1997
Publication
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1997.2 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (8). Lee, Hyung Gyun. Eine ostasiatisches Kritik an Max Webers Rationalisierungskonzept [ID D18943]. Lee Hyung Gyun schreibt : Nach Weber kann sich gesellschaftliche Rationalisierung in verschiedenen Kulturen in verschiedenem Grad vollziehen. Zwar erkennt er den Rationalisierungsgrad anderer Kulturen an, jedoch versucht er bestimmte konstitutive Komponenten der gesellschaftlichen Rationalisierung zu erklären; "die besondere Eigenart des okzidentalen und, innerhalb dieses, des modernen okzidentalen, Rationalismus zu erkennen und in ihrer Entstehung zu erklären." Die gesellschaftliche Rationalisierung Webers basiert auf dem Zweck-Mittel-Schema, das den Individualismus und den versachlichten Menschen voraussetzt. Es ist fraglich, ob gesellschaftliche Rationalisierung nur unter der Voraussetzung des Individualismus und des individuellen Handelns möglich ist. Angesichts der sehr dynamischen Rationalisierung Ostasiens wird der individualistische Ansatz neuerdings in Frage gestellt, da sie nicht unter den Bedingungen eines absoluten Individualismus erfolgt ist, sondern im Zeichen des Kollektivismus. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert kam es im Okzident zu einer breit wirksamen Rationalisierungstendenz. Weber geht davon aus, dass diese gesellschaftliche Rationalisierung, die unter bestimmten Voraussetzungen abgelaufen ist, nur in der europäischen Kultur möglich war, daß "die kulturwissenschaftliche Erkenntnis in unserem Sinn also insofern an subjektive Voraussetzungen gebunden ist, als sie sich nur um diejenigen Bestandteile der Wirklichkeit kümmert, welche irgend eine -noch so indirekte- Beziehung zu Vorgängen haben, denen wir Kulturbedeutung beilegen." Hier konzentriert sich Weber darauf, die bestimmten Bedingungen herauszufiltern und zu konkretisieren, warum sich nur der Okzident und vor allem das neuzeitliche Westeuropa zu einer spezifisch rationalen Kultur von universalhistorischer Tragweite entwickelt hat, weshalb nur im Okzident eine rationale Wissenschaft und Technik, ein rationaler Industriekapitalismus und eine rationale Arbeitshaltung und warum nur hier eine rationalbürokratische Organisation des Staates und der gesellschaftlichen Verbände entstanden ist. Zugleich versucht Weber aufzuklären, warum sich die chinesische, die indische und die antike nahöstliche Zivilisation nicht in dieselbe Richtung der Rationalisierung bewegt haben. Er gibt in diesem Zusammenhang zu, daß es Rationalisierung in allen Zivilisationen, jedoch in unterschiedlicher Gewichtung und Ausprägung gibt. Aber jedesmal fehlt wenigstens eine Komponente, die charakteristisch ist für die okzidentale Rationalisierung. Weber führt die Rationalisierung definitiv auf bestimmte Komponenten zurück, nämlich auf das besonders individuelle Handeln und auf die 'bestimmten Arten praktisch-rationaler Lebensführung', die das zweckrationale Handeln führt. Darum konzentriert er sich in der Entwicklung der gesellschaftlichen Rationalisierung im Okzident auf die Entwicklung des individuell handelnden Menschentums . Die ostasiatische Rationalisierungstendenz ist nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in sozialer Hinsicht ausserordentlich zu nennen. Angesichts dieser dynamischen Entwicklung ist zu fragen, was die ostasiatische Dynamik antreibt oder ob gesellschaftliche Rationalisierung wirklich nur für einige bestimmte Elemente, eine bestimmte Welt geeignet ist und wie dann die ostasiatische Rationalisierung zu erklären ist. Rationalisierung nennt Weber die praktische Beherrschung der Realität, die hauptsächlich als Handlungsrationalitat bezeichnet wird, d.h. die rationale Deutbarkeit des Handelns einzelner Individuen und der Regelmäßigkeit des