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“Die Volksrepublik China in Deutschland : Wahrnehmungen, Wissenschaftskonzeptionen und Wirklichkeiten” (Publication, 1994)

Year

1994

Text

Näth, Marie-Luise. Die Volksrepublik China in Deutschland : Wahrnehmungen, Wissenschaftskonzeptionen und Wirklichkeiten. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1995). (Saarbrücker Politikwissenschaft ; Bd. 19). (Näth)

Type

Publication

Contributors (1)

Näth, Marie-Luise  (Rerik 1944-) : Lehrbeauftragte am Institut für Politikwissenschaft der Universität Trier, Gastprofessorin Tamkang-Universität

Mentioned People (1)

Weber, Max  (Erfurt 1864-1920 München) : Wirtschaftwissenschaftler, Sozialwissenschaftler, Professor fur Handelsrecht Universität Berlin, Professor für Nationalökonomie Universität Freiburg i.B. und Heidelberg, Professor für Soziologie Universität Wien, Professor für Nationalökonomie Universität München

Subjects

History : China - Europe : Germany / Philosophy : Europe : Germany / References / Sources

Chronology Entries (2)

# Year Text Linked Data
1 1930 Franz Michael erhält das Sprachdiplom für Chinesisch am Seminar für Orientalische Sprachen der Universität Berlin.
2 1995 Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (5).
Näth, Marie-Luise. Die Volksrepublik China in Deutschland [ID D241]
Marie-Luise Näth schreibt : In der Staatslehre aller asiatischen Kulturen vermisst Weber 'eine der aristotelischen gleichartige Systematik und rationale Begriffe überhaupt', ebenso in allen Ansätzen einer Rechtslehre und in allen Gesetzeskodifizierungen 'die streng juristischen Schemata und Denkformen des römischen und des daran geschulten okzidentalen Rechtes'. Ähnliche Beobachtungen macht Weber für den Bereich der Kunst, insbesondere der Musik und der Architektur, hinsichtlich der Drucklegung von Literatur, sowie für das Erziehungswesen.

Webers China-Studien sind Bestandteile einer breitangelegten Untersuchung von Rationalisierungsvorgängen innerhalb verschiedener, von Weltreligionen (Christentum, Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Islam) gestifteter Kulturen. Um die Rationalisierung der Chinakunde zu begreifen, haben wir uns klarzumachen, dass sie, abgesehen von Webers sprachlicher Unkenntnis und fachlichen Unzulänglichkeiten, mit einer von ihrem Verfasser bewusst in Kauf genommenen dreifachen Voreingenommenheit behaftet ist. Es ist die Voreingenommenheit einer Methode, die ihre asiatischen Untersuchungen für einen Europa betreffenden Erkenntniszweck instrumentalisiert ; die Voreingenommenheit eines Untersuchungsansatzes, der die Bedeutung von materiellen Umweltbedingungen keineswegs grundsätzlich verkennt, aber einseitig nach den ideellen Zusammenhängen verschiedener Wirtschaftsethiken und Wirtschaftsweisen fragt ; sowie die Voreingenommenheit des empirischen Materials. Die eigentlich missliche Quellenlage, die Weber die Ideen und Ideale des chinesischen Altertums und seiner herrschenden Klasse vermittelt und die Eindrücke westlicher Menschen von Land und Leuten in China wiedergibt, kommt seinem Interesse an der Wirtschaftsethik der Weltreligionen durchaus entgegen. Er erkennt an, dass keine Wirtschaftsethik allein religiös determiniert gewesen sei, und ebenso, dass die religiöse Determinante als eine unter mehreren auch ihrerseits 'innerhalb gegebener geographischer, politischer, sozialer, nationaler Grenzen durch ökonomische und politische Momente tief beeinflusst wurde'. Weber hat sich in seinen Untersuchungen auf 'die richtunggebenden Elemente der Lebensführung derjenigen sozialen Schichten' beschränkt, 'welche die praktische Ethik der betreffenden Religion am stärksten bestimmend beeinflusst und ihr die charakteristischen Züge aufgeprägt hat'. Er erkennt an, dass es sich im Geschichtsablauf zu einem Wechsel der massgebenden Schichten gekommen sein konnte, und ebenso, dass der Einfluss einer sozialen Schicht nie exklusiv gewesen sei. Für China allerdings treffen diese Einschränkungen kaum zu. Der Konfuzianismus, so stellt Weber im Hinblick auf die Staatsdoktrin des Kaiserreiches mit Recht fest, war die Ethik einer literarisch gebildeten weltlich-rationalistischen Pfündnerschaft. 'Wer nicht zu dieser Bildungsschicht gehörte, zählt nicht mit. Die religiöse Standesethik dieser Schicht hat die chinesische Lebensführung weit über jene selbst hinaus bestimmt'.

