Weber, Max. Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen : Konfuzianismus und Taoismus
VIII. Resultat: Konfuzianismus und Puritanismus.
Auszüge.
… Es ist nach der Darstellung wohl völlig klar geworden: daß in dem Zaubergarten vollends der heterodoxen Lehre (Taoismus) unter der Macht der Chronomanten, Geomanten, Hydromanten, Meteoromanten, bei der krüden und abstrusen universistischen Vorstellung vom Weltzusammenhang, beim Fehlen aller naturwissenschaftlichen Kenntnis, welche teils Ursache teils aber auch Folge jener elementaren Gewalten war, bei der Verpfründung, der Stütze der magischen Tradition, an deren Sportelchancen sie interessiert war, eine rationale Wirtschaft und Technik moderner okzidentaler Art einfach ausgeschlossen war. Die Erhaltung dieses Zaubergartens aber gehörte zu den intimsten Tendenzen der konfuzianischen Ethik. Aber innere Gründe traten hinzu und hinderten jede Durchbrechung der konfuzianischen Macht. Die puritanische Ethik rückte, im stärksten Gegensatz zu der unbefangenen Stellungnahme des Konfuzianismus zu den Dingen der Erde, diese in den Zusammenhang einer gewaltigen und pathetischen Spannung gegenüber der 'Welt'… Der rechte Weg zum Heil war die Anpassung an die ewigen übergöttlichen Ordnungen der Welt: das Tao, und also an die aus der kosmischen Harmonie folgenden sozialen Erfordernisse des Zusammenlebens. Vor allem also: pietätvolle Fügsamkeit in die feste Ordnung der weltlichen Gewalten. Für den einzelnen war die Ausgestaltung des eigenen Selbst zu einer allseitig harmonisch ausbalancierten Persönlichkeit, einem Mikrokosmos in diesem Sinne, das entsprechende Ideal. 'Anmut und Würde' des konfuzianischen Idealmenschen: des Gentleman, äußerte sich in der Erfüllung der überlieferten Pflichten. Die zeremonielle und rituale Schicklichkeit also in allen Lebenslagen war, als Zentraltugend, Ziel der Selbstvervollkommnung, wache rationale Selbstkontrolle und Unterdrückung aller Erschütterung des Gleichgewichts durch irrationale Leidenschaften, welcher Art immer, das geeignete Mittel, sie zu erreichen. Irgendwelche 'Erlösung' aber, außer von der Barbarei der Unbildung, begehrte der Konfuzianer nicht. Was er als Lohn der Tugend erwartete, war im Diesseits langes Leben, Gesundheit und Reichtum, über den Tod hinaus aber die Erhaltung des guten Namens. Es fehlte, genau wie bei den genuinen Hellenen, jede transzendente Verankerung der Ethik, jede Spannung zwischen Geboten eines überweltlichen Gottes und einer kreatürlichen Welt, jede Ausgerichtetheit auf ein jenseitiges Ziel und jede Konzeption eines radikal Bösen. Wer die auf das Durchschnittskönnen der Menschen zugeschnittenen Gebote innehielt, war frei von Sünden. Vergebens suchten christliche Missionare ein Sündengefühl da zu wecken, wo solche Voraussetzungen selbstverständlich waren. Ein gebildeter Chinese würde entschieden ablehnen, dauernd mit 'Sünden' behaftet zu sein, wie ja übrigens für jede vornehme Intellektuellenschicht dieser Begriff etwas Peinliches, als würdelos Empfundenes zu haben und durch konventionell oder feudal oder ästhetisch formulierte Abwandlungen (etwa: 'unanständig' oder 'geschmacklos') vertreten zu werden pflegt. Gewiß gab es Sünden, aber das waren auf ethischem Gebiet Verstöße gegen die überlieferten Autoritäten: Eltern, Ahnen, Vorgesetzte in der Amtshierarchie, also gegen traditionalistische Gewalten, im übrigen aber magisch bedenkliche Verletzungen der überlieferten Bräuche, des überlieferten Zeremoniells und endlich: der festen gesellschaftlichen Konventionen. Diese alle standen untereinander gleich: 'ich habe gesündigt' entsprach unserem 'entschuldigen Sie' bei Verstößen gegen die Konvention. Askese und Kontemplation, Mortifikation und Weltfrucht waren innerhalb des Konfuzianismus nicht nur unbekannt, sondern als drohnenhaftes Schmarotzertum verachtet. Jede Form von Gemeinde-und Erlösungsreligiosität war teils direkt verfolgt und ausgerottet, teils in ähnlichem Sinne Privatangelegenheit und gering geschätzt wie etwa die orphischen Pfaffen bei den vornehmen Hellenen der klassischen Zeit. Die innere Voraussetzung dieser Ethik der unbedingten Weltbejahung und Weltanpassung war der ungebrochene Fortbestand rein magischer Religiosität, von der Stellung des Kaisers angefangen, der mit seiner persönlichen Qualifikation für das Wohlverhalten der Geister, den Eintritt von Regen und guter Erntewitterung verantwortlich war, bis zu dem für die offizielle wie für die Volksreligiosität schlechthin grundlegenden Kult der Ahnengeister, zu der inoffiziellen (taoistischen) magischen Therapie und den sonstigen bestehen gebliebenen Formen animistischen Geisterzwangs, anthropo- und herolatrischen Funktionsgötterglaubens. Mit der gleichen Mischung von Skepsis und gelegentlicher Uebermanntheit durch Deisidaimonie wie der gebildete Hellene stand der gebildete Konfuzianer, mit ungebrochener Gläubigkeit stand die in ihrer Lebensführung vom Konfuzianismus beeinflußte Masse der Chinesen innerhalb der magischen Vorstellungen. 