Handelns. Von hier aus reduziert Weber das 'soziale Gebilde' auf das Handeln der beteiligten Einzelmenschen. In der Entstehung der Rationalität in Ostasien tauchen jedoch Zweifel an dem individualistischen Ansatz Webers auf. Nur mit seiner Sicht des Rationalisierungskonzepts ist die heutige ostasiatische Rationalisierung nicht zu erklären. Weber hält nur das Zweck-Mittel-Schema einer teleologisch vorgestellten sozialen Handlung für einen rationalisierungsfähigen Aspekt. Der Träger des sozialen Handelns ist bei ihm hauptsächlich das versachlichte Menschentum. Der versachlichte Mensch ist nach Weber für die Rationalisierung nur das mechanisch-instrumentelle Individuum, das von der protestantischen Ethik geprägt ist. Das mechanisch-instrumentelle Individuum handelt zweckrational und wertrational, das heisst, daß es frei und nach eigenen Interesse handelt. Unter dem mechanisch-instrumentellen Massstab des Zweck-Mittel-Schemas werden Menschen lediglich als Mittel für die Durchsetzung eigener Zwecke oder als Bedingungsfaktoren des eigenen Handelns betrachtet. Seit der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts setzen die ostasiatischen Gesellschaften - Südkorea, Taiwan und Singapur - zur gesellschaftlichen Rationalisierung an (Japan schon seit Ende des 19. Jahrhundts). Weber bezweifelt die Rationalisierungsfähigkeit der konfuzianischen Kultur. Im Abschnitt 'Resultat: Konfuzianismus und Puritanismus' der Religionssoziologie hält er fest, dass klar geworden sei, dass im 'Zaubergarten' der ostasiatischen Religionen 'eine rationale Wirtschaft und Technik moderner okzidentaler Art einfach ausgeschlossen ist.' Dieses Untersuchungsergebnis darf mittlerweile als widerlegt gelten - besonders, was Webers Diktum eines 'Fehlen aller natruwissenschaftlichen Kenntnis' betrifft. Abgesehen von diesem Ergebnis ist die konfuzianische Welt nicht nur ein 'Zaubergarten', nicht nur die 'blosse Ethik der Anpassung', die 'die Menschen höchst absichtvoll in ihren naturgewachsenen oder in den durch die sozialen Über- und Unterordnungsverhältnisse vorgegebenen persönlichen Beziehungen' belässt. Webers Untersuchungsergebnis über den Konfuzianismus und Taoismus scheint teilweise plausibel zu sein, da in der ostasiatischen Kultur keine endogene gesellschaftliche Rationalisierung entstehen konnte. Das Problem einer Anwendung von Webers Rationalisierungskonzept auf Ostasien liegt also darin, dass dort die gesellschaftliche Rationalisierung auf der Basis einer eigenen Kultur angetrieben wird, in der der Mensch nicht nur wie im Okzident im Individualismus steht, sondern wo auch das Kollektiv des Handeln des Menschen beeinflusst. Nachdem in Ostasien die gesellschaftliche Rationalisierung einen erfolgreichen Weg gegangen ist, wird das Fundament von Webers Rationalsierungskonzept in Frage gestellt, weil er die Rationalisierung unter Kellektivität für unmöglich hielt. Weber spricht der gesellschaftlichen Rationalisierung eine kulturethische Komponente zu und führt sie auf die 'Entwicklung des okzidentalen Menschentums', folglich auf das mechanisch-individuelle Handeln zurück. Darum ist die 'Entwicklung des Menschentums' für ihn von zentralem Interesse. Seine Analyse der Wahlverwandtschaft zwischen europäischem Menschentum und Rationalisierung gibt einen Einblick in die Entwicklung der okzidentalen Rationalisierung. Er macht die Entstehung der gesellschaftlichen Rationalisierung von der 'Fähigkeit und Disposition der Menschen zu bestimmten Arten praktisch-rationaler Lebensführung', genauer : von der Eigenart des okzidentalen Menschentums abhängig und sagt, dass die rationalen Begriffe exklusiv okzidentale Eigenarten sind. Webers zentrales Thema ist daher 'nicht irgendein Rationalisierungsprozess überhaupt, sondern der Prozess der Rationalisierung der praktischen Lebensführung'. Das heisst also, dass