ekstatischen Magie, deren Ausübung den Mönchen der Tugendsekte verboten wurde. Sie blieb, durch ein Abkommen, den mit roten Mützen versehenen und – ähnlich wie der Taoismus vom Konfuzianismus – als Mönche niederen Rangs geduldeten Anhängern der alten Lehre überlassen. Es verschob sich der Schwerpunkt der Mönchsfrömmigkeit auf Meditation und Gebetsformel, ihrer Tätigkeit auf Predigt und Mission durch Disputation, für welche sie in Klosterschulen ausgebildet wurden: eine Quelle der Neuerweckung wissenschaftlicher Studien in den Klöstern. – Für die charakteristisch lamaistische Hierarchie der Klosterorganisation aber war die Verbindung einer besonderen Form der universell hinduistischen und insbesondere auch mahayanistischen Inkarnationslehre, in ihrer lamaistischen Fassung, mit dem Charisma gewisser berühmter Klöster der gelben Kirche wichtig, welche sich in der Generation nach Tsong-ka-pa deshalb vollzog, weil an Stelle der Erblichkeit der Superioren nun eine andere Art der Nachfolgerbestimmung treten mußte. Diese war aber nur ein Sonderfall einer allgemeingültigen Vorstellungsweise. Wesen und Bedeutung der lamaistischen Inkarnationslehre sind an sich einfach. Sie setzt allerdings, darin in striktestem Gegensatz gegen alle altbuddhistische Philosophie, voraus, daß die charismatischen Qualitäten eines Heiligen bei ihrer Wiedergeburt auf den Träger derselben verstärkt übergehen, zieht damit aber letztlich nur die Konsequenz aus dem Umstand, daß die mahayanistische Theorie vom Wesen des Buddha dessen frühere Geburten bis zur vorletzten, der Bodhisattva-Geburt, als an Heiligkeit ansteigende Vorstufen seiner letzten Geburt (als Buddha) behandelte. Die früher erwähnte Heilsstufen-Lehre des Mahayanismus, welche ganz allgemein den Grad der Heiligkeit nach der Zahl der Tode bestimmte, die der Heilige vor der Erreichung der Arhat-Würde noch vor sich hatte, war lediglich eine Konsequenz daraus. Dies wurde nun konsequent durchgeführt: für jeden Lama, der als Asket, Zauberer, Lehrer, Ansehen und Beliebtheit genossen hatte, wurde nach seinem Tode die Wiedergeburt: der 'Khubilgan', gesucht und in irgendeinem Kinde gefunden und auferzogen. Jede folgende Khubilgan-Geburt des ursprünglichen Heiligen aber hatte und hat, normalerweise, steigendes Heiligkeitsprestige. Also wird andererseits auch nach rückwärts erforscht, wessen Wiedergeburt denn der ursprüngliche Träger des Charisma gewesen sei: stets irgendein Missionar, Zauberer oder Weiser der altbuddhistischen Zeit. Jeder Khubilgan ist Nothelfer kraft magischen Charisma. Ein Kloster, welches einen anerkannten Khubilgan in seinen Mauern besitzt oder gar mehrere darin zu versammeln verstanden hat, ist gewaltiger Einnahmen sicher, und die Lamas sind daher stets auf der Jagd nach der Entdeckung neuer Khubilgane. Diese Heiligkeitstheorie nun liegt auch der lamaistischen Hierarchie zugrunde. Die Superioren, der charismatisch hochqualifizierten Klöster sind Inkarnationen großer Bodhisattvas, die nach dem Tode des jeweiligen Trägers sich neu in einem Kinde nach 7 mal 7 Tagen inkarnieren und also – etwa nach Art der Suche nach dem Apis-Stier – nun nach bestimmten Orakeln und Merkmalen aufgefunden werden müssen. Die beiden höchsten derartigen Inkarnationen waren und sind der Superior des jetzt größten Lama-Klosters, der Potala bei Lhasa, der Gryal ba, später gemäß dem ihm vom Mongolen khan nach der Neueinrichtung der lamaistischen Kirche in der Mongolei im 16. Jahrhundert verliehenen Titel meist 'Dalai-Lama' genannt, und der Superior des gewöhnlich als Teeshoo loombo bezeichneten Klosters, der Pan-c'en rin-po-ce, zuweilen nach seinem Kloster als 'Taschi Lama' bezeichnet, der erstere eine Inkarnation des Bodhisattva Pad-mapani, also Buddhas selbst, der letztere des Amithaba. Der Theorie nach liegt in den Händen des Dalai-Lama mehr die Disziplin, in denjenigen des Taschi-Lama – entsprechend der spezifischen Bedeutung Amithabas als Gegenstand inbrünstiger mystischer Glaubensandacht – mehr die exemplarische Leitung des religiösen Lebens. Die politische Bedeutung des Dalai-Lama ist die weitaus größere, aber dem Taschi-Lama ist geweissagt, daß er nach dem Untergang der Machtstellung des ersteren die Religion wiederherstellen werde. Die Inkarnation des Dalai Lama wird in Klausur erzogen, mit 7 Jahren als Mönch aufgenommen und in strenger Askese bis zur Volljährigkeit weitergebildet. Gegenüber der göttlichen Würde namentlich des Dalai Lama, aber auch der anderen in ähnlicher Art inkarnierten höchsten lamaistischen Charisma-Träger, gaben der chinesischen Regierung die erforderlichen politischen Garantien: 1. die Mehrheit der untereinander zwar ungleichwertigen, aber doch konkurrierenden inkarnationen, vor allem des Dalai-Lama und Taschi-Lama, 2. die Residenzpflicht einer Anzahl der höchsten Lamas (jetzt nur noch eines) in Peking, 3. die bei Inkarnationen übliche hieratische Klausur des Dalai Lama, verbunden mit der Führung der weltlichen Verwaltung durch einen Hausmaier, den sie einsetzte, 4. die Pflicht gewisser hoher Inkarnationen, beim Hofe in Peking zu erscheinen und aller: das Exequatur von dort zu empfangen. Die Neubekehrung und lamaistische Organisation der Mongolen erfolgte im 16. Jahrhundert und es residieren seitdem dort als Stellvertreter das Dalai-Lama mehrerer Inkarnationen großer Heiliger, von denen die bedeutendste der Mai-dari Hutuktu, jetzt in Urga, ist. Bei der größeren Schwierigkeit, die Mongolei in Botmäßigkeit zu halten, ist jedoch seit der Niederwerfung der Dsungaren durch China von der chinesischen Regierung für die Inkarnationen dieses Hierarchen vorgeschrieben worden, daß sie nur in Tibet, nicht in der Mongolei selbst, stattfinden und gesucht werden dürfen. Die endgültige Einteilung der Rangklassen der Lamas, entsprechend den Rangklassen des mongolischen Adels, geschah ebenfalls bei der Neubekehrung des Mongolenkhans durch diesen. Die Rekrutierung der Lama Klöster – deren jedes normalerweise zwischen 200 und 1500 Lamas enthält, die größten mehr – erfolgt in starkem Maße (wie übrigens diejenige auch vieler buddhistischer Klöster in China) durch Hingabe von Kindern, teilweise durch deren Verkauf, an das Kloster. In Tibet sorgt die feste Begrenzung des Nahrungsspielraums dafür, daß hinlängliche Nachfrage nach Klosterunterkunft besteht. Immerhin ist bei der hohen Machtstellung der Lamaklöster der Zufluß auch aus besitzenden Schichten nicht unbeträchtlich und Mönche dieser Provenienz bringen oft ein erhebliches Privatvermögen mit. Es ist selbstverständlich, aber anscheinend in den Lamaklöstern besonders stark ausgebildet, daß der Tatsache nach eine stark plutokratische Gliederung der Lama's besteht: die mittellosen Mönche arbeiten für die besitzenden und bedienen sie, im übrigen pflegen sie Korbflechterei und ähnliche Gewerbe, sammeln Pferdemist zur Düngung und treiben Handel. Keuschheit als Pflicht verlangt nur die orthodox-gelbe Kirche, Fleisch- und Alkoholgenuß gestattet auch sie. Der Unterricht wird auch in kleineren Klöstern noch jetzt gepflegt und zwar in 4 Fakultäten: 1. der theologischen Fakultät, der wichtigsten, die zugleich die Leitung des Klosters hat, weil sie die Weihen erteilt, 2. der medizinischen (empirische Kräuterkunde für den mönchischen Hausarzt), 3. Tsing Ko (Ritual), die altklassische Lehre, hier im wesentlichen in die Beibringung der Kenntnis der Regeln für Totenmessen abgewandelt, 4. Tsu pa (Mystik), Schulung in der Tantra-Askese für schamanistische Zwecke. Im Unterricht spielen, ganz dem alten Charakter aller indischen Erziehung entsprechend, noch heut Preisdisputationen (um eine Monatspfründe) eine Rolle. Die Weihen bringen den Studenten (dapa) vom Novizen (getsul) zum Gelong (Vollmönch) und durch weitere Stufen (zusammen 5) bis zum Khan po hinauf, der in der alten literarischen Hierarchie die höchste Stufe des niederen Klerus darstellte und als Klostersuperior die Disziplin (Macht über Tod und Leben) hatte. Der Rang des höheren Klerus, vom Khubilgan angefangen (darüber die Hutuktus, schließlich der Dalailama und Pon c'en) sind nicht durch Weihen zu erlangen, sondern nur durch Wiedergeburt. Die Mönche haben gegen den Islam als Glaubenskämpfer mit Bravour gefochten und sind vielfach auch heute – im Gegensatz zu den Laien – wehrhaft. Im Uebrigen ist die Zeit der Lama's weit stärker als in irgend welchen anderen buddhistischen Klöstern durch gemeinsamen Kult ausgefüllt. Eine Darstellung des lamaistischen Pantheon hätte für unsere speziellen Zusammenhänge keinen Wert. Es ist ein modifiziertes Mahayana-Pantheon unter noch stärkerer Anreicherung durch nichtbuddhistische, vedische, hinduistische (namentlich çivaitische) und durch lokale tibetanische Götter und Dämonen und insbesondere auch unter Heranziehung der altindischen volkstümlichen weiblichen (Sakti-)Gott heiten, wie sie der später kurz zu besprechende magische Tantrismus geformt hatte: auch den Buddhas werden hier göttliche Gattinnen beigeordnet, – teilweise die gleichen, welche im späteren Hinduismus dem Vischnu beigegeben wurden. Der intellektualistische Mönchscharakter aller buddhistischen Religiosität hat immerhin auch hier die orgiastisch-ekstatischen, namentlich sexualorgiastischen, Züge des Tantrismus stark temperiert, wie wir das im Hinduismus schon sahen und noch weiter sehen werden. Dagegen ist die praktische Religiosität, vor allem die Laienreligiosität, reine Hagiolatrie, vor allem Anbetung der Lamas selbst, magische Therapeutik und Divination ohne alle ethische Rationalisierung der Lebensführung der Laien. Neben ihren Fronleistungen und Abgaben für die Klöster kommen die Laien nur als Wallfahrer und Spender von Gaben in Betracht. Die Heilssuche der Lamas selbst trägt buddhistische und also hinduistische Züge insofern, als der höchste Heilsweg auch hier in methodisch geregelter Meditation besteht. Praktisch ist sie fast reiner Ritualismus, speziell Tantrismus und Mantrismus geworden und die Mechanisierung des Gebetsformelkults durch Gebetsmühlen und Gebetslappen, daneben durch Rosenkränze und ähnliche Mittel ist erst im Lamaismus zu ihrer vollen Konsequenz entwickelt worden. Der jeweilige Grad der ethischen Klosterdiszi plin hängt sehr wesentlich von der Ordnung der politischen Verhältnisse ab und ist meist sehr gering. Die Bauten, wie das Berg-Kloster Potala bei Lhasa, die Existenz der – heute verfallenen – Wissenschaft selbst in Klöstern zweiten Ranges und die Entstehung einer immerhin umfangreichen religiösen Literatur, sowie noch mehr einer Aufspeicherung von Kunstwerken zum Teil ersten Ranges in diesen Weide- und Wüstengebieten, in meist 5000 Meter Höhe über dem Meer auf einem 8 Monate des Jahres gefrorenen Boden und mit einer reinen Nomaden-Bevölkerung ist unter allen Umständen eine eindrucksvolle Leistung, die nur der hierarchisch straff organisierte lamaistische Kloster-Buddhismus mit seiner schrankenlosen Macht über die Laien vollbringen konnte. Die alte chinesische militärische Fronorganisation einerseits, die lamaistische mönchische Asketen–Organisation mit ihren frondenden, steuernden und spendenden Untertanen andererseits erzeugten hier Kultur auf Gebieten, welche vom kapitalistischen Rentabilitätsstandpunkt aus teils zur allerextensivsten ewigen Weide, teils geradezu zur Wüste, jedenfalls aber nicht zum Standort von großen Bauten und künstlerischer Produktion bestimmt sein würden, und die mit dem Verfall jener Organisationen auch vermutlich dem von jeher über ihnen schwebenden Schicksal ewiger Versandung entgegengehen werden... Blicken wir nach diesem, gegenüber dem unerhörten Reichtum der Gestaltungen, überaus oberflächlichen Rundgang durch die asiatische Kulturwelt zurück, so wird sich etwa Folgendes sagen lassen: Für Asien als Ganzes hat China etwa die Rolle Frankreichs im modernen Occident gespielt. Aller weltmännische 'Schliff' stammt von dort, von Tibet bis Japan und Hinterindien. Dagegen ist Indien etwa die Bedeutung des antiken Hellenentums zugefallen. Es gibt wenig über praktische Interessen hinausgehendes Denken in Asien, dessen Quelle nicht letztlich dort zu suchen wäre. Vor allem haben für ganz Asien die indischen, orthodoxen und heterodoxen, Erlösungsreligionen annähernd die Rolle des Christentums in Anspruch genommen. Mit dem einen großen Unterschied: daß abgesehen von lokalen und meist auch vorübergehenden Ausnahmen keine von ihnen dauernd zur alleinherrschenden Konfession in dem Sinn erhoben worden ist, wie dies bei uns im Mittelalter und bis nach dem westfälischen Frieden der Fall war. Asien war und blieb, im Prinzip, das Land der freien Konkurrenz der Religionen, der 'Toleranz' im Sinne etwa der Spätantike. Das heißt also: unter Vorbehalt der Schranken der Staatsräson, – die schließlich ja, nicht zu vergessen, auch bei uns heute als Grenzen aller religiösen Duldung fortbestehen, nur mit anderer Wirkungsrichtung. Wo diese politischen Interessen irgendwie in Frage kamen, hat es auch in Asien an Religionsverfolgungen größten Stiles nicht gefehlt. Am stärksten in China, aber auch in Japan und Teilen von Indien. Wie in Athen in der Zeit des Sokrates, so konnte ferner auch in Asien jederzeit die Deisidaimonie ein Opfer fordern. Und endlich haben Religionskriege der Sekten und militarisierten Mönchsorden auch in Asien, bis in das 19. Jahrhundert, ihre Rolle gespielt. Aber im ganzen bemerken wir sonst jenes Nebeneinander von Kulten, Schulen, Sekten, Orden aller Art, welches auch der occidentalen Antike eignete. Dabei waren freilich jene konkurrierenden Richtungen in den Augen der jeweiligen Mehrheit der herrschenden Schichten und oft auch der politischen Mächte keineswegs gleichwertig. Es gab orthodoxe und heterodoxe und unter den orthodoxen mehr oder minder klassische Schulen, Orden und Sekten. Vor allem – und das ist für uns besonders wichtig – schieden sie sich auch sozial voneinander. Einerseits (und zum kleineren Teil) je nach den Schichten, in denen sie heimisch waren. Andererseits aber (und hauptsächlich) je nach Art des Heils, das sie den verschiedenen Schichten ihrer Anhänger spendeten. Die erste Erscheinung fand sich teils so, daß einer, jede Erlösungsreligiosität schroff ablehnenden, sozialen Oberschicht volkstümliche Soteriologien in den Massen gegenüberstanden: den Typus dafür gab China ab. Teils so, daß verschiedene soziale Schichten verschiedene Formen der Soteriologie pflegten. Diese Erscheinung ist dann in den meisten Fällen, nämlich in allen denen, wo sie nicht zu sozial geschichteten Sekten führte, mit der zweiten identisch: Die gleiche Religion spendet verschiedene Arten von Heilsgütern und nach diesen ist die Nachfrage in den verschiedenen sozialen Schichten verschieden stark. Mit ganz wenigen Ausnahmen kannten die asiatischen Soteriologien Verheißungen, die nur den exemplarisch, meist: mönchisch, Lebenden zugänglich waren, und andre, die für die Laien galten. Fast ausnahmslos alle Soteriologien indischen Ursprungs haben diesen Typus. Die Gründe beider Erscheinungen waren gleichartige. Vor allem zwei untereinander eng verknüpfte. Einmal die Kluft, welche den literarisch 'Gebildeten' von der aliterarischen Masse der Banausen abhob. Dann die damit zusammenhängende, allen Philosophien und Soteriologien Asiens schließlich gemeinsame Voraussetzung: daß Wissen, sei es literarisches Wissen oder mystische Gnosis, letztlich der eine absolute Weg zum höchsten Heil im Diesseits und Jenseits sei. Ein Wissen, wohlgemerkt, nicht von den Dingen dieser Welt, vom Alltag der Natur und des sozialen Lebens und den Gesetzen, die beide beherrschen. Sondern ein philosophisches Wissen vom 'Sinn' der Welt und des Lebens. Ein solches Wissen kann mit den Mitteln empirischer occidentaler Wissenschaft selbstverständlich nie ersetzt werden und soll auch von ihr, ihrem eigensten Zweck nach, gar nicht erstrebt werden. Es liegt jenseits ihrer. Asien, und das heißt wiederum: Indien, ist das typische Land des intellektuellen Ringens einzig und allein nach 'Weltanschauung' in diesem eigentlichen Sinn des Worts: nach einem 'Sinn' des Lebens in der Welt. Es kann hier versichert werden – und angesichts der Unvollständigkeit der Darstellung muß es bei dieser nicht voll bewiesenen Versicherung freilich sein Bewenden haben: daß es auf dem Gebiet des Denkens über den 'Sinn' der Welt und des Lebens durchaus nichts gibt, was nicht, in irgendeiner Form, in Asien schon gedacht worden wäre. Jenes, nach der Natur seines eigenen Sinnes unvermeidlich und in aller Regel auch tatsächlich den Charakter der Gnosis an sich tragende Wissen, welches das asiatische Denken erstrebte, galt, aller genuin asiatischen und das heißt: indischen, Soteriologie als der einzige Weg zum höchsten Heil, zugleich aber als der einzige Weg zum richtigen Handeln. Nirgends ist daher der allem Intellektualismus naheliegende Satz so selbstverständlich gewesen: daß die Tugend 'lehrbar' sei, und daß das richtige Erkennen richtiges Handeln zur ganz unfehlbaren Folge habe. Selbst in den volkstümlichen Legenden z.B. des Mahayanismus, welche für die bildende Kunst etwa die Rolle unserer biblischen Geschichten spielten, ist es überall die ganz selbstverständliche Voraussetzung. Nur Wissen gibt – je nachdem – ethische oder magische Macht über sich selbst oder über andere. Durchweg ist jene 'Lehre' und dies 'Erkennen' des zu Wissenden nicht ein rationales Darbieten und Erlernen empirisch-wissenschaftlicher Kenntnisse, welche die rationale Beherrschung der Natur und der Menschen ermöglichen, wie im Occident. Sondern es ist das Mittel mystischer und magischer Herrschaft über sich und die Welt: Gnosis. Sie will durch ein intensivstes Training des Körpers und Geistes: entweder durch die Askese, oder, und zwar regelmäßig, durch angestrengte methodisch geregelte Meditation errungen werden. Daß das Wissen, der Sache nach, mystischen Charakters blieb, hatte zwei wichtige Folgen. Einmal den Heilsaristokratismus der Soteriologie. Denn die Fähigkeit mystischer Gnosis ist ein Charisma und bei weitem nicht jedem zugänglich. Dann aber und damit zusammenhängend den asozialen und apolitischen Charakter. Die mystische Erkenntnis ist nicht, mindestens nicht adäquat und rational, kommunikabel. Die asiatische Soteriologie führt den das höchste Heil Suchenden stets in ein hinterweltliches Reich rational ungeformten und eben wegen dieser Ungeformtheit göttlichen Schauens, Habens, Besitzens, Besessenseins von einer Seligkeit, die nicht von dieser Welt ist und doch in diesem Leben durch die Gnosis errungen werden kann und soll. Sie wird bei allen höchsten Formen des asiatischen mystischen Schauens als 'Leere': – von der Welt und dem was sie bewegt nämlich – erlebt. Dies entspricht ja dem normalen Sinncharakter der Mystik durchaus, ist nur in Asien in seine letzten Konsequenzen gesteigert. Die Entwertung der Welt und ihres Treibens ist schon rein psychologisch die unvermeidliche Folge dieses, an sich rational nicht weiter deutbaren, Sinngehalts des mystischen Heilsbesitzes. Rational ausgedeutet wird dieser mystisch erlebte Heilszustand als: der Gegensatz der Ruhe zur Unrast. Die erste ist das Göttliche, die letzte das spezifisch Kreatürliche, daher letztlich entweder geradezu Scheinhafte, oder doch soteriologisch Wertlose, zeitlich-räumlich Gebundene und Vergängliche. Ihre rationalste und deshalb in Asien fast universell zur Herrschaft gelangte Ausdeutung erfuhr diese erlebnismäßig bedingte innere Stellungnahme zur Welt durch die indische Samsara- und Karman-Lehre. Dadurch gewann die soteriologisch entwertete Welt des realen Lebens einen relativen rationalen Sinn. In ihr herrscht – nach den rational höchstentwickelten Vorstellungen – das Gesetz des Determinismus. In der äußeren Natur, nach der namentlich in Japan entwickelten mahayanistischen Lehre, die strenge Kausalität in unserem Sinn. In den Schicksalen der Seele der ethische Vergeltungsdeterminismus des Karman. Aus ihnen gibt es kein Entrinnen außer in der Flucht, durch die Mittel der Gnosis, in jenes hinterweltliche Reich, mag das Schicksal der Seele dabei nun einfach als ein 'Verwehen' oder als ein Zustand ewiger individueller Ruhe nach Art des traumlosen Schlafes, oder als ein Zustand ewiger ruhiger Gefühlsseligkeit im Anschauen des Göttlichen, oder als ein Aufgehen im göttlichen Alleinen gefaßt werden. Die Vorstellung jedenfalls, daß vergängliche Taten eines vergänglichen Wesens auf dieser Erde 'ewige' Strafen oder Belohnungen im 'Jenseits' zur Folge haben könnten, und zwar kraft Verfügung eines zugleich allmächtigen und gütigen Gottes, ist allem genuin asiatischen Denken absurd und geistig subaltern erschienen und wird ihm immer so erscheinen. Damit fiel aber der gewaltige Akzent, welchen, wie schon einmal gesagt, die occidentale Jenseitslehre soteriologisch auf die kurze Spanne dieses Lebens setzte, hinweg. Die Weltindifferenz war die gegebene Haltung, mochte sie nun die Form der äußerlichen Weltflucht annehmen oder die des zwar innerweltlichen, aber dabei weltindifferenten Handelns: einer Bewährung also gegen die Welt und das eigene Tun, nicht in und durch beides. Ob das höchste Göttliche persönlich oder, wie naturgemäß in der Regel, unpersönlich vorgestellt war, machte – und dies ist für uns nicht ohne Wichtigkeit – einen graduellen, nicht einen prinzipiellen Unterschied und selbst die selten, aber doch gelegentlich, vorkommende Ueberweltlichkeit eines persönlichen Gottes war nicht durchschlagend. Entscheidend war die Natur des erstrebten Heilsguts. Diese aber wurde letztlich determiniert dadurch, daß eine dem Denken über den Sinn der Welt um seiner selbst willen nachgehende Literatenschicht der Träger der Soteriologie war… Die Lage des aliterarischen 'Mittelstandes' in Asien, der Kaufleute und der zu den Mittelstandsschichten gehörigen Teile des Handwerks, war infolge der Eigenart der asiatischen Soteriologie eine eigentümlich von occidentalen Verhältnissen abweichende. Ihre obersten Schichten haben die rationale Durchbildung der Intellektuellen-Soteriologien teilweise mitgetragen, namentlich soweit diese negativ die Ablehnung des Ritualismus und Buchwissens, positiv die alleinige Bedeutung des persönlichen Erlösungsstrebens propagierten. Allein der doch schließlich gnostische und mystische Charakter dieser Soteriologien bot keine Grundlage für eine Entwicklung der ihnen adäquaten methodisch rationalen innerweltlichen Lebensführung dar. Sie sind daher, soweit ihre Religiosität unter dem Einfluß der Erlösungslehren sublimiert wurde, Träger der Heilandsreligiosität in ihren verschiedenen Formen geworden. Auch hier wirkte aber der penetrant gnostische und mystische Charakter aller asiatischen Intellektuellensoteriologie und die innere Verwandtschaft von Gottinnigkeit, Gottesbesitz und Gottesbesessenheit, von Mystiker und Magier entscheidend ein. Ueberall in Asien, wo sie nicht, wie in China und Japan, gewaltsam niedergehalten wurde, nahm die Heilandsreligiosität die Form der Hagiolatrie an und zwar der Hagiolatrie lebender Heilande: der Gurus und der ihnen gleichartigen, sei es mehr mystagogischen, sei es mehr magischen Gnadenspender. Dies gab der Religiosität des aliterarischen Mittelstandes das entscheidende Gepräge. Die oft absolut schrankenlose Gewalt dieser, meist erblichen, Charismaträger ist nur in China und Japan, aus politischen Gründen und mit Gewalt, ziemlich weitgehend gebrochen worden, in China zugunsten der Obedienz gegenüber der politischen Literatenschicht, in Japan zugunsten einer Schwächung des Prestiges aller klerikalen und magischen Mächte überhaupt. Sonst ist es in Asien überall jene charismatische Schicht gewesen, welche die praktische Lebensführung der Massen bestimmte und ihnen magisches Heil spendete: die Hingabe an den 'lebenden Heiland' war der charakteristische Typus der asiatischen Frömmigkeit. Neben der Ungebrochenheit der Magie überhaupt und der Gewalt der Sippe war diese Ungebrochenheit des Charisma in seiner ältesten Auffassung: als einer rein magischen Gewalt, der typische Zug der asiatischen sozialen Ordnung. Es ist den vornehmen politischen oder hierokratischen Literatenschichten zwar im allgemeinen gelungen, die massive Orgiastik zur Heilandsminne, Andacht oder zur hagiolatrischen Formalistik und Ritualistik zu sublimieren oder zu denaturieren, – übrigens mit verschieden vollständigem Erfolg, am meisten in China, Japan, Tibet, dem buddhistischen Hinterindien, am wenigsten in Vorderindien. Aber die Herrschaft der Magie zu brechen hat sie nur gelegentlich und nur mit kurzfristigem Erfolg überhaupt beabsichtigt und versucht. Nicht das 'Wunder', sondern der 'Zauber' blieb daher die Kernsubstanz der Massenreligiosität, vor allem der Bauern und der Arbeiterschaft, aber auch des Mittelstands. Beides – Wunder und Zauber – ist dem Sinn nach zweierlei. Man kann sich davon leicht beim Vergleich etwa occidentaler und asiatischer Legenden überzeugen. Beide können einander sehr ähnlich sehen und namentlich die altbuddhistischen und die chinesisch überarbeiteten Legenden stehen den occidentalen zuweilen auch innerlich nahe. Aber der beiderseitige Durchschnitt zeigt den Gegensatz. Das 'Wunder' wird seinem Sinn nach stets als Akt einer irgendwie rationalen Weltlenkung, einer göttlichen Gnadenspendung, angesehen werden und pflegt daher innerlich motivierter zu sein als der 'Zauber', der sei nem Sinn nach dadurch entsteht, daß die ganze Welt von magischen Potenzen irrationaler Wirkungsart erfüllt ist und daß diese in charismatisch qualifizierten, aber nach ihrer eigenen freien Willkür handelnden Wesen, Menschen oder Uebermenschen, durch asketische oder kontemplative Leistungen aufgespeichert sind. Das Rosenwunder der heiligen Elisabeth erscheint uns sinnvoll. Die Universalität des Zaubers dagegen durchbricht jeden Sinnzusammenhang der Geschehnisse. Man kann gerade in den typischen durchschnittlichen asiatischen Legenden, etwa der Mahayanisten, diesen innerweltlichen Deus ex machina in der scheinbar unverständlichsten Art mit dem ganz entgegengesetzten, ebenso tief unkünstlerischen, weil rationalistischen Bedürfnis, irgendwelche ganz gleichgültigen Einzelheiten des legendenhaften Geschehnisses möglichst nüchtern historisch zu motivieren, ineinandergreifen sehen. So ist denn der alte Schatz der indischen Märchen, Fabeln und Legenden, die geschichtliche Quelle der Fabelliteratur der ganzen Welt, durch diese Religiosität der zaubernden Heilande später in eine Art von Kunstliteratur absolut unkünstlerischen Charakters umgestaltet worden, deren Bedeutung für ihr Lesepublikum etwa der Emotion durch die populären Ritterromane, gegen welche Cervantes zu Felde zog, entspricht… Im Occident ist das Entstehen der rationalen innerweltlichen Ethik an das Auftreten von Denkern und Propheten geknüpft, die, wie wir sehen werden, auf dem Boden politischer Probleme eines sozialen Gebildes erwuchsen, welches der asiatischen Kultur fremd war: des politischen Bürgerstandes der Stadt, ohne die weder das Judentum noch das Christentum noch die Entwicklung des hellenischen Denkens vorstellbar sind. Die Entstehung der 'Stadt' in diesem Sinn aber war in Asien teils durch die erhaltene Ungebrochenheit der Sippenmacht, teils durch die Kastenfremdheit gehemmt. Die Interessen des asiatischen Intellektuellentums, soweit sie über den Alltag hinausgingen, lagen meist in anderer als in politischer Richtung. Selbst der politische Intellektuelle: der Konfuzianer, war mehr ästhetisch kultivierter Schriftgelehrter und allenfalls Konversations-(also in diesem Sinn: Salon-)Mensch als Politiker. Politik und Verwaltung war nur seine Pfründnernahrung, die er im übrigen praktisch durch subalterne Helfer besorgen ließ. Der orthodoxe oder heterodoxe, hinduistische und buddhistische Gebildete dagegen fand seine wahre Interessensphäre ganz außerhalb der Dinge dieser Welt: in der Suche nach dem mystischen, zeitlosen Heil der Seele und dem Entrinnen aus dem sinnlosen Mechanismus des 'Rades' des Daseins. Um darin ungestört zu sein, mied der hinduistische, um die Feinheit der ästhetischen Geste sich nicht vergröbern zu lassen, mied der konfuzianische Gentleman die nähere Gemeinschaft mit dem westländischen Barbaren. Es schied ihn von diesem die nach seinem Eindruck strotzende, aber ungebändigte und unsublimierte Ungehemmtheit der Leidenschaften und der Mangel an Scheu, mit welchem ihm gestattet wurde, sich in Lebensführung, Geste, Ausdruck zu entblößen: die in diesem Sinne fehlende Herrschaft über sich selbst. Nur hatte die spezifisch asiatische 'Beherrschung' seiner selbst wiederum ihr eigentümliche Züge, welche vom Occidentalen im ganzen als rein 'negativ' gewertet werden mußten. Denn auf welchen Mittelpunkt war jene stets wache Selbstbeherrschung, welche alle asiatischen Lebensmethodiken ohne alle Ausnahme dem Intellektuellen, Gebildeten, Heilssucher vorschrieben, letztlich gerichtet? Was war der letzte Inhalt jener konzentriert angespannten 'Meditation' oder jenes lebenslangen literarischen Studiums, welche sie, wenigstens wo sie den Charakter des Vollendungs-Strebens annahmen, als höchstes Gut gegen jene Störungen von außen gewahrt wissen wollten? Das taoistische Wu wei, die hinduistische 'Entleerung' von Weltbeziehungen und Weltsorgen, und die konfuzianische 'Distanz' von den Geistern und der Befassung mit fruchtlosen Problemen lagen darin auf der gleichen Linie. Das occidentale Ideal der aktiv handelnden, dabei aber auf ein, sei es jenseitig religiöses, sei es innerweltliches, Zentrum bezogenen 'Persönlichkeit' würden alle asiatischen höchstentwickelten Intellektu ellensoteriologien entweder als in sich letztlich widerspruchsvoll oder als banausisch fachmäßig vereinseitigt, oder als barbarische Lebensgier ablehnen. Wo es nicht die Schönheit der traditionellen und durch das Raffinement des Salons sublimierten Geste rein als solche ist, wie im Konfuzianismus, da ist es das hinterweltliche Reich der Erlösung vom Vergänglichen, wohin alle höchsten Interessen weisen und von wo aus die 'Persönlichkeit' ihre Würde empfängt. In den höchsten, nicht nur den orthodox buddhistischen, Konzeptionen heißt dies 'Nirwana'. Zwar nicht sprachlich, wohl aber sachlich, wäre es ganz unbedenklich, dies, wie es populär oft geschah, mit 'Nichts' zu übersetzen. Denn unter dem Aspekt der 'Welt' und von ihr aus gesehen, wollte es ja in der Tat nichts anderes sein. Freilich: vom Standpunkt der Heilslehre aus ist der Heilszustand meist anders und sehr positiv zu prädizieren. Aber es darf schließlich doch nicht vergessen werden: daß das Streben des typisch asiatischen Heiligen auf »Entleerung« ging, und daß jener positive Heilszustand der unaussagbaren todentronnenen diesseitigen Seligkeit als positives Komplement des Gelingens zunächst nur erwartet wurde. Aber nicht immer auch erreicht. Im Gegenteil: ihn wirklich, als Besitz des Göttlichen, haben zu können, war das hohe Charisma der Begnadeten. Wie stand es aber mit dem großen Haufen, der ihn nicht erreichte? Nun, bei ihnen war eben in einem eigentümlichen Sinn 'das Ziel Nichts, die Bewegung Alles': – eine Bewegung in der Richtung der 'Entleerung'. Der Asiate, gerade der ganz- oder halbintellektuelle Asiate macht dem Occidentalen leicht den Eindruck des 'Rätselhaften' und 'Geheimnisvollen'. Man sucht dem vermuteten Geheimnis durch 'Psychologie' beizukommen. Ohne nun natürlich irgendwie zu leugnen, daß psychische und physische Unterschiede der Disposition bestehen: – übrigens sicher nicht größere, als zwischen Hindus und Mongolen, die dennoch beide der gleichen Soteriologie zugänglich gewesen sind, – muß doch betont werden, daß dies nicht der primäre Weg zum Verständnis ist. Durch Erziehung eingeprägte und durch die objektive Lage aufgezwungene Interessenrichtungen, nicht 'Gefühlsgehalte', sind das zunächst Greifbare. Das für den Occidentalen vornehmlich Irrationale am Verhalten des Asiaten war und ist durch zeremonielle und rituelle Gepflogenheiten bedingt, deren 'Sinn' er nicht versteht, – wie übrigens, bei uns ebenso wie in Asien, der ursprüngliche Sinn solcher Sitten dem, der in ihnen aufgewachsen ist, selbst oft nicht mehr klar zu sein pflegt. Darüber hinaus pflegt die reservierte würdevolle Contenance und das höchst bedeutsam erscheinende Schweigen des asiatischen Intellektuellen die occidentale Neugier zu foltern. Bezüglich dessen aber, was letztlich hinter diesem Schweigen an Inhalten steht, wird es vielleicht oft gut sein, sich eines naheliegenden Vorurteils zu entschlagen. Wir stehen vor dem Kosmos der Natur und meinen: sie müsse doch, sei es dem sie analysierenden Denker, sei es dem auf ihr Gesamtbild schauenden und von ihrer Schönheit ergriffenen Betrachter, irgendein 'letztes Wort' über ihren 'Sinn' zu sagen haben. Das Fatale ist – wie schon W. Dilthey gelegentlich bemerkt hat –, daß eben die 'Natur' ein solches 'letztes Wort' entweder nicht zu verraten hat oder dazu sich nicht in der Lage sieht. Aehnlich steht es recht oft mit dem Glauben, daß, wer geschmackvoll schweigt, wohl viel zu verschweigen haben müsse. Das ist aber nicht der Fall, beim Asiaten so wenig wie sonst, so gewiß es wahr ist, daß die soteriologischen Produkte der asiatischen Literatur die meisten auf diesem eigenartigen Gebiet auftauchenden Probleme weit rücksichtsloser durchgearbeitet haben, als dies der Occident getan hat. – Das Ausbleiben des ökonomischen Rationalismus und der rationalen Lebensmethodik überhaupt in Asien ist, soweit dabei andere als geistesgeschichtliche Ursachen mitspielen, vorwiegend bedingt durch den kontinentalen Charakter der sozialen Gebilde, wie ihn die geographische Struktur hervorbrachte… Die asiatischen Völker haben sich überwiegend auf den Standpunkt des Ausschlusses oder der äußersten Beschränkung des Fremdhandels gestellt. So, bis zur gewaltsamen Oeffnung, China, Japan, Korea, noch jetzt Tibet, in wesentlich minderem, aber doch fühlbarem Maße auch die meisten indischen Gebiete. Bedingt war die Einschränkung des Fremdhandels in China und Korea durch den Prozeß der Verpfründung, welche automatisch zur traditionalistischen Stabilität der Wirtschaft führte. Jede Verschiebung konnte Einnahme-Interessen eines Mandarinen gefährden. In Japan wirkte das Interesse des Feudalismus an der Stabilisierung der Wirtschaft ähnlich. Ferner – und dies galt ebenso für Tibet – wirkten dahin rituelle Gründe: das Betreten heiliger Stätten durch Fremde beunruhigte die Geister und konnte magische Uebel zur Folge haben: die Reiseschilderungen lassen (namentlich für Korea) erkennen, wie die Bevölkerung beim Erscheinen von Europäern an den heiligen Stätten von wahnsinniger Angst vor dessen Folgen ergriffen zu werden pflegte. In Indien – dem Gebiet geringster Abgeschlossenheit – haben doch die zunehmend wirksame rituelle Verdächtigkeit des Reisens, zumal im rituell unreinen Barbarengebiete, gegen den Aktivhandel, politische Bedenken für möglichste Einschränkung der Fremdenzulassung gewirkt. Politische Bedenken waren in allen übrigen, besonders aber den ostasiatischen Gebieten, auch der letzte entscheidende Grund, weshalb die politischen Gewalten der rituellen Fremdenfurcht freie Bahn ließen. Hat nun diese strenge Klausur der einheimischen Kultur so etwas wie ein 'Nationalgefühl' entstehen lassen? Die Frage muß verneint werden. Die Eigenart der asiatischen Intellektuellenschichten hat im wesentlichen verhindert, daß 'nationale' politische Gebilde auch nur von der Art entstanden, wie sie immerhin schon seit der Spätzeit des Mittelalters im Occident sich entwickelten, – wenn auch die volle Konzeption der Idee der Nation auch bei uns erst von den modernen occidentalen Intellektuellenschichten entfaltet worden ist. Den asiatischen Kulturgebieten fehlte (im wesentlichen) die Sprachgemeinschaft. Die Kultursprache war eine Sakralsprache oder eine Sprache der Literaten: Sanskrit im Gebiet des vornehmen Indertums, die chinesische Mandarinensprache in China, Korea, Japan. Teils entsprechen diese Sprachen in ihrer Stellung dem Lateinischen des Mittelalters, teils dem Hellenischen der orientalischen Spätantike oder dem Arabischen der islamischen Welt, teils dem Kirchenslavischen und Hebräischen in den betreffenden Kulturgebieten… In China aber war die Kluft, welche die konfuzianische ästhetische Schriftkultur von allem Volkstümlichen trennte, so ungeheuer, daß hier lediglich eine bildungsständische Gemeinschaft der Literatenschicht bestand und das Bewußtsein einer Gemeinsamkeit im übrigen nur soweit reichte, wie ihr unmittelbarer, freilich nicht geringer Einfluß: Das Imperium war, sahen wir, im Grunde genommen ein Bundesstaat der Provinzen, zu einer Einheit verschmolzen nur durch den obrigkeitlichen periodischen Austausch der überall in ihren Amtsbezirken landfremden hohen Mandarinen. Immerhin war in China doch, wie in Japan, eine den rein politischen Interessen zugewendete und dabei literarische Schicht vorhanden. Eben diese fehlte aber in ganz Asien, wohin immer die spezifisch indische Soteriologie ihren Fuß setzte, – außer wo sie, wie in Tibet, als Klostergrundherrenschicht über der Masse schwebte, eben deshalb aber 'nationale' Beziehungen zu ihr nicht hatte. Die asiatischen Bildungsschichten blieben mit ihren eigensten Interessen ganz 'unter sich'… |
|
19 | 1921 |