'Tor, wer nach dort die Augen blinzend richtet....' würde der Konfuzianer mit dem alten Faust in bezug auf das Jenseits sagen, – aber wie dieser die Einschränkung machen müssen: 'Könnt' ich Magie von meinem Pfad entfernen...' Auch die im altchinesischen Sinne gebildetsten hohen Beamten zögerten selten, ein beliebiges stupides Mirakel andächtig zu verehren. Eine Spannung gegen die 'Welt' war nie entstanden, weil eine ethische Prophetie eines überweltlichen, ethische Forderungen stellenden Gottes, soweit die Erinnerung zurückreicht, völlig gefehlt hat. Daß die 'Geister' sie stellten – Vertragstreue vor allem forderten – war kein Ersatz dafür. Denn stets betraf das die unter ihren Schutz gestellte Einzelpflicht, – Eid oder was es war, – nie die innere Gestaltung der Persönlichkeit als solcher und ihrer Lebensführung. Die führende Intellektuellenschicht: Beamte und Amtsanwärter, hatten die Erhaltung der magischen Tradition und speziell der animistischen Ahnenpietät als ein absolutes Erfordernis der ungestörten Erhaltung der bureaukratischen Autoritäten konsequent gestützt und alle Erschütterungen durch Erlösungsreligiosität unterdrückt. Die – neben der taoistischen Divination und Sakramentsgnade – einzige, als pazifistisch und daher ungefährlich zugelassene Erlösungsreligion: die des buddhistischen Mönchtums, wirkte in China praktisch durch Bereicherung der seelischen Spannweite um einige Nuancen stimmungsvoller Innerlichkeit – wie wir sehen werden –, im übrigen aber nur als weitere Quelle magischer Sakramentsgnade und traditionsstärken- der Zeremonien. Damit ist auch schon gesagt, daß die Bedeutung einer solchen Intellektuellenethik für die breiten Massen ihre Schranken haben mußte. Zunächst waren die lokalen und vor allem die sozialen Unterschiede der Bildung selbst enorme. Die traditionalistische und bis in die Neuzeit stark naturalwirtschaftliche Bedarfsdeckung, aufrechterhalten bei den ärmeren Volkskreisen durch eine nirgends in der Welt erreichte, an das Unglaubwürdige grenzende Virtuosität im Sparen (im konsumtiven Sinne des Worts), war nur möglich bei einer Lebenshaltung, welche jede innerliche Beziehung zu den Gentlemanidealen des Konfuzianismus ausschloß. Nur die Gesten und Formen des äußeren Sichverhaltens der Herrenschicht konnten hier, wie überall, Gegenstand allgemeiner Rezeption sein. Der entscheidende Einfluß der Bildungsschicht auf die Lebensführung der Massen hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach vor allem durch einige negative Wirkungen vollzogen: die gänzliche Hemmung des Entstehens einer prophetischen Religiosität einerseits, die weitgehende Austilgung aller orgiastischen Bestandteile der animistischen Religiosität andererseits. Es muß als möglich gelten, daß dadurch wenigstens ein Teil jener Züge mitbedingt ist, welche man zuweilen als chinesische Rassenqualitäten anzusprechen pflegt. Es ließe sich heute sicherlich auch von genauen Kennern hier sowenig wie sonst etwas Bestimmtes darüber aussagen: wie weit der Einfluß des biologischen 'Erbgutes' reicht. Für uns ist aber eine, sehr leicht zu machende und von namhaften Sinologen bestätigte, Beobachtung wichtig: daß, je weiter zurück man in der Geschichte geht, desto ähnlicher die Chinesen und ihre Kultur (in den für uns hier wichtigen Zügen) dem erscheinen, was man auch bei uns findet. Sowohl der alte Volksglaube, die alten Anachoreten, die ältesten Lieder des Schiking, die alten Kriegskönige, die Gegensätze der Philosophenschulen, der Feudalismus, als die Ansätze kapitalistischer Entwicklung in der Zeit der Teilstaaten erscheinen uns weit verwandter mit okzidentalen Erscheinungen als die als charakteristisch geltenden Eigenschaften des konfuzianischen Chinesentums. Mit der Möglichkeit ist also zu rechnen: daß viele seiner gern als angeboren angesprochenen Züge Produkte rein historisch bedingter Kultureinflüsse waren. Für Züge dieser Art ist der Soziologe im wesentlichen auf die sicherlich sehr verschiedenwertige, aber schließlich doch die relativ sichersten Erfahrungen in sich bergende Missionarliteratur angewiesen…
Das typische Mißtrauen der Chinesen gegeneinander wird von allen Beobachtern bestätigt und kontrastiert gewaltig gegen das Vertrauen auf die Ehrlichkeit der Glaubensbrüder in den puritanischen Sekten, welches gerade von außerhalb der Gemeinschaft her geteilt wurde…
