1996
Publication
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1744-1779 |
Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie. Siegmund Jakob Baumgarten, Johann Christoph Gatterer, Johann Friedrich Le Bret, Johann Georg Meusel, August Ludwig von Schlözer, Johann Salomo Semler [ID D17262]. Quellen : An universal history [ID D17261]. Marsy, François-Marie de. Neuere Geschichte der Chineser, Japaner, Indianer, Persianer, Türken und Russen etc. [ID D4613]. Guignes, Joseph de. Histoire générale des Huns, des Turcs, des Mogols [ID D1837]. Gaubil, Antoine ; Guignes, Joseph de. Le Chou-king [ID D1856]. Sima Qian. Im 24. und 25. Band wird vor allem die Geschichte Chinas, Koreas und Japans behandelt. Gatterer schreibt : Der berühmte Jesuite du Halde übertreibt ohne Zweifel die Sache, wann er vorgibt, dass so gar die ganze alte Geschichte der Chineser durch gleichzeitige Schriftsteller aufgezeichnet worden. Die Chinesische Historie hat so gut ihre Kindheit als die Historie anderer alten Nationen. Reichthum an Fabeln und unerheblichen Gegebenheiten und Mangel an glaubwürdigen und interessanten Nachrichten sind die Eigenschaften der ältesten Historie der Chineser… Man kan, wie mich dünkt, die ganze Chinesische Geschichte in Ansehung des Umfangs der Materialien gar füglich in drey Zeitpuncte abtheilen. Im ersten, der von dem Ursprunge des chinesischen Reichs bis zum vierten Jahrhundert vor Christi Geburt sich erstrecket, ist die Geschichte desselben so arm, dass sie nichts, als die Folge der regierenden Personen, und eine blose Anzeige der Begebenheiten ohne umständliche Erzälung derselben, enthält. Im zweyten Zeitpuncte, das ist im vierten und dritten Jahrhundert vor Christi Geburt, fängt zwar die Chinesische Geschichte an, umständlicher zu werden, allein man kan es ihr noch immer ansehen, dass sie kaum aus den Jahren der Kindheit getreten ist. Hingegen im dritten Zeitpuncte, der mit dem zweyten Jahrhundert vor Christi Geburt angeht, wird sie nach und nach reicher und interessanter… Die kleinen Dynastien der Könige können nicht wol mit Stillschweigen übergangen werden. Ein solcher Entwurf kan zugleich das gemeine Vorutheil widerlegen, als wann das chinesische Reich sich stets in einem ruhigen und unveränderten Zustande erhalten hätte… Die bisher beschriebenen Geschichtsbücher der Chineser machen eine der schönsten Sammlungen von Geschichtsschreibern aus, die man nur irgend über die Historie einer Nation hat… Es würde ohne Zweifel niemand für sich selbst darauf verfallen, dass Unruhen, die in dem östlichen Theile von Asien vorgiengen, die Zerstörung des abendländischen Kaiserthums, und die jezige Gestalt der Europäischen Staaten veranlasst haben. Dieses habe ich erst vor einigen Jahren aus den Geschichtsbüchern der Morgenländer, insonderheit der Chineser gelernet. Man kan also die Geschichte und Verfassung der Reiche, die aus den Ruinen des Römischen Kaiserthums hervorgekommen sind, nicht recht verstehen, wenn man sich nicht zuvor den Zustand der asiatischen Staaten bekannt gemacht hat… Bei dem allen ist es aber sonderbar genug, dass dieser ungeheure Staatskörper, der so oft, und so gar von Ausländern zergliedert worden ist, sich bis diese Stunde erhalten, und dass er nicht das Schicksal aller der mächtigen Reiche erfahren hat, von welchen die Geschichte kaum noch einige Spuren aufweist. Sie [Chinesen] glauben, dass die abgeschiednen Seelen der Tugendhaften bey und um den Schang-ti, das ist, bey dem höchsten Wesen, seyn werden. Diese Grundsätze der Religion, die über 2000 Jahre in China Beyfall gefunden haben, kamen bey den vielen innerlichen Kriegen, und bey der daraus entstandenen allgemeine Verderbnis der Sitten in Vergessenheit, bis sie Confucius wieder bekannt gemacht hat. Wir sezen nur noch hinzu, dass diese sogenannte Religion des Confucius noch jezo die Religion des Kaisers, der Prinzen, und aller vornehmen und gelehrten Personen in China sey : ob gleich seit vielen Jahrhunderten mehrerer Religionen in diesem Reiche aufgekommen sind. Ob es indessen für die Religion selbst vortheilhaft sey, dass die Verrichtung des äuserlichen Gottesdienstes blos auf die Person des Kaisers eingeschränkt worden, ist eine Untersuchung die sich nicht zu unserer Absicht schickt. Diese King mus man als eine Art von symbolischen Bücher der Chinesischen Religion betrachten. Wann gleich die erste und vornehmste Absicht derselben mehr auf die Historie, als auf den Unterricht in der Religion zu gehen scheint ; so sind sie doch eigentlich nur zu dem Ende verfertiget worden, um aus den Beispielen guter und böser Regenten die Pflichten und Wirkungen der Tugend und der Religion käntlich und reizend zu machen… Die Chineser haben seit einigen Jahrtausenden Wissenschaften und Künste getrieben, und doch keine derselben zu einiger Vollkommenheit gebracht. Es fehlt ihnen in allen Dingen an Geschmack und Critik, weil sie die vollkommenern Känntnisse der Ausländer verachten, die ihnen doch wenigstens bey der Beurtheilung der ihrigen zur Richtschnur und zum Vergleichungspuncte dienen könnten. Zumal würden ihr Kalender noch immer sehr unvollkommen sein, wenn ihn nicht die Jesuiten verbessert hätten. Schlözer schreibt : Wie lange wollen wir, europäische Historiker, uns noch mit dem albernen Zeuge schleppen, das junge sinesische Mythologen, Romanen-Schreiber, und Stoppler, erfunden haben, und sinesische Kritiker selbst verschmähen ?, das ungelerte oder enthusiastische Missionarien geglaubt, und französische Deisten, zum Nachteile Mosis, und zum Umsturze der Religion, verbreitet haben !...Das sicherste ist, zu glauben, dass es gar keine Geschichte von Sina aus der VorWelt gebe… Die ersten Kaiser von jeder Familie waren gemeiniglich brave GrossWessire ; und die letzten waren, wie natürlich, Weichlinge, an deren statt Bonzen, Verschnittene, oder Weiber, regirten… China ist zwar das grösste Reich der Erde, aber auch, da ihm Klima, Sitten, Religion, Schrift, und unmenschlicher Despotism, den Gebrauch seiner ungeheuren Kräfte, die es doch wirklich besitzt, verweren – zugleich, bei allem äussern Anschein von Cultur, das dümmste Reich von Asien, wie von Europa. Er schreibt über das Shu jing : Dieses Buch ist alt und heilig : alle seine Charactere haben die Sineser msorethisch gezält. Es gehet bis auf den Pingwang (und also bis auf Roms Jarhundert, ist folgich doch kein Mose), und war anfänglich nur stückweise vorhanden, wie Homer und wie der Koran : erst Konfuzee um das J. 484 machte ein Buch daraus. A. 213 vernichtete es der grosse Bücher-Brand : 37 J. nachher stellte es ein 90järiger Greis aus dem Gedächtnisse wieder her ; und noch 36 J. später fand man den alten Text, aber sehr unleserlich, in einer Mauer. Seit der Zeit gibt es unglücklicher Weise zwei Schukings [Shu jing], die von einander ganz verschieden sind. So ein Buch, das auf seiner Reise durch die Zeit so viele Fährlichkeiten ausgestanden, ich will nicht sagen für göttlich und heilig, sondern nur für eine historische Urkunde, zu halten : muss man da nicht ein Sineser seyn ? Semler schreibt : … dass es eben so häufige und gewaltsame Veränderungen und gottlose Ränke in dieser Geschichte gibt, als bey andern Völkern, und dass man also die so gerümte Politik und Moral der Chineser nicht in die alten Zeiten setzen, oder viel mehr davon behaupten kan, als bey andern Regierungen… Die vielen Zerrüttungen haben es wol auch gehindert, das die Chinesen so wenig Verbindung mit fremden Völkern gehabt haben. Andreas Pigulla : Baumgarten und die anderen Herausgeber belassen es nicht bei der reinen Übersetzung. Mit umfangreichen Vorworten, ausführlichen Anmerkungen und Hinzufügungen versuchen sie ihre Vorstellungen von Geschichtswissenschaft zu vermitteln und die Chinadarstellungen auf den neuesten Stand zu bringen. Schlözer weist Mythologien für die historische Darstellung zurück und grenzt sich von der chinesischen Geschichtsschreibung vor Sima Qian ab. Gatterer konzentriert sich bei Analyse des Chinabildes auf seine erste Universalgeschichte, da sich hier die ausführlichsten Chinabeschreibungen befinden… Gatterer nimmt an, dass die 'Chineser eines der ersten Völker gewesen seyn, die sich in den ersten Jahrhunderten nach der Sündflut gebildet haben'. Lee Eun-jeung : Gatterer beginnt mit der chinesischen Geschichte mit Noah, der sich nach der Sündflut in China angesiedelt habe. Man nenne ihn in China Fo-hi, also den ersten Kaiser in der chinesischen Geschichtsschreibung ; deshalb könne die chinesische Geschichte nicht mehr als 6000 Jahr alt sein. Man wisse nicht, 'ob die Chineser ihre Fabeln selbst ausgedacht haben, oder ob sie durch Ausländer zu ihnen gebracht worden sind. So viel ist gewiss, dass sie erst in neuern Zeiten entstanden sind, da kein altes Buch, als wie z.E. das Schu-king [Shu jing] ist, ihrer Erwähnung thut'… Für Gatterer ist Konfuzius der Gesetzgeber für die Chinesen, so wie es Moses für die Hebräer oder Zoroaster für die Perser war. Er schreibt zwar, Konfuzius sei ein chinesischer Socrates, dennoch betrachtet er den Konfuzianismus grundsätzlich als Religion, als Sekte, nicht als Philosophie. Die Gründe für das Scheitern der Mission in China sieht er in erster Linie in der Uneinigkeit der Missionare selbst und nicht etwa im chinesischen Despotismus wie Pauw ein paar Jahre später behaupten wird. Er hat starke Zweifel an den chinafreundlichen Aussagen der Jesuiten. Darüber hinaus findet er die auf der konfuzianischen Sittenlehre beruhende chinesische Verfassung höchst mangelhaft. Der Gesetzgeber Chinas trage seiner Ansicht nach nur wenig Sorge um das Wohl der Kinder, da chinesische Eltern, die von ihren Kindern strengen Gehorsam fordern, ihnen gegenüber so unmenschlich grausam sein können, dass sie sie in grosser Anzahl aussetzen 'wo sie auf den öffentlichen Gassen entweder verschmachten müssen, oder von den Hunden gefressen werden'. Die Mentalität der Chinesen charakterisiert er als 'sanft und phlegmatisch, aber doch sehr arbeitsam und zu allem geschickt, zur Verstellung und heimlichen Rache geneigt, schamhaftig und eingezogen, mäsig und vorsichtig, im Handel und Wandel eigennützig und betrügerisch'. Man könne eine ganze Million Chineser mit 'einem kleinen geübten Kriegsheere in die Flucht schlagen'. Die Tapferkeit sei nicht ihre Sache, dennoch sei ihr Nationalstolz so unerträglich, ‚dass sie sich die Erfindung aller unter ihnen bekannten Künste und Wissenschaften zuschreiben’. Schlözer meint, dass man im Mittelalter sowohl in Europa als auch in Asien schwer zu leiden gehabt habe. Der Unverschied bestände nur darin, dass die Menschen in Asien von unumschränkten monarchischen Despoten und in Europa von zuchtlosen aristokratischen Despoten bedroht worden seien. China befinde sich nach wie vor in der Despotie, die die Bevölkerung zu kindlichem Gehorsam verpflichte. China sei 'das dümmste Reich der Welt' und die Chinesesen seien 'Halbmenschen'. Es steht für ihn fest, dass die chinesische Herrschaft die Despotie schlechthin ist. 'Semazjen' [Sima Qian] ist für ihn der 'Vater der sinesischen Geschichte'. Seit ihmgebe es in China eine ununterbrochene Reihe der Annalen, die zwar ausführlich aber 'trocken und untreu' seien, 'weil sie kanzleimässig unter dem Einfluss des Stats geschrieben werden'. 'Die Dummköpfe schreiben seit 105 nach Chr. auf Papier und seit 1100 drucken sie sogar'. |
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2 | 1747-1768 |
An universal history [ID D17261]. Quellen : Jesuitenberichte Du Halde, Jean-Baptiste. Description géographique… [ID D1819]. Andreas Pigulla : Das Geschichtswerk richtet sich gegen eine Sonderstellung der chinesischen Geschichte. Die Chinesen schrieben sich ein zu hohes Alter zu. Sie hätten ihre erst später praktizierte Chronologie nach sechzig-Jahres-Zyklen in die ungewisse Vergangenheit projiziert und so die eigene Geschichte verfälscht. Du Halde übernehme in unkritischer Bewunderung ihrer Geschichtsschreibung die hohen Altersangaben, könne sie aber nicht begründen. |