Weber, Max. Schriften zur Religionssoziologie : Hinduismus und Buddhismus III. Die asiatische Sekten- und Heilandsreligiosität. Quellen Baines, Athelstane. Ethnography. In : Bühler, Georg. Grundriss der indo-arischen Philologie und Altertumskunde. (Strassburg : Trübner, 1912). Barth, Auguste (1834-1916). Les religions de l'Inde. (Paris : G. Fischbacher, 1879). Bloomfield, Maurice (1855-1928). Hymns of the Atharva-Veda ; together with extracts from the ritual books and the commentaries. (Oxford : Clarendon Press, 1897). (The sacred books of the East ; vol. 42). Bouglé, Célestin Charles Alfred (1870-1940). Essais sur le régime des castes. (Paris : F. Alcan, 1908). Bühler, Georg (1837-1898) : Artikel in Epigraphia Indica und Indian antiquary Bühler, Georg. Grundriss der indo-arischen Philologie und Altertumskunde. (Strassburg : K.J. Trübner, 1896). Dahlmann, Joseph (1861-1930). Das Mahabharata als Epos und Rechtsbuch : ein Problem aus Altindiens Cultur und Literaturgeschichte. (Berlin : Dames, 1895). Davids, Caroline Rhys (1857-1942) : Texte über Indien Duff, James Grant (1789-1858). A history of the Mahrattas. (London : Longmans, Rees, Orme, Brown, and Green, 1826). Epigraphia Indica (Zeitschrift) Faxian. A record of buddhistic kingdoms [ID D7927]. Fick, Richard. Texte über die indische Gesellschaft Fick, Richard. Die sociale Gliederung im nordöstlichen Indien zu Buddhas Zeit ; mit besonderer Berücksichtigung der Kastenfrage. (Kiel : Haeseler, 1897). Fleet, John Faithful (1847-1917) : Artikel in Epigraphia Indica und Indian antiquary Hopkins, Edward Washburn (1857-1932) : Texte über Indien. Hopkins, Edward Washburn. India old and new ; with a memorial address. (New York, N.Y. : C. Scribner’s sons, 1901). Hopkins, Edward Washburn. The social and military position of the ruling caste in ancient India ; as represented by the Sanskrit epic. (New Haven, Conn. : Tuttle, Morehouse & Taylor, 1889). (Journal of the American Oriental society ; vol. 13). Horn, Paul (1863-1908). Das Heer- und Kriegswesen der Grossmoghuls. (Leiden : E.J. Brill, 1894). Hultzsch, E. (1857-1927) : Artikel in Epigraphia Indica und Indian antiquary Indian antiquary (Zeitschrift) The Indian emspire. New ed. (Oxford : Clarendon Press, 1908-1909). Jolly, Julius (1849-1932) : Texte Journal asiatique Journal of the Asiatic Society of Bengal Journal of the Indian empire Journal of the Royal Asiatic Society Mahabharata : Auszüge Monier-Williams, Monier (1819-1899). Brahmanism and hinduism ; or, Religious thought and life in India, as based on the Veda and other sacred books of the Hindus. 4th ed., enl. and impr. (London : J. Murray, 1891). Nesfield, John Collinson. Brief view of the caste system of the North-Western provinces and Oudh... (Allahabad : North-Western Provinces and Oudh Government Press, 1885). Oldenberg, Hermann (1854-1920). Ancient India : its language and religions. (Chicago ; London : Open Court Publ. Co., 1896). (Religion of science library ; vol. 22). Oldenberg, Hermann. Die Religion des Veda. (Berlin : W. Hertz, 1894). Pischel, Richard (1849-1908) ; Geldner, Karl F. (1853-1929). Vedische Studien. (Stuttgart : W. Kohlhammer, 1889-1901). Ramayana : Auszüge Risley, Herber Hope (Sir). (1851-1911). The tribes and castes of Bengal. (Calcutta : Bengal Secretariat Press, 1891). Sacred books of the East [ID D8367]. Senart, Emile (1847-1928). Les castes dans l’Inde : les faits et le système. (Paris : E. Leroux, 1896). (Annales du Musée Guimet. Biblithèque de vulgarisation). Smith, Vincent Arthur (1848-1920). The early history of India from 600 B.C. to the Muhammadan conquest ; including the invasion of Alexander the Great. (Oxfored : Clarendon Press, 1904). Weber, Albrecht (1825-1901). Texte zur indischen Kulturgeschichte West, Raymond (1832-1912) ; Bühler, Georg. A digest of Hindu law : from the replies of the shastris in the several courts of the Bombay presidency. (Bombay : Education Society’s Press, 1867-1869). Winternitz, M. (1863-1937). Geschichte der indischen Litteratur. Bd. 1. (Leipzig : C.F. Ameland, 1908). Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zimmer, Heinrich Robert (1890-1943). Texte zur indischen Kulturgeschichte. |
|
20 | 1921.3 |
Weber, Max. Schriften zur Religionssoziologie : Hinduismus und Buddhismus : Sekundärliteratur Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus. Hrsg. von Wolfgang Schluchter (1984) [ID D19000]. Wolfgang Schluchter : Während Max Weber in erster Linie weltbejahende, weltanpassende Haltungen diagnostgizierte, stösst er, zumindest ei bestimmten Gruppen religiöser Virtuosen, auf eine Haltung religiös motivierter Weltablehnung. Sie ist teilweise so radikal, dass ihr in dieser Hinsicht nur ganz wenige der erlösungsreligiösen Strömungen des vorderasiatischen Orients und Okzidents gleichkommen. Er schickt seiner Abhandlung eine Studie voraus, in der er die möglichen Spannungen und Konflikte zwischen Erlösungsreligion und Welt aufzeigt. Sie sind dort besonders gross, wo Erlösungslehren wie in Indien ihre Voraussetzungen konsequent entwickeln und handlungsirksam umsetzen. Spannungen und Konflikte verlangen Lösungen. Er stellt sich die Frage, wie stark eine religiös motivierte weltablehnende Haltung ausgeprägt ist und welche Konsequenz sie für die nichtreligiösen Lebensordnungen, insbesondere für die wirtschaftliche Lebensordnung hat. Im Mittelpunkt steht zunächst die 'orthodoxe' Lösung. Weber sieht sie in der Verbindung von Brahmanismus und Kastenordnung. Während in China Konfuzianismus und patrimonialstaatliche Ordnung eine Wahlverwandtschaft eingingen. Webers Interesse stösst auf die 'heterodoxen' Lösungen des indischen Mönchtums, vor allem auf den alten Buddhismus. Er leugnet radikal die Heilsbedeutung des gängigen innerweltlichen Handelns. Doch dies führt ihn in der Praxis nicht zu aktiver Weltgestaltung, sondern zu passiver Weltflucht. Mit der Ausbreitung des Buddhismus wird diese Haltung zwar modifiziert, doch kommt es gleichzeitig zu Veränderungen seiner inneren Struktur. Heinz Bechert : Nach Webers These ist der ursprüngliche Buddhismus eine 'ganz spezifische vornehme Intellektuellensoteriologie', eine 'spezifisch unpolitische und antipolitische Standesreligion oder eine religiöse Kunstlehre eines wandernden, intellektuell geschulten Bettelmönchtums'. Weber folgerte aus den ihm zur Verfügung stehenden Darstellungen des frühen Buddhismus zu Recht, dass 'das Wissen um die eigene endgültige Erlösung nicht durch Bewährung in irgendwelchem – innerweltlichen oder ausserweltlichen – Handeln, in Werten welcher Art immer, sondern im Gegenteil in einer aktivitätsfremden Zuständlichkeit gesucht’ wird'. Daher gebe es 'keine Brücke' vom Ideal des Erlösten zur 'Welt rationalen Handelns'. Zwar werden Laien für das getreue Einhalten der Gebote der Laiensittlichkeit innerweltliche Güter, auch Reichtum, in Aussicht gestellt, aber diese Laienethik sei nur eine Art 'Unzulänglichkeitsethik der Schwachen, welche die volle Erlösung nicht suchen wollen'. Weber bestreitet, dass der Buddha ein sozialpolitisches Ziel aufgestellt habe, wie es manche moderne Interpreten der buddhistischen Texte behaupten ; der ursprüngliche Buddhismus sei ein 'Erzeugnis stark positiv privilegierter Schichten' gewesen und habe niemals versucht, die soziale Ordnung innerhalb der Welt zu ändern, er habe auch eine 'rationale Wirtschaftsethik' nicht entwickeln können. Da für den Buddha die Ursache des Leidens, das es zu überwinden gilt, in der Natur der Welt selbst liegt hätten derartige Zielsetzungen gar keinen Sinn für das einzig wichtige Ziel, nämlich die Erlösung aus der Welt. Webers Ausführungen über die spätere Geschichte des Buddhismus ist viel problematischer, als seine These zur alten Buddha-Lehre. Das ihm zur Verfügung stehende historische Informationsmaterial war nämlich widersprüchlich, ja oft fehlerhaft. Shmuel N. Eisenstadt : Einerseits rechnet Weber China zu den Zivilisationen, in denen eine Rationalisierung religiöser Orientierungen stattfang, andererseits leugnet er die Existenz starker transzendent begründeter Spannungen oder Orientierungen in China, die doch, nach seiner eigenen Auffassung, als erste den Anstoss zur Rationalisierungen geben. Er betont auf der einen Seite die Ablehnung der profanen Welt, die im Hinduismus und Buddhismus mit den ausserweltichen Orientierungen einhergeht, auf der anderen Seite erkennt er implizit die Träger dieser Orientierungen als Schöpfer von Zivilisationen an. Explizit allerdings interpretiert er die Weltablehnung dieser Schichten so, als ob sie keinen Einfluss auf die profane Welt genommen hätten. Somit sieht er ihre Haltung als ein Hindernis für die Entwicklung von starken gegen die Tradition gerichteten Rationalisierungstendenzen in der weltlichen Sphäre an. Aber diese Auffassung steht im Widerspruch dazu, dass Weber Hinduismus und Buddhismus zu den grossen Weltreligionen zählt, d.h. zu jenen Religionen, die mittels Rationalisierung die grossen Weltkulturen formten. Die vielen verschiedenen politischen Strukturen, Stammesgemeinschaften, Patrimonial- und Stadtstaaten, die sich im Bereich der indischen und buddhistischen Zivilisationen entwickelt haben, ähneln in vielen Zügen den politischen Strukturen in solchen Gesellschaften, die nicht zur Achsenzeit zählen. Dasselbe gilt für die vielfältigen Technologien und wirtschaftlichen Produktionsweisen, sowie für die soziale Hierarchisierung zumindest auf der unteren, lokalen Ebene. Im Buddhismus blieb die Umwertung politischer, ökonomischer und lokaler Statusmerkmale auf die symbolische Ebene beschränkt. Dies betraf die Prinzipien der Hierarchisierung : Die verwandschaftlichen, lokalen, trritorialen und ethnischen Gruppen wurden ausgeweitet, und es entstanden neue Pflichten zwischen den verschiedenen Statusgruppen, besonders zwischen den religiösen und den 'weltlichen'. Die Bedeutung der Heterodoxien und Sekten blieb nicht auf die religiöse Sphäre beschränkt. Sie verbanden sich vielmehr auch mit sozialen und politischen Protestbewegungen. Die Auswirkungen der Sektenbewegungen auf die institutionelle Struktur und der Kristallisationsgrad der Heterodoxien waren verschieden, je nachdem, wie die Spannung zwischen transzendenter und weltlicher Ordnung gelöst wurde, ob ausserweltlich, wie im Hinduismus oder Buddhismus, innerweltlich wie in China, oder in einer Kombination dieser beiden Orientierungen, wie in den monotheistischen Kulturen. |
|
21 | 1938 |
Sun, Benwen. Zhongguo wen hua jian she zhi chu bu yan jiu. In : Zheng zhi ji kann ; no 1 (1938). [Vorläufige Forschungen zum chinesischen Kulturaufbau]. Bettina Gransow : Sun Benwen stellt in seinem dichotomischen Kulturbegriff den materiellen Kulturen Europas und Amerikas die geistige Kultur Chinas gegenüber. Er bezieht sich explizit auf Alfred Webers 'Kultursoziologie' und damit auf einen Ansatz, der soziale Tatbestände aus ihrer ökonomischen Verankerung zu lösen suchte, einen Ansatz, der natürlich viel besser in sein Konzept passt als Max Webers Fragestellung nach einer mit der Wirtschaftsweise verknüpften Lebensführung. Zwar hat Sun gewisse Kenntnisse vom Werk Max Webers und auch sind ihm deutschsprachige Texte bis zu einem gewissen Grad zugänglich, aber seine eigene Kulturauffssung steht einem tieferen Interesse oder Zugang zum Werk Max Webers entgegen. |
|
22 | 1949 |
Tang Junyi schreibt über Max Weber im Tagebuch : Webers Sozial- und Wirtschaftsgeschichte gelesen. Das letzte Kapitel, in dem die Ursprünge des modernen Kapitalismus erörtert werden, ist ausgesprochen gut. Thomas Fröhlich : Diese kurze Tagebucheintragung ist für die Rezeption von Max Weber von geringer Bedeutung, denn es lässt sich im umfangreichen Werk von Tang keine systematische Beschäftigung mit Weber nachweisen. |
|
23 | 1950-1980 |
Trauzettel, Rolf. Die chinesische Rezeption von Max Weber Studien zur Wirtschaftsethik [ID D18792] Rolf Trauzettel : In China wird vor allem Forschung über Max Weber anhand von Sekundärliteratur aufgenommen und verarbeitet, beruhend auf englischen Übersetzungen seiner Schriften. Fu Zhufu und Zhou Jinsheng stimmen überein, dass China sich nach westlichen Modellen modernisieren müsse, wobei Fu das sozialistische und Zhou das kapitalistische Modell als Leitidee hat. Beide aber folgen Weber darin, dass es signifikante Defizite der chinesischen Entwicklung waren, die das Ausbleiben einer Ausbildung moderner kapitalistischer Verkehrsformen erklären können. Fu übernimmt im wesentlichen Marx' Schema historischer Entwicklungsstufen. Da er die Theorie der Asiatischen Produktionsweise ablehnt, wird die Periode des Feudalismus für ihn zu einem Prüfstein. Er bewältigt es, indem er sich Weber Konzeption eines chinesischen Pfündenfeudalismus annähert. Auch in der Bewertung von Rolle und Funktion des bürokratischen Systems sind die zwei Standorte Fus und Webers einander nahe, zumal Fu auf sehr interessante Weise von da aus die besonderen Merkmale der chinesischen Sozialorganisationen, speziell der Gilden in den Blick bekommt. Seine überaus differenzierende Darstellung des Gildensystems gewinnt durch die Webersche Optik der Konfrontation mit den westlichen Vergleichsmodellen eine überzeugende Trennschärfe. Deutlich nach Weber bewegt sich Fus Darstellung der gegen die Eigeninitiativen der Kaufleute gerichteten Politik der staatlichen Bürokratie. Hier erkennt er in den Staatsmonopolen, Staatsmanufakturen und staatlichen Handwerksbetrieben Schlüsselpositionen, die einer Entwicklung zum Kapitalismus Barrikaden errichteten. Zhou Jinsheng, der deutlich von Werner Sombart und Max Weber inspiriert ist, räumt der Erfassung der historischen Formen des ökonomischen Denkens und der Wirtschaftsethik einen bedeutenden Platz ein. Er bezieht die Historiographie der Wirtschaftsgeschichte selbst in seine theoretischen Überlegungen ein, indem er die Geschichte des ökonomischen Denkens, was im Sinne Webers Wirtschaftsgesinnung einschliesst, und die der Wirtschaftslehren im engen Verständnis von der Historiographie der Wirtschaftsgeschichte unterscheidet. Letztere umfasst für ihn nur die Deskription der objektivierbaren ökonomischen Sachverhalte und Institutionen, wohingegen erstere in der Untersuchung von ökonomischen Ursachen, Entwicklungen und Einflüssen bestehen. Dabei scheidet er die Wirtschaftslehren als die dogmatisch gewordenen Theorien vom ökonomischen Denken, unter welchem er alles zusammenfasst, was an Gedanken über Wirtschaft konzipiert und verbreitet wird. Zhou erkennt deutlich die Differenzen zwischen den Entwicklungen im Westen und in China, namentlich auch im Wirtschaftsdenken und in der Theoriebildung, wobei er zur Affassung gelangt, dass Europa eine erheblich längere Tradition der ökonomischen Theoriebildung aufweise als China. Diese Auffassung führt ihn zu einer Erforschung der Ursachen, die seiner Meinung nach das Wirtschaftsdenken in China behindert hätten : Der Widerspruch zwischen ökonomischer Rationalität und chinesischer Lebensphilosophie, besonders des Taoismus und des Buddhismus. Eine übertriebene Hochbewertung der Landwirtschaft bei gleichzeitiger Geringschätzung des Handels, teilweise auch der Gewerbe. Der einseitige Nachdruck in der Philosophie auf ethische Prinzipien. Der Buddhismus habe zu sehr deterministische, fatalistische Anschauungen gefördert. Das Wirtschaftsgeschehen sei nicht in seinem Systemcharakter erkannt worden. |
|
24 | 1958 |
Tang, Junyi ; Zhang, Junmai ; Mou Zongsan ; Xu, Fuguan. Zhongguo wen hua yu shi jie. [Die chinesische Kultur und die Welt ; Manifest]. Max Weber wird zwar nicht namentlich erwähnt, es gibt aber einen Bezug zwischen jenen Teilen des Manifests, in denen die Frage der metaphysischen Verankerung des Konfuzianismus verhandelt wird, um Webers Studie zum Konfuzianismus herzustellen. Das Manifest konstatiert verschiedene Erscheinungen mangelnder Modernisierung und Industrialisierung in China. Diese werden nicht nur mit der geringen Präsenz moderner Wissenschaften und Technik in China erklärt. Auch Demokratiedefizite institutioneller Natur, wie sie sich bereits unmittelbar nach der Ausrufung der Republik 1912 im Scheitern des Parlamentarismus, in der unzulänglichen politischen Repräsentation gesellschaftlicher Interessen und in einem Mangel an lokaler Autonomie bemerkbar machten, seien zu beheben. Gleiches gilt für die unklaren 'Vorstellungen von Volksrechten und Demokratie', die im chinesischen Volk nach der Gründung der Republik vorhanden gewesen seien. Es steht für die Verfasser deshalb ausser Frage, dass China sich Errungenschaften westlicher Zivilisation aneignen muss. Zugleich wollen die Verfasser verhindern, dass Fehlurteile über die chinesische Kultur bei westlichen und chinesischen Denkern weiter um sich greifen. In ihrer Überzeugung handelt es sich dabei um Missverständnisse, die, so sie unwidersprochen blieben, nicht nur den Fortbestand der chinesischen Nationalkultur gefährden würden, sondern zugleich den Versuch einer zeitgenössischen Neuinterpretation des konfuzianischen Denkens der späten Kaiserzeit als abwegig erscheinen liessen. Das Manifest bestreitet daher, erstens, dass die chinesische Kultur ohne 'transzendente Gefühle religiöser Natur' sei. Zweitens kritisieren die Verfasser Ansätze europäischer und chinesischer Denker, die ihren Ausgang im 17. Jahrhundert haben und in denen die konfuzianischen Strömungen der späten Kaiserzeit mit bekannten Denkrichtungen der abendländischen Philosophie, wie etwa dem Materialismus, Naturalismus oder Rationalismus, gleichgesetzt werden. Drittens monieren sie, zeitgenössische Tendenzen in der Erforschung der chinesischen Kultur seien von einem szientistischen, positivistischen Weissenschaftsverständnis geprägt. Dadurch werde die chinesische Kultur auf den Status eines Artefakts oder Relikts reduziert und so gewissermassen für tot erklärt. Schliesslich übt das Manifest Kritik an der Auffassung, China habe vor dem 20. Jahrhundert deshalb kein demokratisches Staatswesen gekannt, weil es den geistigen Traditionen Chinas grundsätzlich an demokratischem Gedankengut fehle. Dass China erst unter westlichem Einfluss, und nicht schon zuvor, aus eigenen Traditionen heraus, demokratische Institutionen entwickelt habe, führen die Verfasser zum Teil auf historische Kontingenz zurück : Weil China sei dem Ende des 19. Jahrhunderts eine 'Invasion durch den westlichen Kapitalismus und Unterdrückung durch den Imperialismus' erlitt, habe sich das kommunistische Denken verbreiten können. Tatsächlich würde der geistigen 'Hauptströmung' des spätkaiserzeitlichen Konfuzianismus dem Wesen nach aber eine demokratische Staatsordnung entsprechen. |
|
25 | 1983.1 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (2) Max Webers Studie über Konfuzianismus und Taoismus [ID D18583]. 1983 Wolfgang Schluchter : Meine These ist, dass Max Weber in seiner Konfuzianismusstudie, insbesondere in ihrer revidierten Fassung, neben gesinnungsmässigen vor allem ökonomische und politisch-rechtliche Vergleichspunkte zur 'weiterhin zu analysierenden okzidentalen Entwicklung' identifiziert hat und dass für ihn die chinesische Kultur in ihren konsequentesten Ausprägungen 'trotz fortwährender und scheinbarer Analogien' zum okzidentalen, insbesondere zu seinem zunächst puritanisch, dann utlilitaristisch motivierten praktischen Rationalismus ein radikal entgegengesetztes System der Lebensreglementierung, ja eine andere Welt repräsentiert. Es ist also das Interesse am Unterschied zwischen Kulturgen, genauer : das Interesse an der Frage, wie sich die verschiedenen magisch und religiös mitbedingten Arten der Lebensführung zum modernen ökonomischen Kapitalismus stellen, das die Konfuzianismusstudie und andere Studien zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen leitet. Dieses Interesse motiviert zu möglichst klaren, ja scharfen, mitunter überpointierten Entgegensetzungen in Begriffen, die an der eigenen Kultur entwickelt sind. Weber beginnt seine Serie 1915 mit dem Konfuzianismus aus inneren Zweckmässigkeitsgründen : Er steht, insofern er wie der Puritanismus einen Typus rationaler Weltbehandlung, einen Typus eines primär praktischen, nicht theoretischen Rationalismus repräsentiert, zu diesem bei grösster äusserer Ähnlichkeit in grösster innerer Differenz. Diese Differenz ist nach Weber vor allem auf drei Merkmale zurückzuführen : auf den Charakter der ‚irrationalen Verankerung’ der Ethiken, auf den Charakter der Trägerschichten dieser Ethiken und auf den Charakter der Ordnungskonfiguration, in die diese Ethiken letztlich eingebettet sind. Um die in seiner Religionssoziologie behandelten Systeme der Lebensreglementierung zu bezeichnen, verwendet Weber drei Begriffe : Weltreligion, Kulturreligion und Erlösungsreligion. Die Bedeutungsfelder dieser Begriffe überschneiden sich, sind aber nicht identisch. Was lässt sich nun aus dieser Rückerinnerung für die drei Begriffe lernen? Zunächst: Die typologisch wichtigste Unterscheidung ist offensichtlich die zwischen Magie und Religion. Sie ist bei Weber der in der religionswissenschaftlichen Diskussion seiner Zeit üblichen Unterscheidung zwischen natürlichen und ethischen Religionen 'nachempfunden'. Denn ein gewisses Mass an Ethisierung der sozialen Beziehungen ist entscheidend für den 'Ausbruch' aus der Magie. Nun ist zwar jede ethische Religion Kulturreligion, nicht aber jede Kulturreligion auch schon Erlösungs- oder Weltreligion. Zur Erlösungsreligion wird sie nur, wenn sie eine Erlösungslehre oder Erlösungsethik entwickelt und darin eine diesseitige oder jenseitige Erlösung verheisst, zur Weltreligion aber, wenn sie 'besonders grosse Mengen von Bekennern' hat. Tatsächlich gibt es in Webers vergleichender Religionssoziologie denn auch zwei Fälle, auf die nicht alle drei Begriffe gleichzeitig zutreffen: Das Judentum ist für ihn eine Erlösungsreligion, aber keine Weltreligion, der Konfuzianismus eine Weltreligion, aber keine Erlösungsreligion. Nun ist nicht die Unterscheidung in Weltreligion und Kulturreligion, wohl aber die in Erlösungsreligion und Kulturreligion systematisch von Bedeutung. Denn nur Erlösungsreligionen, nicht aber 'erlösungsfreie' Kulturreligionen entwickeln nach Weber in der Regel systematisierte Methodik der religiösen Selbstvervollkommnung. Das hat zur Folge, dass mit diesen zwei Typen von Kulturreligion jeweils eine andere Art der Lebensführung verbunden ist. Diese Methodiken sind, sofern Erlösung nicht als Folge von Gnadenspendung, sondern als Folge 'eigener Leistung' gedacht wird, in erster Linie Mystik und Askese in ihren inner- und ausserweltlichen Varianten. Die Art der Gottesvorstellung ist für Weber vor allem wichtig, um noch auf der Ebene der Kulturreligionen zwischen zwei grossen Strömungen unterscheiden zu können : Auf der einen Seite stehen die indischen und chinesischen Kulturreligionen, die die Vorstellung von der unpersönlichen ewigen Ordnung vertreten und insofern kosmozentrisch orientiert sind, auf der anderen alle iranischen und vorderasiatischen sowie die von ihnen beeinflussten okzidentalen Kulturreligionen, die die Vorstellung vom persönlichen Schöpfergott enthalten und insofern theozentrisch ausgerichtet sind. Hält man sich diese Zusammenhänge vor Augen, so lassen sich wenigstens vier Kriterien nennen, um den typologischen Ort von Konfuzianismus und asketischem Protestantismus als Religionen, als religiöse Ethiken, zu bestimmen : Die Unterscheidung zwischen 'Welt' und 'Hinterwelt' ; die Konzeptualisierung der 'Hinterwelt' ; die 'Prämien' für Lebensführung ; die Heilsmethodik. Der Konfuzianismus repräsentiert für Asien den 'reinsten' Typus einer 'politischen' Religion, der auf Erlösung und auf die damit verbundenen gedanklichen und lebensmethodischen Möglichkeiten gänzlich verzichtet, so wie der asketische Protestantismus für den Okzident den 'reinsten' Typus einer Erlösungsreligion darstellt, der die Erlösungsethik über ihre ritualistischen und gesetzesethischen Varianten hinaus bis zur Gesinnungsethik steigert und sie mit einer rein soteriologisch gewendeten Heilsmethodik innerweltlicher Askese so verbindet, dass daraus eine Gesamtlebensführung entsteht. Den Trägerschichten, denen Weber in der Wirtschaftsethik der Weltreligionen in erster Linie nachgeht, ist zunächst ein Merkmal gemeinsam : Sie streben nach religiöser Qualifikation und zwar nicht mehr durch Zauber, sondern durch Lebensführung im weitesten Sinn. Die Masse der Menschen, so Weber, ist unabhängig von ihrer sozialen Lage zu allen Zeiten und überall in der Welt 'religiös unmusikalisch' geblieben, hat sich mit Magie oder mit 'Heiligen- oder Heroen- oder Funktionsgötterkult' zufriedengegeben. Wo eine Trägerschicht mit ihrem religiösen Weltbild und ihrer Lebensführung diese Masse durchdringen wollte, ist sie regelmässig an deren magischem und religiösem 'Traditionalismus' gescheitert : Der Konfuzianismus lässt ihn in Gestalt des taoistischen Pantheons neben sich bestehen, der popularisierte Buddhismus duldet die Gottheiten der Länder seiner Verbreitung als dem Buddha untergeordnete Kultempfänger, Islam und Katholzismus haben Lokalgötter, Funktionsgötter und Berufsgötter als Heilige, denen die eigentlich Devotion des Alltags bei den Massen gilt. Nur Judentum und asketischer Protestantismus sind nach Webers Auffassung diesem Schicksal entgangen, und nicht zuletzt dies macht ihre religionsgeschichtliche Bedeutung aus. Konfuzianismus und asketischer Protestantismus sind im Unterschied zu Hinduismus und Buddhismus in erster Linie Vertreter eines praktischen, nicht eines theoretischen Rationalismus. Aber dieser resultiert einmal aus der Systematisierung und Institutionalisierung einer Erlösungsethik, einmal aus der Systematisierung und Institutionalisierung einer politischen und sozialen Standesethik, einer Art Ziviltheologie. Denn der Konfuzianismus, nach Weber, kennt weder eine Erlösungsehtik noch das radikal Böse oder eine ‚einheitliche widergöttische Macht der 'Sünde', und er steht überhaupt am Rande dessen, was noch als religiöse Ethik gelten kann. Damit aber ist sein Potential für eine religiöse Entwertung der Welt geringer als das des asketischen Protestantismus. Dies äussert sich unter anderem darin, dass seine rationale Weltbehandlung zu Weltanpassung, die des asketischen Protestantismus aber zu Weltbeherrschung führt. Es gibt vier wichtige Aufschlüsse für die Einschätzung von Webers Studie : 1) Man kann je zwei Begriffe von theoretischem und von praktischem Rationalismus unterscheiden, einen weiteren und einen engeren. Der weitere umfasst die weltliche und die überweltliche Sphäre, der engere nur die weltliche, und dies lässt sich mit der These verbinden, dass mit wachsender Rationalisierung der Weltbeziehungen nach ihren eigenen Gesetzen die Verklammerung dieser Formen immer schwieriger wird. 2) Man kann zwei Verbindungen von theoretischem und praktischem Rationalismus hervorheben, die metaphysisch-ethische und die wissenschaftlich-technische. Die erste manifestiert sich vor allem in den Kulturreligionen, die zweite in der okzidentalen Moderne. Weber interessiert sich in der Religionssoziologie in erster Linie für die erste Verbindung, und zwar immer auch unter dem Gesichtspunkt, welche Komponente, die theoretische oder die praktische, die kognitive oder die evaluative, dabei im Vordergrund steht. 3) Eine sinnhafte Stellungnahme zur Welt kann in jeder der 'Teilwelten' primär verankert werden. Dies bleibt nicht ohne Einfluss auf die historische Ausprägung von Rationalisierung und Rationalismus. 4) Je schwächer die Verankerung in der 'Hinterwelt' ist, desto geringer ist das Potential für Weltentwertung. Dies gilt unabhängig davon, ob die primäre Verankerung im theoretischen oder im praktischen Bereich erfolgt. Das primitve Weltbild etwa, das in Webers Sicht insofern einheitlich ist, als alles 'konkrete Magie' bleibt, als zwischen fundamentalen Sphären und Interessenrichtungen allenfalls graduell unterschieden wird, besitzt keinen 'archimedischen Punkt' um aus dem symbolischen Zauberkreis, in dem alles gefangen bleibt, herauszutreten, um Teile der Welt zu entwerten, zu entzaubern. Aber auch das moderne Weltbild, das auf erfolgreicher Entzauberung beruht, fördert Weltbejahrung, ja Weltanpassung, weil ihm die überweltliche Verankerung weitgehend fehlt. Während der asketische Protestantismus und auch der Buddhismus eine starke überweltliche Verankerung besitzen, die noch dadurch verstärkt wird, dass die religiösen Traditionen, aus denen sie stammen, Prophetien kennen, behauptet Weber vom Konfuzianismus, dass ihm nicht nur jede Prophetie fremd sei, sondern dass er auch letztlich keine metaphysische Verankerung habe und dass die von ihm vertretene Ethik im Grunde keine religiöse Ethik sei. Weber fragt, warum es nach Befriedung des Reiches unter den Qing in China von innen heraus zu keiner modern-kapitalistischen Entwicklung, ja nicht einmal zu einer modern-bürokratischen Entwicklung gekommen ist. Unter modernem Kapitalismus versteht er dabei die zweckrationale Organisation von Wirtschaftsbetrieben, die auf formell freier Arbeit, also auf Lohnarbeit, beruhen und formell friedliche Erwerbschancen für sich nutzen ; unter moderner Bürokratie versteht er die zweckrationale Organisation von Verwaltungsbetrieben mit einem vor allem juristische geschulten Fachbeamtentum, das formell korrekt zustande gekommene Gesetze und Verordnungen ohne Ansehen der Person anwendet. Als Gründe für das Ausbleiben einer modernen Entwicklung im europäischen Sinne in China nennt Weber die Art der 'religiösen' Quellen, die materiellen und ideellen Interessen der Trägerschichten und die Art der Ordnungskonfiguration. Seine Charakterisierung der 'religiösen' Quellen sind : Die Konzeption einer höchsten unpersönlichen Himmelsmacht schliesst die Aufnahme von personalisierten Geistern und Göttern in ein 'Pantheon' nicht aus. Allerdings : Die personalisierten Mächte stehen zwar über den Menschen, aber unter den unpersönlichen Mächten, und sie sind auch leichter als diese nach Bedarf austauschbar. Der an die Gotteskonzeption anschlissende Kult des Himmels lässt den Ahnenkult mit seiner Vorstellungswelt unangetastet. Staatskult und Ahnenkult, die Vorstellungswelt von der ewigen unpersönlichen Ordnung und die animistische Vorstellungswelt, werden zusammengeschlossen. Der Konfuzianismus sei nach Weber, nicht magisch, sondern ethisch verankert, wenngleich er richtig sieht, dass diese ethische Verankerung nicht religiös, sondern politisch-sozial gewendet wird. Der Stand des Beamten- und Amtsanwärterstandes formiert sich in Wechselwirkung mit der Ausbildung des chinesischen Patrimonialstaates. Wie immer bei herrschaftssoziologischen Analysen, so betrachtet Weber auch die chinesische Staatsentwicklung vor allem unter dem Gesichtspunkt, wie das Verhältnis des Herrn, in diesem Fall des Kaisers, zu seinem Verwaltungsstab gestaltet worden ist. Dafür hat die chinesische Geschichte vor allem drei 'Modelle' ausgebildet : Den Feudalismus, den die erbcharismatischen Sippen und 'Grossen Familien' wollten ; den Sultanismus, den vor allem die Eunuchen wünschten, der aber auch den absolutistischen Neigungen mancher Kaiser entgegenkam ; und den Patrimonialismus, der vor allem im Interesse der Literatenschicht lag. Die nach Amtspfründen strebende Literatenschicht schafft also letztlich eine 'innerweltliche Laiensittlichkeit', die sowohl magische Ekstase wie soteriologische Akese oder Mystik, da die Religion selbst 'im Innersten' verachtet : Nicht Erlösung von der Welt, sondern Einfügung in sie wird zum letzten Ziel. Weber behauptet, in China habe wie in allen Patrimonialstaaten die Entwicklung der Geldwirtschaft den ökonomischen Traditionalismus nicht untergraben, sondern gestärkt. Es gebe nur eine Ausnahme von dieser 'Regel' : den europäischen Okzident. Im Dorf herrscht die Sippe, ausserhalb des Dorfes die Patrimonialbürokratie. Allerdings : Die Intensität dieser Bürokratie ist, wie Weber immer wieder betont, so gering, dass es ihr nicht gelingt, die ausserdörflichen Lebensbereiche wirklich zu durchdringen. So kommt es insbesondere in den Städten zwar zu keiner rechtlich garantierten, wohl aber zu einer faktischen Selbstverwaltung der 'Berufsverbände', der Gilden und Zünfte. Dies hebe die politische Monopolposition der Patrimonialbürokratie auf zentraler Ebene nicht auf. Diese verstärkt sich noch mit der Befriedung des Reiches, weil nun auch die 'äusseren' Gegenmächte verschwinden. In China fehlt in Webers Sicht die Konkurrenz nicht nur auf dem Gebiet des Politischen, sie fehlt nach der Befriedung des Reiches auch weitgehend auf dem Gebiet des Geistigen. Gewiss gab es die Kämpfe zwischen Konfuzianern und Taoisten, gewiss zeigt der Taoismus zunächst durchaus erlösungsreligiöse Züge, er fördert zumindest ein individualistisches Erlösungsstreben und baut über Klöster und Hierokratie auch eine zum Cäsaropapismus alternative Organisationsform auf. Doch lässt er, so Weber, nicht nur wichtige Prämissen des Konfuzianismus unangetastet, er entwickelt sich auch, je länger je mehr, zur aktiven Stütze eines magischen Weltbildes und einer ihm entsprechenden magischen Praxis. Dies, ohne damit den Widerstand des Konfuzianismus zu wecken, der zwar Magie als unklassische verachtet, ihr gegenüber aber letztlich innerlich hilflos bleibt. In China und im Okzident wurde in Webers Sicht der bürokratische Mechanismus am konsequentesten rationalisiert. In diesem Sinne lässt sich seine Bermerkung in Wirtschaft und Gesellschaft lesen, der Konfuzianismus und die Römische Kirche seien die 'beiden grössten religiös-rationalistischen Mächte der Geschichte' gewesen. Doch entwickeln sie dabei nicht zwei 'Stufen' der Bürokratie, die auf derselben Linie lägen, sondern zwei gänzlich verschiedene Arten von Bürokratie mit verschiedener Entwicklungsrichtung und verschiedenem Entwicklungspotential. Für Weber bleibt die chinesische Bürokratie 'Patrimonial-Bürokratie', die trotz funktionaler Gliederung der Staatstätigkeit und trotz ihrer Bindung an ein Statutenrecht als 'Gesetzesrecht' letztlich zwischen Amt und Person, Verwaltungs- und Rechtsgang, formalem Recht und materialer Gerechtigkeit nicht streng scheidet. Sie hat deshalb den bürokratischen Mechanismus nicht wirklich zu versachlichen vermocht. Das Mandarinentum rationalisiert die Bürokratie konsequent, aber im traditionalen, durch das Pietätsprinzip besimmten Rahmen. Was sind die Einwände, die Webers Analyse herausfordert : Der erste betrifft den 'zeitlichen Rahmen' der Studie, der zweite die These, China sei trotz konfuzianischer Ethik gekenntzeichnet durch den ‚ungebrochenen Fortbestand rein magischer Religiosität. Der dritte bezieht sich auf das 'Erklärungsmodell' selber, auf die Faktoren, die darin eingehen, und auf ihren Zusammenhang. Webers vergleichende religionssoziologische Versuche sind allgemein dadurch gekennzeichnet, dass sie nach Aufbau und Argumentation nur sehr bedingt der historischen Chronologie der behandelten Kulturkreise folgen. Eine Epoche entscheidender Neuerungen zwischen den Han und den Qing scheint für ihn nicht zu existieren. Die für ihn wichtigen Weichen werden unter den Qin und den Han gestellt. Webers Skizzierung der geistigen Kultur Chinas ist insofern limitiert, als er weder die Legisten noch den Neo-Konfuzianismus behandelt. Auch die Konstruktion einer konfuzianischen Orthodoxie und einer taoistischen Heterodoxie entspricht nicht mehr dem heutigen Forschungsstand. 1983 Wolfram Eberhard : Webers Analyse der chinesischen Gesellschaft und Religion verrät mehr Einsicht als irgendein anderes sinologisches Werk vor 1920. Doch wenn wir uns dieses Werk heute betrachten, müssen wir feststellen, dass Webers China-Kenntnisse absolut unzureichend und voreingenommen waren. Es standen ihm zwei Arten von Daten unterschiedlichen Charakters zu Gebote : Die klassischen Texte vermittelten ein Bild von den Ideen der Denker und von Verhaltensregeln für Angehörige der herrschenden Klasse, ein Bild, das vom wirklichen Leben wahrscheinlich recht weit entfernt war. Die modernen Daten vermittelten ihm ein Bild von den Chinesen in ihrer Beziehung zu den Fremden, das zum überwiegenden Teil von Vorurteilen und Missverständnissen sowohl auf seiten der Ausländer als auch auf seiten der Chinesen geprägt war. Zweitens habe Weber so gut wie keine Angaben für die 2000 Jahre zwischen der ersten und der zweiten Gruppe von Daten – teilweise deshalb, weil die Sinologen noch heute an das 'unwandelbare, ewige China' glauben, teilweise aber auch deshalb, weil es zu seiner Zeit von nur sehr wenigen Texten Übersetzungen und Analysen gab. So stand ihm nur eine einzige Studie über ein süd-chinesisches Dorf zu Gebote, und über Dorf und Landwirtschaft in früheren Zeiten gab es überhaupt kein Material. Die Zhou-Gesellschaft wird von Weber als 'feudal' bezeichnet, was auch heute noch immer stichhaltig ist. Feudalismus ist das Ergebnis der Eroberung einer entwickelten Gesellschaft durch eine in technischer Hinsicht vergleichsweise weniger entwickelte Personengruppe, nicht aber die Folge des politischen Zusammenbruchs einer entwickelten Gesellschaft. Insofern die neuen Feudalheren zum überwiegenden Teil aus Angehörigen des königlichen Clans bestanden, kann man den Zhou-Staat in seiner Anfangsphase noch immer als patrimonial bezeichnen. Der Ausdruck 'patrimonial' schliesst ein, dass eine solche Gesellschaft zugleich patrilinear und, soweit möglich, patrilokal organisiert war, nicht aber unbedingt auch patriarchalisch. Wir nennen das System insofern 'feudal', als der König gewisse souveräne Vollmachten an seine Feudalherren delegierte. In der Theorie mussten sie den König von Zeit zu Zeit besuchen und ihm Geschenke überbringen. Diese Geschenke hatten zumindest teilweise rituellen, nicht ökonomischen Charakter. Im Falle eines Krieges mussten die Feudalherren mit ihrem Heer dem König zu Hilfe eilen. Sie hatten jedoch das Recht, ihr eigenes Territorium gegen Angriffe von aussen und Unbotmässigkeiten im Innern zu verteidigen. Der Zusammenbruch des Feudalsystems in China hat folgende Ursachen : Der Oberherrscher konnte ein sehr grosses Reichsgebiet nicht aus der Ferne kontrollieren ; er konnte daher auch nicht verhindern, dass im Falle des Ablebens eines Feudalherren, dessen Sohn automatisch seine Nachfolge antrat ; sein Territorium befand sich in der Mitte des Reiches und war auf allen Seiten von Lehnsgebieten umgeben. Die Feudalherren der Randgebiete konnten neue Territorien ausserhalb des eigentlichen China erobern und sich mehr Land und mehr Menschen aneignen, so dass sie in kurzer Zeit mächtiger waren als der Oberherrscher selbst. Das China der Han-Dynastie kann nicht mehr als Staat mit 'traditionaler' Herrschaft berachtet werden, sondern muss als Staat mit 'rationaler' Herrschaft bezeichnet werden. Weber definiert diese 'Herrschaft' als ein System, das auf dem Glauben an die Legalität gesatzter Ordnungen beruht, während traditionale Herrschaft auf dem Glauben an die Heiligkeit überkommener Ordnungen gründet. In einem rationalen Herrschaftssystem muss auch das Oberhaupt einer Organisation der unpersönlichen Ordnung gehorchen. In einem traditionalen Herrschaftssystem gehorchen die Beherrschten Max Weber zufolge nicht Satzungen, sondern der Person des Herrschers. Die Beamten hatten klar umrissene Pflichten und mussten ausschliesslich ihren Vorgesetzten gehorchen ; sie gehörten einer komplexen, hierarchisch geordneten Bürokratie an. Die Han-Zeit hat ein Organisationsstatut für die Bürokratie mit einer Reihe von 'Ministerien'. Beamte wurden in vielen Perioden der chinesischen Geschichte alle drei Jahre versetzt, so dass sie sich keine eigene Hausmacht aufbauen konnten. Im allgemeinen waren sie 'kompetent', sofern wir darunter verstehen, dass sie für die ihnen zugeteilte Aufgabe ausgebildet waren und bezogen auch ein festes Gehalt. Bedeutsame Punkte, die zu der Zeit, als Weber über China schrieb, unbekannt waren sind : 1) Der Staat hatte spätestens seit der Han-Zeit ein regelrechtes Budget. Dies zerfiel in zwei Teile : das eine würden wir den Staatshaushalt nennen, das andere den Haushalt des Kaisers für den Aufwand seines Hofes und seine persönlichen Bedürfnisse. In manchen Fällen gewährte der Kaiser Gebieten, die unter einer Hungersnot litten, aus eigener Tasche finanzielle Hilfe. Staatliche Einkünfte und Hofeinkünfte ergaben sich aus jeweils verschiedenen Steuern und Abgaben. 