In bezug auf den Gebrauch der Rauschmittel gehörten die Chinesen seit der Pazifizierung (gegenüber der Bedeutung des Zechens im alten Männerhaus und an den Fürstenhöfen) zu den (relativ) 'nüchternen' Völkern. Rausch und orgiastische 'Besessenheit' hatten alle charismatische Heiligkeitsschätzung abgestreift und galten nur als Symptome dämonischer Herrschaft. Der Konfuzianismus verwarf den Gebrauch von Spirituosen, außer – als Rudiment – bei den Opfern. Daß tatsächlich der Alkoholrausch auch in China bei den unteren Volksschichten nichts Seltenes war, ändert doch nichts an der relativen Bedeutung des Unterschieds. Das als spezifisch chinesisch geltende Rauschmittel aber: das Opium, wurde erst in moderner Zeit importiert und seine Zulassung ist dem Lande bekanntlich gegen den schärfsten Widerstand der herrschenden Schichten von außen her durch Krieg aufgezwungen worden. Es liegt in seinen Wirkungen überdies in der Richtung der apathischen Ekstase, also in der geraden Verlängerung der Linie des 'Wu wei', nicht aber in der Linie des Heldenrausches oder der Entfesselung aktiver Leidenschaften. Die hellenische Sophrosyne hinderte Platon nicht, im Phaidros alles Große als aus dem schönen Wahnsinn geboren anzusehen. Darin dachte der Rationalismus sowohl des römischen Amtsadels, – welcher 'ekstasis' mit 'superstitio' übersetzte, – wie der chinesischen Bildungsschicht völlig anders. Die 'Ungebrochenheit' sowohl wie das, was als Indolenz empfunden wird, hängt vielleicht bis zu einem gewissen Grade mit diesem gänzlichen Fehlen dionysischer Elemente in der chinesischen Religiosität: – einer Folge bewußter Ernüchterung des Kults durch die Bureaukratie, – zusammen. Es gab nichts in ihr und sollte nichts in ihr geben, was die Seele aus dem Gleichgewicht hätte bringen können. Jede überstarke Leidenschaft, besonders auch der Zorn: Tschei, bewirkte bösen Zauber, und bei jedem Leiden fragte man zuerst: welchem Tschei es wohl zuzuschreiben sei. Die Erhaltung der animistischen Magie als einziger, zwar vom Gebildeten verachteter, aber doch durch den Charakter der offiziellen Kulte gestützter Form der Volksreligiosität bedingte die traditionalistische Angst vor jeder Neuerung, die bösen Zauber bringen und die Geister beunruhigen könnte. Sie erklärt die große Leichtgläubigkeit. Die Folge der Erhaltung des magischen Glaubens: daß Krankheit und Unglück Symptome selbstverschuldeten göttlichen Zornes seien, mußte eine gewisse Unterbindung jener sympathetischen Empfindungen begünstigen, welche aus dem Gemeinschaftsgefühl von Erlösungsreligionen dem Leiden gegenüber zu entspringen pflegen und daher in Indien die volkstümliche Ethik von jeher stark beherrschten. Die spezifisch kühle Temperierung der chinesischen Menschenfreundlichkeit, ja selbst der innergentilen Beziehungen, verbunden mit zeremoniöser Korrektheit und egoistischer Angst vor den Geistern, waren das Resultat. Eine Fundgrube folkloristischer Forschung, wie sie namentlich W. Grubes Arbeiten ausnutzen, stellen die unermeßlichen zeremoniellen, in ihrer Umständlichkeit und vor allem in der Unverbrüchlichkeit aller Einzelheiten fast beispiellosen Bindungen dar, wie sie die Existenz des Chinesen vom Embryo angefangen bis zum Totenkult umgaben. Davon ist ein Teil ersichtlich magischen, namentlich apotropäischen Ursprungs. Ein anderer fällt dem Taoismus und dem weiterhin noch zu erörternden Volksbuddhismus zur Last, die beide auf dem Gebiet des Alltagslebens der Massen sehr tiefe Spuren hinterlassen haben. Aber es bleibt ein sehr bedeutender Rest rein konventionell- zeremoniellen Charakters. Die zeremoniell vorgeschriebenen Fragen, auf welche die zeremoniell vorgeschriebene Antwort zu geben war, die zeremoniell unumgänglichen Anerbietungen, deren in bestimmter Form zu gebende dankende Ablehnung zeremoniell geregelt war, die Besuche, Geschenke, Achtungs-, Beileids- und Mitfreudekundgebungen zeremoniellen Charakters lassen alles weit hinter sich, was etwa in Spanien innerhalb der (feudal und wohl auch islamisch beeinflußten) altbäuerlichen Tradition sich bis an die Schwelle der Gegenwart erhalten hatte. Und hier, auf dem Gebiet der Geste und des 'Gesichtes', ist der Ursprung aus dem Konfuzianismus im ganzen als vorwiegend anzunehmen auch da, wo er nicht nachweisbar ist. Nicht immer, wohlverstanden, in der Art des Brauches, aber: in dem 'Geist', in dem er geübt wurde, wirkte sich der Einfluß seines Schicklichkeits-Ideales aus, dessen ästhetisch kühle Temperatur alle aus feudalen Zeiten überkommenen Pflichten, insbesondere die karitativen, zum symbolischen Zeremoniell erstarren ließ. Auf der andern Seite band der Geisterglaube die Sippengenossen um so enger aneinander. Die vielbeklagte Unwahrhaftigkeit war zweifellos zum Teil, – wie auch im antiken Aegypten, – direktes Produkt des patrimonialen Fiskalismus, der