Webers zentrales Interesse auf die Entwicklung des Menschentums zielt. Was aber ist die ostasiatische Ethik und warum konnte sich Ostasien nicht selbst rationalisieren ? Weber schätzt zwar einige Seiten der ostasiatischen Gesellschaft richtig ein, er beurteilt jedoch insbesondere die Entwicklung des konfuzianischen Menschentums nicht richtig. Zunächst muss die Interpretation Webers über den Konfuzianismus korrigiert werden. Das ostasiatische Leben unter der konfuzianischen Ethik ist nicht nur ein 'Zaubergarten', sondern viel mehr ein sublimiertes, systematisiertes menschliches Handeln. Ein Auffassen der ostasiatischen Welt als 'Zaubergarten' blockiert das Verständnis der heutigen ostasiatischen gesellschaftlichen Entwicklung. Weber nennt die konfuzianische Ethik eine 'organische Sozialethik, welche in mannigfachen Formen verbreitet ist und deren Berufskonzeptionen das prinzipiell wichtigste Gegenbild gegen den Berufsgedanken der innerweltlichen Askese bildeten'. Er beurteilt die 'organische Sozialethik', die 'auf dem Bodern der Brüderlichkeit' steht, sehr misstrauisch in bezug auf ihr Rationalisierungspotential. Die konfuzianische Ethik scheint nur eine 'organische Sozialethik' zu sein, jedoch ist sie eigentlich nicht nur eine 'organische Sozialethik'. Sie musste aufgrund eines Mangels der gesetzlichen Durchsetzbarkeit in der konfuzianischen Gesellschaft die Rolle einer 'organischen Sozialethik' spielen. Das Problem von Webers Rationalisierungskonzept in Ostasien liegt jedoch nicht darin, dass er sich über die ostasiatische Kultur nicht richtig informiert oder sie falsch eingeschätzt hat, sondern darin, dass die Gesellschaft auch im Rahmen der ostasiatischen Kultur rationalisiert werden kann. Weber zieht in seiner 'Zwischenbetrachtung' den Schluss, dass die Ethik der 'Brüderlichkeit' oder der 'Nächstenliebe' zu einem nicht-weltlichen Wertsystem qualifiziert wird. Er betrachtet also die okzidentale gesellschaftliche Rationalisierung nur aus der Sicht des mechanisierten Handelns und spricht in der Konsequenz in bezug auf die moderne rationale Gesellschaft von den 'kalten Skeletthänden rationaler Ordnungen'. Weber hat die Zeichen der okzidentalen Gesellschaftseintwicklung im Begriff der Rationalisierung zusammengefasst. Er erläutert den Begriff der Rationalität mit Hilfe des Begriffs der Berechenbarkeit. Bei Weber handelt es sich bei der Rationalität um das alltägliche Leben des Wissens und Glaubens. Er sucht die historischen Gründe für das rationale Menschentum im Prozess der Rationalisierung und der Intellektualisierung, in dessen Verlauf durch die 'Entzauberung der Welt' die Relitionen allmählich aus dem Leben verdrängt werden. Nach Weber ist die gesellschaftliche Rationalisierung auf das soziale Handeln und die Rechtsordnung als legitimer Ordnung zurückzuführen. Zum rationalen Handeln betont er die Entwicklung des Menschentums, ausgehend von der protestantischen Ethik. Es gab in Ostasien im Vergleich zu dem Okzident faktisch kein soziales Handeln und keine Rechtsordnung als legitime Ordnung, sondern nur die geistige Tradition. Die ostasiatische Weltanschauung kannte keinen Individualismus, sondern sah die Gesellschaftsordnung als allein auf den ethischen Normen des Kollektivismus beruhend an. Zur Aufklärung der ostasiatischen gesellschaftlichen Rationalisierung ist zu untersuchen, weshalb das soziale Handeln nicht entsteht und wie sich trotz allem das ostasiatische Menschentum entwickelt hat. Trotz der Fehlentwicklung des subjektiven Handelns hat die konfuzianische Ethik Menschen dazu gebracht, 'aus dem organisch vorgezeichneten Kreislauf des natürlichen Lebens« herauszutreten und ein rationales Leben zu führen'. Weber versucht in seiner Schrift Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I in einer vergleichenden Analyse des Konfuzianismus und des