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3 | 1756.2 |
Voltaire. Essai sur l’histoire générale et sur les moeurs et l’esprit des nations, depuis Charlemagne jusqu’à nos jours [ID D19777]. Sekundärliteratur. 1932 Walter Engemann : Die Veranlassung zur Niederschrift von Voltaires Essai ist von Emilie du Châtelet ausgegangen und wurde 1734-1749 während seines Aufenthaltes im Schloss Cirey-sur-Blaise niedergeschrieben. Voltaires Urteile über die chinesische Kultur widersprechen sich teilweise. Einerseits lobt er die Chinesen wegen der Beständigkeit in ihren Sitten und Gebräuchen, andererseits sieht er es als einen Mangel an, dass die chinesische Kultur keinen Fortschritt kennt, weil sie in der langen Zeit der Existenz ihres Reiches auf dem gleichen Stadium stehen geblieben ist. Die Stagnation und die damit verbundene Mittelmässigkeit der chinesischen Kultur erklärt er aus der grossen Ehrfurcht vor alten Lehren und Einrichtungen, die der Chinese für vollkommen hält, und aus der Natur ihrer Sprache, die schwer und unbequem ist. Das gleiche gilt erst recht für die Schrift. Hierzu tritt die zweimalige Fremdherrschaft, die auf die Fortentwicklung der chinesischen Kultur hemmend gewirkt hat, denn aller Krieg, Umsturz und Bedrückung machen einen Aufstieg unmöglich. Das sind für Voltaire die entscheidenden Gründe, die dazu geführt haben, dass Kunst und Wissenschaft in China sich nicht weiterentwickelt haben. Der Zusammenbruch der christlichen Mission in China beschäftigte damals das gesamte geistige Europa. Für Voltaire ist er ein Beweis dafür, dass die christliche Kirche untauglich ist, Mittlerin zwischen den Kulturen der Völker zu sein. Versuchten dennoch einzelne, wie die Jesuiten, diese Rolle zu spielen, so würden die Bestrebungen aus dogmatischer Engherzigkeit bald unterbunden. Voltaire gesteht allen Völkern, die eine ältere Kultur und einen alten toleranten Glauben haben, das Recht zu, sich vor fremden Eindringlingen zu schützen. So hält er es für richtig, die Chinesen trotz dem Kampf gegen das Christentum und seine Missionare, aufrichtig zu bewundern. Die Kenntnisse Voltaires über die materielle Kultur der Chinesen sind auf Einzelheiten beschränkt. Was er darüber weiss, ist unvollkommen, teilweise sogar falsch. Seinem Sinn für Geldgeschäfte entspricht sein Interesse für die Geldverhältnisse Chinas. Auch die Mitteilungen Voltaires über die wirtschaftlichen Verhältnisse Chinas beschränken sich auf Einzelheiten, weil ihm die Quellen darüber nur wenig Auskunft geben. Da er grosses Interesse an der Landwirtschaft hat, beschäftigt er sich eingehend mit dem chinesischen Ackerbau. In einem Brief von Jean-Denis Attiret wird in glänzenden Farben der kaiserliche Palast mit seinen Anlagen beschrieben. Voltaire benutzt diese Schilderung, um sich gegen die Geschmacklosigkeit des europäischen Prunkes zu wenden. Die Staatsauffassung Voltaires entspringt dem Ehrgeiz, als Bürger die gleiche Stellung wie der Adel einzunehmen. Er ist der Typus des 'bourgeois', der über das eigene Milieu hinausstrebt. Er huldigt dem bürgerlichen Staatsideal des aufgeklärten Absolutismus, wenn er auch seine eigenen Gedanken über das Wesen und die Gestalt eines Idealstaates besitzt. Er sieht sein Staatsideal im chinesischen Staat verwirklicht. Deshalb kann er auch kein objektives Bild des chinesischen Staatswesens geben, weil er es nur vom Standpunkt seiner subjektiven Staatsauffassung aus betrachtet. Den grossen Vorzug des chinesischen Staates sieht er darin, dass es in China keinen Gegensatz zwischen dem Kaiser, der Regierung und den bevorzugten Schichten der Bevölkerung und der grossen Masse gibt, da zwischen ihnen ein patriarchalisches Verhältnis besteht. Darin wurzelt nach Voltaire die Beständigkeit der chinesischen Kultur. Das patriarchalische Verhältnis ist für ihn auch eine der Ursachen dafür, dass der chinesische Staat nicht nur einer der ältesten, sondern auch der erfolgreichsten und blühendsten der Welt ist, ebenso wie der natürliche Reichtum des Landes, der Fleiss seiner Bewohner, die weise Gesetzgebung und der Schutz des Eigentums die Gründe für die allgemeine Wohlhabenheit des Volkes, die grosse Bevölkerungsdichte des Reiches und das hohe Alter der chinesischen Kultur sind. Voltaire begründet den idealen Zustand des Staates damit, dass die Staatsauffassung der Chinesen auf der Sittenlehre und der Achtung vor den Gesetzen beruhe ; denn die Chinesen ehren die Gesetze und das Alter wie die Kinder die Eltern. So erscheint ihm das ganze Kaiserreich wie eine grosse Familie, in welcher der Kaiser für das Wohl des Volkes wie ein Vater zu sorgen hat. Im chinesischen Kaiser sieht er nicht nur den Herrscher, sondern auch den höchsten Priester und Philosophen, der allein dem 'tian', dem Herrscher über Himmel und Erde, opfert. Voltaire nimmt Stellung gegen die Berichte der Reisenden und gegen Montesquieu, welche die Ansicht vertreten, dass das chinesische Kaisertum despotisch sei. Man ist nach seiner Meinung durch die Form des Hofzeremoniells getäuscht worden. Doch China sei überhaupt das Land der Zeremonien und Höflichkeiten. Als Beweis für das Gegenteil einer absolutistischen Regierungsweise dient der Hinweis darauf, dass seit den ältesten Zeiten am kaiserlichen Palast eine Tafel angebracht ist, auf der jeder Bürger seine Beschwerden über die Regierung aufschreiben darf. Auch steht dem Kaiser ein Ratskollegium zur Seite, und er sieht sich, wie jeder andere Staatsbürger, an den Entscheid der Gerichte gebunden. Andererseits hat China nach Voltaires Überzeugung im Gegensatz zu allen anderen Ländern auch niemals eine Theokratie gehabt, denn seine alten Jahrbücher wissen nichts darüber zu berichten. Ebenso hat China weder Religionskämpfe noch einen Streit zwischen Kaiser und Kirche gekannt. Voltaire hält den chinesischen Staat sogar für demokratisch, da es in ihm niemals einen Adel gegeben hat. Er hält die chinesische Verfassung für die älteste und beste der Welt. Sie besteht nicht nur seit 4000 Jahren, sondern sie fordert auch, dass eine kleine Zahl Auserlesener die grosse Masse der Bevölkerung ernährt und regiert. Denn sie macht es den Weisen zur Pflicht, das Volk zu beschäftigen und für sein Dasein zu sorgen. Volaire rühmt die chinesische Gesetzgebung : so darf der Sohn seinen Vater nicht verklagen. Oder es darf auch am geringsten Untertanen kein Todesurteil vollstreckt werden, ohne dass man die Prozessakten an den Staatsrat in Peking schickt, der dem Kaiser Vortrag zu erstatten hat. Vor allem bestraft der chinesische Staat nicht nur, sondern er kennt auch Belohnungen in Form von Ehrenzeichen und Rangerhöhungen. Voltaire rechnet die Chinesen nicht unter die Völker, die Blutschande treiben, und er weist die Behauptung Montesquieus, dass in der Tatarei die Söhne nicht die Mutter, wohl aber die Väter die Töchter heiranten dürfen, zurück. Ebenso lässt er den Vorwurf der Menschenfresserei nicht gelten. Von den naturwissenschaftlich-mathematischen Kenntnissen der Chinesen bewundert Voltaire vor allem ihre astronomischen Berechnungen, die auf einer genauen Beobachtung der Sterne beruhen. Er nimmt an, dass die Chinesen schon sei 4000 Jahren Astronomie treiben. Weiterhin berichtet er über das chinesische Heilwesen. Er hält die chinesischen Ärzte für sehr unwissend und behauptet trotzdem, dass sie in der praktischen Ausübung ihres Berufes nicht ungeschickt sind. Dabei erwähnt er, dass man auch in China versuche seit alter Zeit einen Unsterblichkeitstrank zu brauen. In der Sprache sucht Voltaire ein Kriterium für die Kulturhöhe, die ein Volk erreicht hat. Für ihn ist nur die chinesische Sprache auf einer primitiven Entwicklungsstufe stehen geblieben. Und in dieser Tatsache erblickt er eine Ursache für die Stagnation der chinesischen Kultur. Er selbst hat weder die chinesische noch arabische Sprache beherrscht, sondern nur das chinesische Vokabular in der Description von Du Halde. Gleichwohl hält er die chinesische Sprache für autochthon. Die chinesische Literatur zeichne sich durch ihre Einfachheit aus und die künstlerische Begabung der Chinesen soll in ihrer Entwicklung stehen geblieben sein. Doch sein tiefster Eindruck ist das Alter der Literatur. Der Roman und die Fabeln enthalten dieselben Motive wie in der europäischen Literatur, sie zeigen stets eine realistische Form und eine moralische Tendenz. Die Chinesen lieben auch das Theater, aber die Kunst des Dramas liege ihnen nicht. Voltaire kennt die älteste Quelle der chinesischen Geschichte, die chinesischen Bambusbücher, aus denen er seine Kenntnisse der '5 kings' hat. Die Sittenlehre, die Voltaire als die erste der Wissenschaften nennt, haben die Chinesen vervollkommnet. Die Frage, warum die Chinesen in den übrigen Wissenschaften versagten, in der Ethik aber und in ihrer praktischen Anwendung, der Gesetzgebung, Hervorragendes leisteten, beanwortet er damit, dass die Natur diesen Menschen einen ‚weisen Sinn’ gegeben, die Kraft des Verstandes aber versagt hat. Das Wort 'Deismus' taucht erst in der Aufklärungszeit auf. Voltaire gebraucht das Wort 'Theismus', das an sich eine monotheistische Religionsanschauung bezeichnet. Diese lehrt noch einen persönlichen Gott, der die Welt nicht nur erschaffen hat, sondern der auch noch fortdauernd auf sie einwirkt. Auch die natürliche Religion Chinas bezeichnet er mit dem Wort 'Theisimus' und nennt die chinesischen Gelehrten 'Theisten'. Dem 'Deismus' Voltaires liegt die Ansicht zugrunde, dass die ganze Welt nur einen Gott anbetet, dass die Art der Anbetung aber verschieden ist. Er ist davon überzeugt, dass in China von alters her die deistische Religion vorherrscht, wenn auch nur in den führenden und gebildeten Ständen. Die Moralgesetze der deistischen Religion aber sollen nach ihm die Grundlagen der Staatsmoral bilden, nicht aber die Kirche mit ihrem Aberglauben und ihren persönlichen Interessen. So konstruiert er eine Kirchen freie Religion für die oberen Schichten der chinesischen Bevölkerung und schildert, dass sie sich mit der Morallehre eines Epiktet, Marc Aurel oder Plato vergleichen lässt. Während der Kaiser und die Gelehrten die Träger der chinesischen Religion sind, besitzt das niedere Volk eine andere Religion. Auch gegen der Vorwurf des Atheismus glaubt Voltaire den Deismus der chinesischen Gelehrten schützen zu müssen. Wenn man behauptet, dass die Gelehrtenreligion keinen bestimmten Gottesbegriff habe, so antwortet er, dass es nicht so sehr auf die Fassung des Gottesbegriffes, als vielmehr auf sein Vorhandensein ankomme und dass die Chinesen diesen besitzen, da sie seit den ältesten Zeiten an einen einzigen Gott glauben. Allein die Kenntnis der modernen Geschichte genügt Voltaire, den Ritenstreit zugunsten der Chinesen auszulegen. Bedingungslos für das Wesen einer Religion ist nach Voltaire das Vorhandensein einer Vorstellung vom Leben nach dem Tode. Er bestreitet nicht, dass in China viele Gebildete dem Materialismus verfallen sind, wesentlich ist für ihn, dass ihre Sittlichkeit nicht darunter gelitten hat und dass sie ein höchstes Wesen verehren, an dessen Dasein sie nicht zweifeln. Er weist auch den Vorwurf zurück, dass die chinesische Religion das Menschenopfer kennt, während er das Ernteopfer zugibt. China sei nur deshalb von dogmatischen Streitigkeiten und Religionskämpfen verschont geblieben, weil hier der Aberglaube keinen Boden gefunden habe. So sieht Voltaire den Wert der chinesischen Religion darin, dass sie frei von Fanatismus, Aberglauben und von kosmogonischen Spekulationen ist. Zwar leugnet er nicht, dass die Chinesen abergläubische Vorstellungen besitzen : so deuten sie aus den Sternen die Zukunft und die Schlange sehen sie als ein Sinnbild des Lebens. Voltaire hält die Beschäftigung, was nach dem Tode geschieht für unproduktiv. Viel wichtiger sei es, im Leben die Tugend zu üben und an der Vervollkommnung der Seele im Diesseits zu arbeiten. Wer das tue, brauche den Tod nicht zu fürchten. Die chinesische Religion, die keinen Jenseitsglauben enthalte, lehre lediglich die Tugend um der Tugend willen zu üben. Er weiss aber, dass das chinesische Volk an ein Leben nach dem Tode glaubt, wie es die Ahnenverehrung beweise. Auch bezweifelt er nicht, dass die Idee der Seelenwanderung noch in grossen Teilen Indiens und Chinas herrsche, jedoch sei sie keine Religionsvorstellung, sondern erst durch die Lehre des Fo nach China gebracht worden. Voltaire begeistert sich für Confucius, da er der Sittenlehrer der Chinesen gewesen ist. Er hat weder eine Religion noch eine Kirche gegründet, sondern eine Staatsmoral gelehrt, die nicht von kirchlichen Dogmen beeinflusst ist. Auch richtet Voltaire seinen Hass gegen die Kirche, will allgemeine Sittengesetze aufstellen und sieht in Confucius sein Vorbild. Im chinesischen Staat sieht er den vorbildlichen absoluten Staat verwirklicht, den, gestützt auf die Ethik von Confucius, kein kirchliches Dogma und kein Bonzentum beherrschen. Die einfache und schlichte Lehre des Confucius, die dem Staatsgedanken der Aufklärung entspricht, ist eine Lehre der Vernunft. Ihre Moral fordert, die Tugend zu üben und gerecht zu sein, um eine glückliche Menschheit zu schaffen. 