überall dazu erzog – denn der Hergang der Steuerbeitreibung in Aegypten und China war sehr ähnlich: Ueberfall, Prügel, Hilfe der Versippten, Heulen der Bedrängten, Angst der Erpresser und Kompromiß. – Daneben aber sicher auch des ganz ausschließlichen Kults des zeremoniell und konventionell Schicklichen im Konfuzianismus. Aber auf der anderen Seite fehlten die lebendigen feudalen Instinkte, denen aller Handel mit dem Stichwort 'Qui trompe-t-on?' gebrandmarkt ist, und es konnte sich daher aus der Pragmatik der Interessenlage des monopolistisch gesicherten und vornehmen, gebildeten Außenhandelsstandes der Ko Hang Gilde jene geschäftliche Zuverlässigkeit entwickeln, welche an ihm gerühmt zu werden pflegt. Sie wäre, wenn dies zutrifft, mehr von außen ankultiviert als von innen heraus entwickelt, wie in der puritanischen Ethik. Dies gilt aber für die ethischen Qualitäten überhaupt. Eine echte Prophetie schafft eine systematische Orientierung der Lebensführung an einem Wertmaßstab von innen heraus, der gegenüber die 'Welt' als das nach der Norm ethisch zu formende Material gilt. Der Konfuzianismus war umgekehrt Anpassung nach außen hin, an die Bedingungen der 'Welt'. Ein optimal angepaßter, nur im Maße der Anpassungsbedürftigkeit in seiner Lebensführung rationalisierter Mensch ist aber keine systematische Einheit, sondern eine Kombination nützlicher Einzelqualitäten. Das Fortbestehen der animistischen Vorstellungen von der Mehrheit der Seelen des Einzelnen in der chinesischen Volksreligiosität könnte fast als ein Symbol dieses Tatbestandes gelten. Wo alles hinausgreifen über die Welt fehlte, mußte auch das Eigengewicht ihr gegenüber mangeln. Domestikation der Massen und gute Haltung des Gentleman konnten dabei entstehen. Aber der Stil, welchen sie der Lebensführung verliehen, mußte durch wesentlich negative Elemente charakterisiert bleiben und konnte jenes Streben zur Einheit von innen heraus, das wir mit dem Begriff 'Persönlichkeit' verbinden, nicht entstehen lassen. Das Leben blieb eine Serie von Vorgängen, kein methodisch unter ein transzendentes Ziel gestelltes Ganzes. Der Gegensatz dieser sozialethischen Stellungnahme gegen alle okzidentale religiöse Ethik war unüberbrückbar. Von außen könnten manche patriarchalen Seiten der thomistischen und auch der lutherischen Ethik Aehnlichkeiten mit dem Konfuzianismus aufzuweisen scheinen. Aber dieser Schein ist äußerlich Denn keine, auch nicht eine mit den Ordnungen der Erde in ein noch so enges Kompromiß verflochtene christliche Ethik konnte die pessimistische Spannung zwischen Welt und überweltlicher Bestimmung des einzelnen mit ihren unvermeidlichen Konsequenzen so von Grund aus beseitigen, wie das konfuzianische System des radikalen Weltoptimismus. Irgendwelche Spannung zwischen Natur und Gottheit, ethischen Anforderungen und menschlicher Unzulänglichkeit, Sündenbewußtsein und Erlösungsbedürfnis, diesseitigen Taten und jenseitiger Vergeltung, religiöser Pflicht und politisch-sozialen Realitäten fehlte eben dieser Ethik vollständig und daher auch jede Handhabe zur Beeinflussung der Lebensführung durch innere Gewalten, die nicht rein traditionell und konventionell gebunden waren. Die weitaus stärkste, die Lebensführung beeinflussende Macht war die auf dem Geisterglauben ruhende Familienpietät. Sie war es letztlich, welche den immer noch, wie wir sahen, starken Zusammenhalt der Sippenverbände und die früher erwähnte Art der Vergesellschaftung in Genossenschaften, welche als erweiterte Familienbetriebe mit Arbeitsteilung gelten können, ermöglichte und beherrschte. Dieser feste Zusammenhalt war in seiner Art ganz und gar religiös motiviert, und die Stärke der genuin chinesischen Wirtschaftsorganisationen reichte etwa ebensoweit, wie diese durch Pietät regulierten persönlichen Verbände reichten. Im größten Gegensatz gegen die auf Versachlichung der kreatürlichen Aufgaben hinauslaufende puritanische Ethik entfaltete die chinesische Ethik ihre stärksten Motive innerhalb der Kreise der naturgewachsenen (oder diesen angegliederten oder nachgebildeten) Personenverbände. Während die religiöse Pflicht gegen den überweltlichen, jenseitigen Gott im Puritanismus alle Beziehungen zum Mitmenschen: auch und gerade zu dem in den natürlichen Lebensordnungen ihm nahestehenden, nur als Mittel und Ausdruck einer über die organischen Lebensbeziehungen hinausgreifenden Gesinnung schätzte, war umgekehrt die religiöse Pflicht des frommen Chinesen gerade nur auf das Sichauswirken innerhalb der organisch gegebenen persönlichen Beziehungen hingewiesen. Die allgemeine 'Menschenliebe' lehnte Mencius mit der Bemerkung ab, daß dadurch Pietät und Gerechtigkeit ausgelöscht werden: weder Vater noch Bruder zu haben sei die Art der