Weber hat die zutiefst rurale Beschaffenheit der chinesischen Gesellschaft keineswegs verkannt. Er hat diese vielmehr aus der Sicht der frühhistorischen Stadtkultur Chinas soziologisch neu entdeckt. Denn die ummauerte Stadt, wie er sie nicht allein im ost-, sondern ebenso im südasiatischen Raum findet, gleicht zwar in vielerlei Hinsicht der okzidentalen Stadt, unterscheidet sich aber in einem kardinalen Punkte von der Stadt der europäischen Antike und des Mittelalters : Ihr fehlt jeder politische, militärische und rechtliche Sondercharakter. Sie ist keine 'Gemeinde', kein Bürgertum und entbehrt ‚ein durch staatliches Privileg garantiertes städtisches Marktmonpol.

Die durchwegs zentralistisch organisierte Staatsgewalt im asiatischen Raum, die zuerst und vor allem Stromregulierung und zu diesem Zwecke vorab Verwaltung betreibt, schafft als erstes Mauern oder auch Palisaden. Die fehlende Stadtbevölkerung wird womöglich zwangsweise herbeigeholt. Diese aber bleibt ihrer ursprünglichen Herkunft, dem Dorf und der dort lebenden Sippe ökonomisch, sozial und emotional verhaftet. Innerhalb der ummauerten Agglomeration entwickelt sich folglich auch im Zeitlauf kein politischer Anspruch gegenüber der Zentralmacht. Und so werden zwei weitere Strukturmerkmale erkennbar : Das Dorf mit seinen Sippen ist der bedeutendste Träger der Selbstverwaltung im Land ; die Zentralgewalt ist gerade im Dorf nicht präsent und gegenüber der gesamten Bevölkerung nur ‚mit ausserordentlich geringer Intensität’ verwaltend tätig. Während die Chinesen in Stadt und Land, hier durch Gilden und Zünfte, dort durch die Sippen 'sich selbst verwalten', ist die Zentralgewalt in kaum übersehbarer Übereinstimmung mit dem primären praktischen Bedürfnis des Menschen im chinesischen Raum in erster Linie Abwendung und Abmilderung von Katastrophen geboten.

Im Rahmen seiner Herrschaftstypologie hat Weber als 'Patrimonialismus' jene Art der traditionalen Herrschaft definiert, die sich im Gegensatz zu den primären Typen traditionler Herrschaft der Gerontokratie sowie des primären Patriarchalismus, durch das Vorhandensein eines persönlichen Verwaltungs- und Militärstabes auszeichnet. In seinen China-kundlichen Darstellungen verzichtet er auf eine Definition der Patrimonialismus-Begriffes, deutet aber an, dass er die Herausbildung eines Patrimonialsystems in China tatsächlich für die Fortentwicklung eines früher primären Patriarchalismus hält, der ein langes Stadium einer auf dem Sippenprinzip beruhenden politischen Feudalisierung durchlaufen habe.
In der Weber'schen Typologie vollzieht sich mit dem Übergang vom primären Typus traditionaler Herrschaft zum patrimonial-traditionalen Typ der Übergang vom 'Genossen'-Stand der Beherrschten zum Untertanen-Stand oder auch kraft des persönlichen Verwaltungs- und Militärstabes die Ausweitung der traditionsfreien Willkür, Gunst und Gnade des Herrn auf Kosten der patriarchalen und gerontokratischen Traditionsgebundenheit. Der Herrscher kann den Gehorsam, den die Beherrschten ihm vormals von Traditions wegen schuldeten, nunmehr erzwingen.