Protestantismus herauszufinden, welche Kombination von Faktoren an der transformativen Kapazität des Konfuzianismus fehlten. In dieser kulturvergleichenden Forschung versucht er für die Entwicklung des Menschentums relevante Kulturelemente aufzuspüren. Er sieht hier, daß der Konfuzianismus grossen Wert auf eine systematische Lebensweise in Kombination mit der Unterdrückung aller spontanen Emotionen und Bedürfnisse legt. Jedoch hat Weber nicht hinreichend erkannt, daß auch ein in der konfuzianischen Ethik entwickeltes Menschentum den Weg der Rationalisierung gehen konnte. Der Konfuzianismus ist bei Weber eine 'organische Ethik' und dient dem Protestantismus als Folie. Nach Webers Rationalisierungskonzept ist in der ostasiatischen Kultur die fundamentale Möglichkeit der gesellschaftlichen Rationalisierung ausgeschlossen. Unter dieser Voraussetzung beschäftigt er sich bei der Studie des Konfuzianismus zunächst mit den 'soziologischen Grundlagen', hier vor allem mit der Stadt, dem Feudalismus, dem Recht, dem Kapitalismus und letztlich mit dem Geist des Konfuzianismus. Mit ungewöhnlich scharfem Blick beschreibt Weber die gesellschaftliche Struktur des traditionellen China, besonders die dortige konfuzianische Lebensführung. Diese von ihm untersuchten 'sozialen Grundlagen' hatten jedoch meist geringe Bedeutung in Ostasien. Für Weber gehört die Stadt, in Gestalt der 'freien Stadt', zu den Wurzeln der modernen Demokratie und des Kapitalismus. Die Entstehung politisch autonomer Städte wird als einer der wesentlichen Faktoren für das Einsetzen der Modernisierung bezeichnet. Leider besitzen ostasiatische Städte keine Selbstverwaltung und auch keine politische Autonomie. Zudem bilden sie keine rechtlich selbständigen Bezirke, und städtische Individuen haben auch keine Freiheit wie im Okzident. Weiterhin gab es in Ostasien kein formales, gesetztes Recht wie im Okzident, und Geschäfte oder Kaufleute wurden eher vernachlässigt oder diskriminiert. Wenn Weber die 'soziologischen Grundlagen' mit dem Familiensystem, dem Patriarchalismus und der patriarcha-listischen Gesellschaft und insgesamt systematisch mit der konfuzianischen Ethik untersucht hätte, wären das ostasiatische Menschentum und die ostasiatische Gesellschaft besser zu verstehen gewesen. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des ostasiatischen Menschentums soll deutlich werden, dass Weber die innerweltliche Ethik des Konfuzianismus nicht eindeutig interpretiert hat trotz seiner umfangreichen Ausführungen über das ostasiatische Leben. Die konfuzianische Ethik ist bei Weber in ihren zentralen Aspekten unterschätzt und nicht vollständig untersucht worden, obwohl Ostasien ihr Leben durch eine innere Einstellung auf ein einheitliches Leben führt. Laut Weber ist die konfuzianische Ethik nicht auf die aktive und rationale Ordnung der Welt ausgerichtet, sondern hauptsächlich rational an die Erfordernisse der gesellschaftlichen und kosmischen Ordnung angepasst. Weber definiert den 'Patriarchalismus' als einen Zustand, 'dass innerhalb eines, meist, primär ökonomischen und familialen Verbandes ein nach fester Erbregel bestimmter Einzelner die Herrschaft ausübt'. Die patriarchale Stuktur ist nach ihm das vorbürokratische Prinzip. Er führt die Genese der Autoriät des Vaters auf die physische Kraft und die Gewöhnung des Kindes zurück. Die ostasiatische Autorität des Vaters beruht nicht nur auf der 'normalen Überlegenheit der physischen und geistigen Spannkraft' des Mannes und des Vaters, und sie kann in Ostasien auch nicht nur auf 'das erwachsene Kind die Gewöhnung, nachwirkende Erziehungseinflüsse und festgewurzelte Jugenderinnerungen' zurückgeführt werden. Die einzigartige Autorität des Vaters in Ostasien ist in einem alt-religiösen Element, nämlich dem Ahnenkult, verfestigt. Als im alten China die Sesshaftigkeit