Tiere. Inhalt der Pflichten eines konfuzianischen Chinesen war immer und überall Pietät gegen konkrete, lebende oder tote Menschen, die ihm durch die gegebenen Ordnungen nahestanden, niemals gegen einen überweltlichen Gott und also niemals gegen eine heilige 'Sache' oder 'Idee'. Denn das 'Tao' war keines von beiden, sondern einfach die Verkörperung des bindenden traditionalistischen Rituals, und nicht 'Handeln', sondern 'Leere' war sein Gebot. Die personalistische Schranke der Versachlichung hat auch für die Wirtschaftsgesinnung ohne allen Zweifel, als eine Schranke der objektivierenden Rationalisierung, erhebliche Bedeutung gehabt, indem sie den Einzelnen immer erneut innerlich an seine Sippen- und sippenartig mit ihm verbundenen Genossen, jedenfalls an 'Personen', statt an sachliche Aufgaben ('Betriebe') zu binden die Tendenz hatte. Gerade sie war, wie die ganze Darstellung ergab, auf das Intimste verknüpft mit der Art der chinesischen Religiosität, mit jener Schranke der Rationalisierung der religiösen Ethik, welche die maßgebende Bildungsschicht im Interesse der Erhaltung der eigenen Stellung festhielt. Es ist von sehr erheblicher ökonomischer Bedeutung, wenn alles Vertrauen, die Grundlage aller Geschäftsbeziehungen, immer auf Verwandtschaft oder verwandtschaftsartige rein persönliche Beziehungen gegründet blieb, wie dies in China sehr stark geschah… Die Folgen des universellen Mißtrauens Aller gegen Alle, eine Konsequenz der offiziellen Alleinherrschaft der konventionellen Unaufrichtigkeit und der alleinigen Bedeutung der Wahrung des Gesichtes im Konfuzianismus, müssen ökonomisch vermutlich – denn hier gibt es keine Maßmethoden – ziemlich hoch veranschlagt werden. Der Konfuzianismus und die konfuzianische den 'Reichtum' vergötternde Gesinnung haben wirtschaftspolitische Maßregeln entsprechender Art begünstigen können (wie das auch die weltoffene Renaissance im Okzident, sahen wir, tat). Aber gerade hier kann man die Grenze der Bedeutung der Wirtschaftspolitik gegenüber der Wirtschaftsgesinnung sehen. Materielle Wohlfahrt ist nie und nirgends in Kulturländern mit solcher Emphase als letztes Ziel hingestellt worden. Die wirtschaftspolitischen Anschauungen des Konfuzius entsprachen etwa denen der 'Kameralisten' bei uns. Den Nutzen des Reichtums, auch des durch Handel erworbenen, betonte der Konfuzianer Se Ma Tsien, der selbst einen Traktat über die 'Handelsbilanz' – das älteste Dokument chinesischer Nationalökonomie – geschrieben hat. Die Wirtschaftspolitik war eine Abwechslung von fiskalischen und laissezfaire-Maßregeln, jedenfalls aber nicht der Absicht nach antichrematistisch. 'Verachtet' waren die Kaufleute in unserem Mittelalter ebenso und sind es von den Literaten heute ebenso, wie in China. Aber mit Wirtschaftspolitik schafft man keine kapitalistische Wirtschaftsgesinnung. Die Geldverdienste der Händler der Teilstaatenzeit waren politischer Gewinn von Staatslieferanten. Die großen Bergwerksfronden galten der Goldsuche. Kein Mittelglied führte aber vom Konfuzianismus und seiner ganz ebenso fest wie das Christentum verankerten Ethik zu einer bürgerlichen Lebensmethodik hinüber. Auf diese allein kam es aber an. Sie hat der Puritanismus – durchaus gegen seinen Willen – geschaffen. Die Paradoxie der Wirkung gegenüber dem Wollen: – Mensch und Schicksal (Schicksal die Folge seines Handelns gegenüber seiner Absicht) in diesem Sinn: das kann uns diese nur auf den allerersten oberflächlichen Blick seltsame scheinbare Umkehr des 'Natürlichen' lehren. Den radikal entgegengesetzten Typus einer rationalen Weltbehandlung stellt nun der Puritanisms dar. Das ist, sahen wir früher, kein ganz eindeutiger Begriff. Die 'Ecclesia pura' bedeutete praktisch, im eigentlichsten Sinne, vor allem die zu Gottes Ehre von sittlich verworfenen Teilnehmern gereinigte christliche Abendmahlsgemeinschaft…
Der Konfuzianismus erforderte stetige wache Selbstbeherrschung im Interesse der Erhaltung der Würde des allseitig vervollkommneten perfekten Weltmannes, die puritanische Ethik im Interesse der methodischen Einheit der Eingestelltheit auf den Willen Gottes. Die konfuzianische Ethik beließ die Menschen höchst absichtsvoll in ihren naturgewachsenen oder durch die sozialen Ueber- und Unterordnungsverhältnisse gegebenen persönlichen Beziehungen. Sie verklärte diese, und nur diese, ethisch und kannte letztlich keine anderen sozialen Pflichten als die durch solche persönlichen Relationen von Mensch zu Mensch, von Fürst zu Diener, vom höheren zum niederen Beamten, von Vater und Bruder zum Sohn und Bruder, vom Lehrer zum Schüler, von Freund zu Freund geschaffenen menschlichen Pietätspflichten. Der puritanischen Ethik dagegen waren eben diese rein persönlichen Beziehungen, – obwohl sie sie natürlich, soweit sie nicht gottwidrig waren, bestehen ließ und ethisch regelte, – dennoch leicht verdächtig, weil sie Kreaturen galten. Die Beziehung zu Gott ging ihnen unter allen Umständen vor. Allzu intensive, kreaturvergötternde, Beziehungen zu Menschen rein als solchen waren unbedingt zu meiden. Denn das Vertrauen auf Menschen, gerade auf die natürlich nächststehenden, würde der Seele gefährlich sein…