1963 Basil Guy : Until the Essai Voltaire was not truly curious about China for its own sake, with the result that most of his attempts to work with Chinese material ended, for better or for worse, in 'chinoiseries'. These 'chinoiseries' represent only the knowing use of a theme which could not help but arouse a certain interest on Voltaire's part, but it was the very example of China which would help him to abandon this false track and set out upon a task which would be most important for himself and for his age. He openly attacked the "Discours sur l’histoire universelle à Monseigneur le dauphin : pour expliquer la suite de la religion & les changemens des empires" de Jacques Bénigne Bossuet, pretending to present merely his own views on history and the result of his own research. Meanwhile, he prepared à Discours sur l'historie universelle, un Abrégé and even an Histoire générale which would all contribute to and be included in the complete edition of the Essai. Voltaire is never completely detached from his work and never did consider it completed, while his mind remained ever alert to many of the problems he had encountered in writing it. The nature of those problems, so closely linked together, pushed Voltaire to greater daring and perhaps to greater truths than he had known or suspected until then. But since he pretended to be all-inclusive and to shed some light on every part of the world as it was known in his day, it is natural that his curiosity touch on many disparate topics. Instead of the savant we might have expected to discover in him, we find a proselyte who thinks only of destroying those doctrines he detests. Sometimes his attacks were suggested by material that was incidental to any given passage. China and her philosophers were no exeption to this procedure. They serve him only as an excuse for taunting the atheists, since more than sacred texts, more than the Holy Land or other exotic countries, Voltaire wanted to know that China whose antiquity enchanted him because it brought into question certain theological calculations which founded world history on the authority of the Bible. At the same time his knowledge would give Europeans, so proud of their civilization, a precious lesson in humility. Voltaire puts China in the vanguard of universal civilization. He assigns the most flattering rôle in his history to this empire of the Far East by having it begin and end with China because that country represented to him the most ancient nation, the best ordered and the home of true wisdom. Voltaire did not risk much in denying the universality of the Flood 'à propos' of China. He was able to profit by the evolution of ideas. The discovery of Chinese antiquity contributed to the formation of the philosophic spirit but was also favoured by such a development. For as much as it profited by this progress, the idea of Chinese antiquity likewise profited by the weakening of people's faith in the value of the Bible as an historic document. The antiquity of Chinese chronology posed another, still greater, problem regarding the location of the cradle of humanity. Toward 1740 the argument in favour of Chinese antiquity had often been invoked, but no serious study of China was yet generally available in Europe. Part of Voltaire's great originality in dealing with the problem was that he took facts and dates proving Chinese antiquity from the Jesuits, and from the libertines analyses which made that antiquity much greater than did their common source. When he treats of the size and greatness of the country, he is led to conclude that since China is a large as formerly, its laws, its customs, its languages, and even the way in which its inhabitants dress cannot have undergone much change. For this reason, Voltaire states that he will limit himself to depicting the most important, the most 'creative' epochs of Chinese history. At this point, he at last begins to treat of Chinese history as such, and dwells briefly on the reign of Fuxi, who is suppoed to have lived some three thousand years before Christ and assumed the government of the fifteen kingdoms. In passing, Voltaire then mentions other monarchs, the burning of books, and the development of judicial procedure under the First Emperor being especially noteworthy for him. Althought he mentions the Roman embassy of 165 A.D. and the voyage of two Mohammedans. He then spends a little more time and effort in analyzing, in its proper place, the material he would use for the Orphelin, the advent of the Mongol dynasty under Cenghis Khan. Voltaire hoped to underline the fact that his history was an objective as possible, considered only humanity, and not the movements of God's 'mysterious ways'. For his errors, whether of fact or interpretation, are those of his guides, or even, those of his contemporaries. Voltaire extended the field of his investigation and found at the other end of the world where it was impossible to separate truth from fiction, desire from reality, an idol almost without fault, the Qianlong emperor. His judgment on the Chinese monarch had been influenced by that sententious element in imperial bureaucracy which found expression in the long resounding phrases of edicts voicing an irreprochable morality. Yet in the Chinese political system, what seems to have made profound impression on Voltaire, was the rôle of the tribunals. The Jesuits had nothing but the highest praise for most of these courts, the Six Councils of Beijing, forming the central body of the imperial government, to the viceroys and petty functionaries in the provinces. These councils consisted for the most part in confucian mandarins. Voltaire favoured an absolute monarchy where the judgments of the sovereign might be guided and controlled by incorruptible advisers. Nothing in all his writings approaches this ideal like his interpretation of the reciprocal action of the Chinese emperors and the Chinese courts. In the beginning, since his sources claimed that the absolute government of China was founded on Confucian ethics, Voltaire repeated that judgment, believed it, and sat down to study this country where no religious dogma, no government by a priestly association, were sanctioned by the political authorities. Confucius had founded neither a new religion nor a new Church. He had mereley taught a traditional morality which had but fallen into disuse and in which there was no trace of dogmatism. His morality proclaimed that virtue is supreme and just, necessary to the peace and happiness of men. According to Voltaire, Confucius hat already interpreted this morality in such a way that it could easily be applied to reality ; to his strong personality and innate wisdom, the Chinese owe their political perfection. For Voltaire, Confucius represented the perfect 'philosophe', he who had found a solution to the problems of revealed religion, who in a word was the ideal deist. The lack of dogma in the formalities of the Confucian cult was for Voltaire a quality, or, a virtue ; for among other things, the religion which lacks a rigid form allows the free development of toleration. And it was in toleration as taught and practieced by Confucius that Volaire thought he had noted the essential characteristic of the Chinese people. Despite the fact that Confucianism had been praised for its moral values and not for its religious teachings, Voltaire persisted in repeating that since the beginning of their history the Chinese had possessed 'le culte simple du maître du Ciel'. He believed that he had found in the Middle Kingdom the flower of a tolerant religion, without dogma and without priests, a pure deism. If Voltaire turned the Jesuits' misfortunes to his own advantage in attacking their cause, he did not hesitate to suppress their ideas when convenient. In general the missionaries had nothing but scorn for Buddhism, and Voltaire employs both their information and their arguments in his castigation of the sect. Confucianism ruled in China and that it was a reasonable, natural religions. The two other sects, Buddhism and Taoism, represented in his eyes a revealed religion whose basis is superstition, the tyranny of priests and ignorance. Hence it is obvious that when Voltaire speaks of Buddhism at this time, he means Christianity, with which Buddhism does have certain superficial resemblances. And when Voltaire reveals the ignorance, the rapacity, and the tyranny of the priests of Fo or the bonzes, he merely resorts to those problems which had frequently served beford his time had made famous : indirect attack, by analgy, and against Christianity. At about 1740 Voltaire found himself faced by the problem of two religious currents which were not complementary, which were in effect contradictory : Chinese deism and Chinese atheism. Voltaire continues by discussing theocracy, the worst form of tyranny he can imagine. Thus, if the Chinese have never known a theocratic government, they are nonetheless not atheists. If the Chinese were atheists, they furnished the most striking proof of the existence and of the excellence of a moral code divested of any relationship with political or social morality, or even with religion. Voltaire took the side of the Jesuits against the Law of the Church and painted the Chinese in glowing terms. His lively imagination pictured them as an almost perfect people, superior to those in whose midst he dwelled and where wit, intelligence, and learning counted for little. The distant people, Voltaire firmly believed, hat no priests like those who wore down his fighting spirit, none of those gross superstitions which inspired such rites as were practiced in his time. Respect for the aged and worship of a philosophic deity were their religion. They were possessed in consequence of a pternalistic government which for centuries had been in the hands of wise princes. Reason alone guided these men, and they had no need to base their morality on those mysterious dogmas which reason cannot explain. It was thus that Voltaire fell into error for attempting to fight alongside those Jesuits against whom he directed so many bitter and virulent attacks for the sake of China and her example. 