2) Der Staat hatte schon vor der Han-Zeit verschiedene 'Monopole' eingerichtet, gewöhnlich für Eisen und Salz, gelegentlich auch für Alkohol. Die Verwaltung dieser 'Monopole' wechselte im Laufe der Zeit, doch kam es oft vor, dass der Staat die Erzeugnisse aus dem Monopol besteuerte, sobald sie nicht an Ort und Stelle verwendet, sondern privaten Kaufleuten zum Weiterverkauf überlassen wurden. Alle Berechnungen erfolgten auf Geldgrundlage. Es ist also festzustellen, dass chinesische Regierungsbeamte seit der Han-Zeit in einem rationalen System, einem geradezu modernen System tätig waren und nicht in einer traditionalen Ordnung. Für Weber gehört die Stadt, in Gestalt der 'freien Stadt' zu den Wurzeln der modernen Demokratie und des Kapitalismus. In vormoderner Zeit gibt es in China von einer ‚freien’ Stadt kaum eine Spur. Die Stadt als solche ist keine Verwaltungseinheit ; das wird sie erst in modernster Zeit. Die Stadt ist der Mittelpunkt eines grossen Bezirks und umfasst zahlreiche Dörfer und Weiler. Bis in die jüngste Zeit lebten wohlhabende Grundbesitzerfamilien in ihren eigenen Dörfern ; alle Bewohner gehören einem einzigen Clan an. Erst seit der Tang-Zeit werden Städte auch für wohlhabende Leute attraktiv, die Reichshauptstadt als Zentrum für Macht und Einfluss war es für sie natürlich immer. Andere Städte ausserhalb der Hauptstadt wurden in dem Augenblick attraktiv, als sie zu Wirtschaftszentren wurden. [Der Aufsatz von Wolfram Eberhard beinhaltet die Themen von Weber, nimmt aber nicht immer direkten Bezug auf ihn. Eberhard beschreibt die Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Philosophie Chinas mit dem Wissen von 1983]. 1983 Sybille van der Sprenkel : Weber wollte herausfinden, ob es in China ein Potential für jene Entwicklung gab, die in den mittelalterlichen Städten des Westens eingetreten ist – d.h. ob irgendein Element exisitierte, das den Anstoss zu einer Initiative hätte geben können, die agrarische Prägung der Gesellschaft zu durchbrechen und die Befreiung von politischen Fesseln zu fordern, oder ob es besondere Faktoren gab, die solchen Entwicklungen entgegenstanden. Aus der Beobachtung, dass die Stadt der Sitz des Magistrats war (eine Stadt im Bezirk), schloss Weber, dass Städte ganz wesentlich der kaiserlichen Verwaltungskontrolle unterlagen, während es in den Dörfern in seiner Sicht keinen Repräsentanten der kaiserlichen Verwaltung gab. Entsprechend der Vorstellung, in China stünde alles auf dem Kopf, folgerte er, den chinesischen Städten fehle die für eine wirtschaftliche Entwicklung notwendige Freiheit. Weber hat es nicht recht durchschaut, wenn er in dem Bestreben der Beamten, aus ihren ‚Präbenden’ ein persönliches Eigentum zu machen, eine Bedrohung des bürokratischen Systems erblickt. Die privaten Interessen des Beamten lagen durchwegs ausserhalb des ihm zugeteilten Zuständigkeitsbereichs. Dort konnte sein persönlicher Einfluss auch ein gewisses Gegengewicht gegenüber dem Interesse der Administration darstellen. Was Weber falsch beurteilte, betrifft das bedeutsame Wachstum von Handel und Handelszentren ; wahrscheinlich wurde er in diesem Punkt von orthodoxen Historikern in die Irre geführt, zumal ihm die Einsicht verschlossen blieb, dass eine solche Entwicklung auch unter anderen Bedingungen als denen des Westens stattfinden konnte. Zwar erkannte er zutreffend, dass die rechtliche Stellung des Einzelnen im Osten sich von der im Westen unterschied, doch unterschätzte er die Möglichkeiten, diese scheinbare Hürde zu umgehen. Das chinesische System lebte von der Findigkeit der Chinesen, brauchbare Mechanismen zur Regelung ihrer Angelegenheiten zu entwickeln ; sie reagierten auf die Bürokratie, indem sie sich ihr anpassten und lieber um Zugeständnisse für einzelne Gruppen oder Ortschaften einkamen, als die Bürokratie als solche herauszufordern oder ihr Privilegien abzutrotzen. 1983 Mark Elvin : Ich vertrete die These, dass eine ökonomische und ökologische Erklärung für das Versagen Chinas bei der Herausbildung eines eigenen industriellen Kapitalismus möglich ist und dass sie von einfacheren Voraussetzungen ausgeht sowie in sich konsistenter und der empirischen Verifikation zugänglicher ist als Webers kulturelle und ideologische Analyse. Dort, wo politische und/oder kulturelle Faktoren gleichwohl von Bedeutung sind, hängen sie nicht mit typisch Weberschen Themen wie der innerweltlichen Askese zusammen. Dies gilt etwa für das Fehlen einer modernen Wissenschaft in China, für seine Unfähigkeit, überseeische Entdeckungs- und Handelstätigkeit auch langfristig durchzuhalten und für seine Tendenz, in weiten Teilen der industriellen Organisation kommerzielle Beziehungen durch direkte Verwaltung zu ersetzen. Es ist unangemessen, wenn Weber über die chinesische Agrarverfassung feststellt : "Denn jedenfalls dies ist auf den ersten Blick unverkennbar : dass die tiefgehendsten Wandlungen der Agrarverfassung durch die Umgestaltung der Militär- und Fiskalpolitik der Regierung bedingt wurden. Die chinesische Agrargeschichte zeigt uns aus eben diesem Grunde ein monotones Hin und Her zwischen verschiedenen gleich möglichen Prinzipien der Besteuerung und der aus ihr folgenden Behandlung des Bodenbesitzes, die mit ‚innerer Entwicklung’ keinerlei Verwandtschaft hat, seitdem der Feudalismus zerschlagen war." Es entsteht ein Problem, wenn man der chinesischen Kultur für die Zeit nach der Reichseinigung durch die Qin grösstenteils unveränderliche Merkmale zuschreibt, wie Weber dies implizit tut. Wie kann ein und dieselbe Gruppe von Merkmalen dafür verantwortlich gewesen sein, dass China die fortgeschrittenste Wirtschaft der ganzen mittelalterlichen Welt besass und dass gleichzeitig China späterhin in den meisten qualitativen Hinsichten aus eigenem Antrieb nicht mehr vorankam, ja auf manchen Gebieten sogar Rückschritte machte ? Die Notwendigkeit, diese Schwierigkeit zu beheben, blieb von Weber unbemerkt. Der entscheidende Unterschied zwischen China und Westeuropa, der erklärt werden musste, bestand für Weber darin, dass in Westeuropa der industrielle Kapitalismus geboren wurde und in China nicht. In seiner Grundkonzeption von der Genese des neuen Systems im Abendland übernahm Weber einen Aspekt aus der Hegelschen Geschichtsauffassung. Weber behauptet : "Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus : rationale Beherrschung der Welt." Wenn die Argumentation sich um den Unterschied zwischen 'Anpassung' und 'Beherrschung' dreht, bedarf es sorgältiger Definitionen und Kriterien zur praktischen Unterscheidung des einen vom andern. Weber gibt keines von beiden. Webers Lektüre war ausserordentlich weitgespannt, aber dass er es versäumte, sich die wesentlichen französischen Quellen über die chinesische Wirtschaft zunutze zu machen, war ein vermeidbarer Lapsus. Hätte er beispielsweise die Mémoires concernant les chinois zu Rate gezogen, wäre er auf interessante Phänomene aufmerksam geworden, etwa auf die makro-ökonomische Theorie der Chinesen, welche eine eigene Rationalität aufwies, die freilich von der europäischen verschieden war. Manche spättraditionalen chinesischen Denker plädierten beispielsweise für einen hohen Zinssatz auf verliehenes Geld, mit der Begründung, dies führe zu einer effizienteren Nutzung von Zeit und Geld und zum Aussscheiden der Trägen und Unfähigen ; und es verringere das Interesse der Wohlhabenden an Investitionen in der Landwirtschaft und erhöhe ihre Bereitschaft, an jene Geld zu leihen, die ein Gewerbe eröffnen wollten, was den Wettbewerb zu Nutz und Frommen der Öffentlichkeit belebe. Weber stellt fest, China sei ‚von jeher die Stätte eines für die Bedarfsdeckung grosser Gebiete unentbehrlichen Binnenhandels’ gewesen, habe aber 'nicht einmal eine dem ptolemäischen Ägypten gleichkommende Entwicklung der Geldwirtschaft' gekannt. Zwar war der Grad der Monetarisierung vor der wirtschaftlichen Revolution des Mittelalters vergleichsweise gering, doch die Implikation, China sei in den letzten tausend Jahren Schauplatz eines ausgedehnten Naturaltausches gewesen, ist schlichtweg falsch. Ihm entgingen auch nicht das Papiergeld des mittelalterlichen Chinas, die Wechsel und der Zustrom des Silbers aus der Neuen Welt. Auch vertritt er die Auffassung : "Nur die Bankogeld-Politik der chinesischen Gilden waren in unserem Sinn rational." Die hauptsächliche Quelle der Verwirrung ist hier das Fehlen eines chronologischen Rahmens zur chinesischen Wirtschaftsgeschichte, in welchem diese Beobachtungen ihren angemessenen Platz finden können. Weber wies mit Recht auf die 'Kleinbetriebe und deren ökonomische Überlegenheit' in spättraditionaler Zeit hin und gab einige der Gründe für diese Überlegenheit an. Doch hätte ihm auffallen müssen, dass, wenn es, wie er behauptet, einen innenpolitischen 'Beutekapitalismus' gab, 'der gleichfalls zur Anlage von Gelderwerb in Land führte', diese beiden Aspekte der Wirtschaft in einem gewissen Widerspruch zueinander gestanden hätten. An anderer Stelle beobachtete er scharfsinnig das Fehlen einer 'Kommunionwirtschaft der Dörfer' und den für europäische Verhältnisse geringen Rindviehbestand. Seine Behandlung der Leibeigenschaft und der Sippen auf dem Lande ist skizzenhaft und überholt. Ihr Vorzug besteht darin, das allgemeine Prinzip erfasst zu haben, dass die Unterhaltskosten für ein Heer auf das verwendete Besteuerungssystem einwirken und dieses wiederum mit der Agrarverfassung zusammenhängt. Weber schreibt über die Gilden Chinas, sie hätten 'die Zahl und Art der Meisterstellen und die Technik der Arbeit' reguliert, und ihr Sinn sei 'Sicherung der Erwerbschancen der Handwerker' gewesen, insbesondere Hochhaltung der Leistungsqualität und Repartierung der Kundschaft. Ansätze zur Kartellbildung, Begrenzung der Lehrlingszahlen und Überwachung von Preisen, Techniken und Geschäftsgebaren sind sämtlich zu finden, aber Webers Formulierung legt einen höheren Grad wirksamer Zugangsbeschränkungen zu einem Gewerbe nahe, als er gewöhnlich existierte, und unterschätze die konkrete Konkurrenzsituation zwischen den Gildenmitgliedern. Er erkannte auch nicht, dass mittelalterliche Gilden und spättraditionale Gilden verschiedene Dinge waren und dass es keine nachweisbare Kontinuität zwischen ihnen gab. Er erfasste richtig, dass nach frühmodernen europäischen Massstäben 'Zahlungen von und an Staatskassen unbedeutend im Verhältnis zum Gesamtverkehr' waren. Er glaubte auch, dass der Handel in China im Verhältnis zu Fläche und Volkszahl relativ nur mässig oder geradezu schwach entwickelt gewesen sei. Seine Diskussion von Einzelheiten ist jedoch verwirrend. Zutreffend ist die allgemeine Aussage, dass das spättraditionale China für einen moderneren Typ der Verwaltung eine zu schmale steuerliche Basis besass. Weber zeichnet das Bild eines chinesischen Herrschaftssystems das eine 'Abneigung gegen Staatsintervention in ökonomischen Dingen' hatte. Angetrieben von 'theoretischen laissez-faire-Prinzipien', verfolgte es 'kaum andere als fiskalische und polizeiliche wirtschaftspolitische Interessen, wenn man von Notstandszeiten absieht'. Für den Zeitraum währende und nach der mittelalterlichen Wirtschaftsrevolution ist diese Aussage im wesentlichen richtig. Für frühere Zeiträume wird sie fragwürdiger durch Institutionen wie die 'Feldgemeinschaft' und kontrollierte städtische Märkte. Für spätere Zeiten sind die hauptsächlichen Ausnahmen die Doktrin von der Förderung des 'Volksunterhalts' und daraus abgeleitete Aktionen und die verschiedenartigen Beschränkungen der Wirtschaftstätigkeit wie etwas das Maritime Interdikt, das in unterschiedlichem Masse in der Ming- und der Qing-Zeit durchgesetzt wurde. Jüngste Arbeiten bestätigen Webers Auffassung, dass der chinesischen Städtebildung der politische Sondercharakter der Stadt gefehlt habe, weichen jedoch von ihm in gewisser Hinsicht ab. Wenn er beispielsweise von der chinesischen Stadt behauptet : "auch ihr Gedeihen hing sehr stark nicht von dem ökonomischen und politischen Wagemut ihrer eigenen Bürger, sondern von dem Funktionieren der kaiserlichen Verwaltung, vor allem : der Stromverwaltung ab", so kann das seit der Song-Dynastie nicht mehr als gültig anerkannt werden. Webers Überzeugung, dass die Besonderheiten der chinesischen Stadt weithin der 'exogamen und endophratischen Sippe' zuzuschreiben seien, findet keinen Anklang. Weber hielt an der Idee fest, dass das Ausbleiben einer modernen kapitalistischen Entwicklung von innen heraus in China auf 'das Fehlen gewisser gesinnungsmässiger Grundlagen' zurückzuführen sei. Diese unangemessene Gesinnung hatte verschiedene Aspekte. Der eine war die 'personalistische Schranke'. Andere werden in einem Katalog von angeblichen Persönlichkeitszügen der Chinesen aufgeführt, der im wesentlichen aus Arthur Smiths Chinese characteristics stammt. Entscheidend ist, dass Weber in der Praxis ein übertriebenes Vertrauen in die Erklärungskraft von Ideen setzte, die er relativ isoliert von ihrem sozioökonomischen Kontext untersuchte. Wahrscheinlich machte ihn dies auch ein wenig unempfindlich gegen die Notwendigkeit, systematischer seine einigermassen widersprüchlichen Meinungen zu den spezifischeren wirtschaftlichen Aspekten der chinesischen Gesellschaft zu klären. 1983 Karl Bünger : Das chinesische Strafrecht ist seit dem 19. Jahrhundert ein Lieblingsthema europäischer Beobachter gewesen. Dabei haben sich gewisse Vorurteile aus dem vorigen Jahrhundert bis heute hartnäckig gehalten. Sie mögen damals verständlich gewesen sein aus der politischen Lage, aus einer gewissen Euphorie über kürzlich durchgeführte Verbesserungen des Rechtswesens in den europäischen Ländern und aus einem übertriebenen Fortschrittsglauben, dem China als das Land des Stillstandes par excellence galt, dessen Institutionen daher selbstverständlich schlecht sein mussten und nur von den Europäern verbessert werden konnten. Max Weber hat viele dieser Vorurteile nicht übernommen, obwohl er auf die Publikationen aus dem 19. Jahrhundert als Quellen angewiesen war. Ihre tendenziöse Haltung war seinem nüchternen Geiste offenbar erkennbar. Vor allem aber hat ihn die vergleichende Methode, mit der er die chinesischen Dinge stets mit der europäischen Geschichte in Bezug setzte, vor manchen Missdeutungen bewahrt. [Aufsatz zur Geschichte des Rechtssystems in China, weniger zu Weber]. 1983 Arnold Zingerle : Wie Max Webers Studien zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen von der Nachwelt aufgenommen wurden, macht auf drastische Weise die Tatsache augenfällig, dass Weber sechs Jahrzehnte nach seinem Tod trotz seines herausragenden Ranges als Klassiker der Sozialwissenschaften in wesentlichen Bereichen seiner sachlichen Anliegen ohne angemessene Resonanz geblieben ist. Allzulange sind diese Studien zum chinesischen, indischen und altjüdischen Kulturkreis kaum beachtet worden, weil man sie auf eine blosse Gegenprobe zur 'Protestantismus-These' reduzierte. Dass sie erst in letzter Zeit in zentralere Interessenbereiche der Diskussion um Weber einbezogen wurden, liegt zweifellos zu einem guten Teil daran, dass sich die Weber-Interpretation nicht früher darauf einigen konnte, den Schlüssel zu Webers Werk in der historisch-soziologischen Problematik der Rationalisierungsprozesse zu sehen, so dass sie sich erst neuerdings auch genötigt sieht, Webers Systematisierungen zu dieser Problematik an ihrer materialen Quelle – den Forschungen zu historisch umschriebenen Objekten von der antiken Agrarverfassung über die mittelalterlichen Städte des Okzidents und die protestantische Ethik bis hin zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen – in konstruktiver und kritischer Absicht aufzusuchen. 1983 Peter Weber-Schäfer : Es gibt kein chinesisches Wort für Konfuzianismus, und es gibt keinen eindeutigen chinesischen Ausdruck zur Bezeichnung desjenigen Standes, den wir – Max Weber folgend – den konfuzianischen Literatenstand nennen. Existierte im traditionellen China eine klar definierbare Gruppe von Menschen, die der westlichen Verwendung des Terminus ‚konfuzianische Literaten’ korrespondiert, auch wenn sich dieser Terminus nicht ins Chinesische rückübersetzen lässt, oder verfälscht die Verwendung des Begriffs die chinesische Wirklichkeit ; und, sofern wir eine derartige Gruppe innerhalb der chinesischen Gesellschaft lokalisieren können, worin besteht das gemeinsame sie verbindende Element, der 'geistige' Niederschlag, der in den europäischen Sprachen mit dem Typusbegriff 'Konfuzianismus' bezeichnet wurde ? Der Terminus 'Literatenstand', wie ihn Weber benützt – der Ausdruck 'Mandarinenstand' scheint in exakt synonymer Bedeutung verwendet - , bezieht sich auf eine Gruppe, die in zwei deutlich unterschiedene Untergruppen zerfällt : Beamte der Zivilverwaltung, die ihr Amt und ihren Rang durch die erfolgreiche Ablegung der einzelnen Stufen von Beamtenprüfungen errungen hatten, und potentielle Beamte, die ihre Qualifikation durch Prüfung erlangt hatten, aber kein staatliches Amt erreicht hatten. Dieser Stand bildete das ausschliessliche Rekrutierungspotential für alle Ämter der zivilen Verwaltung seit dem Ende des 7. Jahrhunderts und war als geschlossener Stand gegen das Volk durch den Anspruch auf Pfünden und Privilegien abgegrenzt. Das Prüfungswesen konnte zu einem wichtigen Mittel des Kaisers als Patrimonialherrscher werden, wenn es darum ging, die Bildung eines ihm gegenüber geschlossenen Standes, das das Recht auf die Amtspfründen nach Art der Lehensleute und Ministerialen monopolisiert hätte, zu hindern. Weber betont die vorrangige Bedeutung der durch eine bestimme Art der Lebensführung herausgehobenen ‚ständischen Lage’ gegenüber der primär ökonomisch bestimmen 'Klassenlage' in der Struktur der traditionellen chinesischen Gesellschaft. Eine funktionale Dreiteilung der Untertanen des Kaisers sind Beamte, die einen durch Prüfung erworbenen Rang besitzen, Literaten, die ihre Prüfungen erfolgreich abgelegt, aber keine Amtsposition gefunden haben und den vom Prüfungssystem nicht erfassten Rest der Bevölkerung. Der konfuzianische Literatenstand als eine Schicht mit einer eigenen Standesethik, in der sie sich von anderen Gruppen der Gesellschaft absetzt und durch deren Ausstrahlung sie als Bildungsschicht die Lebensführung der chinesischen Gesellschaft über die eigene Schicht hinaus beeinflusst, ist zweifellos als Stand identifizierbar, weist aber in sich einen weitaus geringeren Grad an Homogenität auf, als dies die Webersche Studie nahelegt. Max Weber zitiert mehrmals den berühmten Ausspruch des Konfuzius, dass der Edle kein Werkzeug sei, und interpretiert ihn der konfuzianischen Tradition entsprechend als eine Ablehnung fachlicher Spezialisierung und professionalisierten Expertentums, durch die eine Gefährung der standesgemässen Lebensführung und der angemessenen Einstellung zur literarischen Bildung eintreten könnte. Was die Ideale ständischer Lebensführung und Ausbildung angeht, die dem Konfuzianismus sein Gepräge gaben, ist die Webersche Analyse sicher insoweit zutreffend, als es einem konfuzianischen Beamten, der der Lebensform des 'Edlen' nachstrebte, gewiss nicht angemessen gewesen wäre, sich durch ein Übermass an praktisch anwendbarem Fachwissen auszuzeichnen. Neben der von Weber angeführten Konfuziusstelle stehen zahlreiche andere der gleichen Stossrichtung. So wenn es heisst : "Der Edle weiss um das Gerechte ; der Gemeine weiss um das Nützliche", oder wenn sich in einem überlieferten Dialog Konfuzius geradezu dafür zu entschuldigen scheint, dass er praktische Fähigkeiten besass. Der konfuzianisch geschulte Gentleman bemühte sich darum, ein Vorbild jener Tugenden zu sein, die durch eine gründliche Ausbildung in der Lektüre der Klassiker gewonnen werden können, und seine Lebensführung auf jenes Bildungsideal auszurichten, das dieser Ausbildung entsprach. Weber übersah die Tatsache, dass praktisch alle Beamten, hohe oder niedrige, in der Zentralverwaltung oder auf Lokalebene beschäftigte, die gleiche Ausbildung genossen und die gleichen Prüfungen ablegten. Die Frage, ob die konfuzianischen Literaten einen Stand im soziologischen Sinne bildeten, hängt letzten Endes mit Max Webers doppeldeutiger Verwendung der Worte 'Stand' und 'ständisch' zusammen. Einmal hängt der Standesbegriff von einer spezifischen Einschätzung der Ehre als Konstituens sozialer Existenz ab, von der 'Zumutung einer spezifisch gearteten Lebensführung an jeden, der dem Kreise angehören will', von einem Einfluss der Lebensführung auf die Ehre, die dazu beiträgt, 'dass die Stände die spezifischen Träger aller Konventionen sind : alle Stilisierung des Lebens, in welchen Äusserungen es auch sei, ist entweder der ständischen Ursprungs oder wird doch ständisch konserviert'. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die konfuzianischen Literaten auf Grund ihrer durch das Prüfungssystem und seine kanonisierten Inhalte festgelegten Bildung wie aufgrund der ihnen gemeinsamen Regeln der Lebensführung und Lebensausrichtung einen in sich geschlossenen, deutlich als solcher von anderen abgrenzbaren Stand bilden. Die von Weber gegebene Darstellung der Inhalte, nicht der formalen Organisation, des Prüfungssystems bedarf auch im Lichte neuerer Forschung keiner Modifikation. Die Prüfung war eine Art Kulturexamen und stellte fest, ob der Betreffende ein Gentleman, nicht aber, ob er mit Fachkenntnissen ausgerüstet war. Geht es um die Monopolisierung der Verwaltung durch die Lebensform und Bildung ausgezeichnete Schicht in dem Sinne, dass der konfuzianische Literatenstand und die Trägerschicht der Verwaltung des Reichs miteinander identifiziert werden, so ist diese These im Lichte neuerer Erkenntnisse nur noch unter der Hinzunahme einer dreifachen Modifikation möglich : Da die unteren Grade des Prüfungssystems kein automatisches Recht auf die Erlangung von Pfründen mit sich brachten, müssen wir davon ausgehen, dass nicht alle Literaten zur Gruppe der Beamten und potentiellen Beamten gerechnet werden können. Da die Möglichkeiten, auf einem anderem Wege als demjenigen der Teilnahme am offiziellen Prüfungssystem in den Beamtenapparat einzudringen, erheblich grösser waren und in weitaus grösserem Umfang genutzt wurden, als dies bei Weber berücksichtigt ist, müssen wir davon ausgehen, dass nicht alle Beamten Literaten waren, auch wenn sie sich den Bildungs- und Lebensidealen des Konfuzianismus weitgehend anpassten. Da die Rolle der nichtbeamteten Privatsekretäre und sonstigen inoffiziellen Berater im Prozess der Lokalverwaltung wie der zentralen Administration beachtlich war, müssen wir davon ausgehen, dass es einen breiten Kreis von Verwaltungsaufgaben gab, die nicht von Beamten erfüllt wurden. Die Frage nach den Grundwerten, den grundlegenden Voraussetzungen und der 'Bureaukratenmoral des Konfuzianismus', die für Weber 'die einzige wirkliche konsequente Ethik der Anpassung an das Mögliche' darstellte, hängt auf das engste mit der Frage zusammen, welchen Inhalt man einem Wort wie 'Konfuzianismus' geben will. Die imperiale Ziviltheologie Chinas, wie sie in ihren Grundzügen während der Herrschaft der Frühen Han-Dynastie entwickelt wurde, hat neben einer – gegenüber der Frühzeit der unmittelbaren Schüler des Meisters auch bereits weiterentwickelten – konfuzianischen Basis eine grosse Anzahl von Elementen aus dem Gedankengut der Legalisten, der Taoisten, der Mohisten und anderer Schulen übernommen. 2Der Kernpunkt der Weberschen Interpretation des Konfuzianismus als System der Ethik liegt in dem berühmten Vergleich : Der konfuzianische Rationaismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus : rationale Beherrschung der Welt. Der Puritaner wie der Konfuzianer waren nüchtern. Aber die rationale Nüchternheit des Puritaners ruhte auf dem Untergrund eines mächtigen Pathos, welches dem Konfuzianer völlig fehlte, des gleichen Pathos, welches das Mönchtum des Okzidents beseelte." Wenn der puritanische Versuch zur Beherrschung der Welt auf einen göttlichen Auftrag zurückging, so sah Weber geradezu als Charakteristikum der konfuzianischen Einstellung ein 'absolutes Fehlen jeglichen Erlösungsbedürfnisses und überhaupt aller über das Diesseits hinausgreifenden Verankerungen der Ethik, die durch eine inhaltlich rein opportunisitsch-utilitarische, aber ästhetisch vornehme Kunstlehre eines bürokratischen Standeskonventionalismus ersetzt ist' an. Damit scheint dem Konfuzianismus die Motivation zur aktiven Veränderung der Welt entzogen, und seine Ethik wird zu einer Ethik der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der einmal gegebenen Ordnung des Kosmos. Die konfuzianische 'Anpassung' ist ein rationaler Vesuch zur Herstellung von Harmonie und steht damit in klarem Gegensatz zur puritanischen Weltbeherrschung, dem unablässigen Willen, die Welt zu verändern. Der chinesische Mensch wurde nicht von einem Gott als Individuum geschaffen, sondern in einer Gesellschaft von Menschen als Mitmensch geboren. Er ist deshalb auch nicht als einzelner seinem Schöpfer unmittelbar verantwortlich, sondern durch ein System von sozialen Pflichten in die rituelle Ordnung des Kosmos eingebunden. Die Ordnung des Kosmos, die zugleich die Ordnung menschlicher Gesellschaft ist, erhält er, sich ihr anpassend, aufrecht, indem der seinen Ahnen, den lebenden Mitgliedern seines Clans und dem Kaiser als dem Zentrum ritueller Ordnung Ehrfurcht erweist. Der tugendhafte Mensch des Konfuzianismus, der mit dem wohlgebildeten Gentleman identisch ist, trägt eine starke Verantwortung gegenüber seiner Familie und Sippe, der aus den Sippenverbänden zusammengesetzten Gesellschaft des Reichs und seinem Repräsentanten, dem Kaiser. Dagegen zeichnet sich seine Beziehung zum Übernatürlichen mit Ausnahme der eigenen Ahnen durch vorsichtige Zurückhaltung aus, und alle Opfer und Gebete, die den unmittelbaren Kreis des Ahnenkultes übersteigen, werden vom Kaiser als dem Repräsentanten der Menschheit vor dem Himmel oder seinen Beamten als Stellvertretern des Kaisers dargebracht, gehören also nicht in den Bereich individueller Frömmigkeit. Von Anfang an umstritten war Max Webers Interpretation der Rolle des chinesischen Kaisers im Herrschaftsgefüge. Für Weber ist das Kaisertum in China ursprünglich aus dem magischen Charisma des Kaisers hervorgegangen, das sich an seiner Fähigkeit bewährte, für gutes Wetter, reiche Ernte und innere Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die spezifisch chinesische Form des Cäsaropapismus sollte dabei zwar auf der Vereinigung von weltlicher und geistlicher Autorität in einer Hand, aber unter einer sehr deutlichen Dominanz des geistlichen Bereichs, der für Weber weitgehend magisch zu deuten ist, beruhen. Auch nach der Umdeutung der persönlichen Qualitäten, auf denen das magische Charisma des Kaisers beruhte, in den rituellen und ethischen Bereichen blieb er somit ‚in erster Linie ein Pontifex : der alte 'Regenmacher' der magischen Religiosität ins Ethische übersetzt. Er hatte sich als Sohn des Himmels, als der von ihm gebilligte Herr, dadurch auszuweisen, dass es dem Volke gut ging. Konnte er das nicht, so fehlte ihm eben das Charisma. Diese Interpretation stiess auf ablehnende Kritik. 1983 Thomas Metzger : Max Webers Analyse der konfuzianischen Tradition ist eine geniale Leistung und hat grossen Einfluss ausgeübt ; aber wie hilfreich ist diese Interpretation heute noch, im Lichte der modernen Forschung ? In den Ausführungen Webers verbinden sich theoretische Leitlinien für die Untersuchung von Gesellschaften mit zentralen Fragestellungen über den Charakter geschichtlicher Zivilisationen und mit Ansichten über bestimmte kulturelle und institutionelle Muster des kaiserlichen China. Hinzu kommt, dass die einzelnen sinologischen Schulen unterschiedliche Auffassungen über diese verschiedenen Aspekte seiner Argumentation vertreten und dass die Problematik der zeitgenössischen Sinologie sich bis zu einem gewissen Grad auf Bereiche verlagert hat, die jenseits von Webers Überlegungen liegen. Weber betrachtete die Gesellschaft als ein Ganzes ; er war fasziniert von den Wechselbeziehungen, die er zwischen den meisten dieser Muster entdeckte ; und er vermied scharfsinnig jede monokausale Theorie, die entweder den eher ideellen oder den eher materiellen Mustern den Primat eingeräumt hätte. Er ging, wie schon heute viele Historiker und Soziologen, von der Annahme aus, dass die besondere Eigenart einer Schicht, eines Kollektivs oder eines Denkmusters sich angemessen in makroskopischen Begriffen erfassen lasse. Gewiss gelangen Weber, auch ohne dass er der Kompliziertheit des sozialen Lebens nachging, viele wichtige Beobachtungen ; so bemerkte er z.B., dass im kaiserlichen China die Primogenitur oder eine mächtige, vom Staat abgehobene religiöse Organisation fehlte. Für einen globalen Vergleich von Gesellschaften sind solche Beobachtungen zweifellos von Bedeutung. Sobald man sich jedoch dies vor Augen geführt hat, bedarf es der induktiven Untersuchung von Details, um die Beziehungen zwischen Mustern, Individuen und Episoden zu verstehen ; die gefühlsmässige Bedeutung zu erfassen, die Symbole und Ereignisse für die beteiligten Akteuere hatten ; und damit etwas von jener menschlichen Kreativität zu erblicken, die das soziale Leben und die Geschichte kennzeichnet. Weber lenkt fast ausschliessliches Interesse für den Grad bürokratischer 'Rationalisierung' von dem Bemühen ab, diejenigen analytischen Kategorien 'mittlerer Reichweite' zu definieren, die unentbehrlich sind, um nicht nur die erstaunliche Entwicklung von bürokratischen Strukturen im kaiserlichen China zu verdeutlichen, sondern auch zu klären, in welcher Hinsicht diese traditionalen Strukturen sich von modernen bürokratischen Formen unterschieden, die sich im Westen herausbildeten und schliesslich auch nach China gelangten. Weber verweist darauf, dass es in der konfuzianischen Tradition keine 'Propheten' gegeben habe, die ‚im Namen eines überweltlichen Gottes Forderungen gestellt hätten’ und meint, die Beziehung der Konfuzianer zum Religiösen sei ‚diesseitig gewendet’ gewesen und der Konfuzianismus sei ‚an sich von jedem metaphysischen Interesse in sehr hohem Grade frei’ gewesen (trotz des Vorhandenseines eines 'Geisterglaubens'). So kannten die Konfuzianer nur bescheidene praktische Ziele, sieht man vom Ziel der ‚Schicklichkeit’ ab, das Weber aber als oberflächlich, pathetisch und lächerlich ansah. Weder 'vom Bösen oder einer Erbsünde, noch von irgendetwas sonst, ausser : von der würdelosen Barbarei der gesellschaftlichen Ungeschliffenheit, begehrte der Konfuzianer erlöst zu werden' schreibt Weber. Während die Konfuzianer also nur die bescheidenen, weltlichen Ziele verfolgten, glaubten sie zugleich daran, dass die gegebene, tatsächliche Welt durchaus auf dem Weg zur Verwirklichung dieser Ziele sei. Die menschliche Natur war in ihren Augen 'der Anlage nach ethisch gut' und gleichzeitig betrachteten sie die gegebene Welt als frei vom 'radikal Bösen' und als 'die beste der möglichen Welten'. Weber folgert : 'Irgendwelche Spannung zwischen ethischen Anforderungen und menschlicher Unzulänglichkeit fehlte dieser Ethik vollständig.' Weber hat nicht nur die zentrale Frage der 'Spannung' angeschnitten, er macht auch die Voraussetzung, dass der Konfuzianismus aus weitverbreiteten, von allen geteilten Orientierungen bestand, die mit Gewinn untersucht werden können. Trotz der Zurückhaltung der Positivisten, solche Gleichförmigkeit anzuerkennen, wird diese Voraussetzung noch heute von vielen chinesischen und westlichen Human- und Sozialwissenschaftlern akzeptiert. Weber spielte zwar gelegentlich auf berühmt konfuzianische Lehren an, bewältigte diese Aufgabe aber nicht wirklich, weil er es unterliess, unterschiedliche Aussagen so zusammenzubringen, dass dadurch komplexe oder ambivalente Einstellungen als Ganzes aufgedeckt würden. Bei dieser Art Reduktionismus wirken die Menschen weit dümmer, als sie in Wirklichkeit waren. So schreibt Weber z.B., für den Konfuzianismus habe die 'pietätvolle Fügsamkeit in die feste Ordnung der weltlichen Gewalten' an oberster Stelle gestanden, ohne sich näher mit konfuzianischen Äusserungen zu diesem Thema des Respekts vor Autoritätspersonen auseinanderzusetzen. Und wenn Weber die Ansicht vertritt, für den Konfuzianismus sei 'die menschliche Natur der Anlage nach ethisch gut' gewesen, so verwechselt er die berühmte Lehre des Mengzi mit der konfuzianischen Wahrnehmung der menschlichen Triebkräfte im ganzen. Statt dessen hätte er Mengzis Lehre im Zusammenhang mit den vielen pessimistischen Äusserungen des Konfuzianismus über die menschliche Seele, die Macht der Selbstsucht, die Geschichte als Prozess des moralischen Verfalls usw. betrachten sollen. Ein Weltbild kennt nur dann 'Spannung' im Weberschen Sinn, wenn der einzelne Mensch sich in einen schlechthin hoffnungslosen Kampf verwickelt sieht, den er mit absolut unzulänglichen Mitteln um ein Ziel führen muss, das ihm deshalb unerreichbar ist. Da Weber (zumindest im Fall des Konfuzianismus) den historischen Aussagen nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte, setzte er sich auch nicht gründlich genug mit dem schwierigen Problem auseinander, wie derartige Aussagen zugleich einfühlend und analytisch behandelt werden können, um auf irgendeine Weise das zu verbinden, das die Anthropologen 'emic approach' und 'etic approach' nennen. Weber, der vor allem das Fehlen jeder nennenswerten Kluft oder 'Spannung' zwischen Zielen und der Wahrnehmung der gegebenen Welt im konfuzianischen Denken beschäftigte, brachte dieses Fehlen einer 'Spannung' in logischen Zusammenhang mit dem Fehlen eines intensiven, inneren moralischen Kampfes, dem mangelnden Streben nach Wissen als dem Instrument eines solchen Kampfes, dem mangelnden Sinn für Autonomie gegenüber Autoritätspersonen und der mangelnden Fähigkeit, für die Veränderung traditionaler Muster zu kämpfen. Diese Auffassung deckt sich weitgehend mit Interpretationen des Konfuzianismus in verschiedenen prominenten Werken aus neuerer Zeit, obwohl diese auf einer Flut neuerer sinologischer Untersuchungen beruhen. Max Weber dachte bei seiner Schilderung des Konfuzianismus nur an die akkomodative Tendenz. Er übersah die transformative Tendenz und damit die ganze Wechselwirkung zwischen dem transformativen und dem akkomodativen Denken im kaiserlichen China. Damit übersah er auch den symbolischen Vorrang des transformativen Denkens sowie die Konseqzenzen, die sich aus dieser Vorrangstellung für die Entwicklung der politischen Kultur Chinas ergaben. Angesichts von Webers zentralem Interesse für den 'Sinn' einer Handlung in den Köpfen der geschichtlichen Akteure ist das überkommene Wechselspiel zwischen akkomodativem und transformativem Denken an sich bedeutsam. Aber welche Auswirkungen auf das äussere Verhalten hatte der symbolische Primat des transformativen Denkens ? Immerhin war akkomodatives Verhalten ausserordentlich weit verbreitet, selbst wenn radikale Ausbrüche vorkamen. Zumindest kann niemand behaupten, dass die transformative Kraft der neokonfuzianischen Tradition ohne jeden Anstoss von aussen zu der von Weber so genannten 'Handhabe zur Beeinflussung der Lebensführung durch innere Gewalten, die nicht rein traditionell und konventionell gebunden waren', geführt hatte, einer 'Handhabe', deren es zur Umstrukturierung der Wirtschaft und zur Bewerkstelligung eines modernen Wirtschaftswachstums bedurfte. Die Ursache für dieses Scheitern mochte in der Tag, wie Weber annahm, in konfuzianischen Einstellungen liegen, obleich er diese Einstellungen verkannte und dass dafür sogar eher organisatorische, technologische und demographische Faktoren zu nennen sind. Weber vertrat lediglich den Standpunkt, dass es im Konfuzianismus keine 'Spannung' gäbe. Aber dieser Standpunkt impliziert, dass grundsätzlich keine Kontinuität zwischen der konfuzianischen Tradition und der Modernisierung in China existiere, weil 'Spannung' zu jeder Modernisierung gehört. Obgleich Weber nur die Frage diskutiert, warum China sich nicht aus sich heraus modernisierte, ist seine These auch von Relevanz für die Frage der unter fremden Einfluss erfolgten chinesischen Modernisierung. Es leuchtet ein, dass Webers Argument der fehlenden 'Spannung' logisch mit der Idee der Diskontinuität zwischen Tradition und Modernisierung einhergeht, während die These von der existierenden ‚Spannung’ mit der Idee der Kontinuität verbunden werden kann. Falls die Dynamik des modernen chinesischen Lebens sowohl traditionale als auch westliche Wurzeln haben sollte, ist Webers Darstellung der Tradition unzulänglich, da sie eine solche Dynamik ausschliesst. Zusammenfassend kann man sagen, dass Weber ein Genie war, dessen Werk über China noch fast siebzig Jahre nach seiner Niederschrift die Diskussion befruchtet. Seine Frage bezüglich der 'Spannung' ist noch heute zentral, und sein Interesse an den kulturellen Mustern Chinas ist für die Erörterung wesentlicher Probleme der chinesischen Geschichte noch immer massgeblich, etwa für das Problem, warum sich in China kein Kapitalismus entwickelte oder warum die Chinesen normenstiftendes politisches Handeln nicht als das Handeln einer Gruppe ausserhalb des politischen Zentrums konzeptualisierten. Das Fehlen solcher institutionalisierter Gruppen kann nicht einfach mit nicht-intellektuellen Faktoren erklärt werden, etwa der 'frühzeitigen Beseitigung des Feudalismus', denn das herrschende konfuzianische Verständnis von politischer 'Umsetzung', das derartige Gruppen ausschloss, lässt sich nicht aus institutionellem Wandel ableiten. Obgleich nicht alle methodologischen und inhaltlichen Ideen Webers heute noch in gleicher Weise hilfreich sind, ähnelte er den Konfuzianern doch insofern, als er menschliches Verhalten als einen Prozess der Umsetzung von Werten in Tatsachen ansah. Mögen wir auch bedauern, dass seine Kategorien mitunter untauglich sind, die menschliche Kreativität in ihrem geschichtlichen Kontext zu erschliessen, so spüren wir bei ihm doch das Bemühen, Soziologie als das Studium der menschlichen Kreativität in all ihren unterschiedlichen kulturellen Ausformungen zu konstruieren. Hat er damit nicht ein für allemal das eigentliche Programm der Soziologie formuliert ? |