und das Familiensystem begann und man sich mit der Landwirtschaft befasste, hatte man seine Zusammengehörigkeit in erster Linie im gemeinsamen Ahnenkult gefunden. In der Agrargesellschaft glaubte man, dass es Mächte gibt, die die agrare Beschäftigung und das Leben schützen. Webers zentrales Interesse für die okzidentale Rationalisierung liegt in der 'Entwicklung des Menschentums'. Für die Entwicklung des okzidentalen Menschentums macht er den Protestantismus verantwortlich. Das ostasiatischen Menschentum hingegen entwickelte sich unter dem Einfluss des Konfuzianismus. Der Konfuzianismus richtet sich primär an die soziale Funktion der Vergangenheit und auch in der Gegenwart. In der konfuzianischen Ethik ist zu erkennen, dass Konfuzius eine anthropozentrische Weltanschauung vertritt. Seine Ethik beruht deshalb auf einem möglichst einfachen Grundverhältnis in der Umwelt des menschlichen Zusammenlebens. Der Konfuzianismus war eine Idee zur Wiederherstellung des 'Li', das von Weber 'die konfuzianische Kardinaltugend' genannt wird. Die Lehre des Konfuzianismus besteht in erster Linie im 'Li' und bezieht sich auf das politische Leben und den gesellschaftlichen Verkehr. Fragt man nach dem zentralen Begriff des Konfuzianismus oder des Konfuzius, dann lautet die Antwort 'Ren'. Das 'Ren' wurde bei Weber völlig ausgelassen. Ohne das 'Ren' zu erläutern, wie Weber es vorführt, bleibt jede Interpretation des Konfuzianismus lückenhaft. Weber findet nur das praktizierte 'Ren' im menschlichen Verhalten. Er war nicht imstande, altchinesische Schriften systematisch zu studieren und ich vermute, dass er die Gedanken des Konfuzius nicht eingehend verstanden hat. Bei Webers konstrastiven Vergleich des konfuzianischen und des protestantischen Rationalismus hebt er hervor, dass der Geist beider Ethiken 'Rationalismus' enthielt. Jedoch schränkt er ein, dass nur die überweltlich orientierte protestantische Ethik den innerweltlichen Rationalismus in seinen Konsequenzen verwirklicht. Den 'Grundunterschied' beider Arten von 'Rationalismus' formuliert er so : "Der konfuzianische Rationalismus bedeutete rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus : rationale Beherrschung der Welt". Nach Weber liegt die ostasiatische anpassungswillige Haltung darin, dass dem Konfuzianismus jegliche Konzeption einer höheren transzendenten Ordnung fehlt. In der Tat gab es in Ostasien keine transzendente Ordnung, nur die weltliche Ordnung, an die sich jeder anpassen musste. Die existierende Welt im Konfuzianismus war die unveränderbare Vernunft, Wahrheit und eine gesellschaftliche Verfassung. In der konfuzianischen Ethik fehlt es aber nicht vollständig, wie Weber meint, an „irgendwelchen Spannungen zwischen Natur und Gottheit, ethischen Anforderungen und menschlicher Unzulänglichkeit religiöser Pficht und politisch-sozialen Realitäten“. Max Weber setzt die religiöse Prophetie mit der Entwicklung des Menschentums in Beziehung. Der Unterschied zwischen dem Okzident und Ostasien bei der Entwicklung des Menschentums liegt darin, dass sich das okzidentale Menschentum aus der mittelbaren psychischen Gewalt der Religiosität entwickelte : aus 'dem psychologischen Antrieb zum Systematischen in der Lebensführung', die ihre methodische Rationalisierung erzwingt. Das konfuzianische Menschentum entwickelte sich dagegen aus der diesseitigen Ethik. 