1972 A. Owen Aldridge : Voltaire's knowledge on China was indirect, incomplete and superficial. It is no coincidence that he should be both a vociferous defender of Chinese culture and a caustic critic of primitivism. Voltaire admired the antiquity, the politeness, the intricate social organization of China, all qualities inimical to primitivism. He argued that the compiling of records attesting the existence of a vast empire is in itself proof that the organization of China into a political body must have taken place centuries before. Chinese antiquity was important for Voltaire, however, not so much for its effectiveness as an argument against primitivsm as for its even greater effectiveness as a symbol to be opposed to Hebrew tradition. The portrayal of Chinese civilization as flourishing in a highly advanced stage when the Hebrew as in its infancy served to disparage the latter. The argument of Chinese antiquity even more specifically damaged the Christian tradition by disputing Old Testament chronology and thereby bringing into question biblical authority as such. The Christian scriptures declare that the world was created in 4000 B.C. and that the great Flood covered the earth in 2300 B.C. ; yet reliable Chinese chronicles existing for 4000 years, implied an anterior existence of Chinese civilization for several more centuries : these chronicles make abolutely no reference to a universal inundation such as that described in Genesis. In pointing to the textual weaknesses of biblical chronology, Voltaire touched on another famous controversy in the history of ideas, one completely independent of the role of China in world culture, but nevertheless related to it. This controversy concerned the Age of the World – an attempt to discover how far in the past the earth as presently constituted came into being, what were the changes it had gone through, and whether the chronology and descriptions of the Bible are in accord with reality. The role of China in the Voltairean philosophy was primarily to bolster his private system of deism, to further his attack on religious superstition and clerical domination, and to advance his plea for toleration. His Essai is justly celebrated as a pioneer work of anthropology, it can hardly be argued that his treatment of China represented a serious scholarly effort to understand oriental culture. 1989 Song Shun-ching : Dans son avant-propos Voltaire critique véhémment la méthode de Jacques Bénigne Bossuet qui a donné une place privilégiée aux juifs dans son Discours sur l’histoire universelle (1681) et il met en avant la nécessité de faire figurer la Chine dans une histoire universelle : "Il eût été à souhaiter qu'il [Bossuet] n'eût pas oublié entièrement les anciens peuples d'Orient, comme les Indiens et les Chinois, qui ont été si considérables avant que les autres nations fussent formées." En montrant l'extrême ancienneté de la Chine aux Européens, les missionnaires ont pu amener le public européen à prendre conscience non seulement des difficultés, mais aussi de leur joie et de leur mérite à parvenir à christianiser un pays si 'anciennement policé'. Ces écrits apologétiques sont devenus, par la suite, de précieux documents historiques pour Voltaire qui s'en sert comme base dans son élaboration de l'histoire de la Chine. Quelle belle défense que de s'appuyer sur des sources irréfutables, les publications des ordres religieux, pour réfuter les apologistes qui remettent l'antiquité chinoise en question afin de protéger l'autorité des Ecritures saintes. Depuis la publication Sinicae historiae decas prima de Martino Martini [ID D1703] et malgré de nombreuses plémiques, Fuxi semble être toujours considéré par les Européens comme le premier monarque chinois. L’essentiel pour Voltaire est 'la prodigieuse antiquité' de la Chine. Pour lui, rien ne peut diminuer la vlauer, l'authenticité de cette ancienneté, même les histoires mythiques qu'il a toujours condamnées comme superstitieuses ; une fois transformées par lui, elles sont devenues de solides arguments en faveur de l'antiquité chinoise. Il n'a pas oublié ce qui est encore plus important que l’ancienneté, c'est l’exactitude de l'histoire. La valeur de l’histoire ne tient pas uniquement au fait qu'elle est ancienne, il faut qu'elle soit avant tout vraie, exigence fondamental pour Voltaire historien. Comme tous les pays, la Chine possède aussi une quantité d'ouvrages qui racontent son antiquité à travers des légendes et des histoires mythiques, mais Voltaire n’a pas pu les connaître faute de traduction. En ce qui concerne la chronologie chinoise, Voltaire affirme qu'il n'en existe qu'une version, mais dans l'histoire chinoise la datation précise, unanimement reconnue par tous les historiens, ne commence qu'à partir de 841 av. C., car avant cette date, l'histoire chinoise possède des chronologies différentes qui varient selon les ouvrages historiques. Au lieu de raconter l'évolution de toute l'histoire chinoise, Voltaire sélectionne les événements en se basant sur quelques-uns des empereurs les plus représentatifs, puis il nous apporte une histoire romanesque des coups d'état et des anecdotes de la cour impériale. Il est impressionné par le conquérant tartare Gengis Kahn et rédige un chapitre entier à la gloire de ce personnage et de la dynastie mongole. Il y a de graves erreurs de ces personnages : Gengis Khan, avant sa mort, désigne son troisième fils Octai comme son successeur. A la mort d'Octai, son fils Guiyou (Güyük) succède au thrône et devient le grand Khan. L'autre erreur concerne les compagnons de Marco Polo. Il est accompagné par son père et son oncle et pas par son frère et c'était en 1275 et pas en 1260. Voltaire semble ignorer les importants problèmes politiques posés à l'intérieur de la cour mongole, puisqu'il décrit le gouvernement mongol sinisé régnant plaisiblement en Chine. Il a trop idéalisé la situation sous la dynastie Yuan, non seulement en ce qui concerne la cour mongole, mais surtout la relation entre les Chinois et leurs envahisseurs. Même si Voltaire ignore le contenu des annales chinoises de cette époque, il doit au moins connaître l'épisode de la sédition organisée par le complot sino-khitan et citée par Marco Polo dans son récit de voyage en Chine. Volaire, au courant de la chute de la dynastie Yuan des Mongols, conclut que la défaite du pouvoir mongol en Chine est due à des raison d'ordre religieux. Voltaire décrit longuement la transition du pouvoir politique des Chinois aux Mandchous, une histoire symbolique qui illustre une fois encore la lutte entre la force des armes et celle des lettres. Le coup d'état présenté par Voltaire comprend deux éléments essentiels : l'un est l'assujettissement de l'empire chinois aux Mandschous, l'autre est la rebellion des Chinois, événement à l'origine de la tragédie qui eu lieu à la cour chinoise. Pendant que l'empire chinois est troublé par les guerres, les Jürchen devient de plus en plus puissant. Voltaire décrit l'origine de ce peuple, mais il le confond avec le peuple mongol, et ainsi voit un retour du pouvoir aux mains des Tartares, il croit que ce qui s'est passé sous la dynastie Song s'est répété sous la dynastie Ming. Tout les passages délectionnés par Voltaire concernant l’histoire de la Chine, nous constatons combien ses choix sont orientés. Les Tartares qui ont vaincu par deux fois l'empire chinois avec leur armes sont vaincus par la civilisation chinoise. Cette histoire romanesque des changements du pouvoir politique comporte avant tout une leçon philosophique destinée à illustrer l'optimisme voltairien qui croit au progrès de l'humanité et d'une civilisation rationnelle. L'ancienneté et l'exactitude de l'histoire chinoise solignées par Voltaire ont été choisies dans un but philosophique, telle est la véritable intention de Voltaire historien. Voltaire met l'accent sur la société et le peuple, et tout en dégageant le rôle traditionnellement dominant de la religion dans les ouvrages historiques, il met l’homme au premier plan. La présence de Dieu est constante, mais c'est l'humanité qui est responsable de son destin et de sa propre histoire. La Chine occupe une place importante pour deux raisons : Voltaire veut démontrer la corrélation entre l'esprit, les moeurs du peuple et un 'pays policé' et la discussion autour de l'origine du peuple chinois l’intéresse beaucoup. Il nous décrit quelques caractéristiques de la société chinoise : un grand empire qui possède de grandes villes, un pays prospère qui bénéficie de la clémence de la nature qui l'a doté d'un clima favorable et de terre fertiles, et par-dessus tout, Voltaire s'attache à accentuer la grandeur du pay. En comparant l'Orient à l'Occident, il montre leurs différences et leurs ressemblances. Il est attaché au thème de la société, la nourriture, les vêtements, les maisons, les arts, les usages ; tout est 'digne de l'attention d'un philosophe'. En outre, il croit en l'universalité de l'humanité : malgré toutes les différences entre les différents peuples, l'humanité possède communément 'les passions' et 'la raison', deux composantes de la 'police'. La nature, mère nourricière de l'humanité, influence profondément la société. Voltaire justifie le haut niveau de la civilisation des pays asiatiques par des causes naturelles, telles que la terre et le climat ; le système des impôts, les villes, l'architecture et le système économique avec son système monétaire. La géographie physique de la Chine est avantagée par trois excellentes conditions : l'immensité, la variété, et la position. Voltaire condamne la puissance du régime théocratique et félicite la Chine comme le seul pays qui ne soit pas souillé par ce régime. Il pense que la Chine est une société qui a toujours gardé ses moeurs originelles ; elle présente donc un modèle exemplaire et une preuve des moeurs purement humains. La description des moeurs chinoises par Volaire est bien fragmentaire. Il a trouvé quelques qualités aux moeurs chinoises, telles que la douceur et la sagesse. Il est persuadé d'une valeur suprême de l’esprit chinois : la sagesse à la fois tranqille et puissante, une force impalpable en apparence, mais irrésistible en profondeur ; elle est solidement liée à la civilisation du pays, et à cause d'elle, les moeurs chinoises sont plus raffinée que celles des Tartares. Aux yeux de Voltaire, les moeurs des Tartares sont horribles et empreintes de 'fanatisme'. Parmi les nombreux rites et cérémonies pratiqués à la cour chinoise, Voltaire porte un intérêt particulier à deux d'entre eux : la cérémonie 'kieng-tien' [jing tian] et le rite du labourage accompli par l'Empereur. A part des cérémonies propitiatoires, il montre aussi que la cour chinoise est un modèle de tolérance. Voltaire ne s'est pas seulement intéressé à ce qui se faisait à la cour chinoise, il s'est aussi penché sur le rôle qu'y tenaient les personnages. Malgré ses principes politiques basée sur la morale, la cour chinoise est en réalité souvent très loin de l'image édifiante donnée par Voltaire. Pour approfondir l'aspect matériel de la vie des empereurs, Voltaire a examiné leurs finances. Parmi les empereurs chinois, Kangxi, Yongzheng et Gaozong ont joué un rôle significatif pour l'inspiration politique chinoise chez Voltaire. Il les a maintes fois mentionnés non seulement parce qu’ils sont ses contemporains, mais surtout en raison de l'accueil qu'ils on fait aux missionnaires européens en Chine et à la cour impériale. De ces trois empereurs mandchous, celui qui obtien le plus de louanges de Voltaire est Kangxi. L'empereur Yongzheng succéda à Kangxi et Voltire les a comparés. Lorsque Voltaire parle de la 'fermeteé' et de la 'justesse' de Yongzheng, il fait surtout allusion à l'ordre impérial de bannir les missionnaires de la Chine. Ce qui fascine Voltaire chez l'empereur Gaozong, ce sont ses aptitudes à la poésie. Voltaire transforme ces trois empereurs en trois modèles symboliques : Kangxi : la tolérance, Yongzheng : la sagesse et la justesse, Qianlong : le poète. Pour que l'image de ces trois empereurs ne soit pas tachée, il n'hésite pas à écarter les critiques concernant ces trois monarques, et même à embellir leur portrait. Par conséquent, son entreprise de transformer le portrait des empereurs chinois pour en faire des monarques idéals est fondée sur une image doublement fausse. En résumant tous les passages de Voltaire concernant la constitution de la Chine, on peut les classer en deux grands thèmes : un système politique composé de différents tribunaux et un gouvernement patriarcal. Voltaire