Daraus folgten praktisch sehr wichtige Unterschiede beider ethischer Konzeptionen, obwohl wir doch beide in ihrer praktischen Wendung als 'rationalistisch' bezeichnen werden und obwohl sie beide 'utilitarische' Konsequenzen zogen. Zwar nicht nur aus jener sozialethischen Stellungnahme, – sondern auch aus Eigengesetzlichkeiten der politischen Herrschaftsstruktur –, aber doch sehr wesentlich auch aus jener folgte die Erhaltung der Sippengebundenheit in China, der durchaus an persönliche Beziehungen geknüpfte Charakter der politischen und ökonomischen Organisationsformen, die alle (relativ) in sehr auffallender Art der rationalen Versachlichung und des abstrakten transpersonalen Zweckverbandscharakters entbehrten, von dem Fehlen eigentlicher 'Gemeinden', speziell in den Städten, angefangen bis zum Fehlen ökonomischer Vergesellschaftungs- und Betriebsformen rein sachlich zweckgebundener Art. Aus rein chinesischen Wurzeln sind solche so gut wie gar nicht entstanden. Alles Gemeinschaftshandeln blieb dort durch rein persönliche, vor allem verwandtschaftliche Beziehungen, und daneben durch Berufsverbrüderungen umspannt und bedingt. Während dagegen der Puritanismus alles versachlichte, in rationale 'Betriebe' und rein sachlich 'geschäftliche' Beziehungen auflöste, rationales Recht und rationale Vereinbarung an die Stelle der in China prinzipiell allmächtigen Tradition, lokalen Gepflogenheit und konkreten persönlichen Beamtengnade setzte. Noch wichtiger scheint ein anderes. Der weltbejahende Utilitarismus und die Ueberzeugung von dem ethischen Wert des Reichtums als universellen Mittels allseitiger sittlicher Vollendung in Verbindung mit der ungeheuren Volksdichte haben in China zwar die 'Rechenhaftigkeit' und Genügsamkeit zu sonst unerhörter Intensität gesteigert. Um jeden Pfennig wurde gefeilscht und gerechnet und täglich machte der Krämer seinen Kassensturz. Zuverlässige Reisende berichten, daß Geld und Geldinteressen in einem sonst seltenen Maße das Gesprächsthema der Einheimischen unter sich zu bilden schienen. Aber höchst auffallenderweise waren große methodische geschäftliche Konzeptionen rationaler Art, wie sie der moderne Kapitalismus voraussetzte, auf ökonomischem Gebiet wenigstens, aus diesem unendlich intensiven Wirtschaftsgetriebe und dem oft beklagten krassen 'Materialismus' heraus nicht entstanden und sind China überall da fremd geblieben, wo nicht (wie z.B. bei den Kantonesen) fremder Einfluß in der Vergangenheit, oder jetzt der Eindruck des unaufhaltsam vordringenden okzidentalen Kapitalismus sie ihnen lehrte. Aus eigenem sind zwar seinerzeit (wie es scheint speziell so lange die politischen Spaltungen bestanden) die Formen des politisch orientierten Kapitalismus, der Amts- und Notkreditwucher, Großhandelsprofite und auf gewerblichem Gebiet Ergasterien (auch größere Werkstätten), wie sie auch im späten Altertum, in Aegypten und im Islam vorkamen, neuerdings auch die übliche Abhängigkeit vom Verleger und Aufkäufer, auch sie jedoch im allgemeinen ohne die straffe Organisation des 'sistema domestico' schon unseres Spätmittelalters, entstanden. Aber trotz des recht intensiven Binnentausch- (und des wenigstens zeitweise ansehnlichen Außenhandels-) Verkehrs kein bürgerlicher Kapitalismus moderner, nicht einmal spätmittelalterlicher Art: nicht die rationalen Formen des spätmittelalterlichen und vollends des scientistischen europäischen kapitalistischen gewerblichen 'Betriebs', nicht eine 'Kapital'-Bildung europäischer Art (das chinesische Kapital, welches sich bei modernen Chancen beteiligte, war vorwiegend Mandarinen-, also durch Amtswucher akkumuliertes Kapital), keine rationale Methodik der Betriebsorganisation nach europäischer Art, keine wirklich rationale Organisation des kommerziellen Nachrichtendienstes, kein rationales Geldsystem, nicht einmal eine dem ptolemäischen Aegypten gleichkommende Entwicklung der Geldwirtschaft, nur Ansätze (charakteristische, aber wesentlich in ihrer technischen Unvollkommenheit charakteristische Ansätze) von Rechtsinstitutionen, wie sie unser Firmenrecht, Handelsgesellschaftsrecht, Wechsel- und Wertpapierrecht darstellen, und eine höchst begrenzte Verwendung der zahlreichen technischen Erfindungen für rein ökonomische Zwecke, schließlich kein wirklich technisch vollwertiges