|
26 | 1983.2 |
1983 Helwig Schmidt-Glintzer : Unsere Untersuchung geht von der Fragestellung aus, welchen Bedingungen das, was Max Weber als Heterodoxie in China bezeichnete, genügte, und warum solche Erscheinungen von Heterodoxie nicht zum Ausgangspunkt einer 'abweichend orientierten Lebensmethodik' hatten werden können. Wir werden die Ausdrücke 'orthodox' und 'heterodox' in Ermangelung besserer hin und wieder verwenden. Die Verständigung darüber, was als korrekt anzusehen sei, konnte nur innerhalb einer Lehre geschehen, die entsprechend legitimiert war. Nun hatte solche Legitimation zunächst nur der konfuzianische Kult, doch beobachten wir im Verlaufe des chinesischen Mittelalters eine Emanzipation des Taoismus und eine Ausweitung des Buddhismus auf breitere Gesellschaftsschichten, wobei beide beanspruchten, eine Lehre zu sein. Die Durchsetzung der Orthopraxie musste immer wieder neu gelingen. Da das, was als korrekt galt, nur von der Zentralgewalt und deren Vertretern gewährleistet werden konnte, weil nämlich der Staatskult gerade darauf beruhte, die Vielfalt der Götter und Geister jedenfalls bis zu einem gewissen Grade erfolgreich zurückgedrängt bzw. domestiziert zu haben, sind den daraus resultierenden Spannungsverhältnissen einige Ausführungen gewidmet worden. Volksaufstände, die Weber besonders interessierten, sind begründet durch und bezogen auf Zeiten einer prekären Lage der Zentralgewalt. Die dabei zu wirksamen Ausdruck kommenden zentrifugalen Kräfte sind aus der Sicht der Zentrale stets heterodox und abwegig gewesen. Doch sie selbst haben sich nicht nur als orthodox verstanden, sondern in all den Fällen, in denen sie das 'Mandat des Himmels' erlangten, schlüpften sie gewissermassen in den Mantel der alten Orthopraxie. Sie hatten eben auch nicht die Institution der Herrschers als des Himmelssohnes angegriffen, sondern die Missstände bekämpft, um die ideale Ordnung wiederherzustellen. Weber, den seine Untersuchungen über das konfuzianische Literaten-Beamtentum zu der Erkenntnis geführt hatten, dass in China die Intellektuellenschicht, womit er die konfuzianisch Gebildeten meinte, als Trägerschicht für eine rationalistische Entwicklung ausgefallen sei, suchte andernorts Ansätze zu solcher Veränderung. "Uns soll vielmehr der Zwiespalt zwischen der Stellungnahme der Amtskirche und der unklassischen Volksreligion unter dem Gesichtspunkt interessieren : ob die letzte etwa Quelle einer abweichend orientierten Lebensmethodix werden konnte und geworden ist. Dies könnte so scheinen". Der Vergleich zwischen konfuzianischer 'Amtskirche' und der 'unklassischen Volksreligion' einerseits und der 'Beziehung der hellenischen, schulmässig philosophischen Sozialethik zu den alten hellenischen Volksgöttern' andererseits, den Weber in diesem Zusammenhang zieht, sei nur erwähnt, ohne dass er einer näheren Betrachtung unterzogen worden soll. Immerhin ist es aber bemerkenswert, dass Webers Ansicht durch neuere Untersuchungen bestätigt wird. Die Unterdrückung bzw. Umdeutung nämlich der alten Heldenepen durch die konfuzianische Historiographie seit der Han-Zeit zerstörte eine wesentliche Voraussetzung für alternative Weltbilder, und in dem Masse, in dem die Bildungselite identisch wurde mit der Herrschaftselite, fehlte es an sozialen Trägern für alternative Entwürfe. Nun hatte aber Weber auch erkannt, dass in China die Grenzen zwischen Heterodoxie und Orthodoxie stets unscharf waren. Er stellte fest : "Letztlich waren, material, die Scheidungen orthodoxer und heterodoxer Lehren und Praktiken ebenso wie allen entscheidenden Eigentümlichkeiten des Konfuzianismus durch seinen Charakter als einer ständischen Ethik der literarische geschulten Bureaukratie einerseits, andererseits aber durch die Festhaltung der Pietät und speziell der Ahnenverehrung als der politisch unentberhlichen Grundlage des Patrimonialismus bedingt." Dabei sei es 'der konfuzianischen Literatenbureaucratie weitgehend gelungen, durch Gewalt und Appell an den Geisterglauben die Sektenbildung auf ein gelegentliches Aufflammen zu beschränken.' Nie aber sei rationale Askese das Merkmal jener Sekten gewesen wie im Okzident. Insgesamt kommt Weber zu dem Ergebnis, dass es in China nicht zu der epochalen Verbindung einer Sekte mit der Staatsgewalt gekommen sei. Obwohl er gänzlich auf seine sinologischen Gewährsmänner angewiesen war und daher solche nach heutigen Erkenntnissen unhaltbaren Sätze schreiben konnte wie 'die Heterodoxie wird gern als Taoismus bezeichnet', sprach er doch auch von dem 'von Orthodoxen und Heterodoxen gemeinsam geschaffenen spezifisch chinesischen Weltbild', eine Aussage, die der Sache sehr nahe kommt. Die Formulierungsweise Webers und die Inkonsistenz gerade in seiner Darstellung der Heterodoxie in China deuten darauf hin, dass er an der von ihm konsultierte Fachliteratur (vor allem J.J.M. de Groot) bereits erkannt hatte, dass der Heterodoxie-Begriff hier in einem anderen Sinne zu verwenden sei als in der abendländisch-christlichen Tradition. Weber war offenbar bewusst, dass die entscheidende Vergleichsebene zwischen Orient und Okzident die der unterschiedlichen Weltbildkonstruktionen und dabei vor allem das Gott-Mensch-Verhältnis zu sein habe. So stellt er zutreffend fest, dass bei Laozi 'jede religiös motovierte aktive Gegensätzlichkeit gegen die Welt' fehle. Es fehle 'überhaupt jene Spannung des Göttlichen gegenüber dem Kreatürlichen, wie sie nur durch die Festhaltung eines schlechthin überkreatürlichen, ausserweltlichen, persönlichen Weltschöpfers und Weltregenten garantiert worden wäre'. Es habe sowohl bei der 'chinesischen Religiosität in ihrer offiziellen staatskultischen' wie auch 'ihrer taoistischen Wendung jede Spur einer satanischen Macht des Bösen' gefehlt. Obwohl Webers Einschätzung der Rolle, die die heterodoxen Bewegungen in China bei der Propagierung einer abweichend orientierten Lebensmethodik hätten spielen können, grundsätzlich zuzustimmen ist, hat sich das Bild von solchen Bewegungen inzwischen doch beträchtlich erweitert. Dass es immer wieder neuem Wandel unterworfen wurde und gerade auch in China selbst nach wie vor strittig ist, hat seine hier nicht näher zu verfolgenden Ursachen. Das traditionelle China ist von manchen als in höchstem Masse intolerant und autoritär, von anderen wieder als äusserst aufgeschlossen und tolerant bezeichnet worden. Diese widersprüchlichen Auffassungen suchte Weber zu vereinigen, indem er einerseits sagte, 'die kaiserlichen Religionsedikte und selbst ein Schriftsteller wie Menzius [Mengzi] machten die Verfolgung der Ketzerei zur Pflicht', andererseits aber einräumte, dass 'die Mittel und die Intensität, auch der Begriff und das Ausmass des Ketzerischen wechselten'. Doch die Behauptung, die Verfolgung der Ketzerei sei zur Pflicht gemacht worden, mit der Weber eine Ansicht de Groots folgt, bedarf eingehender Erörterung. Max Webers Feststellung, dass im chinesischen Kaiserreich 'fast jede Rebellion mit einer Häresie verknüpft' gewesen sei, beruht vor allem auf den zumeist durch die konfuzianische Berichterstattung gefärbten Nachrichten über die sozialen Unruhen im späten Kaiserreich. Nun ist es aber durchaus strittig, ob Aufstandsbewegungen im traditionellen China wirklich die Herrschafts- und Gesellschaftsorganisation transzendierende Ziele verfolgten. Diejenige Aufstandsbewegung, von der Weber genauere Kenntnis besass, war die Taiping-Rebellion, deren Merkmale sich nur sehr begrenzt verallgemeinern lassen. Nun ist das Phänomen von Aufständen im traditionellen China so vielschichtig, dass hier nur auf einen Aspekt, nämlich den der Verbindung von ketzerischen Lehren und solchen Volksbewegungen, eingegangen werden kann, die sich auf solche beriefen oder mit ihnen in Zusammenhang gebracht wurden. Dass die Herausforderung ganz offenbar weniger in den Ideologien als vielmehr in der Organisiertheit lag, hatte übrigens Weber bereits erkannt, der drei Punkte als entscheidend herausstellt : Die Ketzer tun sich, angeblich zur Pflege tugendhaften Lebens, zu nichtkonzessionierten Gesellschaften zusammen, welche Kollekten veranstalten. Sie haben Leiter, teils Inkarnationen, teils Patriarchen, welche ihnen jenseitige Vergeltung predigen und das jenseitige Seelenheil versprechen. Sie beseitigen die Ahnentafeln in ihren Häusern und trennen sich zu mönchischem oder sonst unklassischem Lebenswandel von der Familie ihrer Eltern. Viele Rebellenführer haben nun tatsächlich behauptet, sie seien Inkarnationen Maitreyas, des Buddhas des letzten Weltzeitalters. Maitreya-Anhänger verbanden sich mit Anhängern der Weissen-Lotus-Schule des Reinen-Land-Buddhismus, die zeitweise einen 'Lichtherrscher' erwarteten, eine Vorstellung, die zweifellos unter manichäischem Einfluss zustande kam. Nun war es aber keineswegs so, wie de Groot behauptete und Weber übernahm, dass der orthodoxe Konfuzianismus erst durch seine despotische Unterdrückung die Rebllion herausgefordert habe. Vielmehr wurde zumeist sehr wohl zwischen harmosen Anhängern verschiedenster Kulte und Lehren einerseits und gefährlich erscheinenden Bewegungen andererseits unterschieden. Solange einzelne Schulen sich noch im Sinne von Familien oder Klanverbänden definierten, war ihr Anspruch gedeckt durch die herrschenden Sozialnormen. Eine Vereinigung jedoch, die ganz ausdrücklich auf Blutsbande als das konstituitive Element verzichtete, musste der imperialen Ordnungsvorstellung zuwiderlaufen. Die Gefahr, die bereits Laiengemeinschaften darstellten, wurde hierdurch noch gesteigert. Diesen Aspekt hatte Weber sehr deutlich erkannt, wenn er schreibt : "Wert und Würde der 'Persönlichkeit' wurden garantiert und legitimiert durch die Zugehörigkeit und Selbstbehauptung innerhalb eines Kreises spezifisch qualifizierter Genossen, nicht durch Blutsbande, Stand oder obrigkeitliches Diplom". 1983 Nathan Sivin : Max Webers Behauptungen über die chinesische Wissenschaft spiegeln den Forschungsstand, wie er 1910 erreicht war, so unzulänglich wider, dass er sich mit einer oberflächlichen Lektüre zu diesem Thema begnügt haben muss. Benjamin Nelson (1911-1977 Deutschland) : Professor of Sociology and History, New School for Social Research, New York Benjamin Nelson sagt, Weber ging nicht davon aus, dass ökonomische und technologische Veränderungen zwangsläufig grössere gesellschaftliche Wandlungsprozesse auslösen würden. Die Moderne ist nicht das Ergebnis eines linearen Zuwachses an Rationalisierung, sondern von suikzessiven 'charismatischen' Durchbrüchen zu neuen Formen der Rationalisierung. Wissenschaftliches Wissen kann unter beliebigen gesellschaftlichen Umständen entstehen ; in China war es sicherlich vorhanden, aber es entbehrte einer metaphysischen Grundlage – jedenfalls war dies die Schlussfolgerung Webers. Was den Wandel auslöst, ist die ‚technische Verwertung’ des Wissens, die durch den Kapitalismus zwar begünstigt werden mag, aber nur dann, wenn ‚universalisierende und unversalistische Weisen des Denkens und der Sensibilität’ existieren. Weber stellt allerdings nicht die Frag, wann diese auftreten und welche Prozesse zu ihnen führen. Für Weber waren vergleichende Untersuchungen unentbehrlich, um die Einzigartigkeit abendländischer Institutionen zu erklären. Sie ermöglichten eine Typologie der wechselseitigen Beziehungen von Ideen und Sozialstruktur. Noch elementarer : Man muss zunächst einmal wissen, was anderswo nicht vorhanden ist, wenn man – wie Weber in den Kriktischen Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik – die historische Einzigartigkeit der europäischen Kulturentwicklung durch vergleichende Untersuchung in den Blick bekommen will. Es ist keineswegs so, dass Europa die einzige Entwicklung aufwiese, die einer Untersuchung um ihrer selbst willen wert wäre ; aber Weber geht es um die Schaffung einer 'Wirklichkeitswissenschaft', deren Ziel das Verständnis der charakteristischen Einzigartigkeit der Wirklichkeit ist, in der wir uns bewegen. Das ist weder kulturelle Voreingenommenheit noch erheuchelte Unparteilichkeit. Aber es verleiht den geschichtlichen Realitäten Europas doch eine Schärfe, mit der verglichen die chinesische Zivilisation als exotisch erscheinen muss. Webers Tendenz, das Wort 'Konfuzianismus' zum handelnden Subjekt zu machen und als Kürzel für den Begriff 'herrschende gesellschaftliche und politische Kräfte' zu gebrauchen, was für den sinologischen Sprachgebrauch seiner Zeit kennzeichnend war. Sätze wie : 'Dem offiziellen Konfuzianismus fehlte natürlich das individuelle Gebet im okzidentalen Sinne des Wortes. Er kannte nur Ritualformeln' sind typische Fehlinformationen, die mit Trugschlüssen behaftet sind. Es gab im traditionalen China keine Wissenschaft, sondern nur Wissenschaften. Im Gegensatz zu dem Bild, das Weber sich anhand seiner Quellen machte, waren diese Wissenschaften genügend hoch entwickelt, um bis zum 17. Jahrhundert auf die gleiche Ebene mit ihren europäischen Pendants gestellt zu werden. Sobald Webers Blick sich auf China heftet, bleibt er rasch an der Elite und ihrem literarischem Erbe hängen – sowohl dem, das sie von Konfuzius, als auch dem, das sie von Laozi übernahm. Gelegentlich schweift sein Blick auch zu den äusseren Zonen der Gesellschaft – mit der Tendenz, die letzten zweitausend Jahre in eins zusammenfliessen zu lassen -, doch kehrt er schnell wieder fasziniert zum Irrationalismus und unerlösten Traditionalismus des Zentrums zurück, die nur der Schock der Verwestlichung zu durchbrechen vermochte. Hier sehen wir wieder Webers gesunde Instinkte verschüttet durch die Begrenztheit seiner Quellen. Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang seine Bemerkung, dass 'der Soziologe im wesentlichen auf die sicherlich sehr verschiedenwertige, aber schliesslich doch die relativ sichersten Erfahrungen in sich bergend Missionarliteratur angewiesen' sei. 1983 Shmuel N. Eisenstadt : In Konfuzianismus und Taoismus wird ein Rationalisierungsprozess für den Bereich der chinesischen Zivilisation untersucht. Das Werk ist zugleich eine eindrucksvolle Interpretation chinesischer Kultur und Geschichte. Hervorgehoben werden vor allem deren grosse institutionelle Komplexität, ihre nahezu einzigartige geschichtliche Kontinuität sowie ihre geringe innere Transformationsfähigkeit, d.h. der relativ geringe Umfang grundsätzlicher institutioneller Veränderungen in ihr. Diese Kombination von Komplexität, Kontinuität und mangelnder Transformationsfähigkeit wird von Weber auf zweierlei Weise erklärt : zum einen durch die Analyse der strukturellen Besonderheiten der traditionalen chinesischen Gesellschaft, wie etwa durch den patrimonialen Charakter von Staat und Bürokratie, durch das Fehlen städtischer Autonomie und durch die beherrschende Stellung des realtiv geschlossenen Verwandtschaftssystems ; zum anderen durch die Analyse der wichtigsten kulturellen Orientierungen in China – der konfuzianischen Orthodoxie und der taoistischen und – in geringerem Umfang – buddhistischen Heterodoxie – sowie ihrer hauptsächlichen Träger, der konfuzianischen Literaten und der verschiedenen Sekten. Das entscheidende Bindeglied zwischen der kulturellen Analyse und der Strukturanalyse bildet die grundlegende chinesische (oder jedenfalls konfuzianische) Weltorientierung sowie die soziale und Status-Orientierung der hauptsächlichen Träger dieser Weltorientierung. Sie war nicht – wie dies nach Weber für das Christentum im allgemeinen und den Protestantismus im besonderen zutraf – durch Weltverneinung und der mit dieser dialektisch eng verknüpften Weltkonstruktion geprägt, sondern vielmehr durch Weltanpassung. Die Wurzeln dieser anpassungswilligan Haltung scheinen nach Webers Interpretation in dem Umstand zu liegen, dass der Konfuzianismus als kulturelle Orientierung grundsätzlich keine transzendente Verankerung hat und deshalb nicht in Spannung mit und in Distanz zur Welt steht ; dass er vielmehr eine 'rücksichtslose Kanonisierung der Tradition’ ist ; oder, wie de Bary sagt, ‚eine völlig säkularisierte Tradition ohne prophetischen Eifer und moralische Dynamik'. Eben weil dem Konfuzianismus jegliche Konzeption einer höheren transzendenten Ordnung fehlte, war er, Weber zufolge, unfähig, jene komplexen religiösen Einstellungen und sozialen Handlungen – wie etwa Askese – aus sich zu erzeugen, die Weltverneinung und damit eine Neustrukturierung des Weltverhältnisses oder eine 'Eroberung' der Welt hätten entstehen lassen können. Dies wiederum hing mit Webers Auffassung vom relativen Immobilismus der chinesischen Geschichte zusammen – eine Auffassung, die seiner oft kritisierten Tendenz entsprach, unterschiedliche Perioden dieser Geschichte in einen Topf zu werfen - , aber auch mit dem weitgehenden Fehlen transformativer Veränderungen in der chinesischen Gesellschaft, die es zu keinen institutionellen Neuerungen gebracht und insbesondere keine kapitalistische Zivilisation entwickelt hat. Das Vorherrschen ritueller Praktiken und die Bedeutung humanistischer Gelehrsamkeit im konfuzianischen (und bis zu einem gewissen Grad auch taoistischen) Kodex sowie die Statusorientierung der Literaten, vor allem ihre Orientierung am Staatsdienst und an der humanistischen, weltlichen Persönlichkeitsbildung waren in Webers Augen die wichtigsten Ursachen für die chinesische Tendenz der Weltanpassung. So formuliert, zeigt seine Analyse aber einen grundsätzlichen Widerspruch : einerseits wird China in die Reihe jener Zivilisationen aufgenommen, bei denen der Prozess der Rationalisierung religiöser Orientierungen stattfand ; andererseits bestreitet Weber in den Details seiner Analyse, dass bestimmte wesentliche Manifestationen einer solchen Rationalisierung in China exisitiert hätten. Weber selbst scheint sich dieses Widerspruchs nicht bewusst gewesen zu sein, und in den konkreten Details seiner Arbeit geht er davon aus, dass eine transzendent begründete Spannung zur Welt in China entweder ganz gefehlt hat oder nur schwach ausgeprägt war. In den meisten Stellungnahmen zu Weber findet man auf der einen Seite eine hohe Einschätzung von seiner Fähigkeit, die Grundzüge der chinesischen Geschichte und Zivilistion zu analysieren und ihre Hauptprobleme zu identifizieren, während auf der anderen Seite seine konkreten Analysen dieser Probleme kritisch beurteilt werden. Das Lob für die Webersche Analyse gründet sich vor allem auf die Erkenntnis, dass es ihm gelungen ist, diejenigen Elemente oder Komponenten der chinesischen Sozialstruktur namhaft zu machen und herauszuarbeiten, die entscheidend sind für das Verständnis der chinesischen Zivilisation als einer grossen Zivilisation, in der Rationalisierungstendenzen nachweisbar sind. Diese Elemente oder Komponenten unterscheiden sich im Prinzip natürlich nicht von jenen, die Weber bei der Interpretation anderer Zivilisationen hervorhebt und die mit seinen allgemeinen analytischen Orientierungen zusammenhängen. Es sind die in einer Zivilisation vorherrschenden kulturellen Grundorientierungen ; deren Auswirkung auf die Gestaltung des Institutionengefüges ; die Träger dieser Orientierungen (die konfuzianischen Literaten und die Bürokratie) ; die interne Zusammensetzung und die soziale Orientierung dieser Träger sowie die Kontrollmethoden, die sie ausüben ; die Art der Arbeitsteilung, etwa zwischen Stadt und Land ; die Struktur der grossen Märkte ; das Agrarsystem und anderes mehr. Es ist vor allem die Analyse dieser Aspekte der chinesischen Geschichte und Zivilisation, die Weber grosses Lob eingetragen haben. Als Kontrapunkt zu diesem Lob, entzündete sich aber viel Kritik, nicht nur an den Einzelheiten der Weberschen Analyse – Kritik, die durch den einfachen Fortgang der historischen Forschung unvermeidlich ist -, sondern auch an manchen seiner Interpretationen der zentralen Elemente der chinesischen Sozialstruktur. Weber irrte, wenn er die entscheidenden Komponenten der chinesischen Gesellschaft und Zivilisation sowie ihre wechselseitigen Beziehungen in einer Weise interpretierte, die auf Gebilde wie etwa das alte Ägypten oder auf südostasiatische Königreiche, nicht aber auf China passt. Wir müssen uns mit Webers Grundproblem auseinandersetzen, obgleich unser heutiges Bild von China von dem seinen erheblich abweicht. Die Lösung dieses Rätsels oder Widerspruchs hängt aufs engste mit dem Widerspruch in seiner Analyse Chinas zusammen. Webers Hauptirrtum lag in seiner Interpretation der Grundimplikationen der konfuzianischen (taoistischen) kulturellen Orientierung, vor allem aber darin, dass er das Vorhandensein eines wie immer gearteten Spannungsverhältnisses zur Welt in diesen Orientierungen bestritt. Dass Weber den Unterschied zwischen dem Fehlen eines transzendent begründeten Spannungsverhältnisses und einer innerweltlichen Lösung dieser Spannung nicht erkannt hat, gibt uns einen Hinweis darauf, wie wir sein Werk bewerten, seine Irrtümer wie seine Einsichten verstehen sollten. Die innerweltliche Lösung war für die chinesische Zivilisation kennzeichnend, und sie bietet den Schlüssel zur Neuinterpretation sowohl der Gesamtgestalt der chinesischen Gesellschaft und Zivilisation als auch der Eigenart ihrer wesentlichen Komponenten. Erst die volle Explikation dieser Perspektive führt zu einer Interpretation der chinesischen Zivilisation und Geschichte, die zwar Webers Methode, seiner Vision und seinen analystischen Einsichten treu bleibt, die aber zugleich die entscheidende Kritik an den konkreten Einzelheiten seiner Interpretation in sich aufnimmt und die darüber hinaus erkilärt, warum in China – im Unterschied zu den rein buddhistischen Zivilisationen – die Begegnung mit der Moderne, die von aussen kam, eine revolutionäre Transformation erzeugte – eine Tatsache, die ebenfalls jenseits des Horizonts der Weberschen Analyse zu liegen scheint. Weber wusste um die Bedeutung der Sekten in China. Er sah jedoch nicht klar genug, dass diese Bewegungen durchaus eine starke Wirkung auf das Zentrum haben konnten und oft mit einem erheblichen Veränderungspotential ausgestattet waren – ein Umstand, der dem Zentrum durchaus nicht entging. Zwar trifft es in Übereinstimmung mit der Hauptrichtung der Weberschen Analyse zu, dass es keiner dieser Bewegungen im kaiserlichen China gelang, die fundamentalen ideologischen und institutionellen Prämissen der konfuzianisch-legalistischen Zivilisation und politischen Ordnung zu unterminieren. Aber der Grund hierfür liegt nicht in ihrem mangelhaften Veränderungspotential oder in der vermeintlichen 'Traditionalität' des Zentrums, sondern in den sehr ausgeklügelten und komplexen Kontrollmechanismen, die von den herrschenden Koalitionen angewandt wurden und die von dem hohen Mass an Nicht-Traditionalität und Reflexivität in der chinesischen Zivilisation und politischen Ordnung zeugen, von Zügen also, die auf mancherlei Weise dem Bild Chinas als einer patrimonialen Gesellschaft, das aus Webers Analyse abzuleiten ist, zuwiderlaufen. |
|
27 | 1983-1988 |
Gransow, Bettina. Die chinesische Rezeption der Werke Max Webers in den 80er Jahren [ID D4257]. Bettina Gransow : Die chinesische Max Weber-Rezeption erfolgt weitgehend über die USA mit englischsprachigen, ergänzt durch japanische und deutsche Übersetzungen. So z.B. Übersetzungen von Talcott Parsons und Hans-Heinrich Gerth, was möglicherweise zu Missverständnissen über Webers Auffassungen geführt hat oder zu anderen Fehlerquellen der Übersetzung und Interpretation. Der Schwerpunkt der Übersetzungen liegt auf religionssoziologischen Schriften wie Protestantische Ethik und Konfuzianismus und Taoismus, wenngleich auch ein zunehmendes Interesse an Webers Herrschaftssoziologie und Bürokratietheorie, sowie an seinen wissenschaftstheoretischen Ausführungen zu beobachten ist. Die Fragestellung einer 'konfuzianischen Modernisierung', die nun an das Werk Webers herangetreten ist, ist sowohl Ausdruck wie auch Ursache eines selektiven Importes seiner Werke nach China. Die mangelnde Textnähe ruft Kritiker auf, die dies bemängeln. Gu Zhonghua versucht selbst eine Antwort auf die Frage nach der Vermittlung von Konfuzianismus und ostasiatischer Modernisierung nicht gegen, sondern mit Weber zu finden. Die Weber-Rezeption in Taiwan ist eingebunden in die sozialwissenschaftlichen Theoriediskussionen der westlichen Welt. Zugleich sind Abgrenzungsbestrebungen gegenüber einer dominant amerikanischen Sozialwissenschaft offensichtlich. Die Diskussionen um eine Sinisierung der Sozialwissenschaften und der Soziologie, die vor dem wissenschaftlichen und politischen Hintergrund Taiwans (Abbruch der diplomatischen Beziehungen 1979) zu erklären sind, beeinflussen die Art und Weise des Umfangs mit Weber. Das Verhältnis von Konfuzianismus und Kapitalismus ist zentraler Diskussionspunkt. Auch in der Volksrepublik wird diese Fragestellung aufgegriffen, hier jedoch sehr viel allgemeiner als das Verhältnis von chinesischer Kultur und Modernisierung formiliert, wobei es insbesondere Abgrenzungen gegenüber einer Gleichsetzung von Konfuzianismus und chinesischer Kultur gibt. Die grundlegenden Fragen, die in der Vorlksrepublik gerichtet werden, stehen im Zusammenhang mit der Reformpolitik und lauten : Wie lassen sich die Aussagen Webers über das Verhältnis von Kultur und Modernisierung für eine umfassende wirtschaftliche und politische Modernisierungsstrategie fruchtbar machen ? Was sagt Weber über die Hemmnisse aus, die der Modernisierung in China gegenüberstehen, und wie sind seine Argumente zu bewerten ? Hier ist die Weber-Rezeption eingebettet in den Kontext der Öffnungspolitik, eingebettet in die Anfänge einer Rezeption westlicher soziologischer Theorien überhaupt, nachdem die Soziologie selbst rund dreissig Jahre lang verboten war und Weber als 'bürgerlicher' Wissenschaftlicher nicht zur Kenntnis genommen worden war. |
|
28 | 1985 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (3) Yu, David C. Confucianism, maoism, and Max Weber [ID D18851]. David C. Yu schreibt : Weber's concept of transcendence can be stated as follows : a monotheistic, personal God of creation who is the anchorage of man’s actions and thought, who speaks through prophets for readical and moral actions capable of social transformations, and whose ultimate character, on which human salvation depends, is 'irrational'. According to Weber, heaven (tian) is 'not a supra-mundane lord creator, but a supra-divine, impersonal, forever idetnical and eternal existence'. Also, 'the impersonal power of heaven did not speak to man', it only manifests itself through ntaure, society, and man. Heaven or dao was not a 'cause' but, as Weber said, 'simply the embodiment of the binding, traditional ritual, and its command was not action but emptiness'. Thus in confucianism 'all transcendental cnchroage of ethics, all tension between the imperatives of a supra-mundane God and a creatural world, all orientation toward a goal in the beyond, and all conceptions of radical evil, were abent'. These quotes and his many other references to the confucianism concept of heaven clearly show that for him confucianism lacks a conception of transcendence. This resulted in confucians’ emphasis upon adjustment to the world. By contrast, the puritans were compelled by their God of irrationality to change the world by mastering it. Weber's proposition that confucianism lacks transcendence is valis only if it is taken to mean that there is a lack of a theological concept of a creator-personal God. But to say that there is no such theological concept does not exclude the experience of sensing the deity in practice. Weber seems to have confused the absence of this concept of a personal God with the inability to sense him. Thus by giving exclusive attention to the imperonal character of heaven, Weber neglected to look into the real significance of sacrifice and rituals in confucianism, where transcendence is to be found. On the other hand, Weber’s delineation of the impersonal character of heaven is for him methodologically valid. It is largely through such an understanding that he was able to construct a confucian world view that emphasizes adjustment to the world, living in harmony with man and nature, adherence to the attitude of rational resignation, and enjoyment of an ideal life of honor and scholarly cultivation. But and large, this does represent the confucian way of life for the literati. Weber made many references to the Chinese patrimonialist administration, its patrimonialist bureaucrac ies or patrimonialist administrative staff. Although Weber recognized the confucian type of rationality, he also noted that the confucian scholars tolerated magic, which was contrary to prophetic religion. It should be noted that in Weber’s comparison of confucian and puritan rationalism, he was using these two empirical phenomena to elucidate the differences between prophetic religion and contemplative religion as two ideal types. Weber is right in his observation that the confucian scholar-officials tolerated magic in the form of rites and ceremonies. But at this point his comparison between confucian and puritan rationalism becomes both revealing and problematic. Revealing, because Weber saw that magical rites were a major obstacle to the development of a rational economy in China. Thus, despite the fact that China did have the material potential to develop a capitalist system of her own, she never even reached certain aspects of development comparable to late-Medieval Western Europe. By contrast, because of the puritans’ intolerance of magic, they resorted to ethical rationality and a ‘matter-of-fact’ attitude toward economic enterprises which contributed to the rise of Western capitalism. Problematic, because according to Weber's constructed models, magic and ethical prophecy are antithetic. But post-Weber research has offered new insights into the meaning of rituals which were not available to him. In essence, rituals provide a sacred mode of existence that compensates and transcends the profane or daily life in the community. Perhaps Weber's view that there was never 'an ethical prophecy of a supra-mundane God' in confucian China should be understood to mean that ethical prophecy was never a dominant Chinese religious phenomenon. It can be anticipated that as we know more about neo-confuianism and daoism, we sahll be on a firmer ground to delineate the prophetic role in Chinese religion. Although Weber toot the view that prophecy is essentially anti-magical, he also said that prophets at times used magic to authenticat their charisma. He even went so far as to say that the legitimacy of Jesus' special relation to God is based upon the 'magical charaisma he felt within himselfs. He certainly was aware that magical attitudes persist even in the secularized society of the modern West. In light of these observations by Weber, there may be room in his thought for a reinterpretation of the concept of magic as a complement to prophetic rationality. Weber's notion of morality implies his concepts of transcendence and prophecy. He was thinking about the prophetic morality which disregards the differences between the 'insiders' and the 'outsiders' ; it is universal and has no respect for particular persons or groups. According to Weber, confucianist morality is natural, not based upon some agent beyond this world ; it is a harmony by emphasizing adjustment ; it is formalistic, external, and personal, not derived from one’s convictions but merely conforming to social prescriptions and is tied to 'blood and soil'. This type of morality, perpetuating a false sense of security and order, as manifested in the Chinese patrimonialist society, simply dies not have the potential for radical social and economic changes. Weber’s observations of the confucianist morality were based primarily upon his understanding of the concept of 'li'. 'Li', whether as ceremonial words, acts, mores, or acts and words of propriety, was mainly understood by Weber as something that is 'ascribed' to the confucian rather than someting that is 'achieved' by him. Weber probably had the lower-rank bureaucrats of Chinese traders in mind in his interpretation of the concept of 'li'. He neglected to study 'li' in relation to the religious virtuosi, the confucians who were committed to confucianism as a matter of life and death. He was certainly near the truth in perceiving 'li' as the central factor which caused the confucian morality to emphasize harmony. This whole issue is also closely related to his thesis that confucians lacked tensions between deity and nature. The outcome of Weber's analysis, that the confucians did not have moral tensions, was in part due to his treatment of 'li' in isolation from the neo-confucian concept of 'dao' or the confucian concept of 'tian'. It has been pointed out that rationality in Weber’s sociology is both a pervasive and an ambiguous concept. For the purpose of relating Weber's notion of rationality to confucianism, his two concerns are relevant : one ist that Occidental rationality based upon scientific-technological calculation has resulted in the total disenchantment of the Western world. Another is Weber's analysis of the relation between bureaucratic routinization and personal charisma. Weber's evalution of confucian rationality can be summarized as follows : a) Although rationality can be observed in such confucian institutions as humanistic education, the civil service examination, and bureaucracy, it was greatly handicapped by the domination of the clan system, which emphasized personalism and familialism in human relations. The clan system conditioned the Chinese formal law and moral principles and caused Chinese bureaucracy to be patrimonialist. b) Because the formal lasw and the rules of administration governing the bureaucracy in China contained particularism and personalism, they created protectionism and favoritism in economic matters. This hindered the Chinese from developing a free-market labor selection, which is essential for the development of a rational type of economic capitalism. c) Confucian bureaucrats acquired their income primarily through the prebendary system, according to whicvh their actual income depended upon the balance between the total collected revenues and waht was left after the required amounts were delivered to the state. d) Confucianism promoted humanistic education as the qualification for office. Consequently, the scholar-officials were essentially geneeralists, gentlemen who loathed specializations. Confucianism, like islam and catholicism, historically had a low estimation of merchants. The Confucians’ self-conception as gentlemen together with their low opinion of the merchants could not have generated the kind of incentives required for the development of the Western type of capitalism. Weber's judgment that personal relations prevailed in confucian bureaucracy and that the clan system dominated Chinese society was more applicable to and characteristic of the local bureaucracy than the national scene. This also implies that national bureaucracy in China was more rational, in the Western sense, than the local organizations. Weber recognized that there was formal law governing the Chinese officials, although it contained particularism and personalism. Weber’s position that the Chinese formal law was not pure. He seemed to define formal law strictly in the Western legal-rational sense. It was on this model that he judged the confucian formal law as deficient in rationality. But there is no reason why 'formal law’ which contained moral norms can also be considered as formal : it can be called 'traditional formal law' in contrast to the 'juridic formal law' of the West. When Weber was deliberating about the deficiency in rationality in Chinese law, he was unaware that here was a fertile filed to explore the possibility of moral tensions in confucianism : the confrontation between the demand of the formal law and the demand of moral norms in decision-making by the confucian officials. Such tension must have been experienced by the conscientious confucian bureaucrats with religious virtuosity. |