est séduit par la répartition du pouvoir politique parmi les tribunaux. Il explique en détail les fonctions de chaque tribunal et leur mécanisme. La description des fonctions de chaque tribuanl est correcte, mais l'éloge de Voltaire est un peu exagéré. Le système des tribunaux, le régime patriarcal et l'autorité paternaliste constitutent la forme du gouvernement chinois. Voltaire est surtout attaché à examiner si les lois sont justes et humaines. A ses yeux, les lois d’un gouvernement exemplaire comme la Chine ne peuvent que posséder des qualités. Les lois chinoises récompensent bien la vertu ; le gouvernement montra sa générosité et sa justice envers le peuple, il l'incite à bienveillance afin d'améliorer les moeurs de la société. Parmi les actes moraux exemplaires qui permettent d'obtenir le mandarinat de cinqième ordere, à par l'honnêteté, le déintéressement du 'pauvre paysan' aux mains nettes, Voltaire a étonnamment oublié de mentionner un critère très important pour ce pays au régime patriarcal : la piété filiale. Quant à l'autre caractéristique des lois chinoises, considérée par Voltaire comme une exception dans la législation de l'humanité, elle est due à l'influence du confucianisme. Bien que le confucianisme soit la principale influence qui ait pesé sur la politique chinoise, le gouvernement et ses lois ne sont pas aussi idéals que veut le croire Voltaire. Ces lois justes et admirables, un système de tribunaux et une politique basée sur une constitution paternaliste représentent pour lui un modèle de gouvernement idéal. En raison de la persécution des chrétiens, suite à la querelle des rites, beaucoup d'Européens ont condamné le gouvernement chinois ; leurs accusation gravitaient autour de l’athéisme et le despotisme. Voltaire s'est engagé dans ce débat. D'un côté, Voltaire accentue les qualités du gouvernement chinois : des tribunaux objectifs et une bienveillance patriarcale, et de l'autre côté, il écarte le mot 'despote' et ses interprétations qu'il considère comme des calomnies envers le gouvernement chinois. En somme, aux yeux de Voltaire, le gouvernement chinois est patricarcal et non despotique, car il a des tribunaux et des lois qui contrôlent l'empereur. Après le despotisme, l'autre accusation grave contre le gouvernement chinois est celle d’athéisme. Conformément à sa philosophie, Voltaire défit la nature du gouvenement chinois comme fondée sur le théisme, et il exprime son hostilité envers l'athéisme. Dans cette polémique sur l'athéisme du gouvernement chinois, Voltaire révèle sa véritable attitude envers la religion. Sa défense du gouvernement chinois constitut en quelque sorte une déclaration de sa propre philosophie. Des rites édifiants sont pratiqués par des empereus exemplaires et l'image de la cour chinois, sous la plume de Voltaire, abonde en sagesse et bonté. L'autorité politique est harmonieusement partagée entre les tribunaux, et assurée par une structure sociale patriarcale où le peuple est protégé par des lois sages. Présenté par Voltaire, le gouvernement chinois suit une politique exemplaire. Cependant, si sa défense du gouvernement chinois contre l'accusation de despotisme reste très discutable, sa victoire dans la polémique autour de l'athéisme de la Chine est incontestable. La politique de l'empire chinois est le thème le plus explité par des libre-penseurs aux fins de nier la religion et de valoriser l'athéisme. Mais Volgaire n'a pas simplement dénoncé cette malice, il a aussi fait face à la multiplication des critiques concernant la politique chinoise, suite à la montée du courant sinophobe à son époque. Si Voltaire loue la piété filiale et le respect des Chinois pour leurs parents comme une vertu fondamentale du point de vue de la société et de la politique, il n'admet pas l'application de cet esprit dans tous les domaines. Il ne condamne pas simplement l'esprit de respect des Chinois pour leurs ancêtres, il lui reproche aussi d'avoir entraîné le peuple chinois à rester dans l'ignorance et il met en question le système de sélection par les examens au mandarinat. L'image de l'éducation et des examens et pour lui la conséquence d'une prédominance excessive et prolongé du confucianisme. La religion est un sujet capital dans les oeuvres de Voltaire : sa façon de traiter ce sujet et ses prises de position révèlent un des traits les plus marquqnts de la personnalité. Né et élevé dans un milieu très chrétien, il a eu l'occasion de bien étudier et observer le monde religieux. Il s'appuie sur le rationalisme et l'humanisme, hérités de son éducation chez les jésuites, et il se met à réfléchir sur la question religieuse afin de trouver une issue pour sa croyance. Antichrétien, sans aucun doute, mais athée, certeinement pas, car à aucun moment, il n'a accepté la condamnation. Sa déception devant le christianisme l'amène à orienter son regard vers les religions exotiques telles qu'islamisme, buddhisme, lamaîsme et taoîsme ; il a tenté de découvrir une vraie religion universelle qui serait différente du catholicisme. Malheureusement, ses connaissances et sa capacité sont limitées par la langue et la distance, il ne peut comprendre le monde extérieur qu'à travers les écrits et les traductions des voyageurs, et surtout, des missionnaires. La 'religion' des lettrés chinois a été magnifiée par certains missionnaires de la cour impériale pour mieux propager l'Evangile dans tout l'empire chinois. En fait, cette 'religion' qui consiste à adorer 'un seul Etre Suprême' est issue du confucianisme qui n'est pas une véritable religion, mais plutôt une philosophie, et c'est la raison pour laquelle il pouvait bien être accepté par les missionnaires chrétiens en Chine. Cette religion qui ne croit qu'en l'existence d'un seul dieu est pratiquée par l'élite ; les philosophes chinois inspirent Voltaire qui est en quête d'une religion plus 'simple' et 'naturelle' et qui n'admet ni superstition ni fanatisme ou clergé. Il est donc bien content de trouver une religion qui corresponde tout à fait à son idée de 'religion naturelle'. Il est fasciné par la religion spirituelle des lettrés chinois, mais qu'en même temps il critique sévèrement les religions du peuple. Le fait que la religion chinoise admette l'existence de plusieurs dieux, Voltaire, qui a tant insisté sur son principe théologique d'un Etre Suprême qu'il a trouvé idéalisé dans l'empire chinois. La division de la religion entre le peuple et l'Etat en Chine est évidente aux yeux de Volarie parce qu'il existe deux composantes bien distinctes dans ce pays. Cette division de la religion chinoise en deux parties n'est pas une idée de Voltaire, elle fait partie d'une vision adroite dont les missionnaires euopéens sont les auteurs. Pendant la querelle des rites, les missionnaires, et en particulier les jésuites, se sont beaucoup appuyés sur la religion spirituelle des lettrés chinois pour justifier leur prise de position. Voltaire ne pouvait pas savoir que la religion a considérablement influencé le pouvoir politique des dynasties chinoises. En condamnant toutes les religions, Voltaire tente de prouver que la religion des lettrés confucéens et du gouvernement chinois est une illustration de son théisme. Voltaire a condamné presque toutes les religions comme relevant de la superstition et du fanatisme. Cependant, il a réussi à trouver dans la religion des lettrés chinois toutes les qualités qui répondent à son idéal d’une religion. Voltaire ne voit que ridicule et fanatisme chez le bouddhisme et n'aprécie pas la doctrine taoïste. L'histoire du catholicisme présentée par Voltaire s'arrête toujours à la persécution des missionnaires étrangers en Chine, car il n'en a jamais voulu préciser les détails. Chaque fois que Voltaire présente le christianisme en Chine, il met l'accent sur les divergences des missionnaires et les conflits d'ordre religieux en Europe. Voltaire a constaté qu'avant l'arrivée du christianisme, le judaïsme et l'islam avaient déjà pénétré dans l'empire chinois et qu'ils avaient formé de petites communautés, co-existant en paix en Chine. C'est pour lui une autre preuve de la tolérance de l'empire chinois. Si on compare l'image de la religion des lettrés chinois avec celle du peuple, le contraste est bien frappant. Voltaire identifie sa religion idéale avec celle des lettrés confucéens et il s'identifie avec Confucius. Il aime utliser la formule : "Je voux embrasse en Confucius" dans sa correspondance ; et plusieurs fois, dans les lettres à d'Alembert, il dit : "Je m'unis à vous en Socrate, en Confucius... ". Il écrit à Thieriot : " ... je n'aime de tous les gens de son espèce que Confucius, aussi j'ai son portrait dans mon oratoire, et je le révère comme je dois". Le goût exotique de l'époque n'est pas une explication pour justifier la passion de Voltaire pour Confucius. Il est fasciné par l'influence du confucianisme en Orient et il s'engage en faveur de la pensée confucéenne dans les débats philosophiques. Il est très important pour lui de démontrer que 'la religion' de Confucius n'est pas divinisée et il essaie de prouver, que le confucianisme qui influence énormément la politique chinoise n'est basé que sur 'les anciennes lois' du pays. La morale confucéenne s'appuie sur des règles, des devoirs de relations sociales ; les enseignements sont bâtis sur des lois anciennes et l'observation de la nature humaine. Voltaire y trouve le meilleur modèle pour illustrer sa philosophie. Il cite une grande quantité de maximes confucéennes sans préciser les sources ; il transforme librement ses jugements et ses interprétations en modifiant selon son goût et ses besoins. Voltaire pense que le temps du confucianisme est 'le temps le plus heureux et le plus respectable' de la terre. La sagesse, la tolérance, la bienveillance chez les empereurs chinois, la douceur et l'harmonie des moeurs chinoises présentent un charme irrésistible aux envahisseurs tartares. Cette image positive de la Chine voltarienne est essentiellement due à l'influence du confucianisme. Il n'ignore pas, que certains des ses contemporains européens ne partagent pas son enthousiasme. Les condamnations gravitent autour de la superstition, de l'idolâtrie et de l’athéisme. Voltaire constate que la connaissance des sciences et des arts, bien qu'existant depuis longtemps en Chine, a malgré tout fait peu de progrès, et que l'empire chinois 'anciennement policé' a bien besoin de l'aide des missionnaires européens. L'astronomie n'est pour lui pas qu'un exposé documentaire, elle lui fournit aussi une preuve de 'la police' de l'empire servant à démontrer le bien-fondé de ses idées philosophiques. Voltaire dit que les Chinois observent les éclipses depuis deux mille cent cinquante-cinq ans avant notre ère et il expose comment les Chinois ont appliqué cette science dans leur vie et dans l'usage du calendrier. Outre les observations, il remarque aussi l'usage des instruments astronomiques et il connaït la contribution des missionnaires. Il présente les inventions de la Chine : le papier, la poudre, la boussole, l'imprimerie et les usages 'des propriétés du triangle rectangle', les cloches, les quadriges et l'élevages des vers à soie. Il présente la porcelaine de Chine et l'imitation et l'influence de la porcelaine chinoise en Europe. Il cite l'usage des chariots armés and l'art de la guerre et la connaissance des mathématiques. Pour lui la théorie de la médecine chinoise n'est qu'ignorance et erreur. La Grande muraille et les grands canaux sont considérés par Voltaire comme les modèles exemplaires et incomparables de l'esprit humain. Il présente l'art dramatique, le roman et les spectacles en Chine, la peinture et il critique la musique. Voltaire loue aussi dans les arts et les belles-lettres chinoises la 'verité simple' qui vaut mieux que les 'paroles étranges', les 'comparaisons gigantesques et forcées' et les 'énigmes' qui existent dans tous les autres pays d'Asie. Il mentionne à plusieurs reprises les cinq grand classiques [Shi jing, Shu jing, Li ji, Yi jing, Chun qiu]. Si, déjà pour Voltaire, ces classiques étaient considérés comme un monument historique de la civilisation chinoise et und prouve d'ancienneté et supériorité de la culture, le public européen, en revanche, n'en a pris connaissance que tout récemment. Voltaire aime montrer le contraste entre la richesse et l'ancienneté des civilisations orientales et la pauvreté des connaissances occidentales. Il est fasciné par l'écriture et l'existence des caractères chinois lui fournit une autre preuve de l'ancienneté et du 'raffinement de la société' chinoise. Il condamne la langue chinoise comme facteur entravant les progrès scientifiques et qu'il propose même aux Chinois de romaniser leur langue afin d'améliorer le sort de la science chinoise. 