Tang, Junyi ; Zhang, Junmai ; Mou Zongsan ; Xu, Fuguan. Zhongguo wen hua yu shi jie. [Die chinesische Kultur und die Welt ; Manifest].
Max Weber wird zwar nicht namentlich erwähnt, es gibt aber einen Bezug zwischen jenen Teilen des Manifests, in denen die Frage der metaphysischen Verankerung des Konfuzianismus verhandelt wird, um Webers Studie zum Konfuzianismus herzustellen. Das Manifest konstatiert verschiedene Erscheinungen mangelnder Modernisierung und Industrialisierung in China. Diese werden nicht nur mit der geringen Präsenz moderner Wissenschaften und Technik in China erklärt. Auch Demokratiedefizite institutioneller Natur, wie sie sich bereits unmittelbar nach der Ausrufung der Republik 1912 im Scheitern des Parlamentarismus, in der unzulänglichen politischen Repräsentation gesellschaftlicher Interessen und in einem Mangel an lokaler Autonomie bemerkbar machten, seien zu beheben. Gleiches gilt für die unklaren 'Vorstellungen von Volksrechten und Demokratie', die im chinesischen Volk nach der Gründung der Republik vorhanden gewesen seien. Es steht für die Verfasser deshalb ausser Frage, dass China sich Errungenschaften westlicher Zivilisation aneignen muss. Zugleich wollen die Verfasser verhindern, dass Fehlurteile über die chinesische Kultur bei westlichen und chinesischen Denkern weiter um sich greifen. In ihrer Überzeugung handelt es sich dabei um Missverständnisse, die, so sie unwidersprochen blieben, nicht nur den Fortbestand der chinesischen Nationalkultur gefährden würden, sondern zugleich den Versuch einer zeitgenössischen Neuinterpretation des konfuzianischen Denkens der späten Kaiserzeit als abwegig erscheinen liessen. Das Manifest bestreitet daher, erstens, dass die chinesische Kultur ohne 'transzendente Gefühle religiöser Natur' sei. Zweitens kritisieren die Verfasser Ansätze europäischer und chinesischer Denker, die ihren Ausgang im 17. Jahrhundert haben und in denen die konfuzianischen Strömungen der späten Kaiserzeit mit bekannten Denkrichtungen der abendländischen Philosophie, wie etwa dem Materialismus, Naturalismus oder Rationalismus, gleichgesetzt werden. Drittens monieren sie, zeitgenössische Tendenzen in der Erforschung der chinesischen Kultur seien von einem szientistischen, positivistischen Weissenschaftsverständnis geprägt. Dadurch werde die chinesische Kultur auf den Status eines Artefakts oder Relikts reduziert und so gewissermassen für tot erklärt. Schliesslich übt das Manifest Kritik an der Auffassung, China habe vor dem 20. Jahrhundert deshalb kein demokratisches Staatswesen gekannt, weil es den geistigen Traditionen Chinas grundsätzlich an demokratischem Gedankengut fehle. Dass China erst unter westlichem Einfluss, und nicht schon zuvor, aus eigenen Traditionen heraus, demokratische Institutionen entwickelt habe, führen die Verfasser zum Teil auf historische Kontingenz zurück : Weil China sei dem Ende des 19. Jahrhunderts eine 'Invasion durch den westlichen Kapitalismus und Unterdrückung durch den Imperialismus' erlitt, habe sich das kommunistische Denken verbreiten können. Tatsächlich würde der geistigen 'Hauptströmung' des spätkaiserzeitlichen Konfuzianismus dem Wesen nach aber eine demokratische Staatsordnung entsprechen.
Philosophy : China - Occident
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Philosophy : Europe : Germany