kaufmännisches Schrift-, Rechnungs-und Buchführungssystem. Also, trotz des fast völligen Fehlens der Sklaven – einer Folge der Befriedung des Reichs – sehr ähnliche, aber in mancher Hinsicht vom 'Geist' des modernen Kapitalismus und seinen Institutionen noch ferner abliegende Zustände, wie sie die mittelländische Antike aufweist. Eine trotz aller Ketzerrichterei im Vergleich mit der Intoleranz mindestens des calvinistischen Puritanismus weitgehende religiöse Duldung, weitgehende Freiheit des Güterverkehrs, Friede, Freizügigkeit, Freiheit der Berufswahl und der Produktionsmethoden, Fehlen aller Perhorreszierung des Krämergeistes: dies alles hat doch keinen modernen Kapitalismus in China entstehen lassen. Daß 'Erwerbstrieb', hohe, ja exklusive Schätzung des Reichtums und utilitaristischer 'Rationalismus' an und für sich noch nichts mit modernem Kapitalismus zu tun haben, kann man also gerade in diesem typischsten Lande des Erwerbes studieren. Erfolg und Mißerfolg schrieb zwar der chinesische kleinere und mittlere Geschäftsmann (und auch der große, der in den alten Traditionen stand) ebenso wie der Puritaner, göttlichen Mächten zu. Der Chinese aber seinem (taoistischen) Reichtumsgott: sie waren für ihn nicht Symptome eines Gnadenstandes, sondern Folgen magisch oder zeremoniell bedeutsamer Verdienste oder Verstöße und wurden daher durch rituelle 'gute Werke' wieder auszugleichen gesucht. Es fehlte ihm die zentral, von innen heraus, religiös bedingte rationale Lebensmethodik des klassischen Puritaners, für den der ökonomische Erfolg nicht letztes Ziel und Selbstzweck, sondern Mittel der Bewährung war. Es fehlte die bewußte Verschlossenheit gegen die Einflüsse und Eindrücke der 'Welt', die der Puritaner durch ein bestimmt und einseitig orientiertes rationales Wollen ebenso zu bemeistern trachtete wie sich selbst, und die ihn zur Unterdrückung gerade jener kleinlichen, jede rationale Betriebsmethodik zerstörenden Erwerbsgier anleitete, welche das Tun des chinesischen Kleinkrämers auszeichnete. Jene eigentümliche Verengerung und Verdrängung des natürlichen Trieblebens, welche die streng willensmäßige ethische Rationalisierung mit sich bringt und welche dem Puritaner anerzogen wurde, war dem Konfuzianer fremd. Bei ihm hatte die Beschneidung der freien Aeußerung der urwüchsigen Triebe einen anderen Charakter. Die wache Selbstbeherrschung des Konfuzianers ging darauf aus, die Würde der äußeren Gesten und Manieren, das 'Gesicht', zu wahren. Sie war ästhetischen und dabei wesentlich negativen Charakters: 'Haltung' an sich, ohne bestimmten Inhalt, wurde geschätzt und erstrebt. Die ebenso wache Selbstkontrolle des Puritaners richtete sich auf etwas Positives: ein bestimmt qualifiziertes Handeln, und darüber hinaus auf etwas Innerlicheres: die systematische Meisterung der eigenen, als sündenverderbt geltenden inneren Natur, deren Inventar der konsequente Pietist durch eine Art von Buchführung, so wie sie noch ein Epigone wie Benjamin Franklin täglich vornahm, feststellte. Denn der überweltliche allwissende Gott sah auf den zentralen inneren Habitus, die Welt dagegen, an die sich der Konfuzianer anpaßt, nur auf die anmutige Geste. Dem universellen, allen Kredit und alle Geschäftsoperationen hemmenden Mißtrauen, welches der nur auf die äußere 'Contenance' bedachte konfuzianische Gentleman gegen andere hatte und gegen sich selbst voraussetzte, stand das Vertrauen, insbesondere auch das ökonomische, auf die bedingungslose und unerschütterliche, weil religiös bedingte Legalität des Glaubensbruders beim Puritaner gegenüber. Dieses Vertrauen war genau ausreichend, seinen tiefen realistischen und durchaus respektlosen Pessimismus in bezug auf die kreatürliche Verderbtheit der Welt und der Menschen, auch und gerade der Höchststehenden, nicht zu einem Hemmnis des für den kapitalistischen Verkehr unentbehrlichen Kredits werden zu lassen, sondern ihn nur zu einer nüchternen, auf die Konstanz der für sachliche Geschäftszwecke nach dem Prinzip: 'honesty is the best policy' unentbehrlichen Motive zählenden, Abwägung des objektiven (äußeren und inneren) Könnens des Gegenparts zu veranlassen. Das Wort des Konfuzianers war schöne und höfliche Gebärde, die ihren Selbstzweck hatte, das Wort des Puritaners sachliche, knappe und absolut verläßliche geschäftliche Mitteilung: 'Ja, ja, nein nein, was darüber ist, das ist vom Uebel'. Die Sparsamkeit des Konfuzianers, übrigens beim Gentleman durch ständische Schicklichkeit eng begrenzt und, wo sie zum Uebermaß wurde, wie bei der mystisch bedingten Demut Laotses und mancher Taoisten, von der Schule bekämpft, war bei dem chinesischen Kleinbürgertum ein Zusammenscharren im Grunde nach Art des Thesaurierens im Bauernstrumpf. Es geschah um der Sicherung der Totenriten und des guten Namens, daneben um der Ehre und Freude des Besitzes als solchen willen, wie überall bei noch nicht asketisch gebrochener Stellungnahme zum Reichtum. Dem Puritaner dagegen war der Besitz als solcher ebenso Versuchung wie etwa dem Mönch. Sein Erwerb war ebenso ein Nebenerfolg und Symptom des Gelingens seiner Askese wie der der Klöster… Beim Konfuzianer war der Reichtum, wie eine vom Stiftel überlieferte Aeußerung ausdrücklich lehrt, das wichtigste Mittel, tugendhaft, d.h. würdig leben und sich der eigenen Vervollkommnung widmen zu können. 