|
29 | 1986 |
Weber, Max. Xin jiao lun li yu zi ben zhu yi jing shen. Makesi Weibo zhu ; Huang Xiaojing, Peng Qiang yi [ID D18917]. Rolf Trauzettel : Diese Übersetzung löst eine grössere Intensität der Diskussion über den Problemkomplex in China aus. Auffällig dabei ist jedoch das Absehen von einer methodologischen Kritik auf philosophischer oder soziologischer Ebene. Die heftigsten Kontroversen entzünden sich an den Vergleichen zwischen okzidentaler (christlicher) und chinesischer (besonders konfzianischer) Ethik. Es wird in dieser Frage aber meistens übersehen, dass Weber keineswegs eine umfassende Kulturanalyse Chinas liefern wollte, sondern, er hat lediglich das untersucht, was seiner Meinung nach 'im Gegensatz stand und steht zur okzidentalen Kulturentwicklung'. |
|
30 | 1987 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (4). Song, Du-yul. Aufklärung und Emanzipation [ID D17353]. Song Du-yul schreibt : Der Kapitalismus, den Max Weber als ‚schicksalvollste Macht unseres modernen Lebens bezeichnet, ist nach ihm ein räumlich und zeitlich begrenztes, spezifisch weltgeschichtliches Phänomen, das des 'modernen okzidentalen Rationalismus'. Weber stellt die Frage : "Warum taten die kapitalistischen Interessen das gleiche nicht in China oder in Indien ? Warum lenkten dort überhaupt weder die wissenschaftliche noch die künstlerische noch die staatliche noch die wirtschaftliche Entwicklung in diejenigen Bahnen der Rationalisierung ein, welche dem Okzident eigen sind ?" Weber greift auf die Differenz der Lebenszüge in den modernen okzidentalen im Gegensatz zu solchen in anderen Kulturkreisen zurück. Als einen Leitfaden bei der Antwort auf diese Frage, sieht Weber die 'Kausalbeziehung' zwischen Religion und Wirtschaft und sozialer Schichtung ihrer Umwelt in seiner Religionssoziologie. Weber fragt nicht nach dem Wesen, sondern nach der Funktion der Religion innerhalb der Gesellschaft : "Allein wir haben es überhaupt nicht mit dem Wesen der Religion, sondern mit den Bedingungen und Wirkungen einer bestimmten Art von Gemeinschaftshandeln zu tun". Darum legt er den Schwerpunkt seiner religionssoziologischen Untersuchung auf die Systematisierung des Glaubens, d.h. religiöse Rationalisierung. Er unterteilt die chinesischen Religionen in zwei Kategorien : Orthodoxie (Konfuzianismus) und Heterodoxie (Taoismus und Mahajana-Buddhismus). Weber greift die diesseitig orientierte konfuzianische Rationalisierung des Glaubenssystems und ihre Stellung zur Welt auf und beschreibt die Unterschiede zwischen Konfuzianismus und Puritanismus : Nur die über weltlich orientierte puritanische rationale Ethik führte den innerweltlichen ökonomischen Rationalismsus in seinen Konsequenzen durch, gerade weil ihr an sich nichts ferner lag als eben diese, gerade weil ihr die innerweltliche Arbeit nur Ausdruck des Strebens nach ihrem transzendenten Ziel war. Die Welt fiel ihr, der Verheissung gemäss, zu, weil sie 'allein nach ihrem Gott und dessen Gerechtigkeit getrachtet' hatte. Denn da liegt der Grundunterschied dieser beiden Arten von 'Rationalismus'. Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritaniasche Rationalism : rationele Beherrschung der Welt. Weber will sich eigentlich in seiner Religionssoziologie nicht mit der ‚Wesensfrage’ beschäftigen und behandelt daher nur die 'psychologischen' und 'pragmatischen' Zusammenhänge zwischen Religion und 'Handeln' ; trotzdem scheint seine Religionstheorie im Grunde in den Bahnen der abendländischen Substanzmetaphysik, d.h. der Dichotomie von Substanz und Form, zu bleiben. Er sieht in der 'chinesischen universistischen Philosophie' einen Versuch, die Welt in einen 'Zaubergarten' zu verwandeln. Ferner hebt er im Zusammenhang mit der 'Entzauberung der Welt' die Stellung des Konfuzianismus zur Magie hervor : "Während der Konfuzianismus die Magie in ihrer positiven Heilsbedeutung unangetastet liess, war hier [Protestantismus] alles Magische teuflisch geworden, religiös wertvoll dagegen nur das rational Ethische geblieben : das Handeln nach Gottes Gebot, und auch dies nur aus der gottgeheiligten Gesinnung heraus. Es ist nach der Darstellung wohl völlig klar geworden : dass in dem Zaubergarten vollends der heterodoxuen Lehre (Taoismus)… beim Fehlen aller naturwissenschaftlichen Kenntnis, bei der Verpfründung, der Stütze der magischen Tradition… eine rationale Wirtschaft und Technik moderner okzidentaler Art einfach" ausgeschlossen war. Die Erhaltung dieses Zaubergartens aber gehörte zu den intimsten Tendenzen der konfuzianischen Ethik. Im Konfuzianismus gibt es wegen der fehlenden Überweltlichkeit der ethischen Prophetie keine messianische Hoffnung auf die 'absolute Utopie' und auch keinen dionysischen Pathos. Der Konfuzianismus kennt nur das diesseitig-konkret orientierte 'rational sozialethische System'. Darum ist dieses konfuzianische Ideal in der humanistischen Bildungsidee ausgeprägt. Zu Recht macht Weber auf diesen Habitus des konfuzianischen 'Pragma' in der literarischen Schulung aufmerksam. In Bezug auf die chinesische höchste Idee des Edlen, charakterisiert er diesen Habitus durch einen Passus des Konfuzuius : "Ein Vornehmer ist kein Werkzeug". Hier betrachtet er das Fehlen der 'rationalen Fachspezialisierung' als notwendige Folgerung aus dieser chinesischen Kulturidee : "Reichtumserwerb würde Konfuzius an sich nicht verschmähen, aber er schien unsicher und konnte daher zur Störung des vornehmen Gleichgewichts der Seele führen und alle eigentliche ökonomische Berufsarbeit war banausisches Fachmenschentum. Der Fachmensch aber war für den Konfuzianer auch durch seinen sozialutilitarischen Wert nicht zu wirklich positiver Würde zu erheben". Weber behandelt weiter die Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Problem des 'Geistes' des Kapitalismus in dem religiösen Rationalisierungsprozess stellen. Ein Glaubenssystem oder eine Wissensform wie der Konfuzianismus, der keine, oder Taoismus und der Buddhismus, die nur die exemplarische Prophetie kennen, ist gerade der Gegenpol zur protestantischen 'innerweltlichen Askese', die durch 'ethische Prophetie' das Leben 'rational' reglementiert. Während die religiöse Pflicht gegen den überweltlichen, jenseitigen Gott im Puritanismus alle Beziehungen zum Mitmenschen : auch und gerade zu dem in den natürlichen Lebensordnungen ihm nahestehen, nur als Mittel und Ausdruck einer über die organischen Lebensbeziehungen hinausgreifenden Gesinnung schätzte, war umgekehrt die religiöse Pflicht des frommen Chinesen gerade nur auf das Sichauswirken innerhalb der organisch gegebenen persönlichen Beziehungen hingewiesen. Weber kennt nur ein Weltbild des bürgerlich-kapitalistischen Okzidents : "Wir rücken mit beängstigender Schnelligkeit dem Zeitpunkt entgegen, an dem die Ausdehnung der Versorgung asiatischer halbgebildeter Völker ihr Ende gefunden hat. Dann entscheidet über den auswärtigen Markt weiter nichts als die Macht, als die nackte Gewalt". Die Religionssoziologie Webers zielt auf eine Kausalität zwischen der asiatischen Religiosität und der Unfruchtbarkeit des 'Geistes' des Kapitalismus mit Hilfe einer christlich-abendländischen Dichotomie von Substanz und Form. Die politische Ordnungsspekulation Chinas, die kosmometaphysische Identifizierung der gesellschaftlich-staatlichen Ordnung mit der kosmischen Harmonie beschreibt Weber, indem er den Modus der Herrschaft in der traditionalen Gesellschaft darstellt. Als Ergebnis seiner Analyse sieht er eine doppelte Herrschaftsrolle des Kaisers, der zugleich 'Oberlehnsherr' und 'legitimierter Oberpriester' ist. Er begreift zwar die historische Erscheinung der Herrschaftsform als idealtypisch-begriffsmässig, jedoch kann man nur einige historische Teilaspekte entnehmen. Auf die Genesis des Lehenswesens bezogen, in dem der Kaiser der 'Oberlehnsherr' ist, stellt Weber den Entwicklungunterschied der Herrschaft der asiatischen und der okzidentalen Gesellschaft folgendermassen dar : "Soviel ersichtlich, war das politische Lebenswesen in China nicht primär mit der Grundherrschaft als solcher verknüpft. Sondern beide sind aus dem 'Geschlechterstaat' erwachsen, nachdem die Häuptlingssippen den alten Banden des Männerhauses und seiner Derivat sich entzogen hatten. Der Gegensatz gegen den Okzident war natürlich in mancher Hinsicht relativ, aber in seiner Bedeutsamkeit immerhin nicht gering. Im Okzident war die Erblichkeit der Lehen erst Entwicklungsprodukt". "Sklaverei hat es in China zu allen Zeiten gegeben. Ihre ökonomische Bedeutung aber scheint nur in den Zeiten der Akkumulation grosser Geldvermögen durch Handel und Staatslieferungen : als Schuldsklaverei oder Schuldhörigkeit, wirklich erheblich gewesen zu sein". Nach dem Sturz des Feudalismus folgt die mit der Zentralgewalt eingeführte bürokratische Herrschaftsordnung. Hier sieht Weber eine spezifische Eigenschaft der Wasserbauwirtschaft der asiatischen Gesellschaft. Nach ihm stützt sich der Legitimitätsanspruch der 'rationalen' Herrschaft nicht auf materiale Werte, sondern auf den Formalismus des Zustandekommens der Regeln. Er unterscheidet die patrimonialbürokratische Herrschaftssturktur von der legalen. Diese Unterscheidung beruht vor allem auf der Differenz in der Qualifizierung der Beamten und in den Rechtsnormen- und institutionen. Im Gegensatz zum unpersönlichen Instanzenzug der modernen 'Fachbürokratie' sieht Weber einen standesethischen 'Personalismus' in der chinesischen Beamtenregierung. Insofern ist dieser Typus nach ihm blosses ‚Patrimonialbeamtentum’, weil dieser Herrschaftstypus in der Gebundenzeit durch traditionelle Autoritätsverhältnisse steht. Er charakterisiert die Herrschaftsstruktur im traditionellen 'Patrimonialbeamtentum' nach der abendländischen Vorstellung von Herr und Knecht, Befehlender und Gehorchender, Herr und Untertan. Weber analysiert die traditionale Gesellschaft, d.h. die 'nichtlegitime Herrschaft' (Stadt). Er unterscheidet die Stadt vom Dorf so : "Bauern wohnten zahlreich in den Städten, dies also meist 'Ackerbürgerstädte' waren, so besteht nur der verwaltungstechnische Unterschied : Stadt gleich Mandarinensitz ohne Selbstverwaltung. Dorf gleich Ortschaft mit Selbstverwaltung ohne Mandarinen". Aus der blossen 'Verwaltungstadt' folgert Weber eine politische Bedeutung, die sich von den okzidentalen Städten unterscheidet : "Der Grundgegensatz der chinesischen, wie aller orientalischen, Städtebildung gegen den Okzident war das Fehlen des politischen Sondercharakters der Stadt. Die Städte im Okzident könnten die Grundlage für eine 'bürgerliche Demokratie' schaffen. Diese freie Atmosphäre der Stadt besonders im bürgerlichen Zeitalter ermöglichten die Rationalisierung des Privatrechtsverkehrs und die Institutionalisierung der Öffentlichkeit". Den ganz anderen Entwicklungsweg der Städte in der traditionalen asiatischen Gesellschaft erklärt Weber aus der wichtigsten Tatsache, dass die ‚totemistische, ahnenkultische und kastenmässige Klammer der Sippenverbände’ die Stadt mit dem Land eng verbindet. Trotz der Zunft- und Gildewesen in diesen traditionalen Städten scheitert die Stadtbildung an der Unfähigkeit, ein Bürgertum zu etablieren : einmal an der politisch beschränkten Selbständigkeit und zum andern an der engen Verbundenheit von Stadt und Land. |
|
31 | 1987 |
Yü, Yingshi. Zhongguo jin shi zong jiao lun li yu shang ren jing shen [ID D18959]. Yü schreibt : Ich will natürlich nicht sagen, dass chinesische und protestantische Ethik im Grund gleich seien, ich möchte nur betonen, dass, was den 'Idealtypus' betrifft, die von Max Weber entworfene ‚innerweltliche Askese’ auch auf die chinesische Religion passt. Die Unterschiede zwischen den beiden sind nur graduell. Solange wir Webers Idealtypus nicht neu konstruieren, können wir sein ursprüngliches Konzept nicht weiter als effektiven Massstab zur Abgrenzung von Konfuzianismus und Protestantismus verwenden. Die Nichtentwicklung des Kapitalismus in China gründe darin, dass Chinas Politik und Recht noch keinen Rationalisierungsprozess durchlaufen haben. Das wäre natürlich eine Webersche Antwort. Rolf Trauzettel : Yü stellt die Webersche Frage nach der 'innerweltlichen Askese' an die betreffenden chinesischen Quellen. Seine Verwendung des Kulturvergleiches kommt der Vorgehensweise Webers recht nahe, was sich darin äussert, dass er hauptsächlich diejenigen Aspekte in Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus erfasst, die in Beziehung zur protestantischen Ethik gesetzt werden können. Yü erkennt einerseits an, dass und wie Webers Studie zur protestantischen Ethik die materialistische Geschichtssicht 'kraftvoll widerlegt', so drückt er sich aus, andererseits ist er überzeugt, Webers Thesen zur konfuzianischen und taoistischen Ethik zurückgewiesen zu haben. Missverstanden hat Yü entscheidende Züge von Webers Rationalitätskonzeption, speziell diejenigen, die die rationale Durchdringung der Lebenswelt beinhalten. Der Begriff Webers von der 'rationalen Lebensmethodik' taucht in Yüs Buch überhaupt nicht auf, und zum anderen scheint mir eine seiner Methoden bedenklich, insofern er die Weberschen Teoreme nicht als Endpunkte und Resümees historisch-konkreter Entwicklungsinhalte begreift, sondern gerade von diesen stark abstrahiert. Er will damit die in Webers Komparatistik aufgestellten Typen und Begründungsketten auf allgemeingültige, nicht-spezifische Elemente reduzieren und übersieht dabei, dass zu weit getriebene Reduktion zu Elementen führt, die zugleich alles und damit nichts erklären. |
|
32 | 1988 |
Yang, Junshi ; Du Nienzhong. Ru jia lun li yu jing ji fa zhan. [ID D18961]. Rolf Trauzettel : Yang folgt in seiner Frontstellung gegen Max Weber auch dessen westlichen Kritikern und nicht nur aufgrund von dessen Konfuzianismus-Interpretation. In bezug auf diese nun bemängelt er vor allem, dass Weber die (allerdings von der chinesischen Anthropologie getroffene) Einteilung in eine ‚Grosse Tradition’ und eine 'Kleine Tradition' kritiklos übernommen und damit deren Besonderheiten übersehen habe. Den Chinesen nämlich sei es ja möglich, mehrere Religionen für sich in Anspruch zu nehmen, sich also je nach Anlass oder Situation des konfuzianischen, taoistischen oder buddhistischen Rituals zu bedienen. Die Wirkungen der verschiedenen Religionen seien deshalb wissenschaftlich kaum zu eruieren. |
|
33 | 1989 | Tagung über Max Weber und die Modernisierung Chinas unter Wolfang Schluchter und Wang Rongfen. Die Tagung konnte wegen Tiananmen nicht in Beijing stattfinden, ersatzweise wurde sie in Bad Homburg zum Tagungsort. |
|
34 | 1990 |
Chen, Qineng. Recent studies of Max Weber in the People's republic of China. [Referat Symposium in Bad Homburg]. Chen schreibt über Webers 'Konfuzianismus und Taoismus' : As a comparative study of religion, the books was aimed at analysing why that capitalism 'did not take place' in China. However, Weber examined mostly orthodox confucian political thoughts, which were not comprehensive confucianism. Recent cultural interpretations of the economic miracles in East Asia show that, to analyse the confucian capitalism in East Asia, one must start with pritivie confucian thoughts (before the Qin dynasty) in order to expose the intrinsic links between confucian ethic and Oriental capitalism. Surely this opinion is not final. Many problems need more discussion. For example, did Weber really treat confucian ethic as the fundamental reason that inhibited capitalism to take place in China ? Some scholars think that, the conclusion of the 'Confucianims and taoism' is that on the special sociological foundation in China, the confucian ethic was not agreeable with capitalist spirit. This is one of the reasons that modern capitalism in the western style did not develop in China. Only one of the reasons. The most important is, that Weber did not intend to explain why that capitalism did not develop in China, but to verify his proposition on the protestant ethic from the angel of China. |
|
35 | 1995 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (5). Näth, Marie-Luise. Die Volksrepublik China in Deutschland [ID D241] Marie-Luise Näth schreibt : In der Staatslehre aller asiatischen Kulturen vermisst Weber 'eine der aristotelischen gleichartige Systematik und rationale Begriffe überhaupt', ebenso in allen Ansätzen einer Rechtslehre und in allen Gesetzeskodifizierungen 'die streng juristischen Schemata und Denkformen des römischen und des daran geschulten okzidentalen Rechtes'. Ähnliche Beobachtungen macht Weber für den Bereich der Kunst, insbesondere der Musik und der Architektur, hinsichtlich der Drucklegung von Literatur, sowie für das Erziehungswesen. Webers China-Studien sind Bestandteile einer breitangelegten Untersuchung von Rationalisierungsvorgängen innerhalb verschiedener, von Weltreligionen (Christentum, Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Islam) gestifteter Kulturen. Um die Rationalisierung der Chinakunde zu begreifen, haben wir uns klarzumachen, dass sie, abgesehen von Webers sprachlicher Unkenntnis und fachlichen Unzulänglichkeiten, mit einer von ihrem Verfasser bewusst in Kauf genommenen dreifachen Voreingenommenheit behaftet ist. Es ist die Voreingenommenheit einer Methode, die ihre asiatischen Untersuchungen für einen Europa betreffenden Erkenntniszweck instrumentalisiert ; die Voreingenommenheit eines Untersuchungsansatzes, der die Bedeutung von materiellen Umweltbedingungen keineswegs grundsätzlich verkennt, aber einseitig nach den ideellen Zusammenhängen verschiedener Wirtschaftsethiken und Wirtschaftsweisen fragt ; sowie die Voreingenommenheit des empirischen Materials. Die eigentlich missliche Quellenlage, die Weber die Ideen und Ideale des chinesischen Altertums und seiner herrschenden Klasse vermittelt und die Eindrücke westlicher Menschen von Land und Leuten in China wiedergibt, kommt seinem Interesse an der Wirtschaftsethik der Weltreligionen durchaus entgegen. Er erkennt an, dass keine Wirtschaftsethik allein religiös determiniert gewesen sei, und ebenso, dass die religiöse Determinante als eine unter mehreren auch ihrerseits 'innerhalb gegebener geographischer, politischer, sozialer, nationaler Grenzen durch ökonomische und politische Momente tief beeinflusst wurde'. Weber hat sich in seinen Untersuchungen auf 'die richtunggebenden Elemente der Lebensführung derjenigen sozialen Schichten' beschränkt, 'welche die praktische Ethik der betreffenden Religion am stärksten bestimmend beeinflusst und ihr die charakteristischen Züge aufgeprägt hat'. Er erkennt an, dass es sich im Geschichtsablauf zu einem Wechsel der massgebenden Schichten gekommen sein konnte, und ebenso, dass der Einfluss einer sozialen Schicht nie exklusiv gewesen sei. Für China allerdings treffen diese Einschränkungen kaum zu. Der Konfuzianismus, so stellt Weber im Hinblick auf die Staatsdoktrin des Kaiserreiches mit Recht fest, war die Ethik einer literarisch gebildeten weltlich-rationalistischen Pfündnerschaft. 'Wer nicht zu dieser Bildungsschicht gehörte, zählt nicht mit. Die religiöse Standesethik dieser Schicht hat die chinesische Lebensführung weit über jene selbst hinaus bestimmt'. Weber hat die zutiefst rurale Beschaffenheit der chinesischen Gesellschaft keineswegs verkannt. Er hat diese vielmehr aus der Sicht der frühhistorischen Stadtkultur Chinas soziologisch neu entdeckt. Denn die ummauerte Stadt, wie er sie nicht allein im ost-, sondern ebenso im südasiatischen Raum findet, gleicht zwar in vielerlei Hinsicht der okzidentalen Stadt, unterscheidet sich aber in einem kardinalen Punkte von der Stadt der europäischen Antike und des Mittelalters : Ihr fehlt jeder politische, militärische und rechtliche Sondercharakter. Sie ist keine 'Gemeinde', kein Bürgertum und entbehrt ‚ein durch staatliches Privileg garantiertes städtisches Marktmonpol. Die durchwegs zentralistisch organisierte Staatsgewalt im asiatischen Raum, die zuerst und vor allem Stromregulierung und zu diesem Zwecke vorab Verwaltung betreibt, schafft als erstes Mauern oder auch Palisaden. Die fehlende Stadtbevölkerung wird womöglich zwangsweise herbeigeholt. Diese aber bleibt ihrer ursprünglichen Herkunft, dem Dorf und der dort lebenden Sippe ökonomisch, sozial und emotional verhaftet. Innerhalb der ummauerten Agglomeration entwickelt sich folglich auch im Zeitlauf kein politischer Anspruch gegenüber der Zentralmacht. Und so werden zwei weitere Strukturmerkmale erkennbar : Das Dorf mit seinen Sippen ist der bedeutendste Träger der Selbstverwaltung im Land ; die Zentralgewalt ist gerade im Dorf nicht präsent und gegenüber der gesamten Bevölkerung nur ‚mit ausserordentlich geringer Intensität’ verwaltend tätig. Während die Chinesen in Stadt und Land, hier durch Gilden und Zünfte, dort durch die Sippen 'sich selbst verwalten', ist die Zentralgewalt in kaum übersehbarer Übereinstimmung mit dem primären praktischen Bedürfnis des Menschen im chinesischen Raum in erster Linie Abwendung und Abmilderung von Katastrophen geboten. Im Rahmen seiner Herrschaftstypologie hat Weber als 'Patrimonialismus' jene Art der traditionalen Herrschaft definiert, die sich im Gegensatz zu den primären Typen traditionler Herrschaft der Gerontokratie sowie des primären Patriarchalismus, durch das Vorhandensein eines persönlichen Verwaltungs- und Militärstabes auszeichnet. In seinen China-kundlichen Darstellungen verzichtet er auf eine Definition der Patrimonialismus-Begriffes, deutet aber an, dass er die Herausbildung eines Patrimonialsystems in China tatsächlich für die Fortentwicklung eines früher primären Patriarchalismus hält, der ein langes Stadium einer auf dem Sippenprinzip beruhenden politischen Feudalisierung durchlaufen habe. In der Weber'schen Typologie vollzieht sich mit dem Übergang vom primären Typus traditionaler Herrschaft zum patrimonial-traditionalen Typ der Übergang vom 'Genossen'-Stand der Beherrschten zum Untertanen-Stand oder auch kraft des persönlichen Verwaltungs- und Militärstabes die Ausweitung der traditionsfreien Willkür, Gunst und Gnade des Herrn auf Kosten der patriarchalen und gerontokratischen Traditionsgebundenheit. Der Herrscher kann den Gehorsam, den die Beherrschten ihm vormals von Traditions wegen schuldeten, nunmehr erzwingen. Weber spricht von einem systematischen Spionagesystem des Verwaltungsstabes durch Zensoren. Dazu tritt die Einführung von Staatsexamina und die Verleihung von Ämtern nach Bildungskriterien als das ‚weltberühmte und höchst wirksame Mittel des chinesischen Patrimonialismus, eine feudal-ständische Emanzipation der Amtsträger von ihrer Macht zu unterbinden’, schliesslich auch die Belastung des einzelnen Beamten im Gegensatz zum Beamtentum als Ganzem im ökonomisch und damit zugleich politisch Prekären. Die Struktur des Pfründentums ist für Weber ein extremer administrativer und wirtschaftspolitischer Traditionalismus. Mit der Durchführung der Geldwirtschaft sieht er diesen Traditionalismus zusätzlich gestärkt. Die 'Staatspfündnerschicht', also die Beamtenschaft, wird im geeinten chinesischen Reich zum Hemmschuh aller weiteren Rationalisierung der Verwaltung. Von 'unermesslicher Wichtigkeit für die Art der Entwicklung der chinesischen Kultur' sei es gewesen, meint Weber, dass die Intellektuellen, die er allgemein und unabhängig davon, ob sie beamtet oder amtsfrei waren, als 'Literaten' bzw. 'Literatenstand' bezeichnet, in den rund zweitausend Jahren ihrer zunehmend beherrschenden Stellung in Staat und Gesellschaft Chinas 'niemals den Charakter der Kleriker des Christentums oder Islam, auch nicht der jüdischen Rabbinen, auch nicht der indischen Brahmanen oder der alt-ägyptischen Priester oder der ägyptischen oder indischen Schreiber gehabt haben'. Die Literaten bilden weder aufgrund von Blut und Geburt noch aufgrund von Besitz, sondern aufgrund ihrer examinierten Bildung den Verwaltungsstab. Die chinesische Bildungsschicht ist nie ein autonomer Gelehrtenstand, sondern stets eine Schicht von Beamten und Amtsanwärtern gewesen. Weber hebt zwei Eigentümlichkeiten der höheren chinesischen Bildung besonders hervor : ihr ganz und gar unmilitärisches, rein literarisches Interesse und ihr 'ins Extrem gesteigerter' schriftmässiger Charakter. Die chinesische Schrift wendet sich gleichzeitig an Auge und Ohr, vor allem aber an das erstere. Das gesprochene Wort bleibt dem geschriebenen und dem gelesenen Ideogramm der klassischen Literatursprache ganz und gar untergeordnet. Die Rede spielt in der offiziellen Literatur kaum eine Rolle. Der Konfuzianismus ist, ebenso wie der Buddhismus, nur Ethik, im schärfsten Gegensatz zum Buddhismus ausschliesslich innerweltliche Laiensittlichkeit. In noch schärferem Gegensatz zum Buddhismus ist der Konfuzianismus in der Formulierung Webers 'Anpassung an die Welt, ihre Ordnungen und Konventionen, ja, letztlich eigentlich nur ein ungeheurer Kodex von politischen Maximen und gesellschaftlichen Anstandsregeln für gebildete Weltmänner'. 'Der Gedanke einer Erlösung fehlt der konfuzianischen Ethik völlig'. Als Sünde kann für ihn nur die Missachtung der sozialen Grundpflicht eines Chinesen gelten : der Pietät. Es fehle in China bis in die Gegenwart das Verpflichtungsgefühl gegenüber 'sachlichen' Gemeinschaften, seien sie politischer oder ideeller Natur. Alle Sozialethik sei lediglich eine Übertragung organischer Pietätsbeziehungen auf andere, die ihnen gleich gedacht werden. 'Im grössten Gegensatz gegen die auf Versachlichung der kreatürlichen Aufgaben hinauslaufende puritanische Ethik entfaltet die chinesische Ethik ihre stärksten Motive innerhalb der Kreise der naturgewachsenen Personenverbände. Der konfuzianische Rationalismus bedeutet rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus : rationale Beherrschung der Welt'. |
|
36 | 1996 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (6). Andreas Pigulla : Wenn sich Weber um Kenntnisse über China bemüht, dann nicht, um China zu verstehen, sondern um seine eigene Kultur zu begreifen. Um die Plausibilität der Kulturanalyse der eigenene Gesellschaft erhöhen zu können und die Eigenart der Entwicklung möglichst präzise zu erfassen, sucht Weber nach Kontrastflächen durch den Vergleich mit fremden Kulturen. Immer war ihm dabei klar, dass er keine dauerhaften und umfassenden Kulturanalysen der aussereuropäischen Gesellschaften liefern konnte. Weber beginnt mit dem chinesischen Konfuzianismus, da er ihm als der stärkste Gegensatz zur eigenen Kultur erscheint. Während die westliche Welt 'entzaubert' ist, ist der Konfuzianismus nicht von magischen Elementen getrennt. Das heisst, Magie bleibt in ihrer 'positiven Heilsbedeutung' bestehen und wird noch durch das ‚Fehlen aller naturwissenschaftlicher Kenntnis’ verstärkt. Dazu fehlt auch die zweite zentrale Komponente für die Motivation, die Welt zu beherrschen : die 'Spannung gegen die Welt'. Denn, und hier verqickt Weber Taoismus und Konfuzianismus, in China lebe der Mensch nach den 'aus der kosmischen Harmonie folgenden sozialen Erfordernisse des Zusammenlebens' und diese bedeuten nicht Beherrschung, sondern rationelle Anpassung an die Welt. Weber vergleicht noch weiter Aspekte der Kulturen. Er untersucht die aus dem Konfuzianismus erwachsenden 'richtunggebenden Elemente der Lebensführung' der staatsbestimmenden chinesischen Elite und die von Europa abweichende Rolle der Städte in der chinesischen Geschichtsentwicklung. Bei der Untersuchung der 'religionssoziologischen' Phänomene der chinesischen Gesellschaft kommt Weber zu dem Ergebnis, dass in China Kapitalismus nicht 'geschaffen' worden ist, es aber jederzeit möglich sei, dass sich China den westlichen Kapitalismus 'aneignet'. |
|
37 | 1997.2 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (8). Lee, Hyung Gyun. Eine ostasiatisches Kritik an Max Webers Rationalisierungskonzept [ID D18943]. Lee Hyung Gyun schreibt : Nach Weber kann sich gesellschaftliche Rationalisierung in verschiedenen Kulturen in verschiedenem Grad vollziehen. Zwar erkennt er den Rationalisierungsgrad anderer Kulturen an, jedoch versucht er bestimmte konstitutive Komponenten der gesellschaftlichen Rationalisierung zu erklären; "die besondere Eigenart des okzidentalen und, innerhalb dieses, des modernen okzidentalen, Rationalismus zu erkennen und in ihrer Entstehung zu erklären." Die gesellschaftliche Rationalisierung Webers basiert auf dem Zweck-Mittel-Schema, das den Individualismus und den versachlichten Menschen voraussetzt. Es ist fraglich, ob gesellschaftliche Rationalisierung nur unter der Voraussetzung des Individualismus und des individuellen Handelns möglich ist. Angesichts der sehr dynamischen Rationalisierung Ostasiens wird der individualistische Ansatz neuerdings in Frage gestellt, da sie nicht unter den Bedingungen eines absoluten Individualismus erfolgt ist, sondern im Zeichen des Kollektivismus. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert kam es im Okzident zu einer breit wirksamen Rationalisierungstendenz. Weber geht davon aus, dass diese gesellschaftliche Rationalisierung, die unter bestimmten Voraussetzungen abgelaufen ist, nur in der europäischen Kultur möglich war, daß "die kulturwissenschaftliche Erkenntnis in unserem Sinn also insofern an subjektive Voraussetzungen gebunden ist, als sie sich nur um diejenigen Bestandteile der Wirklichkeit kümmert, welche irgend eine -noch so indirekte- Beziehung zu Vorgängen haben, denen wir Kulturbedeutung beilegen." Hier konzentriert sich Weber darauf, die bestimmten Bedingungen herauszufiltern und zu konkretisieren, warum sich nur der Okzident und vor allem das neuzeitliche Westeuropa zu einer spezifisch rationalen Kultur von universalhistorischer Tragweite entwickelt hat, weshalb nur im Okzident eine rationale Wissenschaft und Technik, ein rationaler Industriekapitalismus und eine rationale Arbeitshaltung und warum nur hier eine rationalbürokratische Organisation des Staates und der gesellschaftlichen Verbände entstanden ist. Zugleich versucht Weber aufzuklären, warum sich die chinesische, die indische und die antike nahöstliche Zivilisation nicht in dieselbe Richtung der Rationalisierung bewegt haben. Er gibt in diesem Zusammenhang zu, daß es Rationalisierung in allen Zivilisationen, jedoch in unterschiedlicher Gewichtung und Ausprägung gibt. Aber jedesmal fehlt wenigstens eine Komponente, die charakteristisch ist für die okzidentale Rationalisierung. Weber führt die Rationalisierung definitiv auf bestimmte Komponenten zurück, nämlich auf das besonders individuelle Handeln und auf die 'bestimmten Arten praktisch-rationaler Lebensführung', die das zweckrationale Handeln führt. Darum konzentriert er sich in der Entwicklung der gesellschaftlichen Rationalisierung im Okzident auf die Entwicklung des individuell handelnden Menschentums . Die ostasiatische Rationalisierungstendenz ist nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in sozialer Hinsicht ausserordentlich zu nennen. Angesichts dieser dynamischen Entwicklung ist zu fragen, was die ostasiatische Dynamik antreibt oder ob gesellschaftliche Rationalisierung wirklich nur für einige bestimmte Elemente, eine bestimmte Welt geeignet ist und wie dann die ostasiatische Rationalisierung zu erklären ist. Rationalisierung nennt Weber die praktische Beherrschung der Realität, die hauptsächlich als Handlungsrationalitat bezeichnet wird, d.h. die rationale Deutbarkeit des Handelns einzelner Individuen und der Regelmäßigkeit des Handelns. Von hier aus reduziert Weber das 'soziale Gebilde' auf das Handeln der beteiligten Einzelmenschen. In der Entstehung der Rationalität in Ostasien tauchen jedoch Zweifel an dem individualistischen Ansatz Webers auf. Nur mit seiner Sicht des Rationalisierungskonzepts ist die heutige ostasiatische Rationalisierung nicht zu erklären. Weber hält nur das Zweck-Mittel-Schema einer teleologisch vorgestellten sozialen Handlung für einen rationalisierungsfähigen Aspekt. Der Träger des sozialen Handelns ist bei ihm hauptsächlich das versachlichte Menschentum. Der versachlichte Mensch ist nach Weber für die Rationalisierung nur das mechanisch-instrumentelle Individuum, das von der protestantischen Ethik geprägt ist. Das mechanisch-instrumentelle Individuum handelt zweckrational und wertrational, das heisst, daß es frei und nach eigenen Interesse handelt. Unter dem mechanisch-instrumentellen Massstab des Zweck-Mittel-Schemas werden Menschen lediglich als Mittel für die Durchsetzung eigener Zwecke oder als Bedingungsfaktoren des eigenen Handelns betrachtet. Seit der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts setzen die ostasiatischen Gesellschaften - Südkorea, Taiwan und Singapur - zur gesellschaftlichen Rationalisierung an (Japan schon seit Ende des 19. Jahrhundts). Weber bezweifelt die Rationalisierungsfähigkeit der konfuzianischen Kultur. Im Abschnitt 'Resultat: Konfuzianismus und Puritanismus' der Religionssoziologie hält er fest, dass klar geworden sei, dass im 'Zaubergarten' der ostasiatischen Religionen 'eine rationale Wirtschaft und Technik moderner okzidentaler Art einfach ausgeschlossen ist.' Dieses Untersuchungsergebnis darf mittlerweile als widerlegt gelten - besonders, was Webers Diktum eines 'Fehlen aller natruwissenschaftlichen Kenntnis' betrifft. Abgesehen von diesem Ergebnis ist die konfuzianische Welt nicht nur ein 'Zaubergarten', nicht nur die 'blosse Ethik der Anpassung', die 'die Menschen höchst absichtvoll in ihren naturgewachsenen oder in den durch die sozialen Über- und Unterordnungsverhältnisse vorgegebenen persönlichen Beziehungen' belässt. Webers Untersuchungsergebnis über den Konfuzianismus und Taoismus scheint teilweise plausibel zu sein, da in der ostasiatischen Kultur keine endogene gesellschaftliche Rationalisierung entstehen konnte. Das Problem einer Anwendung von Webers Rationalisierungskonzept auf Ostasien liegt also darin, dass dort die gesellschaftliche Rationalisierung auf der Basis einer eigenen Kultur angetrieben wird, in der der Mensch nicht nur wie im Okzident im Individualismus steht, sondern wo auch das Kollektiv des Handeln des Menschen beeinflusst. Nachdem in Ostasien die gesellschaftliche Rationalisierung einen erfolgreichen Weg gegangen ist, wird das Fundament von Webers Rationalsierungskonzept in Frage gestellt, weil er die Rationalisierung unter Kellektivität für unmöglich hielt. Weber spricht der gesellschaftlichen Rationalisierung eine kulturethische Komponente zu und führt sie auf die 'Entwicklung des okzidentalen Menschentums', folglich auf das mechanisch-individuelle Handeln zurück. Darum ist die 'Entwicklung des Menschentums' für ihn von zentralem Interesse. Seine Analyse der Wahlverwandtschaft zwischen europäischem Menschentum und Rationalisierung gibt einen Einblick in die Entwicklung der okzidentalen Rationalisierung. Er macht die Entstehung der gesellschaftlichen Rationalisierung von der 'Fähigkeit und Disposition der Menschen zu bestimmten Arten praktisch-rationaler Lebensführung', genauer : von der Eigenart des okzidentalen Menschentums abhängig und sagt, dass die rationalen Begriffe exklusiv okzidentale Eigenarten sind. Webers zentrales Thema ist daher 'nicht irgendein Rationalisierungsprozess überhaupt, sondern der Prozess der Rationalisierung der praktischen Lebensführung'. Das heisst also, dass Webers zentrales Interesse auf die Entwicklung des Menschentums zielt. Was aber ist die ostasiatische Ethik und warum konnte sich Ostasien nicht selbst rationalisieren ? Weber schätzt zwar einige Seiten der ostasiatischen Gesellschaft richtig ein, er beurteilt jedoch insbesondere die Entwicklung des konfuzianischen Menschentums nicht richtig. Zunächst muss die Interpretation Webers über den Konfuzianismus korrigiert werden. Das ostasiatische Leben unter der konfuzianischen Ethik ist nicht nur ein 'Zaubergarten', sondern viel mehr ein sublimiertes, systematisiertes menschliches Handeln. Ein Auffassen der ostasiatischen Welt als 'Zaubergarten' blockiert das Verständnis der heutigen ostasiatischen gesellschaftlichen Entwicklung. Weber nennt die konfuzianische Ethik eine 'organische Sozialethik, welche in mannigfachen Formen verbreitet ist und deren Berufskonzeptionen das prinzipiell wichtigste Gegenbild gegen den Berufsgedanken der innerweltlichen Askese bildeten'. Er beurteilt die 'organische Sozialethik', die 'auf dem Bodern der Brüderlichkeit' steht, sehr misstrauisch in bezug auf ihr Rationalisierungspotential. Die konfuzianische Ethik scheint nur eine 'organische Sozialethik' zu sein, jedoch ist sie eigentlich nicht nur eine 'organische Sozialethik'. Sie musste aufgrund eines Mangels der gesetzlichen Durchsetzbarkeit in der konfuzianischen Gesellschaft die Rolle einer 'organischen Sozialethik' spielen. Das Problem von Webers Rationalisierungskonzept in Ostasien liegt jedoch nicht darin, dass er sich über die ostasiatische Kultur nicht richtig informiert oder sie falsch eingeschätzt hat, sondern darin, dass die Gesellschaft auch im Rahmen der ostasiatischen Kultur rationalisiert werden kann. Weber zieht in seiner 'Zwischenbetrachtung' den Schluss, dass die Ethik der 'Brüderlichkeit' oder der 'Nächstenliebe' zu einem nicht-weltlichen Wertsystem qualifiziert wird. Er betrachtet also die okzidentale gesellschaftliche Rationalisierung nur aus der Sicht des mechanisierten Handelns und spricht in der Konsequenz in bezug auf die moderne rationale Gesellschaft von den 'kalten Skeletthänden rationaler Ordnungen'. Weber hat die Zeichen der okzidentalen Gesellschaftseintwicklung im Begriff der Rationalisierung zusammengefasst. Er erläutert den Begriff der Rationalität mit Hilfe des Begriffs der Berechenbarkeit. Bei Weber handelt es sich bei der Rationalität um das alltägliche Leben des Wissens und Glaubens. Er sucht die historischen Gründe für das rationale Menschentum im Prozess der Rationalisierung und der Intellektualisierung, in dessen Verlauf durch die 'Entzauberung der Welt' die Relitionen allmählich aus dem Leben verdrängt werden. Nach Weber ist die gesellschaftliche Rationalisierung auf das soziale Handeln und die Rechtsordnung als legitimer Ordnung zurückzuführen. Zum rationalen Handeln betont er die Entwicklung des Menschentums, ausgehend von der protestantischen Ethik. Es gab in Ostasien im Vergleich zu dem Okzident faktisch kein soziales Handeln und keine Rechtsordnung als legitime Ordnung, sondern nur die geistige Tradition. Die ostasiatische Weltanschauung kannte keinen Individualismus, sondern sah die Gesellschaftsordnung als allein auf den ethischen Normen des Kollektivismus beruhend an. Zur Aufklärung der ostasiatischen gesellschaftlichen Rationalisierung ist zu untersuchen, weshalb das soziale Handeln nicht entsteht und wie sich trotz allem das ostasiatische Menschentum entwickelt hat. Trotz der Fehlentwicklung des subjektiven Handelns hat die konfuzianische Ethik Menschen dazu gebracht, 'aus dem organisch vorgezeichneten Kreislauf des natürlichen Lebens« herauszutreten und ein rationales Leben zu führen'. Weber versucht in seiner Schrift Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I in einer vergleichenden Analyse des Konfuzianismus und des Protestantismus herauszufinden, welche Kombination von Faktoren an der transformativen Kapazität des Konfuzianismus fehlten. In dieser kulturvergleichenden Forschung versucht er für die Entwicklung des Menschentums relevante Kulturelemente aufzuspüren. Er sieht hier, daß der Konfuzianismus grossen Wert auf eine systematische Lebensweise in Kombination mit der Unterdrückung aller spontanen Emotionen und Bedürfnisse legt. Jedoch hat Weber nicht hinreichend erkannt, daß auch ein in der konfuzianischen Ethik entwickeltes Menschentum den Weg der Rationalisierung gehen konnte. Der Konfuzianismus ist bei Weber eine 'organische Ethik' und dient dem Protestantismus als Folie. Nach Webers Rationalisierungskonzept ist in der ostasiatischen Kultur die fundamentale Möglichkeit der gesellschaftlichen Rationalisierung ausgeschlossen. Unter dieser Voraussetzung beschäftigt er sich bei der Studie des Konfuzianismus zunächst mit den 'soziologischen Grundlagen', hier vor allem mit der Stadt, dem Feudalismus, dem Recht, dem Kapitalismus und letztlich mit dem Geist des Konfuzianismus. Mit ungewöhnlich scharfem Blick beschreibt Weber die gesellschaftliche Struktur des traditionellen China, besonders die dortige konfuzianische Lebensführung. Diese von ihm untersuchten 'sozialen Grundlagen' hatten jedoch meist geringe Bedeutung in Ostasien. Für Weber gehört die Stadt, in Gestalt der 'freien Stadt', zu den Wurzeln der modernen Demokratie und des Kapitalismus. Die Entstehung politisch autonomer Städte wird als einer der wesentlichen Faktoren für das Einsetzen der Modernisierung bezeichnet. Leider besitzen ostasiatische Städte keine Selbstverwaltung und auch keine politische Autonomie. Zudem bilden sie keine rechtlich selbständigen Bezirke, und städtische Individuen haben auch keine Freiheit wie im Okzident. Weiterhin gab es in Ostasien kein formales, gesetztes Recht wie im Okzident, und Geschäfte oder Kaufleute wurden eher vernachlässigt oder diskriminiert. Wenn Weber die 'soziologischen Grundlagen' mit dem Familiensystem, dem Patriarchalismus und der patriarcha-listischen Gesellschaft und insgesamt systematisch mit der konfuzianischen Ethik untersucht hätte, wären das ostasiatische Menschentum und die ostasiatische Gesellschaft besser zu verstehen gewesen. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des ostasiatischen Menschentums soll deutlich werden, dass Weber die innerweltliche Ethik des Konfuzianismus nicht eindeutig interpretiert hat trotz seiner umfangreichen Ausführungen über das ostasiatische Leben. Die konfuzianische Ethik ist bei Weber in ihren zentralen Aspekten unterschätzt und nicht vollständig untersucht worden, obwohl Ostasien ihr Leben durch eine innere Einstellung auf ein einheitliches Leben führt. Laut Weber ist die konfuzianische Ethik nicht auf die aktive und rationale Ordnung der Welt ausgerichtet, sondern hauptsächlich rational an die Erfordernisse der gesellschaftlichen und kosmischen Ordnung angepasst. Weber definiert den 'Patriarchalismus' als einen Zustand, 'dass innerhalb eines, meist, primär ökonomischen und familialen Verbandes ein nach fester Erbregel bestimmter Einzelner die Herrschaft ausübt'. Die patriarchale Stuktur ist nach ihm das vorbürokratische Prinzip. Er führt die Genese der Autoriät des Vaters auf die physische Kraft und die Gewöhnung des Kindes zurück. Die ostasiatische Autorität des Vaters beruht nicht nur auf der 'normalen Überlegenheit der physischen und geistigen Spannkraft' des Mannes und des Vaters, und sie kann in Ostasien auch nicht nur auf 'das erwachsene Kind die Gewöhnung, nachwirkende Erziehungseinflüsse und festgewurzelte Jugenderinnerungen' zurückgeführt werden. Die einzigartige Autorität des Vaters in Ostasien ist in einem alt-religiösen Element, nämlich dem Ahnenkult, verfestigt. Als im alten China die Sesshaftigkeit und das Familiensystem begann und man sich mit der Landwirtschaft befasste, hatte man seine Zusammengehörigkeit in erster Linie im gemeinsamen Ahnenkult gefunden. In der Agrargesellschaft glaubte man, dass es Mächte gibt, die die agrare Beschäftigung und das Leben schützen. Webers zentrales Interesse für die okzidentale Rationalisierung liegt in der 'Entwicklung des Menschentums'. Für die Entwicklung des okzidentalen Menschentums macht er den Protestantismus verantwortlich. Das ostasiatischen Menschentum hingegen entwickelte sich unter dem Einfluss des Konfuzianismus. Der Konfuzianismus richtet sich primär an die soziale Funktion der Vergangenheit und auch in der Gegenwart. In der konfuzianischen Ethik ist zu erkennen, dass Konfuzius eine anthropozentrische Weltanschauung vertritt. Seine Ethik beruht deshalb auf einem möglichst einfachen Grundverhältnis in der Umwelt des menschlichen Zusammenlebens. Der Konfuzianismus war eine Idee zur Wiederherstellung des 'Li', das von Weber 'die konfuzianische Kardinaltugend' genannt wird. Die Lehre des Konfuzianismus besteht in erster Linie im 'Li' und bezieht sich auf das politische Leben und den gesellschaftlichen Verkehr. Fragt man nach dem zentralen Begriff des Konfuzianismus oder des Konfuzius, dann lautet die Antwort 'Ren'. Das 'Ren' wurde bei Weber völlig ausgelassen. Ohne das 'Ren' zu erläutern, wie Weber es vorführt, bleibt jede Interpretation des Konfuzianismus lückenhaft. Weber findet nur das praktizierte 'Ren' im menschlichen Verhalten. Er war nicht imstande, altchinesische Schriften systematisch zu studieren und ich vermute, dass er die Gedanken des Konfuzius nicht eingehend verstanden hat. Bei Webers konstrastiven Vergleich des konfuzianischen und des protestantischen Rationalismus hebt er hervor, dass der Geist beider Ethiken 'Rationalismus' enthielt. Jedoch schränkt er ein, dass nur die überweltlich orientierte protestantische Ethik den innerweltlichen Rationalismus in seinen Konsequenzen verwirklicht. Den 'Grundunterschied' beider Arten von 'Rationalismus' formuliert er so : "Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus : rationale Beherrschung der Welt". Nach Weber liegt die ostasiatische anpassungswillige Haltung darin, dass dem Konfuzianismus jegliche Konzeption einer höheren transzendenten Ordnung fehlt. In der Tat gab es in Ostasien keine transzendente Ordnung, nur die weltliche Ordnung, an die sich jeder anpassen musste. Die existierende Welt im Konfuzianismus war die unveränderbare Vernunft, Wahrheit und eine gesellschaftliche Verfassung. In der konfuzianischen Ethik fehlt es aber nicht vollständig, wie Weber meint, an „irgendwelchen Spannungen zwischen Natur und Gottheit, ethischen Anforderungen und menschlicher Unzulänglichkeit religiöser Pficht und politisch-sozialen Realitäten“. Max Weber setzt die religiöse Prophetie mit der Entwicklung des Menschentums in Beziehung. Der Unterschied zwischen dem Okzident und Ostasien bei der Entwicklung des Menschentums liegt darin, dass sich das okzidentale Menschentum aus der mittelbaren psychischen Gewalt der Religiosität entwickelte : aus 'dem psychologischen Antrieb zum Systematischen in der Lebensführung', die ihre methodische Rationalisierung erzwingt. Das konfuzianische Menschentum entwickelte sich dagegen aus der diesseitigen Ethik. 'Eine echte Prophetie' schreibt Weber, 'schafft eine systematische Orientierung der Lebensführung an einen Wertmassstab von innen heraus, der gegenüber die Welt als das nach der Norm ethisch zu formende Material gilt'. Die Entwicklung des Menschentum in Ostasien ist jedoch zu weit entfernt von der Prophetie. In Orthodoxie und Heterosoxie resümiert Weber : "Hinlänglich starke Motive für eine religiös orientierte, etwa puritanische, Lebensmethodik des Einzelnen konnte die chinesische Religiösität also weder in ihrer offiziellen staatskultischen noch in ihrer taoistischen Wendung aus sich heraus setzen". Die konfuzianische Lebensorientierung ist diesseitig, nicht in der 'Hoffnung auf eine absolute Utopie'. Wegen des Mangels an Prophetie im Konfuzianismus scheint die Anziehungskraft zur Konzentration der systematischen Lebensführung schwächer als die Lebensführung im Protestantismus zu sein. Das Menschentum ist nicht versachlichter und die Lebensführung nicht systematischer als im Okzident. Bei den Bedingungen der gesellschaftlichen Rationalisierung im Okzident interessiert sich Weber zunächst für die positive Analyse der wachsenden rationalisierten okzidentalen Kultur im Vergleich zu den anderen Weltkulturen. Er versucht in seiner Untersuchung der okzidentalen gesellschaftlichen Rationalisierungstendenz die Grundformen neuzeitlicher Rationalisierung zu finden. Von den Komponenten des sozialen Handelns und der legitimen Ordnung her sieht Weber die gesellschaftlichen Rationalisierung des Okzidents. Seine Grundpfeiler der gesellschaftlichen Rationalisierung stehen auf dem sozialen Handeln. Das soziale Handeln wird vom versachlichten individuellen Handeln abgeleitet. Es hat sich an der Rechtsordnung als 'Bestimmungsgrund sozialen Handelns' orientiert. Weber beschreibt, dass 'allen asiatischen Staatslehren eine der aristotelischen gleichartige Systematik und die rationalen Begriffe überhaupt [fehlt].' Bis zur Modernisierung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kann man die Gesellschaft Ostasiens als eine traditionelle Gesellschaft bezeichnen, die stark vom Konfuzianismus beherrscht wurde. Nach Weber ist eine Gesellschaft immer dann 'traditional', 'wenn sich ihre Legitimität stützt und geglaubt wird auf Grund der Heiligkeit altüberkommener ('von jeher bestehender) Ordnungen und Herrengewalten.' 'Traditional' heisst, 'die seelische Eingestelltheit auf und der Glaube an das alltäglich Gewohnte als unverbrüchliche Norm für das Handeln.' Die Basis der ostasiatischen Tradition war die Hausgemeinschaft. Durch die Hausgemeinschaft ist das Menschenbild des traditionellen Ostasiens geprägt, weil der konfuzianische Staat stufenweise entwickelt worden ist vom Individuum zur Familie, von der Familie zum Staat, mit dem Schwergewicht der Entwicklung auf der ethisch-moralischen Ausbildung der Hausgemeinschaft. Weber sieht in der Hausgemeinschaft eine der 'undifferenzierten Lebensformen, welche die Gemeinschaft vorschreibt, immer schwerer und begehrt zunehmend, sein Leben individuell zu gestalten und den Ertrag seiner individuellen Fähigkeiten nach Belieben zu genießen.' Von dieser Hausgemeinschaft aus entwickelte sich nicht nur das ostasiatische Menschenbild, sondern auch der traditionelle Ordnungstypus, und zwar der typische ostasiatische Patriarchalismus, der im traditionellen Ostasien die bestehende Strukturprinzipordnung war. In erster Linie galten die Autorität des Vaters, die Pietätpflicht des Kindes gegenüber den Eltern und gegenüber seiner Sippe sowie die des Untertanen gegenüber dem Herrn. Hier gab es kein Subjekt, sondern nur gesellschaftliche und staatliche Strukturprinzipienordnungen : Patriarchialismus und Familialismus, die das menschliche Handeln geleitet haben. Konfuzianischer Patriarchalismus ist in der Gesellschaft die Gefolgschaft unter der Autorität des Vaters und des Vorsitzenden. Der Familialismus ist die Zusammengehörigkeit der Familien- und Gesellschaftsmitglieder. In dieser konfuzianischen Tradition konnte sich der Individualismus nicht entwickeln. Das Individuum existierte nur als ein Mitglied der Familie, der Gemeinschaft und des Staates. Darum gab es in Ostasien kein soziales Handeln. Statt des sozialen Handelns gab es 'Ligaturen'-Handeln als menschliches Handeln. Obwohl es kein soziales Handeln darstellt, spielt es eine wichtige Rolle bei der Rationalisierung der ostasiatischen Gesellschaft im Kollektiv. Patriarchalismus und Familialismus entwickelten sich zu einer gesellschaftlichen Ordnung, die das menschliche Handeln bestimmt. Da es in Ostasien keine legitime Rechtsordnung gab, entwickelten sich die beiden zu einer gesellschaftlichen Ordnung. Wenn das Gesellschaftsystemvon ihnen ausdifferenziert werden sollte, wäre ein transzendenter Glaube wie im Okzident nötig gewesen. Ohne diesen Glauben konnte ein praktizierendes Recht nicht geschaffen werden. Weber macht dies deutlich : "Recht und Verwaltungsprinzipien durch Satzung absichtvoll neu zu 'schaffen', ist bei reinem Typus der traditionalen Herrschaft unmöglich. Tatsächliche Neuschöpfungen können sich also nur als von jeher geltend und nur durch 'Weistum' erkannt legitimieren." Dass die konfuzianische Gesellschaft auf dem Patriarchalismus und der Hausgemeinschaft aufbaute, nach dem Kollektivismus, dem 'Ligaturen'-Handeln bzw. der 'Brüderlichkeit' strukturiert wurde und sich von selbst aus nicht in Richtung einer rationalen Gesellschaft entwickeln konnte, führe ich auf den unterschiedlichen Glauben des Okzidents und der Ostasiatien zurück. Es gab im Konfuzianismus keine Dichotomie zwischen Gott und der Welt. Weber verweist richtig darauf, dass es in der konfuzianischen Tradition keine 'Propheten' gegeben habe und dass der Konfuzianismus 'an sich von jedem metaphysischen Interesse in sehr hohem Grade frei' gewesen sei. Das kann man darauf zurückführen, dass der Konfuzianismus als kulturelle Orientierung grundsätzlich eine reine Intellektuellenethik war. Weber führt den Ursprung der chinesischen bürokratischen Organisation auf die natürlichen Ursachen zurück, die 'Wasserregulierung', vor allem der Kanalbau. Er verknüpft die ursprüngliche Entstehung der Bürokratie mit der Mobilisierung des Volkes. Aber die ostasiatische bürokratische Organisation als gesellschaftliche Ordnung entstand nach der konfuzianischen Han-Dynastie, als sich der Konfuzianismus etablierte. Die ostasiatische Bürokratie als Bestimmungsgrund menschlichen Handelns ist nur ein Nebenprodukt der Herrschaftsverwaltung. Das bürokratische Verfahren Ostasiens lehnt sich an die grundlegende konfuzianische Lehre an. Das bürokratische Handeln ist ein bedachtes, geplantes Handeln, dass sich bei jedem Akt wie eine echte bürokratische Verwaltung auf rationale Gründe bezieht. Die Verantwortung der Beamten muss sich nach Weber ohne Ansehen der Person auf die Ausführung und Anwendung von Gesetzen und Regeln beschränken. Die ostasiatische Bürokratie verlief indes nicht als Verfahren einer sachlichen Erledigung , 'ohne Ansehen der Person nach berechenbaren Regeln'. Die Ausschaltung aller Menschlichkeit aus dem bürokratischen Apparat führt schliesslich zur Entwicklung eines maschinell ablaufenden Betriebes in allen gesellsschaftlichen Bereichen. Max Weber gibt der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rationalisierung einen bedeutenden Anstoss, die ostasiatische Modernisierung zu verstehen. Für den Prozess der gesellschaftlichen Rationalisierung weist er immer wieder nachdrücklich auf die Bedeutung individuell auszufüllender Handlungsspielräume innerhalb instituioneller Kontexte hin. Im Rahmen der Rationalisierung muss das soziale Handeln ins Zentrum gelangen. Soziales Handeln liegt vor, wenn der Einzelne einen bestimmten subjektiven Sinn mit seinem Handeln verbindet und sich an dem erwarteten Handeln anderer orientiert. Das soziale Handeln in der Rationalisierung ist das Zweck-Mittel-Handeln. Weber unterstreicht die historische Bedeutung des Naturrechts für die Entwicklung des modernen rationalen Rechtes : 'Eine naturrechtliche Entwicklung modern okzidentalen Gepräges hätte neben so manchen anderen auch eine Rationalisierung des positiv geltenden Rechtes vorausgesetzt, wie sie der Okzident im römischen Recht besass'. Nach Weber ist die gesellschaftliche Rationalisierung der Prozess des Mündigwerdens des Bürgertums. Ein Unterschied in der gesellschaftlichen Entwicklung zwischen dem Okzident und Ostasien besteht darin, dass in Ostasien das Individuum fehlte. Das bürgliche Individuum gesellschaftlicher Rationalisierung wird durch individuelles Handeln gekennzeichnet. Webers gesellschaftliche Rationalisierung umfasst das am Zweck-Mittel-Schema orientierende soziale Handeln und die legitime Ordnung als Bestimmungsgrund sozialen Handelns. Der ostasiatische Rationalisierungsprozess ist zwar mit dem Individualisierungsprozess von der konfuzianischen Mitgliederschaft zum Individuum einhergegangen und er bedeutete auch ein Prozess der Auflösung traditioneller Ordnung, jedoch ist es schwer, die Rationalisierungsweise Ostasiens ausschliesslich mit der Kategorie des Individualismus zu fassen. Das ostasiatische Individuum ist kein Individuum, wie es sich Weber vorstellt. Im sozialen Handeln ist das Handeln in Ostasien nicht strikt freies Handeln, sondern ein auf 'Ligaturen' bezogenes Handeln. Unter diesen Verhältnissen kann sich das soziale Handeln nicht wie im Okzident entfalten. Weber konzipiert den gesellschaftlichen Rationalisierungsprozess als eine Institutionalisierung zweckrationalen Handelns. Zur Durchsetzung der gesellschaftlichen Rationalisierung betont er vorwiegend die notwendige Ausbreitung der Zweckrationalität. Hierunter ist der Individualismus zu fassen. Das individuelle Handeln ist Realität und Ausdruck der menschlichen Fähigkeit, sich Ziele und Zwecke frei zu setzen und zu verfolgen. Nach Weber kommt den Kollektivgebilden keine selbständige Bedeutung zur Analyse des Gesellschaftsgebildes zu, das heisst ausnahmslos, die Analyse der Gesellschaft 'auf Handeln der beteiligten Einzelmenschen, zu reduzieren'. Webers Rationalisierungskonzept wurde aus einer europäischen Perspektive erstellt. Weber versteht die Rationalität der sozialen Interaktion als Erweiterung der technischen Zweckrationalität im Sinne der Reziprozität von zweckrationalen Handlungen. Das subjektiv gemeinte Handeln ist der technische Freiheitsbegriff des Individuums, Freiheit als rationale Wahl von Mitteln bei gegebenem Zweck. Unter diesem Zweck-Mittel-Schema stellt man sich die Individualität, Freiheit und Autonomie des Handelns vor. Bei Weber ist dieses Handeln daher eine Startbedinung für den Rationalisierungsprozess. Die rationale Gesellschaft basiert nicht auf zwischenmenschlicher Verbindung, sondern auf subjektivem Handeln. Diese Gesellschaft wird zu einer jederzeit aufkündbaren Vertragsgesellschaft. Bei der gesellschaftlichen Rationalisierung Ostasiens ist es wahr, dass das soziale Handeln durch das okzidentale Rechtssystem zugelassen wurde. Jedoch ist das ostasiatische menschliche Handeln nicht so individualistisch, wie Weber für ein bestimmtes Niveau der gesellschaftlichen Rationalisierung fordert. Trotz der Entwicklung des rationalen Menschentums durch die asketische Ethik des Konfuzianismus und der Zulassung des sozialen Handelns durch den Anstoss des okzidentalen Rechts, ist das soziale Handeln in Ostasien noch kollektivistisch. Dieses Handeln bleibt auch noch in der Industriegesellschaft erhalten. Nach Weber gilt der Satz : 'Je rationalisierter man ist, desto individualisierter ist man' Nach Weber sollte zur gesellschaftlichen Rationalisierung auch das Leben versachlicht sein, damit man ein freies, sachliches Handeln führt. Er wollte das Postlat des Vertrauens nicht von menschlichen Beziehungen, sondern von versachlichter Legalität abhängig machen. |
|
38 | 1997.1 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (7). Lin, Duan. Konfuzianische Ethik und Legitimation der Herrschaft im alten China [ID D18996]. Lin Duan : Der Webersche Ansatz der vergleichenden Soziologie richtet sich vor allem auf die Besonderheit der okzidentalen Kulturentwicklung. Er konstruiert durch eine Verbindung von Typen- und Stufenbegriff einen intrakulturllen Vergleich der religiösen Ethiken im Okzident. Der asketische Protestantismus hat fünf Merkmale : Theozentrismus, Asketismus, Innerweltlichkeit, subjektive Werkheiligkeit und Virtuosentum. Diese Kombination schafft die religiöse Motivation zur Weltbeherrschung. Der asketische Protestantismus lässt für Weber die Idee der Gotteskindschaft, nicht aber die der Gottesgemeinschaft zu. Mit dem begrifflichen Kontrast 'universalism – particularism' stellt Weber den Unterschied zwischen der asketischen protestantischen Ethik und der konfuzianischen Ethik dar. Sein direkter interkultureller Vergleich zwischen diesen beiden Ethiken wird vor allem in seinem Konfuzianismus und Taoismus durchgeführt : "Kein Mittelglied führte aber vom Konfuzianismus und seiner ganz ebenso fest wie das Christentum verankerten Ethik zu einer bürgerlichen Lebensmethodik hinüber. Auf diese allein kam es aber an. Sie hat der Puritanismus – durchaus gegen seinen Willen – geschaffen". Für Weber ist zunächst der Konfuzianismus wie der asketische Protestantismus auch eine Religion mit den Charakterzügen des Rationalismus. Für ihn ist der Konfuzianismus auf einer Stufe der magischen Religiosität geblieben. Weiterhin besteht für Weber zunächst eine ständige Spannung zwischen dem überweltlichen Schöpfergott und der Kreatur bei dem asketischen Protestantismus ; gegenüber dem Fehlen irgendwelcher Spannung zwischen Gottheit und Natur beim Konfuzianismus. Demgemäss wurden die Gegensätze zwischen ihnen vom Bereich der religiösen Ethik auf den der sozialen Ethik übertragen. Einerseits gilt nach Weber beim Puritanismus eine Versachlichung (Verunperönlichung) und Rationalisierung der Welt, trotz oder vielmehr gerade in der Form aketischer Weltablehnung, andererseits gilt beim Konfuzianismus eine Verpersönlichung und Traditionaliiserung der Welt, gerade in der Form der optimalen Weltanpassung. Die Gegensätze zwischen Puritanismus und Konfuzianismus sind bei Weber nicht nur auf die religiöse Teilordnung beschränkt. Diese Gegensätze stellen sich genauso bedeutsam in den politischen, rechtlichen und ökonomischen Teilordnungen dar. Unter Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeit folgt nach Weber aus der konfuzianischen sozialethischen Stellungnahme im wesentlichen die Erhaltung der Gebundenheit des Personalismus in China. Im Gegensatz dazu folgt aus der puritanischen sozialethischen Stellungnahme die Durchsetzung des Unpersonalismus im Okzident. Der hauptsächliche Gegensatz ist ein Gegensatz zwischen Unpersonalismus und Rationalismus einerseits, Personalismus und Traditionalismus andererseits. Weber hat zwar die partikularistische Dimension der konfuzianischen Ethik erkannt und erforscht, aber er hat wie Talcott Parsons die universalistische Dimension vernachlässigt. Er hat zwar die Absicht der Universalisierung der konfuzianischen Ethik bemerkt, sie aber lediglich als einen 'partikularistischen' Personalismus und eine Übertragung organischer Pietätsbeziehungen auf andere behandelt : "Die Wirkung der Erhaltung dieses Personalismus zeigt vor allem die Sozialethik. Es fehlte in China bis in die Gegenwart das Verpflichtungsgefühl gegenüber 'sachlichen' Gemeinschaften". Weber interessiert sich vorrangig nicht für eine umfassende chinesische Kulturanalyse, sondern für 'in jedem Kulturgebiet ganz geflissentlich das, was im Gegensatz stand und steht zur okzidentalen Kulturentwicklung'. Seine Chinastudie ist keine selbständige Arbeit, sondern wird von ihm als ein Teil seines gesamten Forschungsprogramms angesehen, dessen vorherrschendes Erkenntnisinteresse darin besteht, die okzidentale Sonderentwicklung zu beleuchten. Eine eigenständige Chinastudie, die das 'China an sich' zum Gegenstand hat, ist bei Weber nicht vorhanden. Die Annahme Webers, dass ohne Bezug auf eine jenseitige Instanz der Angelpunkt fehle, um überhaupt radikale Fragen an die Welt zu stellen, ist sehr fragwürdig bei der Analyse des Konfuzianismus. Gerade der Konfuzianismus manifestiert eine eigentümliche Transzendenz, die auf keinem überweltlichen 'archimedischen Punkt' basiert. Es ist eine 'immanente Transzendenz', eine 'Selbsttranszendenz' oder eine 'innerweltliche Transzendenz'. Die von Weber dargestellten 'Fünf-Beziehungen', die Beziehungen zwischen Vater und Sohn, Herr und Untertan, Mann und Frau, älterem und jüngerem Bruder, Freund und Freund, bedeuten keine asymmetrischen Pflichten zwischen einer Rolle und einer anderen (Sohn – Untertan, Vater – Herr) ; sie sind die Beziehungen der Reziprozität, d.h. die Beziehungen der symmetrischen Pflichten : Die Pflicht des Vaters 'tse' (Güte) gegenüber der Pflicht des Sohnes 'hsiao', die des Herrn 'jen' (Wohlwollen) gegenüber der des Untertans 'chung' (Loyalität) usw.2 Weber hat auch die Verschiedenheit zwischen Mohismus und Konfuzianismus bemerkt : Die Feindesliebe der radikalen Mystiker (Laotse, Mo Ti) aber wurde, als der gerechten Vergeltung : Einem Prinzip der Staatsräson, zuwiderlaufend entschieden abgelehnt… so mag es, so sehr die Ethik (Menzius) den sozialen Wert des Mitleids rühmte, recht wohl sein, dass diese Empfindung nicht eben sehr entwickelt wurde. Jedenfalls nicht auf den Boden des Konfuzianismus. Selbst die (heterodoxen) Vertreter der Feindesliebe (z.B. Mo Ti) begründeten diese wesentlich utilitarisch. Die allgemeine 'Menschenliebe' lehnte Menzius mit der Bemerkung ab, dass dadurch Pietät und Gerechtigkeit ausgelöscht werden." In den idealtypischen (typologischen) Entwicklungskonstruktionen religiöser Ethik Webers werden teilweise implizit, teilweise explizit vier Typen der religiösen Ethik unterschieden : Magische Ethik, Ethik der rituellen Religiosität, Ethik der Gesetzesreligiosität und Gesinnungsethik der Erlösungsreligiosität. Für Weber bedeutet es keine naive Unterscheidung, sondern eine typologische Entwicklungskonstruktion der Rationalisierung der Religion : Von der Stufe der Magie bis der Stufe der Religion. Für ihn sind zwei Massstäbe am wichtigsten, nach denen man die Stufe der Rationalsierung einer Religion anordnen kann : Einmal der Grad, in welchem sie die Magie abgestreift hat ; dann der Grad systematischer Einheitlichkeit des 'Weltbildes'. Die Rationalisierung einer Religion wird deswegen von ihm in bestimmten Sinne als die 'Entzauberung als Entmagisierung' behandelt. Auf der Stufe der Magie sei die 'Welt' ein 'Zaubergarten'. Im Gegensatz zur Religion hat die Magie vor allem eine irrationale Grundlage. Beim Prozess der Rationalisierung ist die Magie zur 'Erlösungsreligion' geworden. Weber behandelt den Begriff 'religiöse Ethik' als einen genetischen Gattungsbegriff, in Abrenzung zu 'magischen Ethiken', die man auch als 'subjektiv zweckrationale Kunstlehren' bezeichnen könnte. Die typologische Anordnung der konfuzianischen Ethik in der Weberschen Religionssoziologie ist uneinheitlich, weil sie sich häufig mit den Vergleichpunkten Webers ändert. In seiner Entwicklungskonstruktion der Rationalisierung der Religion hat er den Konfuzianismus (als Gegentypus des Puritanismus) der Stufe der Magie zugerechnet. Beide religiösen Ethiken haben nach ihm ihre irrationale Verankerung : Die Magie beim Konfuzianismus und die letztlich unerforschlichen Ratschlüsse eines überweltlichen Gottes beim Puritanismus. Die konfuzianische Ethik wird von Weber wegen ihrer ungebrochenen Gebundenheit an die Magie und die unsystematischen Konventionen bzw. Traditionen auf einer relativen niedrigen Stufe angeordnet : Die Stufe der 'magischen Ethik'. Im Gegensatz dazu, wird die puritanische Ethik wegen ihrer konsequenten Entmagisierung und systematischen Einheitlichkeit des 'Weltbildes' auf einer höchsten bzw. letzten Stufe angeordnet : Die Stufe der 'Gesinnungsethik'. Dabei hat Weber die Weltbejahung der konfuzianischen Ethik mit der Weltbejahung der Magie gleichgesetzt, weil er hier, entgegen seinem eigenen Bezugsrahme, Religion tendenziell mit ‚Erlösungsreligion’ identifiziert. Eine solche magische Gebundenheit gilt für ihn nicht nur für die konfuzianische 'Orthodoxie', sondern noch stärker für die taoistische 'Heterodoxie'. Die konfuzianische Ethik wird von Weber als ein Typus der 'ritualistischen Ethik' und der 'Gesetzesethik' angesehen. Im Vergleich zum Taoismus, der total von Magie dominiert wird und die Rolle der Massenreligiosität übernimmt, beschreibt er die konfuzianische Ethik als die 'Standesethik einer literarisch gebildeten weltlich-rationalistischen Pfründnerschaft'. Die klassischen literarischen Bücher der Chinesen, die eng mit der Bildung des Literatenstandes zusammenhängen, behandeln nach Weber die Zeremonial- und Ritualnormen und Rechtsvorschriften völlig auf gleicher Linie. Die universalistische konfuzianische Ethik, sei es die von Konfuzius, sei es die von Mengzi oder Xunzi, verlangt eine systematische Lebensführung, ein Handeln aus Pflicht und eine gegenseitige Ergänzung bzw. Synthese von Autonomie und Heteronomie, wenn auch in einem andersartigen historischen und kulturellen Kontext als in ihrem okzidentalen Sinne. Die Webersche Beurteilung der konfuzianischen Ethik, sei es die 'magische Ethik', sei es die 'Gesetzesethik' oder 'ritualistische Ethik', ist in diesem Sinne unzutreffend. Und seine Einschätzung, dass es keinen Sprung zur 'Gesinnungsethik' beim Konfuzianismus gibt, stimmt auch mit der Faktizität des Konfuzianismus nicht überein. Die Herrschaftsstruktur Chinas wird von Weber als 'patrimonial' bezeichnet : Die vom Kaiser ausgeübte Herrschaft war insofern ‚patrimonial’, als die auf den gleichen Strukturprinzipien beruhte wie die Stellung des Vaters in der Familie. Der Kaiser betrachtete das Reich als seine Familie, wie in der Familie der Vater, in der Sippe der Älteste, im Kreis der Magistratbeamte, so war im Gesamtreich der Kaiser das Zentrum von Pietätsbeziehungen, die sowohl einer bestimmten Tradition als auch der durch sie zur Herrschaft berufenen Person galten. Eine Unterscheidung zwischen Person und Amt, Staat und Gesellschaft war unter diesen Umständen nicht möglich. Der Begriff 'Pietät' wird von Weber als synonym mit der persönlichen Loyalität behandelt und als die Kardinaltugend sowohl des Patriarchalismus wie auch des Patrimonialismus angesehen. 'Xiao' wird von ihm mit 'Pietät' übersetzt. Aber im historischen Kontext Chinas hat dieser Begriff eine andersartige kulturelle Bedeutung. Es ist die 'Reziprozität' (shu), bzw. die 'Menschlichkeit' (ren), die von den Konfuzianern als die Kardinaltugend und das Legitimationsprinzip der Herrschaft behandelt wird. Obwohl die Tugend (xiao) im Laufe der Zeit von den Han-Konfuzianern politisch interpretiert und als Kardinaltugend der Herrschaft im kaiserlichen China hervorgehoben worden ist, stimmt diese Tatsache trotzdem nicht mit der Beschreibung Webers überein. Es ist fragwürdig, dass Weber ohne Vorbehalt die okzidental kulturell geprägten Begriffe wie 'patria potestas', 'Patriarchalismus', 'Patrimonialismus' und 'Pietät' auf China angewendet hat. |
|
39 | 2000 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (9). Hsia, Adrian. Das Chinesien bei Leibniz und Max Weber [ID D16520]. Adrian Hsia schreibt : Weber definiert den Konfuzianismus als 'die Standesethik einer literarisch gebildeten weltlich-rationalistischen Pfündnerschaft'. 'Die religiöse Standesethik dieser Schicht hat die chinesische Lebensführung weit über jene selbst hinaus bestimmt'. Dieser höchst problematischen Definition nach wären die Konfuzianer zwar literarisch gebildet, rationalistisch ausgerichtet und insofern weltangepasst, als ihr Lebensziel darin bestünde, Pfründen einzusammeln. Dafür hätten sie die Klassiker studiert und Prüfungen abgelegt. Wahrscheinlich soll der Konfuzianer der Funktion nach 'weltordnender Bürokrat' und der Ethik nach 'Pfründner' sein. Weber stellt fest, dass der Ursprung des Literatentums 'in Dunkel gehüllt' sei, aber sie, die Literaten, stützten sich mit ihrer Wissenschaft auf 'jenen kirchlichen Anstaltscharakter des Staats und gingen von ihm als der gegebenen Voraussetzung aus', aber sie fühlten sich durchaus 'als einziger Träger der einheitlichen chinesischen Kultur'. Diesen Beschreibungen nach müssten die Literaten zur Hälfte Priester sein. Diese Priester-Beamten dienten dann dem 'Cäsaropapisten', dem Kaiser. In der Zeit der 'Einheitsmonarchie', so Weber, war der 'Mandarinenstand, aus dessen Mitte sich alle Klassen der chinesischen Zivilbeamten rekrutierten, eine Schicht diplomierter Pfründenanwärter geworden'. Ausgelesen wurden die Anwärter dieses Standes spätestens seit dem 7. Jh. durch Prüfungen, die den Besitz 'literarischer Durchkultivierung und der daraus folgenden, dem vornehmen Manne angemessenen Denkweise' ermitteln sollen. Damit ist der Stand um eine Qualität mehr bereichert. Weber gibt Auskunft über diese Prüfungen: 'Soweit die bei den Prüfungen gestellten Aufgaben schliessen lassen, hatten diese auf den Unterstufen etwa den Charakter von Aufsatzthemen in einer Prima eines deutschen Gymnasium oder, vielleicht noch richtiger, der Selekta einer höheren deutschen Töchterschule. Alle Stufen sollten Proben der Schreibkunst, der Stilistik, der Beherrschung der klassischen Schriften, endlich aber Proben einer einigermassen vorschriftsmässigen Gesinnung sein. Die chinesische Bildung diente Pfründeninteressen und war schriftgebunden'. Diese Schriftgebundenheit hat Weber absichtlich hervorgehoben. Denn die chinesische Bildung bestehe aus Einprägung von Staats- und Familienpietät, die 'fast nur Regeln der Selbstbeherrschung' und 'wie anderwärts alle priesterlich geschaffene Bildung, ganz unmilitärisch und rein literarisch war'. Mit 'literarisch' meint Weber die Schrift, die 'in ihrem bildhaften Charakter verharrte'. Diese Eigentümlichkeit bedeute, daß das Schriftbild wichtiger sei als das gesprochene Wort. In diesem Zusammenhang evoziert Weber den Sinologen Wilhelm Grube als Zeuge, dass die Schrift 'weder der Dichtung noch dem systematischen Denken noch der Entfaltung der rednerischen Kunst die Dienste leisten können', wie der Sprachbau europäischer Sprachen. Die 'Gewalt des Logos, des Definierens und Räsonierens' erschliesse sich dem Chinesen nicht. Daher bleibe, schlussfolgert Weber, die Logik 'der rein an den Standesinteressen der Patrimonialbureaukratie orientierten, schriftgebundenen und undialektischen chinesischen Philosophie schlechterdings fremd'. Weil die Logik 'dieser Kernproblemkreis aller abendländischen Philosophie', China unbekannt bliebe, erinnerten die Konfuzius zugeschrieben Aussprüche 'an die Ausdrucksmittel indianischer Häuptlinge'. An erster Stelle muss ein Konfuzianer ein Literat bzw. ein Gelehrter sein. Dieser besteht mit Erfolg seine drei öffentlichen Prüfungen. Im Weberschen Sinne ist er gleichzeitig Amts-, Pfründenanwärter und Kaplan. Bekommt er ein Amt, wird er dann Beamter, Pfründner und Priester. Er ist Priester, weil er nach Weber, in den Augen der Massen 'ein erprobter Träger magischer Qualitäten' sei. Vermutlich ist Weber zu dieser Meinung gekommen, weil er den chinesischen Kaiser als Cäsar und Papst in einer Person sieht, und zwar aufgrund des Staatskultes. Solange die Harmonie herrscht, beherrscht der Kaiser die menschliche und die Geisterwelt. Aber hat der Beamte auch Befugnisse über die Geisterwelt ? Könnte er z.B. die Funktion des Exorzisten übernehmen ? In Webers China, wo der Mandarin nur Salon-Bildung und priesterliches Charisma besitzt, herrscht der Beamtenrationalismus oder, in anderen Worten, der praktische Rationalismus einer Amtspfründnerschaft mit einer Laienreligion, die allein 'an die Macht' der Ahnengeister glaube. Das Lebensziel dieser Pfründnerschaft sei: 'langes Leben, Kinder und Reichtum, in sehr geringem Maße um des Wohlergehens der Ahnen selbst'. Für Weber ist das Obige die 'konfuzianische Lebensorientierung'. Man könnte eine lange Liste anführen, was dieser Lebensorientierung mangelt. 'Eschatologie und Erlösunglehre' können die Liste führen und die damit verbundene 'Ekstase und Askese'. Dadurch kannten, Weber zufolge, die Konfuzianer nicht 'das individuelle Gebet'. Sie ignorierten auch die ungleiche (religiöse) Qualifikation, die den Gnadenstand ausmache. Stattdessen hingen sie, an der prinzipiellen Gleichheit der Menschen, was zu dem Irrtum führt, der Konfuzianer suche 'den Grund seiner äusseren und inneren Erfolge oder Misserfolge bei sich selbst'. Weil alle Menschen in China als gleich angesehen würden, werde der materielle Wohlstand, wie Weber hervorhebt 'ethisch betrachtet, nicht etwa in erster Linie Quelle von Versuchungen, sondern vielmehr : das wichtigste Mittel zur Beförderung der Moral'. Daher sei das letzte Ziel des Konfuzianismus : 'möglichst universell verbreiteter Besitz im Interesse der universellen Zufriedenheit'. Folgerichtig fehle, dessen war Weber überzeugt, auch der Antrieb zum Kapitalismus, ohne den die „'moderne okzidentale Rechtsrationalisierung' nicht möglich sei. Es fehlt dem Konfuzianismus, so belehrt er, überhaupt die Spannung, es herrsche im ideologischen Bereich ausschließlich Gleichheit, Harmonie, Schicklichkeit, Tugend und Pazifismus, als daß sich die moderne Rationalisierung und der Kapitalismus entwickeln könnten. Im Kapitel Resultat faßt Weber noch einmal zusammen, warum der tragende Geist Chinas keinen Kapitalismus hervorgebracht hat. Der erste Fehler sei: 'Die Welt war die beste aller möglichen Welten'; dann soll der Mensch anlagemässig ethisch gut und perfektionsfähig sein ; der dritte Fehler sei der 'rechte Weg zum Heil', die Anpassung an das Tao, die kosmische Harmonie, der vierte sei die Idealeigenschaft der Menschen, nämlich 'Anmut und Würde', und schliesslich der fünfte : 'Schicklichkeit sei die Zentraltugend'. Weber verdeutlicht in Vergleichen : Dem Chinesen fehle 'die zentral, von innen heraus, religiös bedingte rationale Lebensmethodik des klassischen Puritaners', es mangle ihm 'die bewusste Verschlossenheit [der Puritaner] gegen die Einflüsse und Eindrücke der Welt', der Chinese brauche die 'eigentümliche Verengung und Verdrängung des natürlichen Trieblebens', um die 'wache Selbstkontrolle des Puritaners' zu erreichen. Um auf das 'objektive Können des Gegenparts' zu gelangen, muss der Chinese vom Puritaner lernen, Vertrauen auf die 'bedingungslose und unerschütterliche, weil religiös bedingte Legalität des Glaubensbruders zu schenken'. Dies alles kann der im Grunde unreligiöse Chinese nur tun, wenn er Puritaner wird. Weber scheint die Chinesen ermutigen zu wollen, diesen entscheidenden Schritt zu tun, denn er bescheinigt dem Chinesen die natürliche Begabung, 'sich den technisch und ökonomisch im neuzeitlichen Kulturgebiet zur Vollentwicklung gelangen Kapitalismus anzueignen'. Er brauche nur die richtige Gesinnung zu haben. |