1989 Etiemble : Voltaire est le premier qui tire de l'antiquité de la Chine toutes les conséquences qu'elle comporte. Avec beaucoup de ses contemporains, Voltaire a exalté, dans le gouvernement et les moeurs de la Chine, les qualités morales et politiques par lesquelles ces moeurs et ce gouvernement semblaient l'emporter sur les institutions et les usages de l'Europe. Il a pourtant regretté que les Chinois n'aient pas su porter les arts, les sciences et les techniques aussi loin que les peuples occidentaux. Mais, alors que beaucoup d'Européens, et notamment ceux des missionnaires qui déploraient l'imperfection chinoise, voyaient dans cette infériorité alléguée une preuve de la supériorité chrétienne, quelque goût que marquâ Voltaire pour les sciences de la nature, et quelque confiance qu'il affichât dans les progrès de l'esprit humain, la sinophilie systématique dont il faisait profession lui souffla des arguments pour absoudre les Chinois. C'est ainsi qu'il excuse ceux qui avaient inventé la boussole et la poudre de n’avoir pas cherché à en tirer le même parti que l'Occidcent. Voltaire approuve les Chinois de n'avoir perfectionné aucun des arts, aucune des sciences, puisqu'ils ont joui 'avec profusion de ce qu’ils connaissaient enfin ils étaient heureux autant que la nature humanie le comporte'. Pour admirer ses Chinois, il lui suffit qu'ils aient précédé dès longtems l'Europe "dans la connaissance de tous les arts nécessaires", étant bien entendu que l'art d'imprimer les livres entre tous est 'nécessaire'. Or, il lui plaît de répéter que la Chine était pleine d'imprimés quand nous ne savions ni lire ni écrire. Voltaire présente un idyllique tableau de la religion des Chinois, tableau qu'il est trop facile d'opposer aux erreurs et aux horreurs de la politique catholique ou chrétienne. Autant Voltaire est bien placé pour connaître les ridicules et les crimes de la religion qui se réclame du Christ, autant il es mal renseigné sur les religions de la Chine. Du bouddhisme abâtardi, des superstitions taosséistes, qu'il n'entrevoit qu'à travers ce que veulent bien lui en dire ses informateurs jésuites, il sait trop peu de chose. Toute sa science consiste à exalter, sous le nom des religions chinoises, la pensée que les jésuites prêtent à Confucius et qui serait en harmonie préétablie avec sa pensée à lui. Il est tout naturel que Voltaire ait pris contre les bouddhistes et leurs bonzes le parti des lettrés et du pouvoir central lorsque celui-ci, avec l'aide de l'administration confucéenne, essaya de mettre fin aux abus économiques, religieux et politiques qui se camouflaient sous la religion de Fo. 1990 Willi Berger : Voltaire steht im Mittelpunkt der europäischen China-Begeisterung des 18. Jahrhunderts. In seinem Werk sammelt sich alles zu einer kulturphilosophischen Ideologie, was an chinesischen Einflüssen und Anregungen bei andern Autoren verstreut erscheint oder nur ein gelegentliches Interesse erweckt hat. Dabei übernimmt er wie die meisten anderen die sinophil gefärbten Berichte der Jesuiten und verwendet sie für seine Zwecke. Voltaire versucht nicht, die fremde Kultur der eigenen möglichst anzunähern, er lässt sie vielmehr in ihrem kulturgeographischen und historischen Eigenwert gelten, fasst sie als Herausforderung auf, der sich Europa zu stellen hat und hebt immer wieder vor allem die Züge hervor, welche die eigenen Errungenschaften, die vermeintliche europäische Überlegenheit relativiert. Im einzelnen ist Voltaires China-Bild konventionell, es gibt die üblichen Lob-Topoi, die sich ausser auf das Alter der chinesischen Kultur auf die Grösse des Reiches, auf die Vorbildlichkeit des Regierungssystems, auf die Erfindung der Seiden-, Papier- und Porzellanherstellung, des Buchdrucks und des Schiesspulvers beziehen. Es gibt aber auch durchaus kritische Anmerkungen, so den Topos von der Stagnation der chinesischen Kultur im allgemeinen, wofür Voltaire die angeblich auf einer primitiven Entwicklungsstufe verharrende chinesische Sprache und Schrift zum Beweis nimmt. Dann übt er Kritik an der im Vergleich zu Europa mangelhaft entwickelten Medizin, an der chinesischen Musik und Malerei. Verwundert ist er über den astrologischen Aberglauben und er stellt fest, dass die Chinesen, wenn sie auch in der Astronomie und Geometrie weit früher als die Europäer zu grundlegenden Erkenntnissen vorgestossen sind, unfähig seien, darüber hinauszugehen. Voltaire leugnet nicht, dass alle Laster bei den Chinesen so gut existieren wie sonst in der Welt, nur, fügt er hinzu, dass man nicht das ganze China verdammen darf. Voltaires Urteil über den chinesischen Staat und die chinesische Kultur ist von einer unzweideutigen Sympathie geprägt. Wenn China eine Despotie ist, so ist es doch eine Despotie, die auf Tugend und Moral begründet ist, ein Land, das daher mit andern überhaupt nicht vergleichbar ist. Es ist aber nicht Tugendhaftigkeit an sich, die China regiert, sondern Tugendhaftigkeit als System, die Administration und Justiz. Es stört ihn keineswegs, dass im chinesischen Feudalismus die höchste richterliche Gewalt auch in den Händen des Kaisers lag, im Gegenteil : da der Kaiser nichts anderes sein kann als ein weiser Herrscher, der nicht allein das Gesetz verkörpert, sondern sich ihm zugleich unterwirft, ist jede Gefahr des Missbrauchs dieser Machtfülle gebannt. Voltaire verwahrt sich dagegen, dass man die Chinesen Atheisten nennt. Ihre Religion kennt zwar keine Jenseitsvorstellung mit den Belohnungen und Strafandrohungen des christlichen Glaubens, aber das ist nur ein Beweis für ihre 'Antiquité', denn auch der Pentateuch weiss nichts vom ewigen Leben. Wenn man sie, wie die Dominikaner etwa, der Idolatrie bezichtigt, so beruht das auf einem gründlichen Missverständnis ihrer Riten, man verwechselt einen häuslichen Schrein, wie er im Mittelpunkt der Ahnenverehrung steht, mit einem Altar, der eine gewöhnliche Ehrenbezeigung ist. Nie aber ist die chinesische Religion durch 'Fabeln', das heisst durch Legenden und Wundergeschichten entehrt, nie auch durch Streitigkeiten und Kriege beschmutzt worden. Diese Religion ist ersichtlich in der 'religion des lettrés', nämlich im Konfuzianismus. In dem geschönten Bild, das Voltaire gibt, ist zugleich eine Apologie jenes religiösen Rationalismus zu erkennen, den er selbst vertritt und dem er den Namen 'Deismus' gegeben hat. Keine Gnade findet das buddhistische und taoistische China. Die Anhänger Laozis nennt er eine Sekte, die an böse Geister, Zauberpraktiken und religiöses Blendwerk glaubt. Konfuzius ist für ihn kein Prophet, sondern vielmehr ein Weiser, der mit der Moral Epiktets verglichen werden kann. Das konfuzianische China als utopisches Modell einer idealen Gesellschaft, Konfuzius gleichsam als mythische Vorwegnahme der europäischen Aufklärung in China und Voltaire selbst wiederum, der in das Portrait dieses Konfuzius auch seine eigenen Züge, sein eigenes Selbstverständnis heimlich eingezeichnet hat, zeigt, wie sehr sein China-Verständnis und Aufklärungspropagande miteinander verschmolzen gewesen sind. 1992 Fang Weigui : Voltaire erschliesst dem europäischen historischen Bewusstsein einen völlig neuen Aspekt des Raumes und der Zeit und springt damit endgültig jenen traditionellen Rahmen des mittelalterlichen, auf die Theologie gegründetes Geschichtsbild mit dem Mittelmeergebiet als Zentrum. Er hat ein wunderschönes Bild von China gezeichnet, ein Bild des aufgeklärten Despotismus, in dem die 'Religion einfach, weise, gerecht und frei' sei. Deismus, naürliche Moral, religiöse Duldsamkeit, aufgeklärter Absolutismus usw., die Voltaire in 'seinem China' sieht, weisen grosse Ähnlichkeit mit den China-Vorstellungen von Leibniz und Wolff auf, während Voltaire unverkennbar eine Zeitkritik hervorhebt. Voltaire, der Hauptvertreter der China-Begeisterung in Frankreich und der Bekämpfer der Kirche, schöpft seine Kenntnis aus den Schriften der Jesuitenmissionare. Er wertet die chinesische Kultur im Dienst der Kritik gegen die religiösen und kirchlichen Autoritäten. Für ihn gibt es nichts sinnwidrigeres, als die Bekehrungsversuche der Jesuiten. 1996 Andreas Pigulla : Voltaire ist radikal in der Ablehnung der Bibel als Ausgangspunkt für Historiographie. Aus der Bibel abgeleitete Ursprungsvorstellungen und Wanderungshypothesen sind für ihn 'conjectures forcées'. Von der Schwierigkeit, den historischen Prozess Chinas in seiner Bewegungsqualität zu beurteilen, fühlt sich Voltaire befreit. Er stellt fest, dass die chinesische Zivilisation, und dies ist sein Schlüssel zur Erfassung der fremden Geschichte, 'incontestable dans les choses générales' ist. Dies ist für ihn aber kein Grund zur Kritik, denn Veränderung erscheint ihm hier auch nicht mehr notwendig : die chinesische Zivilisation ist für ihn auf dem denkbar höchsten Niveau angelangt. Der für die spätere Chinarezeption zentrale Topos der Stagnation wird von Voltaire nicht benutzt, wenngleich er durchaus Hinweise auf Entwicklungshemmungen registriert. Er verzichtet darauf, die besonderen Eigenschaften, die er den Chinesen zuschreibt, zur Abgrenzung einer überlegenen europäischen Zivilisation zu funktionalisieren. Damit würde er seinem primären Anliegen, anhand der idealisierenden Beschreibung Chinas seine Vorstellungen von rationalistischer Staatsverfassung in Form eines aufgeklärten Absolutismus und Deismus zu präsentieren, zuwiderlaufen. Obwohl er die Völkergeschichten nach wie vor in einer von Ost nach West verlaufenden Abfolge darstellt, sieht er sich nicht mehr an die Raumvorstellung der 'Vier Weltreiche' gebunden. China, ausserhalb dieses Konzepts, relativiert im 'Essai' den ehemals einlinig verlaufenden Entwicklungsgedanken. Voltaires Ausgangspunkt bei der Beschreibung Chinas ist sein 'principe de la raison universelle'. Im Kulturvergleich mit Europa hebt er die für ihn besonders vernünftige Staatsform des chinesischen Kaiserreichs hervor. Ideal findet er an ihr, dass nicht wie in Europa ein religiöser Aberglaube vorherrsche, sondern eine Bildungselite nach moralischen Werten den Herrscher anleiten könne. Gerade aber die 'opinion' gesellschaftlicher Eliten ist nach Voltaires Verständnis Ursache geschichtlicher Entwicklung, die solange anzudauern hat, bis das Ideal der Herrschaftsform und Gesellschaftsordnung gefunden ist. China dient ihm in herausragender Weise als Folie zur Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in Europa. Von dieser Konstellation abweichende Interpretationen der ostasiatischen und europäischen Kultur werden von ihm mit scharfer Kritik überzogen. Voltaires Einfluss auf Weltgeschichtsschreibung, Geschichtsphilosophie, Kulturgeschichtsschreibung und Chinarezeption der Spätaufklärung ist ausserordentlich gross. Er reicht allerdings nicht so weit, dass auch seine Perpektivierungen und Wertungen übernommen werden. 