'Eine echte Prophetie' schreibt Weber, 'schafft eine systematische Orientierung der Lebensführung an einen Wertmassstab von innen heraus, der gegenüber die Welt als das nach der Norm ethisch zu formende Material gilt'. Die Entwicklung des Menschentum in Ostasien ist jedoch zu weit entfernt von der Prophetie. In Orthodoxie und Heterosoxie resümiert Weber : "Hinlänglich starke Motive für eine religiös orientierte, etwa puritanische, Lebensmethodik des Einzelnen konnte die chinesische Religiösität also weder in ihrer offiziellen staatskultischen noch in ihrer taoistischen Wendung aus sich heraus setzen". Die konfuzianische Lebensorientierung ist diesseitig, nicht in der 'Hoffnung auf eine absolute Utopie'. Wegen des Mangels an Prophetie im Konfuzianismus scheint die Anziehungskraft zur Konzentration der systematischen Lebensführung schwächer als die Lebensführung im Protestantismus zu sein. Das Menschentum ist nicht versachlichter und die Lebensführung nicht systematischer als im Okzident. Bei den Bedingungen der gesellschaftlichen Rationalisierung im Okzident interessiert sich Weber zunächst für die positive Analyse der wachsenden rationalisierten okzidentalen Kultur im Vergleich zu den anderen Weltkulturen. Er versucht in seiner Untersuchung der okzidentalen gesellschaftlichen Rationalisierungstendenz die Grundformen neuzeitlicher Rationalisierung zu finden. Von den Komponenten des sozialen Handelns und der legitimen Ordnung her sieht Weber die gesellschaftlichen Rationalisierung des Okzidents. Seine Grundpfeiler der gesellschaftlichen Rationalisierung stehen auf dem sozialen Handeln. Das soziale Handeln wird vom versachlichten individuellen Handeln abgeleitet. Es hat sich an der Rechtsordnung als 'Bestimmungsgrund sozialen Handelns' orientiert. Weber beschreibt, dass 'allen asiatischen Staatslehren eine der aristotelischen gleichartige Systematik und die rationalen Begriffe überhaupt [fehlt].' Bis zur Modernisierung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kann man die Gesellschaft Ostasiens als eine traditionelle Gesellschaft bezeichnen, die stark vom Konfuzianismus beherrscht wurde. Nach Weber ist eine Gesellschaft immer dann 'traditional', 'wenn sich ihre Legitimität stützt und geglaubt wird auf Grund der Heiligkeit altüberkommener ('von jeher bestehender) Ordnungen und Herrengewalten.' 'Traditional' heisst, 'die seelische Eingestelltheit auf und der Glaube an das alltäglich Gewohnte als unverbrüchliche Norm für das Handeln.' Die Basis der ostasiatischen Tradition war die Hausgemeinschaft. Durch die Hausgemeinschaft ist das Menschenbild des traditionellen Ostasiens geprägt, weil der konfuzianische Staat stufenweise entwickelt worden ist vom Individuum zur Familie, von der Familie zum Staat, mit dem Schwergewicht der Entwicklung auf der ethisch-moralischen Ausbildung der Hausgemeinschaft. Weber sieht in der Hausgemeinschaft eine der 'undifferenzierten Lebensformen, welche die Gemeinschaft vorschreibt, immer schwerer und begehrt zunehmend, sein Leben individuell zu gestalten und den Ertrag seiner individuellen Fähigkeiten nach Belieben zu genießen.' Von dieser Hausgemeinschaft aus entwickelte sich nicht nur das ostasiatische Menschenbild, sondern auch der traditionelle Ordnungstypus, und zwar der typische ostasiatische Patriarchalismus, der im traditionellen Ostasien die bestehende Strukturprinzipordnung war. In erster Linie galten die Autorität des Vaters, die Pietätpflicht des Kindes gegenüber den Eltern und gegenüber seiner Sippe sowie die des Untertanen gegenüber dem Herrn. Hier gab es kein Subjekt, sondern nur gesellschaftliche und staatliche Strukturprinzipienordnungen : Patriarchialismus und Familialismus, die das menschliche Handeln geleitet haben. Konfuzianischer Patriarchalismus ist in der Gesellschaft die Gefolgschaft unter der Autorität des Vaters und des Vorsitzenden. Der Familialismus ist die Zusammengehörigkeit der Familien- und Gesellschaftsmitglieder. In dieser konfuzianischen Tradition konnte sich der Individualismus nicht entwickeln. Das Individuum existierte nur als ein Mitglied der Familie, der Gemeinschaft und des Staates. Darum gab es in Ostasien kein soziales Handeln. Statt des sozialen Handelns gab es 'Ligaturen'-Handeln als menschliches Handeln. Obwohl es kein soziales Handeln darstellt, spielt