|
40 | 2003.1 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (10). Lee, Eun-jeung. "Anti-Europa" [ID D16835]. Lee Eun-jeung schreibt : Weber warnt vor einer Überschätzung seiner Studie. Diese sei keine umfassende Kulturanalyse, sondern betone nur das 'was im Gegensatz stand und steht zur okzidentalen Kulturentwicklung'. Im Grunde habe er diese Studie nur deshalb geschrieben, weil 'fachmännische Darstellungen mit diesem besonderen Ziel und unter diesen besonderen Gesichtspunkten bisher nicht vorlagen'. Sie sei jedoch 'in einem ungleich sträkerem Mass und Sinn dazu bestimmt, bald überholt zu werden'. Weber ist der Meinung, dass Konfuzianismus, Taoismus, Hinduismus, Buddhismus und das antike Judentum je einen besonderen Typus von Rationalismus repräsentieren. Diese hätten kraft ihrer Eigengesetzlichkeit das Handeln des Menschen in sehr unterschiedliche Richtungen gelenkt. Der Konfuzianismus steht, insofern er wie der Puritanismus einen Typus rationaler Weltbehandlung, einen Typus eines primär praktischen, nicht theoretischen Rationalismus repräsentiert, zu diesem bei grösster äusserer Ähnlichkeit in grösserer innerer Differenz. So stellt für ihn die chinesische Kultur in ihren konsequentesten Ausprägungen trotz fortwährender und scheinbarer Analogien zum okzidentalen, insbesondere zu seinem zunächst puritanisch, dann utilitaristisch motivierten praktischen Rationalismus ein radikal entgegengesetztes System der Lebensreglementierung, eine andere Welt dar. Weber folgt seinem wichtigsten Erkenntnisinteresse, nämlich die Unterschiede zwischen den Kulturen herauszufinden – genauer, wie sich die verschiedenen, magisch oder religiös mitbedingten Arten der Lebensführung zum modernen ökonomischen Kapitalismus stellen. Er stellt sich in der Konfuzianismusstudie die erweiterte Aufgabe, auch den Einfluss der materiellen Lebensbedingungen auf die religiösen und ethischen Ideen der chinesischen Kultur zu untersuchen. Er versucht die Beziehung zwischen Religion und Wirtschaft nicht als eine einseitige, sondern als ein wechselseitige Kausalbeziehung darzustellen. Weber beschäftigt sich nicht mit der Rekonstruktion tatsächlicher historischer Abläufe, sondern vielmehr mit der Ausarbeitung bestimmter inhärenter Stukturen der chinesischen Gesellschaft. Er lässt sich dabei von der Frage leiten, was dort zur okzidentalen Entwicklung 'im Gegensatz stand und steht'. Daraus ergibt sich methodisch, dass er die Abwesenheit bestimmter Entwicklungsmomente in China besonders betont. Um die, eine endogene kapitalistische Entwicklung in China hemmenden Bedingen identifizien zu können, bedient er sich einer ganzen Reihe von punktuellen Vergleichen zwischen China und dem Okzident. Im wesentlichen charakterisiert er die Unterschiede in drei Hinsichten : In Hinsicht auf die geistige Kultur, auf die materiellen und ideellen Interessen und auf die Ordnungskonfiguration, in die beide eingebettet sind. Als Orientierungspunkte dienen Idealtypen, Rationalismus und Traditionalismus. Er untersucht aus herrschaftssoziologischer Sicht die Organisations- und Verwaltungsformen des chinesischen Herrschaftssystem, das Verhältnis von Herrschaftsstruktur und Wirtschaft, die Reichsverfassung, die soziale Schichtung und die Selbstverwaltung der Dorf- und Sippengemeinschaften. Weber geht in seiner Analyse des chinesischen Reiches auf den Wandel vom feudalen zum präbendalen bzw. patrimonialen Staat ein, ein Wandel der seiner Ansicht nach mit der Errichtung des einheitlichen Staates im 3. Jahrhundert v. Chr. vollzogen worden ist. Er meint im Wasserbau die materielle Voraussetzung für die Entstehung der Patrimonialbürokratie erkennen zu können. Für ihn sind es die im Krieg überlegenen Sippen, welche die Grundlage der Lehensbeziehungen in China bildeten. Darin sieht er den wesentlichen Unterschied zum okzidentalen Lehensfeudalismus. Das chinesische Lehenswesen sei aus dem 'Geschlechterstaat' erwachsen, 'nachdem die Häuptlingssippen den alten Banden des Männerhauses und seiner Derivate sich entzogen hatten'. Der Kaiser sei zwar dort 'Oberlehnsherr' gewesen und hatte theoretisch das Recht, im Erbfall nach seinem Ermessen qualifizierten Erben die Lehen zu verleihen, politisch waren seine Rechte jedoch fast auf ein Nichts zusammengeschrumpft, weil 'nur die Grenzvasallen Militärmacht waren'. Weber weist wiederholt auf das Auseinanderfallen zwischen 'Theorie und Praxis' der feudalen Beziehungen in China hin. Seiner Meinung nach kam die Einheit des Reiches in der Periode des Feudalismus zwischen dem 9. und 3. Jh. v. Chr. nicht in der politischen Einheit noch in den gelegentlichen Fürstenversammlungen, deren Vorsitz der Kaiser innehatte, sondern praktisch nur in der 'Kultureinheit' zum Ausdruck : die Einheit der ständischen Rittersitte, die religiöse, rituelle Einheit und die Einheit der Literatenklasse. Für die besondere Stellung der Literaten war nach Weber 'der pontifikale, cäsaropapistische Charakter der kaiserlichen Gewalt und der daraus folgende Charakter der Literatur : offizielle Annalen, magisch bewährte Kriegs- und Opfergänge, Kalender, Ritual- und Zeremonialbücher, das entscheidende Moment gewesen'. Die Konkurrenzsituation unter den Fürsten brachte nach Weber eine neue Entwicklung in Gang, die diese Literaten zu Zerstörern des feudalen Systems machte. Der Übergang zur Beamtenverwaltung hatte nach Weber zur Folge, dass die Versorgungsgrundlage des Verwaltungsstabes verschoben wurde ; an die Stelle von Lehen traten nunmehr Pfründe. Die entscheidende Phase der Entfeudalisierung wurde unter Tsin Schi Hoang Ti [Qing Shi Huangdi] 221 v. Chr. eingeleitet, als es diesem gelang, ganz China dem ‚Patrimonium des Herrschers’ einzuverleiben’, d.h. der eigenen Beamtenverwaltung zu unterstellen. In der politischen Einigung des Reiches sieht Weber die wichtigste Weichenstellun in der Geschichte Chinas überhaupt : 'Im Einheitsstaat hörten die Chancen der Konkurrenz der Fürsten um die Literaten auf’'. Nach der 'Befriedung' des Reichs wurde den Literaten grosser Raum zur Entfaltung eingeräumt. Da der ethisch rationalisierte 'Himmel' eine ewige Ordnung schützte, waren es ethische Tugenden des Monarchen, an denen sein Charisma hing. Er war ein ‚Monarch von Gottes Gnaden’ und hatte sich als 'Sohn des Himmels' dadurch auszuweisen, dass es dem Volke gut ging. Mit der Errichtung des Einheitsstaates im 3. Jh. v. Chr. hätten sich nach Weber die Grundelemente etabliert, welche über zwei Jahrtausende unverändert das Leben in China bestimmen sollten – vor allem die grosse Tradition des Patrimonialbürokratismus und die Standards der durch die Literaten-Beamten geprägten Kultur. 'Patrimonialismus', 'traditionale Herrschaft' ist der typologische Strukturbegriff, den Weber in seiner Studie immer dann verwendet, wenn er auf die Grundzüge des chinesischen Herrschaftsgefüges zurückgreift. Der Herrschende ist nicht 'Vorgesetzter', sondern perönlicher Herr, sein Verwaltungsstab besteht primär nicht aus 'Beamten' des Verbandes, sondern persönlichen 'Dienern', die Beherrschten sind nicht 'Mitglieder' des Verbandes, sondern traditionale Genossen oder Untertanen. Nicht sachliche Amtspflicht, sondern persönliche Dienertreue bestimmen die Beziehungen des Verwaltungsstabes zum Herrn. Weber fasst die Unterschiede zwischen der Patrimonialbürokratie und 'modernen' Bürokratie in fünf Punkten zusammen : Dem patrimonialen Verwaltungvsstaat fehle : "Die feste Kompetenz nach sachlicher Regel, die feste rationale Hierarchie, die geregelte Anstellung durch freien Kontrakt und das geregelte Aufrücken, die Fachgeschultheit, (oft) das feste und (noch öfter) das in Geld bezahlte Gehalt". In China stehe, bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, politisch 'die patrimoniale Staatsform, vor allem der patrimoniale Charakter der Verwaltung und Rechtsfindung mit ihren typischen Folgen : dem Nebeneinander eines Reiches der unerschütterlichen heiligen Tradition und eines Reiches der absolut freien Willkür und Gnabe, hier wie überall der Entwicklung des Kapitalismus im Wege : das rational kalkulierbare Funktionieren der Verwaltung und der Rechtspflege fehlt'. Er versucht zu zeigen, wie die patrimoniale Struktur vom Staat auf die verschiedensten Kulturgebiete übergreift und von dorther ihrerseits wiederum unterstützt wird. Er ist letztlich der Ansicht, der Patrimonialismus sei 'die für den Geist des Konfuzianismus grundlegende Strukturform' und dessen zentrale Tugend, 'Pietät', die oberste Handlungsnorm sowohl im patrimonialen Untertanenverhältnis der Beamten zu ihrem Herrn wie auch in dem der Sippenangehörigen zu ihren Ahnen, also blosser Ausdruck einer kongenialen Vermittlung traditionlistischer Legitimität mit 'rationelen' Domestikationsbestrebungen, die durch die Kontinuität des staatstragenden Literaten-Beamtentums gewährleistet wird. Er geht von der Grundannahme aus, dass sich die politische und ökonomische Ordnung Chinas über Jahrzweitausende hinweg durch ausserordentliche Kontinuität und Stabilität ausgezeichnet hat und deshalb in China jede Veränderlichkeit auszuschliessen ist. Die Pfründe sind diejenige Form der Beamtenversorgung, der in Webers Analyse der chinesischen Patrimonialbürokratie die grösste Bedeutung zukommt. Unter dem Begriff der Pfründe fasst er sowohl regelmässige Zuweisungen aus den Güter- und Geldvorräten des Herrenpatrimonialismus als auch die Zuweisung von Dienstland oder extrapatrimonialen Renten-, Gebühren- oder Steuer-Einkunftschancen zusammen. Es stehen sich der Kaiser einerseits, der zur Ausübung seiner Macht auf seinen Verwaltungsstab angewiesen ist, und andererseits das Literaten-Beamtentum gegenüber, das grundsätzlich dazu tendiert, sich die Pfründe anzueignen. Weber ist der erste, der sich mit der Einführung des chinesischen Prüfungssystems auseinandersetzt. Vorher war das Prüfungssystem als ein, wie auch immer geartetes, positives Element dargestellt worden. Dagegen erkärt er, dieses System sei vom Herrscher eingeführt worden, um die Gefahr einer Appropriation der Pfründe durch die Literaten-Beamten entgegenzuwirken. Er ist der Meinung, China habe zwar den Zugang zu den ständischen Privilegien der Amtsschicht durch das Prüfungssystem, das gänzlich auf literarische, 'offiziell patentierte' Konventionen abgestellt war, sowie durch eine Reihe weiterer, relativ 'rationaler' bürokratischer Einrichtungen wie etwa die Einschränkung der Amtszeit, einigermassen versachlicht und damit 'formal betrachtet' eine 'radikale Abkehr von den auf persönlicher Gunst und Gnade ruhenden Amststellungen der genuinen Patrimonialbeamten' vollzogen. Dennoch sei dort keine verwaltungstechnische Rationalisierung herbeigeführt worden. In China stünde das ethische Ideal der universellen, persönlichen Selbstvervollkommnung, das dem okzidentalen sachlichen Berufsgedanken radikal entgegengesetzt sei, der Schulung und dem Erwerb fachlicher Kompetenzen im Wege und habe deren Einführung immer wieder verhindert. Auch wenn die Inhalte der Prüfungen zur Beamtenauswahl an die klassische Literatur gebunden waren, habe man aber auch in China nicht 'mit blosser Poesie' verwaltet, sondern mit dem 'Charisma' der Literaten-Beamten. Nach Auffassung Webers hat der Feudalismus die nachfeudale Sozialverfassung Chinas auf zweifache Weise geprägt : einerseits ging seine ständische Lebensform auf das Literaten-Beamtentum über, andererseits wurde seine verbandsmässige Basis im Sippensystem fortgeführt. Es gab nach Weber zwei Gravitationszentren der Herrschaft : Im Dorf herrschte die Sippe, ausserhalb des Dorfes die Patrimonialbürokratie. Allerdings war die Dichte dieser Bürokratie seiner Ansicht nach so gering, dass es ihr nicht gelang, die ausserdörflichen Lebensbereiche wirklich zu durchdringen. Dies führt er neben den unterentwickelten Verkehrsmitteln auf den Gegensatz von innerer und äusserer Verwaltung, die kleine Zahl der offiziellen Beamten, die kurzen Amtszeiten, das Verbot der Anstellung in der Heimatprovinz, das Zensorensystem, die fehlenden Orts- und Sprachkenntnisse der offiziellen Beamten und auf ihre Abhängigkeit von den orts- und sprachkundigen inoffiziellen Beamten zurück. Der Grundgegensatz der chinesischen Städtebildung gegen den Okzident sind nach Weber das Fehlen des politischen Sondercharakters der Stadt. Sie war keine 'Polis' im antiken Sinne und kannte kein ‚Stadtrecht’ wie das Mittelalter. Denn sie war keine Gemeinde mit eigenen politischen Sonderrechten. Deshalb hat sich dort keine bürgerliche Schicht gebildet, deren grosse historische Bedeutung für die Entstehung des modernen Kapitalismus ist. In der zweiten Hälfte seines Textes geht es Weber vor allem darum, die Besonderheit des 'chinesischen Ethos', also der kulturellen Grundlage des traditionalen Chinas zu entschlüsseln. Er will zeigen, dass die 'Wirtschaftsethik' der chinesischen Religionen bestimme Elemente enthält, die sich als hemmende Fakoren für die Entfaltung einer kapitalistisch orientieren Wirtschaft interpretieren lassen. Er versucht neben einer Analyse der Eigentümlichkeiten der chinesischen Religiosität, die radikale Gegensätzlichkeit zwischen Konfuzianismus und Puritanismus idealtypisch herauszuarbeiten. Es geht bei Weber bei seiner Beschäftigung mit dem Konfuzianismus und den chinesischen Religionen nicht so sehr um die Fragen nach deren 'Wesen', sondern vielmehr nach deren 'Funktion' in der chinesischen Gesellschaft und ihrer Entwicklung. Der Konfuzianismus ist nach Weber 'eine bürokratische Lebensweisheit', die 'systematische Vervollkommnung und prinzipielle Geschlossenheit' gefunden hat ; sie ist die 'Standesethik' des chinesischen Patrimonialbeamtentums und damit die Ausdrucksform der politisch und ökonomisch privilegierten Oberschicht Chinas. Die gesellschaftliche Funktion des Konfuzianismus sieht er vor allem darin, dass dieser durch das Bildungsmonopol einen harten Kern einer in sich ideologisch homogenen Literaten- und Beamtenschicht für den Regierungsdienst hervorgebracht hatte, die durch die Ausstrahlung ihrer Standesethik die Lebensführung der chinesischen Gesellschaft über die eigene Schicht hinaus beeinflussen sollte. Alle ethischen Anforderungen, die durch die konfuzianischen Erziehungsideen gestellt wurden, waren Weber zufolge rein äusserliche Verhaltensvorschriften. Dazu gehörten ‚Wache Selbstbeherrschung, Selbstbeobachtung und Reserve, vor allem : Unterdrückung der Leidenschaft, die in jeder Form, auch der der Freude, das Gleichgewicht der Seele und ihre Harmonie, die Wurzel alles Guten, stört. Durch das Studium der alten konfuzianischen Klassiker sollte allein eine vorschriftsmässige Gesinnung, die 'dem vornehmen Mann' angemessene Denkweise, vermittelt werden. Es ist nicht mehr umstritten, dass Webers Konfuzianismusstudie eine 'etwas verwirrende Mischung aus Zutreffendem, Missverständnissen und Überholtem' darstellt. In der Tat ist seine Auslegung des Konfuzianismus oft von willkürlichen Interpretationen und subjektiven Wertungen überschattet. Er geht mit seinen Quellen nicht vorbehaltlos um, er betrachtet und interpretiert sie vielmehr. Insgesamt versucht er, das vormoderne China und den Konfuzianismus als ein Gegenbild, das in jeder Hinsicht in scharfem Kontrast zum Westen und seinem Protestantismus steht, darzustellen. So präsentiert er das konfuzianische Glaubenssystem im allgemeinen als autoritär, konservativ und traditionalistisch. Dabei betrachtet er die konfuzianischen Literaten als die eigentlichen Übermittler und Hüter einer ununterbrochenen Tradition. Die Erneuerungsphase im Christentum behandelt er detailliert anlysiert, den Konfuzianismus aber so, als ob es niemals einen Wandel in der langen Geschichte gegeben haben könnte. Er lässt auch die bedeutende Erneuerung des Neokonfuzianismus ausser acht. Statt dessen konstruiert er ein Bild von einem Konfuzianismus, der sich von Magie und Irrationalität nicht befreit hat. Die Volksgottheiten seien unter die Patronage einer geduldeten Priesterschaft geraten, die sich auf eine andere Philosophiegestalt und seine Lehre beruft. Diese Lehre, der Taoismus, habe ursprünglich nicht prinzipiell im Gegensatz zur offiziellen Lehre gestanden, schliesslich aber doch als heterodox gegolten. Eigentlich seien es zurückgezogene Mystiker gewesen, die den Taoismus vertraten. Sie lehnten Staatsämter im Interesse der eigenen Heilssuche ab. Ihre Hilfsziele waren makrobiotisch und magisch orientiert : langes Leben und magische Kräfte wurden erstrebt. Sie umschrieben den harmonischen Zustand mit 'Leere (hu) oder Nichtssein (wu), erreichbar durch Wu wei (Nichtstun) und pu yen (Nichtssagen)'. Eine 'rein magische Wende' in der Lehre Laozis führte nach Weber zum Einströmen der Gesamtheit der alten Magie in die taoistische Gemeinschaft. Die Vereinigung des taoistischen Meisters mit seinen Jüngern bildete den Keim taoistischer Klostergründungen und sei durch die Konkurrenz des eindringenden Buddhismus noch beschleunigt worden. So betrachtet er den Taoismus als eine Verschmelzung einer Lehre weltflüchtiger Intellektueller mit dem Gewerbe der Magier unter Ausbildung einer festen hierokratischen Organisation. Als solcher habe der Taoismus kein eigenes 'Ethos' gekannt. Mit seinen Spezialgöttern, sakramentalen Therapien und Techniken zur Erlangung der Unsterblichkeit wurde er populär. Weber stellt auf der Ebene der Weltbild-Struktur einen religiösen Typus dar, der dem ethischen System des Puritanismus diamentral entgegengesetzt ist. Im Grunde sei der Konfuzianismus 'diejenige rationale Ethik, welche die Spannung gegen die Welt, sowohl ihre religiöse Entwertung wie ihre praktische Ablehnung, auf ein absolutes Minimum reduzierte'. Da bei ihm sowohl 'jede transzendente Verankerung der Ethik' als auch irgend eine 'Erlösungslehre' fehle, orientiere sich das Glaubenssystem des Konfuzianismus nur 'diesseitig'. Am Ende seiner Konfuzianismusstudie betont Weber ausdrücklich, es sei gar nicht daran zu denken, dass die Chinesen von Natur aus nicht 'begabt' wären, sich den in Europa zur Vollentwicklung gelangten Kapitalismus anzueignen. Die ganz ausserordentliche Entwicklung und Intensität des chinesischen Erwerbstriebs könne gar nicht in Zweifel gezogen werden. Seine 'Vehemenz und Skrupellosigkeit' seien jeder Konkurrenz anderer Völker gewachsen. Zumal gelte der Fleiss und die Arbeitsfähigkeit der Chinesen noch immer als unerreicht. Dem Konfuzianismus fehlte die 'notwendige Erfahrung' von der ungleichen (religiösen) Qualifikation der Menschen und daher jeder Gedanke religiöser Differenzierung eines 'Gnadenstandes'. Darauf beruhe die Vorstellung der 'prinzipiellen Gleichheit der Menschen', die dem politischen Gegensatz von Patrimonialbürokratie und Feudalismus entspreche. Nach dieser Vorstellung sei der Mensch 'an sich gut, das Schlechte kam von aussen, durch die Sinne, in ihn hinein, und die Unterschiede der Qualität waren Unterschiede der harmonischen Entwicklung des Einzelnen'. Nur die Lebenslage differenziere also den Menschen. Webers Studie stimmt im wesentlichen mit den damals in Deutschland und Europa vorherrschenden, noch aus dem 19. Jahrhundert und insbesondere von Hegel stammenden Urteile über China und Konfuzianismus überein. Diese Urteile waren zugleich durch die allgemeinen politischen Verhältnisse und Webers eigenes Weltbild gefärbt. Die zahlreichen Mängel und methodischen Unzulänglichkeiten, die durch seine gelegentlich scharfen Beobachtungen nicht aufgewogen werden, schmälern der Wert von Webers Konfuzianismusstudie ganz erheblich. Er hatte diese religionssoziologische Studie ja nur deshalb geschrieben, weil zu seiner Fragestellung keine fachmännische Untersuchung existiere. Ohne Zweifel hat er die moderne Chinaforschung stark beeinflusst und eine Reihe von Diskussionen ausgelöst. |
|
41 | 2003.2 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (11). Fröhlich, Thomas. Tang Junyi, Max Weber und die Mächte des Dämonischen [ID D18799]. Thomas Fröhlich schreibt : Im Verständnis von Max Weber kann der typologische Ort des Konfuzianismus zunächst durch die Differenzierung von Religion und Magie bestimmt werden. Wie in anderen Religionen kommt es demnach auch im Konfuzianismus zu einer gewissen "Ethisierung" sozialer Beziehungen. Das Schicksal des Einzelnen hängt nun nicht mehr ausschliesslich von Zauber ab, sondern wird auch durch die Lebensführung bestimmt. An diesem typologischen Ort nimmt Weber weitere systematische Unterscheidungen vor, die es ihm schliesslich erlauben, den Konfuzianismus als Typus einer politischen Religion zu bestimmen, die sich vom asketischen Protestantismus dadurch unterscheidet, dass sie keine Erlösungslehre kennt. Der Konfuzianismus betreibt demnach eine "Systemalisierung und Institutionalisierung einer politischen und sozialen Standesethik, eine Art Ziviltheologie". Mit dieser typologischen Differenzierung gehen Aussagen Webers über geistige und lebenspraktische Konsequenzen einher, deren Reichweite sich über das gesamte Kulturgebiet, in dem der Einfluss des jeweiligen Religionstypus dominant ist, erstreckt. In geistiger Hinsicht konstatiert Weber, dass dem Konfuzianismus "jede transzendente Verankerung der Ethik, jede Spannung zwischen Geboten eines überweltlichen Gottes und einer kreatürlichen Welt, jede Ausgerichtetheit auf ein jenseitiges Ziel und jede Konzeption eines radikal Bösen fehlt. Wer die auf das Durchschnittskönnen des Menschen zugeschnittenen Gebote innehielt, war frei von Sünden". Die konfuzianische Ethik ist für Weber daher "eine rationale Ethik, welche die Spannung gegen die Welt, sowohl ihre religiöse Entwertung wie ihre praktische Ablehnung, auf ein absolutes Minimum reduziert", mit anderen Worten, eine "Ethik der unbedingten Weltbejahung und Weltanpassung". Dass die Ethik des Konfuzianismus diese Spannung gegen die Welt reduziert, wirkt sich in Webers Verständnis sowohl auf die Wirtschaftsethik als auch auf das Wirtschaftsleben des konfuzianisch bestimmten Kulturgebiets aus. Worin diese Folgen bestehen, lässt sich vielleicht am klarsten anhand der entsprechenden Konsequenzen aufzeigen, die Weber dem asketischen Protestantismus zurechnet. Diesem Typus einer Erlösungsreligion fehle weder eine transzendente Grundlage der Ethik noch die Spannung gegen die Welt noch ein Begriff des Bösen. Das hat weitreichende Folgen, denn "nur die überweltlich orientierte puritanische rationale Ethik führte den innerweltlichen ökonomischen Rationalismus in seinen Konsequenzen durch, gerade weil ihr an sich nichts ferner lag als eben dies, gerade weil ihr die innerweltliche Arbeit nur Ausdruck des Strebens nach einem transzendenten Ziel war". Eine konfuzianisch geprägte Kultur bliebe demnach ohne jene "wertrationale Verankerung", die von der Ethik "protestantischer Sekten" bereitgestellt wurde; damit entfiele aber zugleich die "motivationale Grundlage", auf der "zweckrationale Verhaltensweisen" einen Modernisierungsprozess hin zu Bürokratisierung, Verrechtlichung und kapitalistischer Wirtschaftsordnung tragen konnten. Eine Ablösung von dieser ethischen Grundlage, wie sie schliesslich im Fortgang abendländischer Modernisierung stattfand, wäre im konfuzianischen Kulturgebiet daher von vornherein ausgeschlossen : Zwischen Konfuzianismus und dem "Geist des Kapitalismus" bestünde keinerlei "Wahlverwandtschaft". |
|
42 | 2007 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (12). Tan, Yuan. Der Chinese in der deutschen Literatur [ID D16340]. Tan Yuan schreibt : Max Webers Chinastudie will erklären, warum China trotz zahlreicher günstiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedingungen nicht von innen heraus zu einer modern-kapitalistischen Entwicklung gelangt ist. Diese Frage ist Webers Leitfaden für seine umfangreiche Studie über Geldwesen, Städte, Fürstenverwaltung, Gotteskonzeption, feudale Bürokratie, Fiskal-, Heeres- und Agrarverfassung sowie Selbstverwaltung der Berufsverbände, der Sippen und des Dorfs in China. Nicht 'das Fehlen des formal garantierten Rechts und einer rationalen Verwaltung und Rechtspflege', oder die 'Folgen der Verpfründung' seien die entscheidenden Hemmungen für 'den rationalen Betriebskapitalismus'. Dieser sei vielmehr gehemmt worden 'durch das Fehlen gewisser gesinnungsmässiger Grundlagen', die nach Webers Sicht von universalgeschichtlicher Bedeutung sind, und zwar 'vor allem durch diejenige Stellungnahme, welche im chinesischen .Ethos ihre Stätte fand und von der Beamten- und Amtsanwärterschicht getragen wurde'. In dem Kapitel Literatenstand und Die konfuzianische Lebensorientierung beschäftigt sich Weber mit der Entwicklungsgeschichte sowie mit den materiellen und ideellen Interessen derjenigen Schicht, die er als 'Träger der Fortschritte zur rationalen Verwaltung und aller Intelligenz' in China bezeichnet : die Beamten-und Amtsanwärterschicht, die 'den entscheidenden Ausdruck der Einheitlichkeit der chinesischen Kultur' gebildet hätten. Das Prüfungswesen und die konfuzianische Erziehung hätten den ständischen Charakter des Literatentums geprägt; dieser habe dann die Stellung der Literatenschicht zur Wirtschaft und Politik bestimmt. Weber behandelt daraufhin den Kern des Konfuzianismus: bestimmte religiöse Glaubensinhalte in der konfuzianischen Lebensführung, die nach Weber die Entstehung der Wirtschaftsgesinnung bedingen. Dabei konstatiert Weber das Fehlen ,'jeder Eschatologie und jeder Erlösungslehre im Konfuzianismus'. Das Interesse am eigenen Jenseitsschicksal spiele beim Konfuzianer nur eine unwichtige Rolle. 'Zum mindesten herrschte bei ihm seit langem allen Jenseitshoffnungen gegenüber eine absolut agnostische, wesentlich negative Stimmung.' 'Die Beziehung zum Religiösen, einerlei ob magischen oder kultischen Charakters, blieb dabei ihrem Sinn nach diesseitig gewendet, weit stärker und prinzipieller als dies auch sonst überall und immer die Regel ist.' Was das Wesen betrifft, ist der Konfuzianismus nach Weber 'nur Ethik' und 'ausschließlich innerweltliche Laiensittlichkeit'. Er sei 'Anpassung an die Welt, ihre Ordnungen und Konventionen, letztlich eigentlich nur ein ungeheurer Kodex von politischen Maximen und gesellschaftlichen Anstandsregeln für gebildete Weltmänner'. Weber hebt darauf ab, dass die konfuzianische Bildung nach der Vollendung der Persönlichkeit strebe. Das 'ständische Vornehmheitsideal' des konfuzianischen 'Gentleman' sei die 'auf Allseitigkeit ruhende Jugend, d.h. die Selbstvollendung'. Dieses Ideal habe die konfuzianische Wirtschaftsgesipnnung entscheidend beeinflusst. Beim Konfuzianer sei der Reichtum zwar 'das wichtigste Mittel, tugendhaft, d.h. würdig leben und sich der eigenen Vervollkommnung widmen zu können'. Aber der Reichtumserwerb 'schien unsicher und könnte zur Störung des vornehmen Gleichgewichts der Seele führen, und alle eigentliche ökonomische Berufsarbeit war banausisches Fachmenschentum.' Das habe zur Ablehnung des Fachmanntums geführt: "Die amtliche Stellung ist vor allem auch deshalb die einzige eines höheren Menschen würdige, weil sie allein die Vollendung der Persönlichkeit gestattet. Wirtschaftlicher, ärztlicher, priesterlicher Erwerb ist der 'kleine Weg'. Denn er führt zur fachlichen Spezialisierung." Weber betont, was der 'Kernsatz der konfuzianischen Ethik' sei: 'Der vornehme Mann war kein Werkzeug', d.h.: er war in seiner weltangepassten Selbstvervollkommnung ein letzter Selbstzweck, nicht aber Mittel für sachliche Zwecke welcher Art immer. Daher 'lehnte' der Konfuzianer 'die Fachspezialisierung, die moderne Fachbureaukratie und die Fachschulung, vor allem aber die ökonomische Schulung für den Erwerb ab'. Dem konfuzianischen Vollkommheitsideal setze der Puritanismus den Gedanken des 'Berufs' entgegen. Die Würde des echten Christen liege 'gerade nur' darin, als 'Werkzeug' Gottes zu dienen: 'Und weil er dies sein wollte, war er ein brauchbares Instrument, die Welt rational umzuwälzen und zu beherrschen.'Aus diesem Grund sei die chinesische Bildungsqualifikation eine 'Kultur'-Qualifikation 'im Sinne einer allgemeinen Bildung, von einer ähnlichen, aber noch spezifischeren Art, als etwa die überkommene okzidentale humanistische Bildungsqualifikation' gewesen. Die chinesischen Prüfungen 'ermittelten den Besitz literarischer Durchkultivierung und der daraus folgenden, dem vornehmen Manne angemessenen Denkweise'. Dagegen sei 'bei uns - darin liegt der sehr wichtige Unterschied des Okzidents gegen China - neben und zum Teil an Stelle dieser ständischen Bildungsqualifikation die rationale Fachabrichtung getreten'. Weber legt auch großen Wert auf die Rolle der 'Pietät' (Xiao) und der 'Schicklichkeit' (Li) in der konfuzianischen Lebensorientierung. Zum Thema der Pietät führt er aus: ,'Der Gedanke einer Erlösung fehlte der konfuzianischen Ethik natürlich völlig. Und als Sünde konnte ihm nur die Verletzung der einen sozialen Grundpflicht gelten : der Pietät.' Da 'die erprobten magischen Mittel und letztlich alle überkommenen Formen der Lebensführung bei Vermeidung des Zorns der Geister unabänderlich waren', habe die konfuzianische Ethik die 'naturgewachsenen oder durch die sozialen Über- und Unterordnungsverhältnisse gegebenen persönlichen Beziehungen' als die 'menschlichen Pietätspflichten' verklärt. Daher sei 'die Vernunft des Konfuzianismus' 'ein Rationalismus der Ordnung'. 'Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt.' Aus dieser sozialethischen Stellungnahme folge die Erhaltung der 'durchaus an persönliche Beziehungen geknüpfte Charakter der politischen und ökonomischen Orgahisationsformen', die 'der rationalen Versachlichung und des abstrakten transpersonalen Zweckverbandscharakters entbehrten'. Daher sei in China 'alles Vertrauen, die Grundlage aller Geschäftsbeziehungen, immer auf Verwandtschaft oder verwandtschaftsartige rein persönliche Beziehungen gegründet' geblieben. Dagegen bedeutet der puritanische Rationalismus 'rationale Beherrschung der Welt': 'Aus der Beziehung zum überweltlichen Gott und zur kreatürlich verderbten, ethisch irrationalen Welt folgte die absolute Unheiligkeit der Tradition und die absolut unendliche Aufgabe immer erneuter Arbeit an der ethisch rationalen Bewältigung und Beherrschung der gegebenen Welt.' Die große Leistung 'der ethischen und asketischen Sekten des Protestantismus war die Durchbrechung des Sippenbandes, die Konstituierung der Überlegenheit der Glaubens- und ethischen Lebensführungsgemeinschaft gegenüber der Wertegemeinschaft, in starkem Masse selbst gegenüber der Familie. Ökonomisch angesehen: die Begründung des geschäftlichen Vertrauens auf ethische Qualitäten der Einzelindividuen, welche in sachlicher Berufsarbeit bewährt waren'. Schliesslich habe der Puritanismus 'alles' versachlicht, 'in rationale Betriebe und rein sachlich geschäftliche Beziehungen' aufgelöst. Weber hält auch die 'Schicklichkeit' für einen wichtigen konfuzianischen Grundbegriff. Für den Konfuzianer sei die 'zeremonielle und rituale Schicklichkeit in allen Lebenslagen Zentraltugend, Ziel der Selbstvervollkommnung'. Der konfuzianische Gentleman solle 'die alten Zeremonien mit gebührendem und erbaulichem Anstand mitmachen' und 'alle seine Handlungen, einschließlich der physischen Gesten und Bewegungen, nach den ständischen Sitten und den Geboten der Schicklichkeit in Höflichkeit und Anmut regeln'. Aber die 'sthetisch kühle Temperatur' des 'Schicklichkeits-Ideales' habe 'alle aus feudalen Zeiten überkommenen Pflichten, insbesondere die karitativen, zum symbolischen Zeremoniell erstarren' lassen. Die 'wache Selbstbeherrschung des Konfuzianers ging darauf aus, die Würde der äusseren Gesten und Manieren, das Gesicht zu wahren'. Sie war ästhetischen und dabei wesentlich negativen Charakters: 'Haltung' an sich, ohne bestimmten Inhalt, 'wurde geschätzt und erstrebt'. Dagegen richte sich die Selbstkontrolle des Puritaners 'auf etwas Positives: ein bestimmt qualifiziertes Handeln, und darüber hinaus auf etwas Innerliches: die systematische Meisterung der eigenen, als sündenverderbt geltenden inneren Natur. Denn der überweltliche allwissende Gott sah auf den zentralen inneren Habitus.' Der 'nur auf die äussere Contenance bedachte konfuzianische Gentleman' habe das 'universellen, allen Kredit und alle Geschäftsoperationen hemmende Misstrauen' gegen andere. Dagegen habe der Puritaner 'das ökonomische, bedingungslose und unerschütterliche' Vertrauen des Glaubensbruders. Aus dieser Analyse zieht Weber einen Schluss von universeller Bedeutung: 'Es wird kaum abzuweisen sein, dass die grundlegenden Eigentümlichkeiten der ‚Gesinnung', in diesem Falle: der praktischen Stellungnahme zur Welt, kraft der ihren Eigengesetzlichkeiten zuzurechnenden Wirkungen an jenen Hemmungen stark mitbeteiligt gewesen sind.' Neben dem Konfuzianismus hat Weber im Kapitel Orthodoxie und Heterodoxie die heterodoxen Religionen in China, vor allem den Taoismus, analysiert. Webers Studie über den Taoismus konzentriert sich auf Laozi und seine mystische Lehre. Nach Max Weber sind 'Wiedergeburt' und 'Erlösung' die'beiden höchsten Konzeptionen der sublimierten religiösen Heilslehre'. Laozi zielte vor allem auf die Selbsterlösung ab, seine Lehre ist eine religiöse Heilslehre. Nach Weber ist 'Tao' an sich ein orthodox konfuzianischer Begriff : die ewige Ordnung des Kosmos und zugleich dieser Ablauf selbst : eine in aller nicht dialektisch durchgeformten Metaphysik häufige Identifikation. Bei Laozi sei Tao in Beziehung zur typischen Gottsuche des Mystikers gesetzt : 'es ist das allein Unveränderliche und deshalb absolut Wertvolle, sowohl Ordnung wie zeugender Realgrund, wie Inbegriff der ewigen Urbilder alles Seins, kurz das göttliche Alleine, dessen Teilhaftigkeit man - ganz wie in aller kontemplativen Mystik - durch absolute Entleerung des eigenen Ich von Weltinteressen und Leidenschaften bis zu völliger Nichttätigkeit sich aneignet.' 'Ursprünglich' sei die taoistische Lehre 'nicht prinzipiell abweichend vom Konfuzianismus', 'nur die Deutung [sei] verschieden'. Ein eigenes 'Ethos' aber kenne der Taoismus überhaupt nicht: 'Zauber, nicht Lebensführung, entschieden über das Schicksal.' Dies scheide ihn, 'in dem Endstadium seiner Entwicklung', von dem Konfuzianismus. An dieser umfassenden Chinastudie erkennen wir nicht nur Webers Interesse an den Unterschieden zwischen der Entwicklung des kaiserlichen Chinas und der des Okzidents, sondern auch seine tiefe Einsicht in die orientalische Gesellschaft. Fast alle Bestandteile der chinesischen Gesellschaft werden in diesem Werk behandelt : Kaiser, Fürsten, Beamte, Eunuchen, Anachoreten, Kaufleute, Handwerker, Berufsverbände, Bauern, Sippen usw. Obwohl Weber auch aus ethnographischem Interesse von den 'chinesischen Rassenqualitäten' spricht, achtet er auf die enormen 'lokalen und vor allem sozialen Unterschiede'. Bei den ärmeren Volkskreisen sieht er 'eine nirgends in der Welt erreichte, an das Unglaubwürdige grenzende Virtuosität im Sparen'. Beim chinesischen Beamtentum im 19. Jahrhundert betont er die ungewöhnliche Korruption. Er redet über den vehementen und skrupellosen Erwerbstrieb der Handelsinteressenten, über die zu sonst unerhörter Instensität gesteigerte Rechenhaftigkeit'. Der Himmelssohn, der chinesische Kaiser wird in Webers Werk nur als Komponente der Religiösität, als ein Mensch, berachtet, indem Weber den Platz des Kaisers mit der charismatischen und pontifikalen Stellung des Zentralmonarchen gleichsetzt. Zwei wesentliche Schwächen werden von der modernen Sinologie kritisiert : Erstens wird die Entwicklung des Konfuzianismus im Zeitraum zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 18. Jahrhundert wenig behandelt. Für seine Studie hat Weber zwar fast alle wichtigen Schriften über China und Übersetzungen aus dem Chinesischen herangezogen, die ihm bis 1913 zugänglich waren. Aber zu dieser Zeit hat die Sinologie die Etablierung des Neokonfuzianismus und dessen Einfluss auf die chinesische Gesellschaft nach dem 12. Jahrhundert noch kaum behandelt und Weber hat von dieser Entwicklung auch nichts zur Kenntnis genommen. Daher betrachtet er die chinesische Geschichte nach dem Eintritt in den Patrimonialilsmus nur als Fortsetzung von dem, was sich im Altertum ausgebildet hatte. Zweitens sehen heute viele Gelehrte den Wirtschaftserfolg der 'vier Tiger' als Gegenbeispiel zu Webers These, dass der Konfuzianismus ein Hindernis für die Entwicklung des modernen Kapitalismus bilde. |