2003 Lee Eun-jeung : Voltaire betrachtet China mit den Augen eines Historikers. Er ist nicht von einer willkürlichen Systematik befangen, wie es bei Rousseau und Montesquieu der Fall ist. Deshalb geht er auch unbefangen an die ihm zur Verfügung stehenden Materialien heran. Er lässt sie vielmehr in ihrem kulturgeographischen und historischen Eigenwert gelten. Er fasst die chinesische Kultur als Herausforderung auf, der sich Europa zu stellen habe. In seiner Korrespondenz und in der Thematisierung des Chinesischen in seinen Werken, macht Voltaire deutlich, dass er die auf Toleranz und philosophische Gelassenheit gegründete chinesisch-konfuzianische Moral der fanatischen Unduldsamkeit des Christentums für überlegen hält. Er hebt die 'Anciennität' und Überlegenheit der chinesischen Kultur im Vergleich zur jüdisch-christlich-europäischen Kultur mit Nachdruck hervor, betont die viel weiter als die abendländische Geschichtsschreibung zurückreichende historische Überlieferung und die technischen Errungenschaften, die man in China viel früher als in Europa gemacht hat. Voltaire leugnet keineswegs, dass es in China, wie in allen anderen Ländern auch, Laster jeglicher Art gebe. Seine Sympathie gilt vor allem der staatlichen Organisation und der chinesischen Religion. Im Mittelpunkt der ersteren steht Konfuzius, der Gründer dieses vortrefflichen Gelehrten- und Beamtenstaates und ein Weiser, dessen Moral 'so rein und streng und zugleich ebenso human, wie die des Epictet' sei. Das konfuzianische China ist für ihn das Modell einer idealen Gesellschaft und er benutzt es als Waffe in seinen antiklerikalen Attacken. 2003 Werner Lühmann : Voltaires Scharfsinn seiner Gedanken und die Prägnanz seiner in zahlreichen Schriften gedruckten Äusserungen zu Geschichte und Philosophie, zur Staatslehre und zu Fragen der praktischen Moral trugen ebenso wie sein persönlicher Einfluss auf die Grossen der Zeit nicht wenig zu einer neuen kritischeren Sicht vieler Bereiche des geistigen und kulturellen Lebens am Vorabend der Französischen Revolution bei. Hierbei unterzog Voltaire auch die hochgerühmte Sittenlehre der Konfuzianer einer zwar in mancherlei Hinsicht voreingenommenen, gleichwohl aber genauen und differenzierenden Prüfung, an deren Ende eine teils wohlwollende, teils aber auch kritische Neubewertung stand. Zunächst berichtet er detailliert über die verschiedensten Aspekte der wirtschaftlichen Lebens der Chinesen, erwähnt deren rasches Bevölkerungswachstum und die sich daraus ergebenden Probleme, um sich dann den Wissenschaften sowie der aus seiner Sicht staatstragenden konfuzianischen Morallehre zuzuwenden. Dabei gilt seine Bewunderung im besonderen dem Prinzip des Gehorsams auf der einen wie dem der Fürsorge auf der anderen Seite. Das Kapitel über die Religion beginnt Voltaire mit dem Hinweis auf die Gerechtigkeit als dem Hauptmerkmal der von Konfuzius begründeten Sittenlehre der Chinesen. Was dem Vertreter eines aufgeklärten Deismus indessen am meisten beeindruckt, ist die nach seiner Meinung in der konfuzianischen Lehre aufscheinende Vorstellung eines abstrakten Gottesbegriffs, womit zugleich dem Vorwurf begegnet werden könne, die Chinesen seien streng betrachtet eigentlich ein Volk von Atheisten. Ein durch die allgemeinen Naturgesetze begründete universelle Moral, deren vornehmste Ausprägung das Ideal der Gerechtigkeit ist, scheint nach Auffassung Voltaires in der konfuzianischen Staatslehre auf. |
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4 | 1787 |
Herder, Johann Gottfried. Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit [ID D1955]. Quellen : Le Comte, Louis. Nouveaux mémoires sur l'état de la Chine [ID D1771]. Du Halde, Jean-Baptiste. Description géographique... [ID D1819]. Mémoires concernant l'histoire, les sciences, les arts [ID D1867]. Gaubil, Antoine. Le Chou-king [ID D1856]. [Shu jing]. Pallas, Peter Simon. Sammlung historischer Nachrichten über die mongolischen Völkerschaften [ID D16796]. Quelle zu Tibet : Georgi, Agustin Antonio. Alphabetum tibetanum [ID D17081]. Herder schreibt zu seinen Quellen : Um die fleissigen Versuche eines Deguignes, Bayers, Gatterers u.a., die kühneren Hypothesen Baillys, Pauws, Delisle u.f., die nützlichen Bemühungen in Sammlung und Bekanntmachung asiatischer Sprache und Schriften sind Vorarbeiten zu einem Gebäude, dessen ersten sichern Grundstein ich zu sehen wünschte. Im umfangreichen handschriftlichen Nachlass Herders in der Staatbibliothek Berlin, befinden sich eine Reihe von Büchern über China und Ostasien, sowie Zusammenfassungen des Shu jing und Yi jing. Herder schreibt : Südwärts am Fluss der grossen Asiatischen Gebürge haben sich, so viel uns aus der Geschichte bekannt ist, die ältesten Reiche und Staaten der Welt gebildet ; auch giebt uns die Naturgeschichte dieses Welttheils Ursachen an die Hand, warum sie sich nicht sowohl Nord- als Südwärts bilden konnten… In diesem hohen, zerschnittenen, steilabhängigen Lande, der Steppen- und Bergregion unsrer alten Welt, mussten also lange Zeit und in manchen Strichen vielleicht immer, Sarmaten und Scythen, Mongolen und Tatern, halbwilde Jäger und Nomaden wohnen. Das Bedürfniss und die Gegend machte die Menschen barbarisch : eine einmal gewohnte Gedankenlose Lebensart bevestigte sich in den abgetrennten oder umherziehenden Stämmen und bildete bei roheren Sitten jenen beinah ewigen National-Charakter, der alle Nord-Asiatischen Stämme von den südlichen Völkern so ganz unterscheidet… Da aber, was die Vernunft noch nicht thun kann, der Despotismus thun muss, so entstanden im südlichen Asien jene Gebäude der Policeien und Religionen, die uns wie Pyramiden und Götzentempel der alten Welt in ewigen Traditionen dastehn ; schätzbare Denkmale für die Geschichte der Menschheit, die uns in jeder Trümmer zeigen, wie viel der Bau der Menschen-Vernunft unserm Geschlecht gekostet habe. Sina Im östlichen Winkel Asiens unter dem Gebirge liegt ein Land, das an Alter und Kultur sich selbst das Erste aller Länder, die Mittelblume der Welt nennt, gewiß aber eins der ältesten und merkwürdigsten ist: Sina. Kleiner als Europa, rühmt es sich einer größern Anzahl Einwohner, als in Verhältnis dieser volkreiche Weltteil hat; denn es zählt in sich über 25 Millionen und zweimal Hunderttausend steuernde Ackerleute, 1572 große und kleine Städte, 1193 Kastelle, 3158 steinerne Brücken, 2796 Tempel, 2606 Klöster, 10809 alte Gebäude u. f.181, welche alle von den 18 Statthalterschaften, in welche das Reich geteilt ist, samt Bergen und Flüssen, Kriegsleuten und Gelehrten, Produkten und Waren in langen Verzeichnissen jährlich aufgestellt werden. Mehrere Reisende sind darüber einig, daß außer Europa und etwa dem alten Ägypten wohl kein Land so viel an Wege und Ströme, an Brücken und Kanäle, selbst an künstliche Berge und Felsen gewandt habe als Sina, die, nebst der Großen Mauer, alle doch vom geduldigen Fleiß menschlicher Hände zeugen. Von Kanton bis nahe bei Peking kommt man zu Schiff, und so ist das ganze mit Bergen und Wüsten durchschnittene Reich durch Landstraßen, Kanäle und Ströme mühsam verbunden; Dörfer und Städte schwimmen auf Flüssen, und der innere Handel zwischen den Provinzen ist reg und lebendig. Der Ackerbau ist die Grundsäule ihrer Verfassung: man spricht von blühenden Getreide- und Reisfeldern, von künstlich gewässerten Wüsten, von urbar gemachten wilden Gebirgen; an Gewächsen und Kräutern wird gepflegt und genutzt, was genutzt werden kann; so auch Metalle und Mineralien, außer dem Golde, das sie nicht graben. Tierreich ist das Land, fischreich die Seen und Ströme; der einzige Seidenwurm ernährt viele Tausende fleißiger Menschen. Arbeiten und Gewerbe sind für alle Klassen des Volks und für alle Menschenalter, selbst für Abgelebte, Blinde und Taube. Sanftmut und Biegsamkeit, gefällige Höflichkeit und anständige Gebärden sind das Alphabet, das der Sinese von Kindheit auf lernt und durch sein Leben hin unablässig übt. Ihre Polizei und Gesetzgebung ist Regelmäßigkeit und genau bestimmte Ordnung. Das ganze Staatsgebäude in allen Verhältnissen und Pflichten der Stände gegeneinander ist auf die Ehrerbietung gebaut, die der Sohn dem Vater und alle Untertanen dem Vater des Landes schuldig sind, der sie durch jede ihrer Obrigkeiten wie Kinder schützt und regiert: könnte es einen schönern Grundsatz der Menschenregierung geben? Kein erblicher Adel; nur Adel des Verdienstes soll gelten in allen Ständen; geprüfte Männer sollen zu Ehrenstellen kommen, und diese Ehrenstellen allein geben Würde. Zu keiner Religion wird der Untertan gezwungen und keine, die nicht den Staat angreift, wird verfolgt; Anhänger der Lehre Konfuzius', des Laotse und Fo, selbst Juden und Jesuiten, sobald sie der Staat aufnimmt, wohnen friedlich nebeneinander. Ihre Gesetzgebung ist auf Sittenlehre, ihre Sittenlehre auf die heiligen Bücher der Vorfahren unabänderlich gebaut: der Kaiser ihr oberster Priester, der Sohn des Himmels, der Bewahrer der alten Gebräuche, die Seele des Staatskörpers durch alle seine Glieder; könnte man sich, wenn jeder dieser Umstände bewährt und jeder Grundsatz in lebendiger Ausübung wäre, eine vollkommenere Staatsverfassung denken? Das ganze Reich wäre ein Haus tugendhafter, wohlerzogner, fleißiger, sittsamer, glücklicher Kinder und Brüder. Jedermann kennet die vorteilhaften Gemälde der sinesischen Staatsverfassung, die insonderheit von den Missionarien nach Europa geschickt und daselbst nicht nur von spekulativen Philosophen, sondern von Staatsmännern sogar, beinah als politische Ideale bewundert wurden; bis endlich, da der Strom menschlicher Meinungen sich in entgegengesetzten Winkeln fortbricht, der Unglaube erwachte und ihnen weder ihre hohe Kultur noch selbst ihre sonderbare Eigentümlichkeit zugestehen wollte. Einige dieser europäischen Einwürfe haben das Glück gehabt, in Sina selbst, obgleich ziemlich sinesisch, beantwortet zu werden, und da die meisten Grundbücher ihrer Gesetzgebung und Sittenverfassung samt der weitläuftigen Geschichte ihres Reichs und einigen gewiß unparteiischen Nachrichten vor uns liegen, so wäre es übel, wenn sich nicht endlich ein Mittelweg zwischen dem übertriebnen Lobe und Tadel, wahrscheinlich die richtige Straße der Wahrheit, auffinden ließe. Die Frage über das chronologische Altertum ihres Reichs können wir dabei völlig an ihren Ort gestellt sein lassen; denn so wie der Ursprung aller Reiche des Erdbodens mit Dunkel umhüllt ist, so mag es dem Forscher der Menschengeschichte gleichgültig sein, ob dies sonderbare Volk zu seiner Bildung ein paar Jahrtausende mehr oder minder bedurft habe; genug, wenn es diese Bildung sich selbst gab und wir sogar in seinem langsamen Gange die Hindernisse wahrnehmen, warum es nicht weiterkommen konnte. Und diese Hindernisse liegen in seinem Charakter, im Ort seiner Wohnung und in seiner Geschichte uns klar vor Augen. Mongolischer Abkunft ist die Nation, wie ihre Bildung, ihr grober oder verschrobener Geschmack, ja selbst ihre sinnreiche Künstlichkeit und der erste Wohnsitz ihrer Kultur zeigt. Im nördlichen Sina herrschten ihre ersten Könige: hier wurde der Grund zu dem halbtatarischen Despotismus gelegt, der sich nachher, mit glänzenden Sittensprüchen überzogen, durch mancherlei Revolutionen bis ans Südmeer hinab verbreitet. Eine tatarische Lehnverfassung war Jahrhunderte hin das Band, das die Vasallen an den Herrscher knüpfte, und die vielen Kriege dieser Vasallen gegeneinander, die öftern Umstürze des Throns durch ihre Hände, ja selbst die ganze Hofhaltung des Kaisers, seine Regentschaft durch Mandarinen, eine uralte Einrichtung, die nicht erst die Dschengis-Khaniden oder Mandschu nach Sina gebracht haben; alle dies zeigt, welcher Art und welches genetischen Charakters die Nation sei: ein Gepräge, das man bei der Ansicht des Ganzen und seiner Teile, bis auf Kleider, Speisen, Gebräuche, häusliche Lebensart, die Gattungen ihrer Künste und ihres Vergnügens, schwerlich aus den Augen verliert. Sowenig nun ein Mensch seinen Genius, d.i. seine angeborne Stammart und Komplexion, zu ändern vermag, sowenig konnte auch durch jede künstliche Einrichtung, wenn sie gleich jahrtausendelang währte, dies nordöstliche Mongolenvolk seine Naturbildung verleugnen. Es ist auf diese Stelle der Erdkugel hingepflanzt, und wie die Magnetnadel in Sina nicht die europäische Abweichung hat, so konnten aus diesem