Weber spricht von einem systematischen Spionagesystem des Verwaltungsstabes durch Zensoren. Dazu tritt die Einführung von Staatsexamina und die Verleihung von Ämtern nach Bildungskriterien als das ‚weltberühmte und höchst wirksame Mittel des chinesischen Patrimonialismus, eine feudal-ständische Emanzipation der Amtsträger von ihrer Macht zu unterbinden’, schliesslich auch die Belastung des einzelnen Beamten im Gegensatz zum Beamtentum als Ganzem im ökonomisch und damit zugleich politisch Prekären.
Die Struktur des Pfründentums ist für Weber ein extremer administrativer und wirtschaftspolitischer Traditionalismus. Mit der Durchführung der Geldwirtschaft sieht er diesen Traditionalismus zusätzlich gestärkt. Die 'Staatspfündnerschicht', also die Beamtenschaft, wird im geeinten chinesischen Reich zum Hemmschuh aller weiteren Rationalisierung der Verwaltung.

Von 'unermesslicher Wichtigkeit für die Art der Entwicklung der chinesischen Kultur' sei es gewesen, meint Weber, dass die Intellektuellen, die er allgemein und unabhängig davon, ob sie beamtet oder amtsfrei waren, als 'Literaten' bzw. 'Literatenstand' bezeichnet, in den rund zweitausend Jahren ihrer zunehmend beherrschenden Stellung in Staat und Gesellschaft Chinas 'niemals den Charakter der Kleriker des Christentums oder Islam, auch nicht der jüdischen Rabbinen, auch nicht der indischen Brahmanen oder der alt-ägyptischen Priester oder der ägyptischen oder indischen Schreiber gehabt haben'. Die Literaten bilden weder aufgrund von Blut und Geburt noch aufgrund von Besitz, sondern aufgrund ihrer examinierten Bildung den Verwaltungsstab.
Die chinesische Bildungsschicht ist nie ein autonomer Gelehrtenstand, sondern stets eine Schicht von Beamten und Amtsanwärtern gewesen. Weber hebt zwei Eigentümlichkeiten der höheren chinesischen Bildung besonders hervor : ihr ganz und gar unmilitärisches, rein literarisches Interesse und ihr 'ins Extrem gesteigerter' schriftmässiger Charakter.
Die chinesische Schrift wendet sich gleichzeitig an Auge und Ohr, vor allem aber an das erstere. Das gesprochene Wort bleibt dem geschriebenen und dem gelesenen Ideogramm der klassischen Literatursprache ganz und gar untergeordnet. Die Rede spielt in der offiziellen Literatur kaum eine Rolle.

Der Konfuzianismus ist, ebenso wie der Buddhismus, nur Ethik, im schärfsten Gegensatz zum Buddhismus ausschliesslich innerweltliche Laiensittlichkeit. In noch schärferem Gegensatz zum Buddhismus ist der Konfuzianismus in der Formulierung Webers 'Anpassung an die Welt, ihre Ordnungen und Konventionen, ja, letztlich eigentlich nur ein ungeheurer Kodex von politischen Maximen und gesellschaftlichen Anstandsregeln für gebildete Weltmänner'. 'Der Gedanke einer Erlösung fehlt der konfuzianischen Ethik völlig'. Als Sünde kann für ihn nur die Missachtung der sozialen Grundpflicht eines Chinesen gelten : der Pietät. Es fehle in China bis in die Gegenwart das Verpflichtungsgefühl gegenüber 'sachlichen' Gemeinschaften, seien sie politischer oder ideeller Natur. Alle Sozialethik sei lediglich eine Übertragung organischer Pietätsbeziehungen auf andere, die ihnen gleich gedacht werden.
'Im grössten Gegensatz gegen die auf Versachlichung der kreatürlichen Aufgaben hinauslaufende puritanische Ethik entfaltet die chinesische Ethik ihre stärksten Motive innerhalb der Kreise der naturgewachsenen Personenverbände. Der konfuzianische Rationalismus bedeutet rationale Anpassung an die Welt. Der puritanische Rationalismus : rationale Beherrschung der Welt'.

Sources (3)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1942 Michael, Franz. The origin of Manchu rule in China : frontier and bureaucracy as interacting forces in the Chinese empire. (Baltimore : Johns Hopkins University Press, 1942). Publication / MF2
2 1966-1971 Michael, Franz. The Taiping rebellion. Vol. 1-3. (Seattle, Wash. : University of Washington Press, 1966-1971). Vol. 1 : History. Vol. 2-3 : Documents and comments. Publication / MF3
3 1982 Michael, Franz. Rule by incarnation : Tibetan buddhism and its role in society and state. (Boulder, Colo. : Westview Press, 1982). Publication / MF4

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)