es eine wichtige Rolle bei der Rationalisierung der ostasiatischen Gesellschaft im Kollektiv. Patriarchalismus und Familialismus entwickelten sich zu einer gesellschaftlichen Ordnung, die das menschliche Handeln bestimmt. Da es in Ostasien keine legitime Rechtsordnung gab, entwickelten sich die beiden zu einer gesellschaftlichen Ordnung. Wenn das Gesellschaftsystemvon ihnen ausdifferenziert werden sollte, wäre ein transzendenter Glaube wie im Okzident nötig gewesen. Ohne diesen Glauben konnte ein praktizierendes Recht nicht geschaffen werden. Weber macht dies deutlich : "Recht und Verwaltungsprinzipien durch Satzung absichtvoll neu zu 'schaffen', ist bei reinem Typus der traditionalen Herrschaft unmöglich. Tatsächliche Neuschöpfungen können sich also nur als von jeher geltend und nur durch 'Weistum' erkannt legitimieren." Dass die konfuzianische Gesellschaft auf dem Patriarchalismus und der Hausgemeinschaft aufbaute, nach dem Kollektivismus, dem 'Ligaturen'-Handeln bzw. der 'Brüderlichkeit' strukturiert wurde und sich von selbst aus nicht in Richtung einer rationalen Gesellschaft entwickeln konnte, führe ich auf den unterschiedlichen Glauben des Okzidents und der Ostasiatien zurück. Es gab im Konfuzianismus keine Dichotomie zwischen Gott und der Welt. Weber verweist richtig darauf, dass es in der konfuzianischen Tradition keine 'Propheten' gegeben habe und dass der Konfuzianismus 'an sich von jedem metaphysischen Interesse in sehr hohem Grade frei' gewesen sei. Das kann man darauf zurückführen, dass der Konfuzianismus als kulturelle Orientierung grundsätzlich eine reine Intellektuellenethik war. Weber führt den Ursprung der chinesischen bürokratischen Organisation auf die natürlichen Ursachen zurück, die 'Wasserregulierung', vor allem der Kanalbau. Er verknüpft die ursprüngliche Entstehung der Bürokratie mit der Mobilisierung des Volkes. Aber die ostasiatische bürokratische Organisation als gesellschaftliche Ordnung entstand nach der konfuzianischen Han-Dynastie, als sich der Konfuzianismus etablierte. Die ostasiatische Bürokratie als Bestimmungsgrund menschlichen Handelns ist nur ein Nebenprodukt der Herrschaftsverwaltung. Das bürokratische Verfahren Ostasiens lehnt sich an die grundlegende konfuzianische Lehre an. Das bürokratische Handeln ist ein bedachtes, geplantes Handeln, dass sich bei jedem Akt wie eine echte bürokratische Verwaltung auf rationale Gründe bezieht. Die Verantwortung der Beamten muss sich nach Weber ohne Ansehen der Person auf die Ausführung und Anwendung von Gesetzen und Regeln beschränken. Die ostasiatische Bürokratie verlief indes nicht als Verfahren einer sachlichen Erledigung , 'ohne Ansehen der Person nach berechenbaren Regeln'. Die Ausschaltung aller Menschlichkeit aus dem bürokratischen Apparat führt schliesslich zur Entwicklung eines maschinell ablaufenden Betriebes in allen gesellsschaftlichen Bereichen. Max Weber gibt der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rationalisierung einen bedeutenden Anstoss, die ostasiatische Modernisierung zu verstehen. Für den Prozess der gesellschaftlichen Rationalisierung weist er immer wieder nachdrücklich auf die Bedeutung individuell auszufüllender Handlungsspielräume innerhalb instituioneller Kontexte hin. Im Rahmen der Rationalisierung muss das soziale Handeln ins Zentrum gelangen. Soziales Handeln liegt vor, wenn der Einzelne einen bestimmten subjektiven Sinn mit seinem Handeln verbindet und sich an dem erwarteten Handeln anderer orientiert. Das soziale Handeln in der Rationalisierung ist das Zweck-Mittel-Handeln. Weber unterstreicht die historische Bedeutung des Naturrechts für die Entwicklung des modernen rationalen Rechtes : 'Eine naturrechtliche Entwicklung modern okzidentalen Gepräges hätte neben so manchen anderen auch eine Rationalisierung des positiv geltenden