|
# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
---|---|---|---|---|
1 | 1915 | Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Der Konfuzianismus. In : Archiv für Sozialpolitik ; Bd. 41, Heft 1, S. 1-87 ; Heft 2, S. 335-421 (1915). Erstabdruck der ersten Fassung. | Publication / Web66 |
|
2 | 1916 | Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Hinduismus und Buddhismus. In : Archiv für Sozialpolitik ; Bd. 41, Heft 3, S. 613-744; Bd. 42, Heft 2, S. 345-461; Heft 3, S. 687-814). Erstabdruck der ersten Fassung. | Publication / Web67 |
|
3 | 1920 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/ Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen. http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie /Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen/Konfuzianismus+und+Taoismus. |
Publication / WebM2 |
|
4 | 1921 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Hinduismus und Buddhismus. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 2, Teil 2. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1921). (Gesammelte Ausätze zur Religionssoziologie). http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+ Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen. |
Publication / WebM3 |
|
5 | 1922 |
Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomik ; Abt. 3). [Enthält : Die Stadt. Eintragungen über China]. http://www.textlog.de/weber_wirtschaft.html |
Publication / WebM5 |
|
6 | 1936 |
[Weber, Max]. She hui jing ji shi. Zheng Taipu yi. (Shanghai : Shang wu yin shu guan, 1936). (Han yi shi jie ming zhu). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaftsgeschichte. Aus den nachgelassenen Vorlesungen hrsg. von S[igmund] Hellmann und M[elchior] Palyi. (München : Duncker & Humblot, 1923). 社會經濟史 |
Publication / Web23 | |
7 | 1960 |
[Weber, Max]. Jidu xin jiao de lun li yu zi ben zhu yi de jing shen. Makesi Weibo zhu ; Zhang Hanyu yi. (Taibei : Xie zhi gong ye cong shu chu ban gu fen you xian gong si, 1960). (Xie zhi gong ye cong shu). Übersetzung von Weber, Max. Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In : Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik ; Bd. 20, H. 1 (1904) ; Bd. 21, H. 1 (1905). = Erw. Aufl. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 基督新敎的倫理與資本主義的精神 |
Publication / Web12 | |
8 | 1968 | Weber, Max. The religion of China : confucianism and taoism. Transl. and ed. by Hans H. Gerth. (New York, N.Y. : Free Press, 1968). | Publication / Web96 |
|
9 | 1981 |
[Weber, Max]. Jing ji tong shi. Makesi Weibei'er zhu ; Yao Zengyi yi. (Shanghai : Yi wen chu ban she, 1981). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaftsgeschichte. Aus den nachgelassenen Vorlesungen hrsg. von S[igmund] Hellmann und M[elchior] Palyi. (München : Duncker & Humblot, 1923). 世界经济通史 |
Publication / Web14 | |
10 | 1981 |
[Weber, Max]. Shi jie jing ji tong shi. Makesi Weibei'er zhu ; Yao Zengyi yi. (Shanghai : Yi wen chu ban she, 1981). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaftsgeschichte. Aus den nachgelassenen Vorlesungen hrsg. von S[igmund] Hellmann und M[elchior] Palyi. (München : Duncker & Humblot, 1923). 世界经济通史 |
Publication / Web30 | |
11 | 1985 |
[Weber, Max]. Xue shu yu zheng zhi : Weibo xuan ji yi. Weibo zhu ; Qian Yongxiang yi. (Taibei : Yun chen wen hua shi ye gu feng you xiang gong si, 1985). (Xin qiao yi cong ; 10). Übersetzung von Weber, Max. Wissenschaft als Beruf. (München : Duncker & Humblot, 1919). (Geistige Arbeit als Beruf : Vorträge vor dem Freistudentischen Bund ; 1). Weber, Max. Politik als Beruf. (München : Duncker & Humblot, 1919). (Geistige Arbeit als Beruf : Vorträge vor dem Freistudentischen Bund ; 2). 學術與政治 : 韋伯選集 |
Publication / Web39 | |
12 | 1985 |
[Weber, Max]. Zhi pei de lei xing : Weibo xuan ji III. Weibo zhu ; Kang Le bian yi. (Taibei : Yun cheng wen hua shi ye gu feng you xiang gong si, 1985). (Xin qiao yi cong ; 5). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomik ; Abt. 3). [Auszüge]. 支配的類型 : 韋伯選集III |
Publication / Web41 | |
13 | 1986 |
[Weber, Max]. Xin jiao lun li yu zi ben zhu yi jing shen. Makesi Weibo zhu; Huang Xiaojing, Peng Qiang yi. (Chengdu : Sichuan ren min chu ban she, 1986). (Zou xiang wei lai cong shu). Übersetzung von Weber, Max. Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In : Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik ; Bd. 20, H. 1 (1904) ; Bd. 21, H. 1 (1905). = Erw. Aufl. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 新教伦理与资本主义精神 |
Publication / Web35 | |
14 | 1987 |
[Weber, Max]. Xin jiao lun li yu zi ben zhu yi jing shen. Makesi Weibo zhu ; Yu Xiao, Chen Weigang deng yi. (Beijing : Sheng huo, du shu, xin zhi san lian shu dian, 1987). Übersetzung von Weber, Max. Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In : Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik ; Bd. 20, H. 1 (1904) ; Bd. 21, H. 1 (1905). = Erw. Aufl. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 新教伦理与资本主义精神 |
Publication / Web34 | |
15 | 1988 |
[Weber, Max]. Wen ming de li shi jiao bu : Weibo wen ji. [Andreski Stanislav jing xuan] ; Huang Xianqi, Zhang Xiaolin yi ; Cao Tieshan, Yang Xiaobin jiao. (Shanghai : Shanghai san lian shu dian, 1988). (Mao tou ying wen ku ; 1). [Übersetzung ausgewählter Werke von Max Weber]. 文明的历史脚步 : 韦伯文集 |
Publication / Web33 | |
16 | 1988 |
[Weber, Max]. Xue shu sheng ya yu zheng zhi sheng ya dui da xue sheng de liang pian yan jiang. Magesi Weibo zhu ; Wang Rongfen yi. (Beijing : Fuo ji wen hua chu ban gong si, 1988). Übersetzung von Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. (Tübingen : Mohr, 1922). [Auszüge]. Weber, Max. Gesammelte politische Schriften. (München : Drei Masken Verlag, 1921). [Auszüge]. 学朮生涯與政治生涯对大学生的兩篇演讲 |
Publication / Web37 | |
17 | 1989 | Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus : Schriften 1915-1920. Hrsg. von Helwig Schmidt-Glintzer ; in Zusammenarbeit mit Petra Kolonko. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1989). (Max Weber-Gesamtausgabe ; Abt. 1, Bd. 19). | Publication / Webe-Schm1 |
|
18 | 1989 |
[Weber, Max]. Weibo xuan ji. (Taibei : Yuan liu chu ban shi ye gu fen you xian gong si, 1989). (Xin qiao yi cong ; 3). [Übersetzung ausgewählter Werke von Max Weber]. 韋伯選集 |
Publication / Web32 |
|
19 | 1989 |
[Weber, Max]. Zhongguo de zong jiao : ru jiao yu dao jiao. Weibo zhu ; Jian Huimei yi. (Taibei : Yuan liu chu ban shi ye gu fen you xian gong si, 1989). (Xin qiao yi cong ; 1). Übersetzung von Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 中國的宗教 : 儒教與道教 |
Publication / Web43 | |
20 | 1989 |
[Weber, Max]. Zong jiao yu shi jie : Weibo xuan ji II. Weibo zhu ; Kang Le, Jian Huimei yi. (Taibei : Yuan liu chu ban shi ye gu fen you xian gong si, 1989). (Xin qiao yi cong ; 3. Weibo xuan ji ; 2). Übersetzung von Weber, Max. Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). Freund, Julien. Sociologie de Max Weber. (Paris : Presses universitaires de France, 1968). 宗教與世界 : 韋伯選集II |
Publication / Web46 | |
21 | 1990 |
[Weber, Max]. Jing ji yu li shi. Weibo zhu ; Kang Le yi. (Taibei : Yun chen wen hua shi ye gu feng you xian gong si, 1990). (Weibo xuan ji ; 4. Xin qiao yi cong ; 22). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomie ; Abt. 3). Kap. 1-5. 經濟與歷史 |
Publication / Web16 | |
22 | 1991 |
[Weber, Max]. She hui ke xue fang fa lun. Weibo yuan zhu ; Huang Zhenhua, Zhang Yujian yi zhe ; He Qiliang jiao ding. (Taibei : Shi bao wen hua chu ban qi ye you xian gong si, 1991). (Jian dai si xiang tu shu guan xi lie ; 8). Übersetzung von drei Essais über die Methode der Sozialwissenschaft von Max Weber. In : Archiv für Sozialwissenshcft und Sozialpolitik in 1904 und 1905). = Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). 社會科學方法論 |
Publication / Web24 | |
23 | 1993 |
[Weber, Max]. Fei zheng dang xing de zhi pei : cheng shi de lei xing xue. Weibo zhu ; Kang Le, Jian Huimei yi zhe. (Taibei : Yuan liu chu ban shi ye gu fen you xian gong si, 1993). (Xin qiao yi cong ; 33). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomie ; Abt. 3). 非正當性的支配 : 城市的類型學 |
Publication / Web10 | |
24 | 1993 |
[Weber, Max]. Ru jiao yu dao jiao. Makesi Weibo zhu ; Hong Tianfu yi. (Nanjing : Jiangsu ren min chu ban she, 1993). (Hai wai Zhongguo yan jiu cong shu). Übersetzung von Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 儒教与道教 |
Publication / Web21 | |
25 | 1993 |
[Weber, Max]. Zhi pei she hui xue. Kang Le, Jian Huimei yi. Vol. 1-2. (Taibei : Yuan liu chu ban gong si, 1993). (Xin qiao yi cong ; 31-32). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomik ; Abt. 3). [Auszüge]. 支配社会学 |
Publication / Web42 | |
26 | 1993 |
[Weber, Max]. Zong jiao she hui xue. Weibo zhu ; Liu Yuan, Wang Yuwen yi ; Zhang Jiaming jiao yue. (Taibei : Gui guan tu shu gu fen you xian gong si, 1993). (Dang dai si chao xi lie cong shu ; 50). Übersetzung von Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 宗敎社會學 |
Publication / Web45 | |
27 | 1995 |
[Weber, Max]. Ru jiao yu dao jiao. Makesi Weibo zhu ; Wang Rongfen yi. (Beijing : Shang wu yin shu guan, 1995). Übersetzung von Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 儒教与道教 |
Publication / Web22 | |
28 | 1996 | Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Hinduismus und Buddhismus : Schriften 1916-1920. Hrsg. von Helwig Schmidt-Glintzer ; in Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Golzio. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1996). (Max Weber Gesamtausgabe ; Abt. 1, Bd. 20). | Publication / Webe-Schm-Golz1 |
|
29 | 1996 |
[Weber, Max]. Yinduo di zong jiao : Yinduo jiao you Fojiao. Weibo zhu ; Kang Le, Jian Huimei yi. Vol. 1-2. (Taibei : Yuan liu chu ban shi ye gu fen you cian gong si, 1996). (Xing qiao yi cong ; 37-38). Übersetzung von Weber, Max. Hinduismus und Buddhismus. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 2, Teil 2. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1921). (Gesammelte Ausätze zur Religionssoziologie). 印度的宗教 : 印度教與佛教 |
Publication / Web40 | |
30 | 1997 |
[Weber, Max]. Jing ji, she hui, zong jiao : Makesi Weibo wen xuan. Zheng Leping bian yi. (Shanghai : Shanghai she hui ke xue chu ban she, 1997). (Ming ren ming zhu yi cong). [Übersetzung von Texten über Soziologie, Wirtschaft und Religion von Max Weber] 經濟社會宗敎 : 馬克斯韋伯文選 |
Publication / Web13 | |
31 | 1997 |
[Weber, Max]. Jing ji yu she hui. Makesi Weibo zhu ; Yuehan'neisi Wenke'erman zheng li ; Lin Rongyuan yi. (Beijing : Shang wu yin shu guan, 1997). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomie ; Abt. 3). 經济与社会 |
Publication / Web17 | |
32 | 1997 |
[Weber, Max]. Jing ji, zhu she hui ling yu ji quan li, die 1-5 zhang : Weibo wen xuan di 2 juan. Gan Yang bian xuan ; Li Qiang yi. (Xianggang : Niu jin da xue chu ban she, 1997). (She hui yu si xiang cong shu). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomie ; Abt. 3). Kap. 1-5. 經濟諸社會領域及權力第1-5章 : 韋伯文選第二卷 |
Publication / Web18 | |
33 | 1997 |
[Weber, Max]. Min zu guo jia yu jing ji zheng ce : Weibo wen xuan di 1 juan. Makesi Weibo zhu ; Gan Yang bian xuan ; Kan Yang [et al.] yi. (Beijing : Sheng huo, du shu, xin zhi san lian shu dian, 1997). (She hui yu si xiang con shu). Übersetzung von Weber, Max. Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. In : Weber, Max. Schriften zur Politik. (Freiburg i.B. und Leipzig : J.C.B. Mohr, 1895). [Akademische Antrittsrede an der Universität Freiburg, 1895]. 民族国家与经济政策 : 韦伯文选第一卷 |
Publication / Web20 | |
34 | 1998 |
[Weber, Max]. Lun jing ji yu she hui zhong de fa lü. Makesi Weibo zhu ; Aidehua Xi'ersi, Makesi Laiyinsitan ying yi ; Zhang Naigen yi. (Beijing : Zhongguo da bai ke quan shu chu ban she, 1998). (Wai guo fa lü wen ku ; 1). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomik ; Abt. 3). [Auszüge]. 論經濟與社會中的法律 |
Publication / Web19 | |
35 | 1998 |
[Weber, Max]. Xue shu yu zheng zhi : Weibo de liang pian yan shuo. Makesi Weibo zhu ; Feng Keli yi. (Beijing : Sheng huo, du shu, xin zhi san lian shu dian, 1998). (Xue shu qian yan). Übersetzung von Weber, Max. Politik als Beruf. (München : Duncker & Humblot, 1919). (Geistige Arbeit als Beruf : Vorträge vor dem Freistudentischen Bund ; 2). 学术与政治 : 韦伯的两篇演说 |
Publication / Web38 | |
36 | 1999 |
[Weber, Max]. She hui ke xue fang fa lun. Magesi Weibo zhu ; Han Shuifa, Mo Qian yi. (Beijing : Zhong yang bian yi chu ban she, 1999). Übersetzung von Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). 社会科学方法论 |
Publication / Web25 | |
37 | 1999 |
[Weber, Max]. She hui ke xue fang fa lun. Makesi Weibo zhu ; Li Qiuling, Tian Wei yi. (Beijing : Zhongguo ren min da xue chu ban she, 1999). (She hui xue yi cong). Übersetzung von drei Essais über die Methode der Sozialwissenschaft von Max Weber. In : Archiv für Sozialwissenshcft und Sozialpolitik in 1904 und 1905). = Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. (Tuübingen : J.C.B. Mohr, 1922). 社会科学方法论 |
Publication / Web26 | |
38 | 1999 |
[Weber, Max]. She hui xue de ji ben gai nian. Makesi Weibo zhu ; Yang Fubin yi. (Beijing : Hua xia chu ban she, 1999). (Xian dai xi fang si xiang wen ku). Übersetzung von Weber, Max. Soziologische Grundbegriffe. In : Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomik ; Abt. 3). 社会科学方法论 |
Publication / Web28 | |
39 | 2003 |
[Weber, Max]. Fa lü she hui xue. Weibo zhu ; Kang Le, Jian Huimei yi. (Taibei : Yuan liu chu ban shi ye gu fen you xian gong si, 2003). (Xin qiao yi cong ; 42). Übersetzung von Weber, Max. Rechtssoziologie. Aus dem Manuskript hrsg. und eingel. Von Johannes Winckelmann. (Neuwied : H. Luchterhand, 1960). 法律社會學 |
Publication / Web9 | |
40 | 2004 |
[Weber, Max]. Jing ji xing dong yu she hui tuan ti. Kang Le, Jian Huimei yi. (Guilin : Guangxi shi fan da xue chu ban she, 2004). (Weibo zuo pin ji ; 4). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomie ; Abt. 3). 经济行动与社会团体 |
Publication / Web15 | |
41 | 2004 |
[Weber, Max]. Zhongguo de zong jiao ; Zong jiao yu shi jie. Kang Le, Jian Huimei yi. (Guilin : Guangxi shi fan da xue chu ban she, 2004). (Weibo zuo pin ji). Übersetzung von Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 中国的宗敎 ; 宗敎与世界 |
Publication / Web44 | |
42 | 2005 |
[Weber, Max]. Gu Youtai jiao. Kang Le, Jian Huimei yi. (Taibei : Yuan liu chu ban she, 2005). (Xin qiao yi cong ; 43-44). Übersetzung von Weber, Max. Das antike Judentum. (Tübingen : Mohr, 1921). (Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie ; 3). 古猶太教 |
Publication / Web11 | |
43 | 2005 |
[Weber, Max]. She hui xue de ji ben gai nian. Makesi Weibo zhu ; Hu Jingbei yi. (Shanghai : Shanghai ren min chu ban she, 2005). (Shi ji ren wen xi lie cong shu. Xiu zhen jing dian). Übersetzung von Weber, Max. Soziologische Grundbegriffe. In : Weber, Max. Wirtschaft und Gesellschaft. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1922). (Grundriss der Socialökonomik ; Abt. 3). 社会学的基本概念 |
Publication / Web27 | |
44 | 2007 |
[Weber, Max]. Shi jie jing ji shi gang. Makesi Weibo zhu ; Hu Changming yi. (Beijing : Ren min ri bao chu ban she, 2007). Übersetzung von Weber, Max. Wirtschaftsgeschichte. Aus den nachgelassenen Vorlesungen hrsg. von S[igmund] Hellmann und M[elchior] Palyi. (München : Duncker & Humblot, 1923). 世界经济史纲 |
Publication / Web29 | |
45 | 2007 |
[Weber, Max]. Xin jiao lun li yu zi ben zhu yi jing shen. Weibo zhu ; Kang Le, Jian Huimei yi zhe. (Taibei : Yuan liu chu ban shi ye gu fen you xian gong si, 2007). (Xin qiao yi cong ; 45). Übersetzung von Weber, Max. Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In : Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik ; Bd. 20, H. 1 (1904) ; Bd. 21, H. 1 (1905). = Erw. Aufl. In : Weber, Max. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Bd. 1. (Tübingen : J.C.B. Mohr, 1920). 基督新教倫理與資本主義精神 |
Publication / Web36 | |
46 | 2008 |
[Weber, Max]. Weibo lun da xue. Makesi Weibo zhu ; Sun Chuanzhao yi. (Nanjing : Jiangsu ren min chu ban she, 2008). (Xian dai si xiang yi cong ; 5). Übersetzung von Weber, Max. Max Weber on universitites : the power of the state and the dignity of the academic calling in imperial Germany. Translated, edited, and with an introductory note by Edward Shils. (Chicago, Ill. : University of Chicago Press, 1973). (A phoenix book). 韦伯论大学 |
Publication / Web31 | |
47 | 2008 |
Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen. Einleitung Konfuzianismus und Taoismus I. Soziologische Grundlagen : A. Stadt, Fürst und Gott II. Soziologische Grundlagen : B. Feudaler und präbendaler Staat III. Soziologische Grundlagen : C. Verwaltung und Agrarverfassung IV. Soziologische Grundlagen : D. Selbstverwaltung, Recht und Kapitalismus V. Der Literatenstand VI. Die konfuzianische Lebensorientierung VII. Orthodoxie und Heterodoxie (Taoismus) VIII. Resultat : Konfuzianismus und Puritanismus |
Web / WebM1 |
|
48 | 2008 | Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Hinduismus und Buddhismus. http://www.zeno.org/Soziologie/M/Weber,+Max/Schriften+zur+Religionssoziologie/Die+Wirtschaftsethik+der+Weltreligionen. | Web / WebM4 |
|
# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
---|---|---|---|---|
1 | 1964 | Sprenkel, Otto B. van der. Max Weber on China. In : History and theory ; vol. 3, no 3 (1964). | Publication / Web7 |
|
2 | 1966 | Franke, Herbert. Max Webers Soziologie der ostasiatischen Religionen. In : Max Weber : Gedächtnisschrift der Ludwig-Maximilians-Universität München zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages 1964. Hrsg. von Karl Engisch, B ernhard Pfister, Johannes Winckelmann. (Berlin : Duncker und Bumblot, 1966). | Publication / Web6 |
|
3 | 1969 |
[Kaneko, Eiichi]. Weibo de bi jiao she hui xue = Max Weber's comparative sociology. Jinzi Rongyi zhu ; Li Yongchi yi. (Taibei : Shui niu chu ban she, 1969). 韋伯的比較社會學 |
Publication / Web73 | |
4 | 1972 |
Bünger, Karl. Max Webers Ansichten über Recht und Justiz im kaiserlichen China. In : Oriens extremus ; vol. 19, no 1-2 (1972). https://www.jstor.org/stable/44001243?seq=1#metadata_info_tab_contents. |
Publication / BK6 | |
5 | 1976 |
Hong, Liande. She hui ge xue yu li nian lei xing : Weibo fang fa lun de tan tao. (Singapore : Nanyang da xue yan jiu yuan ren wen yu she hui ge xue yan jiu suo, 1976). (Yan jiu lun wen / Nanyang da xue). [Max Webers Methodik der Sozialwissenschaften]. 社會科学与理念类型 : 韋柏方法論的探討 |
Publication / Web64 | |
6 | 1977 |
Huang, Junjie. Shi xue fang fa lun cong. (Taibei : Taiwan xue sheng shu ju, 1977). [Westliche Historiographie]. [Enthält] : Bendix, Reinhard. Max Weber's interpretation of conduct and history. 史學方法論叢 |
Publication / Web65 | |
7 | 1984 | Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus : Interpretation und Kritik. Hrsg. von Wolfgang Schluchter. (Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1985). (Suhrkamp Taschenbuch. Wissenschaft ; 473). | Publication / Schlu2 | |
8 | 1985 | Yu, David C. Confucianism, maoism, and Max Weber. In : Theory of liberty, legitimacy and power : new directions in the intellectual and scientific legacy of Max Weber. Ed. by Vatro Murvar. (London : Routledgte & Kegan Paul, 1985). | Publication / Web8 |
|
9 | 1986 |
[Coser, Lewis A.]. Gu dian she hui xue li lun : Makesi, Tu’ergan yu Weibo. Kesai yuan zhu ; Huang Ruiqi, Zhang Wei'an yi ; Ding Tingyu zhu bian. (Taibei : Gui guan tu shu gu fen you xian gong si, 1986). (Gui guan she hui xue cong shu ; 15). Übersetzung von Coser, Lewis A. Masters of sociological thought : ideas in historical and social context. (New York, N.Y. : Harcourt Brace Jovanovich, 1971). [Abhandlung über Max Weber, Emile Dürkheim, Karl Marx u.a.]. 古典社會學理論 : 馬克思、涂爾幹與韋伯 |
Publication / Web52 | |
10 | 1986 |
[Schluchter, Wolfgang]. Li xing hua yu guan liao hua : dui Weibo zhi yan jiu yu quan shi. Shiluhete zhu ; Gu Zhonghua yi. (Taibei : Lian jing chu ban shi ye gong si, 1986). Übersetzung von Schluchter, Wolfgang. Rationalismus der Weltbeherrschung : Studien zu Max Weber. (Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1980). 理性化與官僚化 : 對韋伯之研究與詮釋 |
Publication / Web81 | |
11 | 1986 |
[Aron, Raymond]. Jin dai xi fang she hui si xiang jia : Tu'ergan, Balietu, Weibo. Qi Li, Cai Jinchang, Huang Ruiqi yi. (Taibei : Lian jing chu ban shi ye gong si, 1986). (Xian dai ming zhu yi cong ; 20). Übersetzung von Aron, Raymond. Les étapes de la pensée sociologique : Montesquieu, Comte, Marx, Tocqueville, Durkheim, Pareto, Weber. (Paris : Gallimard, 1967). 近代西方社會思想家 涂爾幹巴烈圖韋伯 |
Publication / Aron6 | |
12 | 1987 | Song, Du-yul. Aufklärung und Emanzipation : die Bedeutung der asiatischen Welt bei Hegel, Marx und Max Weber. (Berlin : EXpress Edition, 1987). | Publication / SongD1 | |
13 | 1987 |
Chen, Xiaolin. Xue shu ju ren yu li xing kun jing : Weibo, Babo, Habomasi. (Taibei : Shi bao chu ban gong si, 1987). (Wen hua cong shu ; 68). [Abhandlung über Max Weber, Karl Raimund Popper, Jürgen Habermas]. 學術巨人與理性困境 : 韋伯、巴柏、哈伯瑪斯 |
Publication / Web51 | |
14 | 1987 |
Yü, Yingshi. Zhongguo jin shi zong jiao lun li yu shang ren jing shen. (Taibei : Lian jing chu ban shi ye gong si, 1987). (Qing hua wen shi jiang zuo). [Die religiöse Ethik und der Geist der Kaufleute in Chinas Neuzeit ; Max Weber]. 中國近世宗教倫理與商人精神 |
Publication / YüY24 | |
15 | 1987 |
Yang, Junshi ; Du Nienzhong. Ru jia lun li yu jing ji fa zhan. (Taibei : Yun chen wen hua shi ye gu fen you xian gong si, 1987). (Yun chen cong kann ; 18). [Konfuzianische Ethik und wirtschaftliche Entwicklung ; Max Weber]. 儒家倫理與經濟發展 |
Publication / Web68 | |
16 | 1987 |
[MacRae, Donald Gunn]. She hui si xiang de guan mian : Weibo. Zhou Bokan yi zhu. (Shanghai : Shanghai shu dian, 1987). Übersetzung von MacRae, Donald Gunn. Weber. (London : W. Collins Sons ; New York, N.Y. : Viking Press, 1974). 社会思想的冠冕 : 韦伯 |
Publication / Web76 | |
17 | 1987 |
[Parkin, Frank]. Makesi Weibo. Fulanke Pajin zhu ; Liu Dong, Xie Weihe yi. (Chengdu : Sichuan ren min chu ban she, 1987). (Zou xiang wei lai cong shu). Übersetzung von Parkin, Frank. Max Weber. (Chichester : E. Horwood ; London : Tavistock, 1982). (Key sociologists). 马克斯韦伯 |
Publication / Web78 | |
18 | 1988 |
Gao, Chengshu. Li xing hua yu zi ben zhu yi : Weibo yu Weibo zhi wai. (Taibei : Lian jing chu ban shi ye gong si, 1988). [Max Weber Ansichten über Kapitalismus]. 理性化與資本主義 : 韋伯與韋伯之外 |
Publication / Web57 | |
19 | 1988 |
Jian, Huimei. Weibo lun Zhongguo : "Zhongguo de zong jiao" chu tan. (Taibei : Guo li Taiwan da xue chu ban wei yuan hui, 1988). (Guo li Taiwan da xue wen shi cong kan ; 80). [Abhandlung über Konfuzianismus und Taoismus von Max Weber]. 韋伯論中國 : 《中國的宗教》初探 |
Publication / Web72 | |
20 | 1988 |
Mai, Jingsheng. Weibo lun she hui di wei yu zong jiao : yi Zhongguo shi da fu yu ru jia xue shuo wei zhong xin. (Xianggang : Xianggang Zhong wen da xue, 1988). Diss. Xianggang Zhong wen da xue, 1988. [Abhandlung über Max Webers Ansichten über Soziologie]. 韋伯(Max Weber)論社會地位(Social status)與宗教 : 以中國士大夫與儒家學說為中心 |
Publication / Web77 | |
21 | 1988 |
Su, Guoxun. Li xing hua ji qi xian zhi : Weibo si xiang yin lun. (Shanghai : Shanghai ren min chu ban she, 1988). (Ren wen yan jiu cong shu). [Abhandlung über Max Webers Soziologie]. 理性化及其限制 : 韦伯思想引论 |
Publication / Web83 | |
22 | 1988 |
[Aron, Raymond]. She hui xue zhu yao si chao. Leimeng Along zhu ; Ge Zhiqiang, Hu Bingcheng, Wang Huning yi. (Shanghai : Shanghai yi wen chu ban she, 1988). (Da xue can kao yong shu). Übersetzung von Aron, Raymond. Les étapes de la pensée sociologique : Montesquieu, Comte, Marx, Tocqueville, Durkheim, Pareto, Weber. (Paris : Gallimard, 1967). 社会学主要思潮 |
Publication / Aron4 | |
23 | 1989 |
[Beetham, David]. Makesi Weibo yu xian dai zheng zhi li lun. Beidun zhu ; Xu Hongbin, Xu Jinghui, Liao Liwei yi. (Hangzhou : Zhejiang ren min chu ban she, 1989). (Dang dai si chao xi lie cong shu). Übersetzung von Beetham, David. Max Weber and the theory of modern politics. (London : Allen & Unwin 1974). 馬克斯韋伯與現代政治理論 |
Publication / Web47 | |
24 | 1989 |
Chen, Jiexuan ; Zhai, Benrui ; Zhang, Weian. Weibo lun xi fang she hui de he li hua. (Taibei : Ju liu tu shu gong si, 1989). [Abhandlung über die Soziologie von Max Weber]. 韋伯論西方社會的合理化 |
Publication / Web49 | |
25 | 1989 |
[Giddens, Anthony]. Zi ben zhu yi yu xian dai she hui li lun : Makesi, Tu'ergan, Weibo. Jidengsi zuo zhe ; Jian Huimei yi zhe. (Taibei : Yuan liu chu ban shi ye gu fen you xian gong si, 1989). (Xin qiao yi cong ; 5). Übersetzung von Giddens, Anthony. Capitalism and modern social theory : an analysis of the writings of Marx, Durkheim and Max Weber. (Cambridge : University Press, 1971). 資本主義與現代社會理論 : 馬克思凃爾幹韋伯 |
Publication / Web58 | |
26 | 1989 |
[MacRae, Donald Gunn]. Weibo. D. G. Maikelei zhu ; Sun Naixiu yi. (Beijing : Zhongguo she hui ke xue chu ban she, 1989). (Wai guo zhu ming si xiang jia yi cong). Übersetzung von MacRae, Donald Gunn. Max Weber. (New York, N.Y. : Viking Press, 1974). 韦伯 |
Publication / Web80 | |
27 | 1989 |
Zhai, Benrui ; Zhang, Weian ; Chen, Jiexuan. She hui shi ti yu fang fa : Weibo she hui xue fang fa lun. (Taibei : Ju liu tu shu gong si, 1989). (Guan dian cong shu). [Max Webers Methodik der Sozialwissenschaft]. 社會實體與方法 : 韋伯社會學方法論 |
Publication / Web90 | |
28 | 1990 |
Zhu, Yuanfa. Weibo si xiang gai lun. (Xianggang : San lian shu dian you xian gong si, 1990). (Xi fang wen hua cong shu ; 12). [Geschichte der deutschen Soziologie, Max Weber]. 韋伯思想槪論 |
Publication / Web94 | |
29 | 1991 | The triadic chord : confucian ethics, industrial East Asia, and Max Weber : proceedings of the 1987 Singapore conference on confucian ethics and the modernisation of industrial East Asia. Ed. by Tu Wei-ming. (Singapore : Institute of East Asian Philosophies, 1991). | Publication / Tu12 |
|
30 | 1991 |
Ding, Xueliang. Cong 'xin ma' dao Weibo. (Taibei : Lian jing chu ban shi ye gong si, 1991). [Abhandlung über die marxistische Philosophie von Max Weber]. 從新馬到韋伯 |
Publication / Web53 | |
31 | 1991 |
[Schütz, Alfred]. She hui shi jie de xian xiang xue. Shuzi zhu ; Lu Lanlan yi. (Taibei : Jiu da, Gui guan, 1991). (Dang dai si chao xi lie cong shu ; 19). Übersetzung von Schütz, Alfred. Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt : eine Einleitung in die Verstehende Soziologie. (Wien : J. Springer, 1932). [Abhandlung über Max Weber]. 社會世界的現象學 |
Publication / Web82 | |
32 | 1992 |
Gu, Zhonghua. Weibo xue shuo xin tan. (Taibei : Tangshan chu ban she, 1992). (Tangshan lun cong ; 3). [Abhandlung über Max Weber Beiträge zu politischen Wissenschaften]. 韋伯學說新探 |
Publication / Web60 | |
33 | 1992 |
[Jaspers, Karl]. Lun Weibo. Ka'er Yasipei zhu ; Yuehan Zhuomannisi [John Dreijmanis] bian ; Gu Zhonghua jiao yue. (Taibei : Gui guan tu shu gong si, 1992). Übersetzung von Jaspers, Karl. Karl Jaspers on Max Weber. Edited with introduction and notes by John Dreijmanis ; translated from the German by Robert J. Whelan. (New York, N.Y. : Paragon House, 1989). = Jaspers, Karl. Max Weber, deutsches Wesen im politischen Denken, im Forschen und Philosophieren. (Oldenburg i.O. : G. Stalling, 1932). (Stalling Bücherei Schriften an die Nation). 論韋伯 |
Publication / Web70 | |
34 | 1993 | Trauzettel, Rolf. Die chinesische Rezeption von Max Webers Studien zur Wirtschaftsethik und die Renaissance des Neokonfuzianismus : ein Überblick. In : Sinologische Traditionen im Spiegel neuer Forschungen [ID D1173]. | Publication / Trau1 |
|
35 | 1993 |
Du, Xuncheng. Zhongguo chuan ton lun li yu jin dai zi ben zhu yi : jian ping Weibo "Zhongguo de zong jiao". (Shanghai : Shanghai she hui ke xue yuan chu ban she, 1993). (Xue zhe shu ku. Lun cong). [Kapitalismus und Ethik in China ; Max Weber]. 中国传统伦理与近代资本主义 : 兼评韦伯《中国的宗教》 |
Publication / Web55 | |
36 | 1993 |
Wu, Geng. Weibo di zheng zhi li lun ji qi zhe xue ji chua. (Taibei : Lian jing chu ban shi ye gong si, 1993). [Max Webers Philosophie der politischen Wissenschaft]. 韋伯的政治理論及其哲學基礎 |
Publication / Web89 | |
37 | 1994 | Gransow, Bettina. Die chinesische Rezeption der Werke Max Webers in den 80er Jahren. In : Deutschland und China [ID D4257]. | Publication / GraB10 |
|
38 | 1994 | Näth, Marie-Luise. Die Volksrepublik China in Deutschland : Wahrnehmungen, Wissenschaftskonzeptionen und Wirklichkeiten. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1995). (Saarbrücker Politikwissenschaft ; Bd. 19). | Publication / Näth |
|
39 | 1994 |
Lin, Duan. Ru jia lun li yu fa lü wen hua : she hui xue guan dian di tan suo. (Ju liu to shu gong si, 1994). [Konfuzianische Ethik bei Max Weber]. 儒家倫理與法律文化 : 社會學觀點的探索 |
Publication / Web75 | |
40 | 1994 |
Zheng, Yong. Weibo. (Xianggang : Zhonghua shu ju you xian gong si, 1994). (Xi fang si xiang jia bao ku ; 7). [Abhandlung über die Soziologie von Max Weber]. 韋伯 |
Publication / Web93 | |
41 | 1995 |
Zhang, Weian. Wen hua yu jing ji : Weibo she hui xue yan jiu. (Taibei : Ju liu tu shu gong si, 1995). [Abhandlung über Max Webers Beiträge zur Soziologie]. 文化與經濟 : 韋伯社會學研究 |
Publication / Web92 | |
42 | 1997 | Lee, Hyung Gyun. Eine ostasiatisches Kritik an Max Webers Rationalisierungskonzept (und der damit verbundenen Modernisierungstheorie) : am Beispiel konfuzianischer Ethik und ostasiatischer Rationalisierung. (Frankfurt a.M. : Lang, 1997). (Europäische Hochschulschriften ; Reihe 20. Philosophie ; Bd. 545). Diss. Freie Univ. Berlin, 1997. | Publication / LeeH1 | |
43 | 1997 |
Du, Fengxian. Zhongguo li shi fa zha li lun : bi jiao Makesi yu Weibo de Zhongguo lun. (Taibei : Zheng zhong shu ju, 1997). [Karl Marx und Max Weber über China]. 中國歷史發展理論 : 比較馬克思與韋伯的中國論 |
Publication / Web54 | |
44 | 1997 | Lin, Duan. Konfuzianische Ethik und Legitimation der Herrschaft im alten China : eine Auseinandersetzung mit der vergleichenden Soziologie Max Webers. (Berlin : Duncker & Humblot, 1997). (Soziologische Schriften ; Bd. 64). Diss. Univ. Heidelberg, 1994. | Publication / Web95 | |
45 | 1998 | Hsia, Adrian. Philosophischer Sinismus : Herder, Hegel, Karl Marx und Max Weber. In : Komparative Philosophie : Begegnungen zwischen östlichen und westlichen Denkwegen. Hrsg. von Rolf Elberfeld, Johann Kreuzer, John Minford, Günter Wohlfahrt. (München : Fink, 1998). (Schriften der Académie du Midi ; Bd. 4). | Publication / Hsia30 | |
46 | 1998 |
[Bendix, Reinhard]. Weibo : si xiang yu xue shuo. Bendikesi zhu ; Liu Beicheng [et al.] yi ; Liu Beicheng jiao ding ; Gu Zhonghua shen yue. (Taibei : Gui guan tu shu gu fen you xian gong si, 1998). (Dang dai si chao xi lie cong shu ; 100). Übersetzung von Bendix, Reinhard. Max Weber : an intellectual portrait. (Garden City, N.Y. : Doubleday, 1960). 韋伯 : 思想與學說 |
Publication / Web48 | |
47 | 1998 |
Han, Shuifa. Weibo. (Taibei : Dong da tu shu, 1998). (Shi jie zhe xue jia cong shu). [Abhandlung über Max Weber]. 韋伯 |
Publication / Web62 | |
48 | 1998 |
Ji, Jinduo. Weibo zhuan. (Shijiazhuang : Hebei ren min chu ban she, 1998). (Xian dai 10 da si xiang jia). [Biographie von Max Weber]. 韦伯传 |
Publication / Web71 | |
49 | 1999 |
Feng, Gang. Magesi Weibo : wen ming yu jing shen. (Hangzhou : Hangzhou da xue chu ban she, 1999). (Xi fang zhu ming she hui xue jia si xiang yan jiu cong shu). [Abhandlung über Max Weber]. 马克斯韦伯 : 文明与精神 |
Publication / Web56 | |
50 | 1999 |
Hong, Liande. Cong Weibo kan Makesi : xian dai liang da si xiang jia de dui lei. = From Weber to Marx : a dialogue between two thinkers. (Taibei : Yang zhi wen hua shi ye gu fen you xian gong si, 1999). 從韋伯看馬克思 : 現代兩大思想家的對壘 |
Publication / Web63 | |
51 | 2000 | Hsia, Adrian. Das Chinesien bei Leibniz und Max Weber. In : Das Neueste über China : G.W. Leibnizens Novissima sinica von 1697 : Internationales Symposium, Berlin 4. bis 7. Okt. 1997. Wenchao Li, Hans Poser (Hrsg.). (Stuttgart : Steiner, 2000). (Studia Leibnitiana supplementa ; vol. 33). | Publication / Leib28 | |
52 | 2001 |
Li, Meng. Weibo : fa lü yu jia zhi. (Shanghai : Shanghai ren min chu ban she, 2001). (Si xiang yu she hui ; 1). [Max Webers Rechtsphilosophie, Ethik und Soziologie]. 韦伯 : 法律与价值 |
Publication / Web74 | |
53 | 2002 |
[Weber, Marianne]. Maikesi Weibo zhuan. Mali'anni Weibo zhu ; Yan Kewen, Wang Liping, Yao Zhongqiu yi. (Nanjing : Jiangsu ren min chu ban she, 2002). (Han yi da zhong jing pin wen ku. Xin shi ji ban). Übersetzung von Weber, Marianne. Max Weber : ein Lebensbild. (Tübingen : Mohr, 1925). 马克斯韦伯传 |
Publication / Web87 | |
54 | 2003 | Lee, Eun-jeung. "Anti-Europa" : die Geschichte der Rezeption des Konfuzianismus und der konfuzianischen Gesellschaft seit der frühen Aufklärung : eine ideengeschichtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. (Münster : LIT Verlag, 2003). (Politica et ars ; Bd. 6). Habil. Univ. Halle-Wittenberg, 2003. | Publication / LeeE1 |
|
55 | 2003 | Fröhlich, Thomas. Tang Junyi, Max Weber und die Mächte des Dämonischen : zum Politikverständnis eines modernen Konfuzianers. In : Asiatische Studien ; 57, 4 (2003). | Publication / Fröh2 |
|
56 | 2003 | Liu, Dong. The Weberian view and confucianism. Transl. by Gloria Davies. In : East Asian history ; no 25/26 (June/Dec. 2003). | Publication / LiuDo1 |
|
57 | 2003 |
Huang, Xiaoyong. Xian dai hua jin cheng zhong de guan liao zhi : Weibo guan liao zhi li lun yan jiu. (Ha’erbin : Heilongjiang ren min chu ban she, 2003). (Beijing da xue zheng fu guan li xue yuan cong shu). [Abhandlung über Max Webers Wissenschaftspolitik]. 现代化进程中的官僚制 : 韦伯官僚制理论研究 |
Publication / Web69 | |
58 | 2003 |
Lin, Duan. Weibo lun Zhongguo chuan tong fa lü : Weibo bi jiao she hui xue de pi pan. (Taibei : San min shu ju, 2003). [Abhandlung über Max Webers Rechtsphilosophie]. 韋伯論中國傳統法律 : 韋伯比較社會學的批判 |
Publication / Web79 | |
59 | 2003 |
Wang, Yingze. Xin jiao lun li yu ru jia lun li : Weibo lun li si xiang yan jiu. (Xianggang : Zhongguo ke xue wen hua chu ban she, 2003). [Abhandlung über Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus von Max Weber]. 新敎伦理与儒家伦理 : 韦伯伦理思想研究 |
Publication / Web86 | |
60 | 2003 |
Feng, Wei. Weibo zhuan. (Beijing : Zhongguo guang bo dian shi chu ban she, 2003). (Gui guan shi jie ming ren zhuan ji shu xi). [Biographie von Max Weber]. 韦伯传 |
Publication / Web88 | |
61 | 2004 |
Wang, Chongming. Fa lü yu she hui : xi fang fa lü wen ming yu wei ming de Weibo = Law and society : legal civilization in the West and the shadow of Max Weber. (Taibei: Yang zhi wen hua shi ye gu fen you xian gong si, 2004). (She hui cong shu ; 34). 法律與社會 : 西方法律文明與未明的韋伯 |
Publication / Web85 | |
62 | 2005 |
Gu, Zhonghua. Weibo de "Jidu xin jiao lun li yu zi ben zhu yi jing shen" dao du. (Taibei : Taiwan xue sheng shu ju you xian gong si, 2005). (Zhonghua Minguo Zhongshan xue shu wen hua ji jin hui Zhongshan wen ku). [Abhandlung über Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus von Max Weber]. 韦伯的《基督新教伦理与资本主义精神》导读 = Gu, Zhonghua. Weibo "Xin jiao lun li yu zi ben zhu yi jing shen" dao du. (Guilin : Guangxi shi fan da xue chu ban she, 2005). (Si xiang shi yan jiu xiao cong shu). [Abhandlung über Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus von Max Weber]. 韦伯新敎倫理与资本主义精神导读 |
Publication / Web59 | |
63 | 2006 |
Chen, Xianglan. Li xing yu guan li : Lun Weibo de guan li zhe xue ji qi ying xiang. (Changchun : Jilin ren min chu ban she, 2006). [Abhandlung über die Philosophie von Max Weber]. 理性与管理 : 论韦伯的管理哲学及其影响 |
Publication / Web50 | |
64 | 2006 |
Zhang, Ge. Fa lü yu xian dai ren de ming yun : Makesi Weibo fa lü si xiang yan jiu dao lun. (Beijing : Fa lü chu ban she, 2006). (Zhongguo fa lü zhe xue lin jie cong shu). [Abhandlung über die Rechtsphilosophie von Max Weber]. 法律与现代人的命运 : 马克斯韦伯法律思想研究导论 |
Publication / Web91 | |
65 | 2007 |
Guo, Dashui. She hui xue de san zhong jing dian yan jiu mo shi gai lun : Tu'ergan, Weibo, Tuomasi de she hui xue fang fa lun. (Tianjin : Tianjin ren min chu ban she, 2007). (Jing dian jiao cai jiao can xi lie). [Abhandlung über Emile Durkheim, Max Weber, William Isaac Thomas]. 社会学的三种经典研究模式概论 : 涂尔干韦伯托马斯的社会学方法论 |
Publication / Web61 | |
66 | 2007 |
[Swedberg, Richard]. Makesi Weibo yu jing ji she hui xue si xiang. Lichade Siweideboge zhu ; He Rong yi. (Beijing : Shang wu yin shu guan, 2007). Übersetzung von Swedberg, Richard. Max Weber and the idea of economic sociology. (Princeton, NJ : Princeton University Press, 1998). 马克斯韦伯与经济社会学思想 |
Publication / Web84 |