'Bereichert sie' war daher die Antwort auf die Frage nach dem Mittel, die Menschen zu bessern. Denn nur dann konnte man 'standesgemäß' leben. Beim Puritaner war der Erwerb ungewollte Folge, aber wichtiges Symptom der eigenen Tugend, die Verausgabung des Reichtums für eigene konsumtive Zwecke aber sehr leicht kreaturvergötternde Hingabe an die Welt. Reichtumserwerb würde Konfuzius an sich nicht verschmähen, aber er schien unsicher und konnte daher zur Störung des vornehmen Gleichgewichts der Seele führen und alle eigentliche ökonomische Berufsarbeit war banausisches Fachmenschentum. Der Fachmensch aber war für den Konfuzianer auch durch seinen sozialütilitarischen Wert nicht zu wirklich positiver Würde zu erheben. Denn – dies war das Entscheidende – 'der vornehme Mann' (Gentleman) war 'kein Werkzeug', d.h.: er war in seiner weltangepaßten Selbstvervollkommnung ein letzter Selbstzweck, nicht aber Mittel für sachliche Zwecke welcher Art immer. Dieser Kernsatz der konfuzianischen Ethik lehnte die Fachspezialisierung, die moderne Fachbureaukratie und die Fachschulung, vor allem aber die ökonomische Schulung für den Erwerb ab. Einer solchen 'kreaturvergötternden' Maxime setzte der Puritanismus gerade umgekehrt die Bewährung an den speziellen sachlichen Zwecken der Welt und des Berufslebens als Aufgabe entgegen. Der Konfuzianer war der Mensch literarischer Bildung und zwar, noch genauer: Buch-Bildung, Schrift-Mensch in der höchsten Ausprägung, ebenso fremd der hellenischen Hochwertung und Durchbildung der Rede und Konversation, wie der, sei es kriegerischen, sei es ökonomischen, Energie des rationalen Handelns. Die Mehrzahl der puritanischen Denominationen (wenn auch nicht alle gleichmäßig stark) lehnten, gegenüber der freilich unumgänglichen Bibelfestigkeit (die Bibel war ja eine Art von bürgerlichem Gesetzbuch und Betriebslehre), die philosophisch-literarische Bildung, die höchste Zierde des Konfuzianers, als eitlen Zeitverderb und als religiös gefährlich ab… Der typische Konfuzianer verwendete seine und seiner Familie Ersparnisse, um sich literarisch zu bilden und für die Examina ausbilden zu lassen und dadurch die Grundlage einer ständisch vornehmen Existenz zu haben. Der typische Puritaner verdiente viel, verbrauchte wenig und legte seinen Erwerb, zufolge des asketischen Sparzwangs, wieder werbend als Kapital in rationalen kapitalistischen Betrieben an. 'Rationalismus', dies ist für uns die zweite Lehre, enthielt der Geist beider Ethiken. Aber nur die überweltlich orientierte puritanische rationale Ethik führte den innerweltlichen ökonomischen Rationalismus in seine Konsequenzen durch, gerade weil ihr an sich nichts ferner lag als eben dies, gerade weil ihr die innerweltliche Arbeit nur Ausdruck des Strebens nach einem transzendenten Ziel war. Die Welt fiel ihr, der Verheißung gemäß, zu, weil sie 'allein nach ihrem Gott und dessen Gerechtigkeit getrachtet' hatte. Denn da liegt der Grundunterschied dieser beiden Arten von 'Rationalismus'. Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus: rationale Beherrschung der Welt. Der Puritaner wie der Konfuzianer waren 'nüchtern'. Aber die rationale 'Nüchternheit' des Puritaners ruhte auf dem Untergrund eines mächtigen Pathos, welches dem Konfuzianer völlig fehlte, des gleichen Pathos, welches das Mönchtum des Okzidents beseelte. Denn die Weltablehnung der okzidentalen Askese war bei ihm mit dem Verlangen nach Weltbeherrschung als ihrer Kehrseite unauflöslich verbunden, weil ihre Forderungen im Namen eines überweltlichen Gottes an den Mönch und, in abgewandelter und gemilderter Form, an die Welt ergingen. Dem konfuzianischen Vornehmheitsideal widerstritt nichts so sehr, als der Gedanke des 'Berufs'. Der 'fürstliche' Mann war ästhetischer Wert und daher auch nicht 'Werkzeug' eines Gottes. Der echte Christ, der – außer- oder innerweltliche – Asket vollends, wollte gar nichts anderes sein als eben dies. Denn gerade nur darin suchte er seine Würde. Und weil er dies sein wollte, war er ein brauchbares Instrument, die Welt rational umzuwälzen und zu beherrschen.
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