Rechtes vorausgesetzt, wie sie der Okzident im römischen Recht besass'. Nach Weber ist die gesellschaftliche Rationalisierung der Prozess des Mündigwerdens des Bürgertums. Ein Unterschied in der gesellschaftlichen Entwicklung zwischen dem Okzident und Ostasien besteht darin, dass in Ostasien das Individuum fehlte. Das bürgliche Individuum gesellschaftlicher Rationalisierung wird durch individuelles Handeln gekennzeichnet. Webers gesellschaftliche Rationalisierung umfasst das am Zweck-Mittel-Schema orientierende soziale Handeln und die legitime Ordnung als Bestimmungsgrund sozialen Handelns. Der ostasiatische Rationalisierungsprozess ist zwar mit dem Individualisierungsprozess von der konfuzianischen Mitgliederschaft zum Individuum einhergegangen und er bedeutete auch ein Prozess der Auflösung traditioneller Ordnung, jedoch ist es schwer, die Rationalisierungsweise Ostasiens ausschliesslich mit der Kategorie des Individualismus zu fassen. Das ostasiatische Individuum ist kein Individuum, wie es sich Weber vorstellt. Im sozialen Handeln ist das Handeln in Ostasien nicht strikt freies Handeln, sondern ein auf 'Ligaturen' bezogenes Handeln. Unter diesen Verhältnissen kann sich das soziale Handeln nicht wie im Okzident entfalten. Weber konzipiert den gesellschaftlichen Rationalisierungsprozess als eine Institutionalisierung zweckrationalen Handelns. Zur Durchsetzung der gesellschaftlichen Rationalisierung betont er vorwiegend die notwendige Ausbreitung der Zweckrationalität. Hierunter ist der Individualismus zu fassen. Das individuelle Handeln ist Realität und Ausdruck der menschlichen Fähigkeit, sich Ziele und Zwecke frei zu setzen und zu verfolgen. Nach Weber kommt den Kollektivgebilden keine selbständige Bedeutung zur Analyse des Gesellschaftsgebildes zu, das heisst ausnahmslos, die Analyse der Gesellschaft 'auf Handeln der beteiligten Einzelmenschen, zu reduzieren'. Webers Rationalisierungskonzept wurde aus einer europäischen Perspektive erstellt. Weber versteht die Rationalität der sozialen Interaktion als Erweiterung der technischen Zweckrationalität im Sinne der Reziprozität von zweckrationalen Handlungen. Das subjektiv gemeinte Handeln ist der technische Freiheitsbegriff des Individuums, Freiheit als rationale Wahl von Mitteln bei gegebenem Zweck. Unter diesem Zweck-Mittel-Schema stellt man sich die Individualität, Freiheit und Autonomie des Handelns vor. Bei Weber ist dieses Handeln daher eine Startbedinung für den Rationalisierungsprozess. Die rationale Gesellschaft basiert nicht auf zwischenmenschlicher Verbindung, sondern auf subjektivem Handeln. Diese Gesellschaft wird zu einer jederzeit aufkündbaren Vertragsgesellschaft. Bei der gesellschaftlichen Rationalisierung Ostasiens ist es wahr, dass das soziale Handeln durch das okzidentale Rechtssystem zugelassen wurde. Jedoch ist das ostasiatische menschliche Handeln nicht so individualistisch, wie Weber für ein bestimmtes Niveau der gesellschaftlichen Rationalisierung fordert. Trotz der Entwicklung des rationalen Menschentums durch die asketische Ethik des Konfuzianismus und der Zulassung des sozialen Handelns durch den Anstoss des okzidentalen Rechts, ist das soziale Handeln in Ostasien noch kollektivistisch. Dieses Handeln bleibt auch noch in der Industriegesellschaft erhalten. Nach Weber gilt der Satz : 'Je rationalisierter man ist, desto individualisierter ist man' Nach Weber sollte zur gesellschaftlichen Rationalisierung auch das Leben versachlicht sein, damit man ein freies, sachliches Handeln führt. Er wollte das Postlat des Vertrauens nicht von menschlichen Beziehungen, sondern von versachlichter Legalität abhängig machen. |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 2000- | Asien-Orient-Institut Universität Zürich | Organisation / AOI |
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