Menschenstamme in dieser Region auch niemals Griechen und Römer werden. Sinesen waren und blieben sie, ein Volksstamm mit kleinen Augen, einer stumpfen Nase, platter Stirn, wenig Bart, großen Ohren und einem dicken Bauch von der Natur begabt; was diese Organisation hervorbringen konnte, hat sie hervorgebracht, etwas anders kann man von ihr nicht fordern. Alle Nachrichten sind darüber einig, daß sich die mongolische Völkerschaften auf der nordöstlichen Höhe Asiens durch eine Feinheit des Gehörs auszeichnen, die sich bei ihnen ebensowohl erklären läßt, als man sie bei andern Nationen vergebens suchen würde; die Sprache der Sinesen ist von dieser Feinheit des Gehörs Zeuge. Nur ein mongolisches Ohr konnte darauf kommen, aus dreihundertdreißig Silben eine Sprache zu formen, die sich bei jedem Wort durch fünf und mehrere Akzente unterscheiden muß, um nicht statt Herr eine Bestie zu nennen und jeden Augenblick die lächerlichsten Verwirrungen zu sagen; daher ein europäisches Ohr und europäische Sprachorgane sich äußerst schwer oder niemals an diese hervorgezwungene Silbenmusik gewöhnen. Welch ein Mangel an Erfindungskraft im Großen und welche unselige Feinheit in Kleinigkeiten gehörte dazu, dieser Sprache aus einigen rohen Hieroglyphen die unendliche Menge von achtzigtausend zusammengesetzten Charakteren zu erfinden, in welchen sich nach sechs und mehr Schriftarten die sinesische Nation unter allen Völkern der Erde auszeichnet! Eine mongolische Organisation gehörte dazu, um sich in der Einbildungskraft an Drachen und Ungeheuer, in der Zeichnung an jene sorgsame Kleinfügigkeit unregelmäßiger Gestalten, in den Vergnügungen des Auges an das unförmliche Gemisch ihrer Gärten, in ihren Gebäuden an wüste Größe oder pünktliche Kleinheit, in ihren Aufzügen, Kleidungen und Lustbarkeiten an jene eitle Pracht, an jene Laternenfeste und Feuerwerke, an lange Nägel und zerquetschte Füße, an einen barbarischen Troß von Begleitern, Verbeugungen, Cerimonien, Unterschieden und Höflichkeiten zu gewöhnen. Es herrscht in alle diesem so wenig Geschmack an wahrem Naturverhältnis, so wenig Gefühl von innrer Ruhe, Schönheit und Würde, daß immer nur eine verwahrloste Empfindung auf diesen Gang der politischen Kultur kommen und sich von demselben so durchaus modeln lassen konnte. Wie die Sinesen das Goldpapier und den Firnis, die sauber gemalten Züge ihrer krausen Charaktere und das Geklingel schöner Sentenzen unmäßig lieben, so ist auch die Bildung ihres Geistes diesem Goldpapier und diesem Firnis, den Charakteren und dem Schellenklange ihrer Silben durchaus ähnlich. Die Gabe der freien, großen Erfindung in den Wissenschaften scheint ihnen, wie mehreren Nationen dieser Erdecke, die Natur versagt zu haben; dagegen sie ihren kleinen Augen jenen gewandten Geist, jene listige Betriebsamkeit und Feinheit, jenes Kunsttalent der Nachahmung in allem, was ihre Habsucht nützlich findet, mit reicher Hand zuteilte. In ewigem Gange, in ewiger Beschäftigung gehen und kommen sie des Gewinnes und Dienstes wegen, so daß man sie auch in ihrer höchstpolitischen Form immer noch für ziehende Mongolen halten könnte; denn bei allen ihren unzähligen Einteilungen haben sie die Einteilung noch nicht gelernt, Bewerbsamkeit mit Ruhe also zu gatten, daß jede Arbeit einen jeden auf seiner Stelle finde. Ihre Arzneikunst wie ihr Handel ist ein feines, betrügerisches Pulsfühlen, welches ihren ganzen Charakter in seiner sinnlichen Feinheit und erfindungslosen Unwissenheit malt. Das Gepräge des Volks ist eine merkwürdige Eigenheit in der Geschichte, weil es zeigt, was durch hochgetriebne politische Kultur aus einem Mongolenvolk, unvermischt mit andern Nationen, werden oder nicht werden konnte; denn daß die Sinesen in ihrer Erdecke sich, wie die Juden, von der Vermischung mit andern Völkern frei erhalten haben, zeigt schon ihr eitler Stolz, wenn es sonst nichts zeigte. Einzelne Kenntnisse mögen sie erlangt haben, woher sie wollten; das ganze Gebäude ihrer Sprache und Verfassung, ihrer Einrichtung und Denkart ist ihnen eigen. Wie sie das Einimpfen der Bäume nicht lieben, so stehen auch sie, trotz mancher Bekanntschaft mit andern Völkern, noch jetzt uneingeimpft da, ein mongolischer Stamm, in einer Erdecke der Welt zur sinesischen Sklavenkultur verartet. Alle Kunstbildung der Menschen geschieht durch Erziehung; die Art der sinesischen Erziehung trug nebst ihrem Nationalcharakter mit dazu bei, warum sie das, was sie sind, und nicht mehr wurden. Da nach mongolischer Nomadenart kindlicher Gehorsam zum Grunde aller Tugenden, nicht nur in der Familie, sondern jetzt auch im Staat, gemacht werden sollte, so mußte freilich daher mit der Zeit jene scheinbare Sittsamkeit, jenes höfliche Zuvorkommen erwachsen, das man als einen Charakterzug der Sinesen auch mit feindlicher Zunge rühmt; allein was gab dieser gute Nomadengrundsatz in einem großen Staat für Folgen? Als in ihm der kindliche Gehorsam keine Grenzen fand, indem man dem erwachsnen Mann der selbst Kinder und männliche Geschäfte hat, dieselbe Pflicht auflegte, die nur dem unerzognen Kinde gebührte, ja, als man diese Pflicht auch gegen jede Obrigkeit festsetzte, die doch nur im bildlichen Verstande durch Zwang und Not nicht aber aus süßem Naturtriebe den Namen des Vaters führt: was konnte, was mußte daher anders entstehen, als daß indem man trotz der Natur ein neues menschliches Herz schaffen wollte, man das wahre Herz der Menschen zur Falschheit gewöhnte? Wenn der erwachsne Mann noch kindischen Gehorsam bezeugen soll, so muß er die selbstwirksame Kraft aufgeben, die die Natur in seinen Jahren ihm zur Pflicht machte; leere Cerimonien treten an die Stelle der herzlichen Wahrheit, und der Sohn, der gegen seine Mutter, solange der Vater lebte, in kindlicher Ergebenheit hinschwamm, vernachlässigt sie nach seinem Tode, sobald nur das Gesetz sie eine Konkubine heißt. Gleichergestalt ist's mit den kindlichen Pflichten gegen die Mandarinen: sie sind kein Werk der Natur, sondern des Befehls; Gebräuche sind sie, und wenn sie gegen die Natur streben, so werden sie entkräftende, falsche Gebräuche. Daher der Zwiespalt der sinesischen Reichs- und Sittenlehre mit ihrer wirklichen Geschichte. Wie oft haben die Kinder des Reichs ihren Vater vom Thron gestoßen, wie oft die Väter gegen ihre Kinder gewütet! Geizige Mandarine lassen Tausende verhungern und werden, wenn ihr Verbrechen vor den höheren Vater kommt, mit elenden Stockschlägen wie Knaben unwirksam gezüchtigt. Daher der Mangel an männlicher Kraft und Ehre, den man selbst in den Gemälden ihrer Helden und Großen wahrnimmt: die Ehre ist kindliche Pflicht geworden, die Kraft ist in modische Achtsamkeit gegen den Staat verartet; kein edles Roß ist im Dienst, sondern ein gezähmter Maulesel, der in Gebräuchen von Morgen bis zum Abende gar oft die Rolle des Fuchses spielt. Notwendig mußte diese kindische Gefangenschaft der menschlichen Vernunft, Kraft und Empfindung auf das ganze Gebäude des Staats einen schwächenden Einfluß haben. Wenn einmal die Erziehung nichts als Manier ist, wenn Manieren und Gebräuche alle Verhältnisse des Lebens nicht nur binden, sondern auch überwältigen: welche Summen von Wirksamkeit verliert der Staat! zumal die edelste Wirksamkeit des menschlichen Herzens und Geistes. Wer erstaunt nicht, wenn er in der sinesischen Geschichte auf den Gang und die Behandlung ihrer Geschäfte merkt, mit wie vielem ein Nichts getan werde! Hier tut ein Kollegium, was nur einer tun muß, damit es recht getan sei; hier wird gefragt, wo die Antwort daliegt; man kommt und geht, man schiebt auf und weicht aus, nur um das Cerimoniel des kindlichen Staatsrespekts nicht zu verfehlen. Der kriegerische sowohl als der denkende Geist sind fern von einer Nation, die auf warmen Öfen schläft und von Morgen bis zum Abende warm Wasser trinkt. Nur der Regelmäßigkeit im gebahnten Wege, dem Scharfsinn in Beobachtung des Eigennutzes und tausend schlauer Künste, der kindischen Vieltätigkeit ohne den Überblick des Mannes, der sich fragt, ob dies auch nötig zu tun sei und ob es nicht besser getan werden möge: nur diesen Tugenden ist in Sina der königliche Weg eröffnet. Der Kaiser selbst ist in dies Joch gespannt; er muß mit gutem Beispiel vorgehen und wie der Flügelmann jede Bewegung übertreiben. Er opfert im Saal seiner Vorfahren nicht nur an Festtagen, sondern soll bei jedem Geschäft, in jedem Augenblick seines Lebens den Vorfahren opfern und wird mit jedem Lobe und jedem Tadel vielleicht gleich ungerecht bestraft. Kann man sich wundern, daß eine Nation dieser Art nach europäischem Maßstabe in Wissenschaften wenig erfunden, ja, daß sie Jahrtausende hindurch sich auf derselben Stelle erhalten habe? Selbst ihre Moral- und Gesetzbücher gehen immer im Kreise umher und sagen auf hundert Weisen genau und sorgfältig mit regelmäßiger Heuchelei von kindlichen Pflichten immer dasselbe. Astronomie und Musik, Poesie und Kriegskunst, Malerei und Architektur sind bei ihnen, wie sie vor Jahrhunderten waren, Kinder ihrer ewigen Gesetze und unabänderlich-kindischen Einrichtung. Das Reich ist eine balsamierte Mumie, mit Hieroglyphen bemalt und mit Seide umwunden; ihr innerer Kreislauf ist wie das Leben der schlafenden Wintertiere. Daher die Absonderung, Behorchung und Verhinderung jedes Fremden; daher der Stolz der Nation, die sich nur mit sich selbst vergleicht und das Auswärtige weder kennt noch liebt. Es ist ein Winkelvolk auf der Erde, vom Schicksal außer den Zusammendrang der Nationen gesetzt und eben dazu mit Bergen, Wüsten und einem beinah buchtlosen Meer verschanzt. Außer dieser Lage würde es schwerlich geblieben sein, was es ist; denn daß seine Verfassung gegen die Mandschu standgehalten hat, beweist nichts, als daß sie in sich selbst gegründet war und daß die roheren Überwinder zu ihrer Herrschaft einen solchen Lehnstuhl kindlicher Sklaverei sehr bequem fanden. Sie dorften nichts an ihm ändern, sie setzten sich drauf und herrschten. Dagegen die Nation in jedem Gelenk ihrer selbsterbauten Staatsmaschine so sklavisch dient, als ob es eben zu dieser Sklaverei erfunden wäre. Alle Nachrichten von der Sprache der Sinesen sind darüber einig, daß sie zur Gestalt dieses Volks in seiner künstlichen Denkart unsäglich viel beigetragen habe; denn ist nicht jede Landessprache das Gefäß, in welchem sich die Ideen des Volks formen, erhalten und mitteilen? Zumal wenn eine Nation so stark als diese an ihrer Sprache hängt und von ihr alle Kultur herleitet. Die Sprache der Sinesen ist ein Wörterbuch der Moral, d.i. der Höflichkeit und guten Manieren: Nicht nur Provinzen und Städte, sondern selbst Stände und Bücher unterscheiden sich in ihr, so daß der größte Teil ihres gelehrten Fleißes bloß auf ein Werkzeug verwandt wird, ohne daß noch mit dem Werkzeuge irgend etwas ausgerichtet werde. An regelmäßigen Kleinigkeiten hängt in ihr alles; sie sagt mit wenigen Lauten viel, um mit vielen Zügen einen Laut und mit vielen Büchern ein und dasselbe herzumalen. Welch ein unseliger Fleiß gehört zum Pinseln und Druck ihrer Schriften! Eben dieser Fleiß aber ist ihre Lust und Kunst, da sie sich an schönen Schriftzügen mehr als an der zaubervollsten Malerei ergötzen und das einförmige Geklingel ihrer Sittensprüche und Komplimente als eine Summe der Artigkeit und Weisheit lieben. Nur ein so großes Reich und die Arbeitseligkeit des Sinesen gehört dazu, um z.B. von der einzigen Stadt Kai-fong-fu vierzig Bücher in acht großen Bänden zu malen186 und diese mühsame Genauigkeit auf jeden Befehl und Lobspruch des Kaisers zu verbreiten. Sein Denkmal über die Auswanderung der Torguts ist ein ungeheures Buch auf Steinen187, und so ist die ganze gelehrte Denkart der Sinesen in künstliche und Staatshieroglyphen vermalt. Unglaublich muß der Unterschied sein, mit dem diese Schriftart allein schon auf die Seele wirkt, die in ihr denkt. Sie entnervt die Gedanken zu Bilderzügen und macht die ganze Denkart der Nation zu gemalten oder in die Luft geschriebenen willkürlichen Charakteren. Mitnichten ist diese Entwicklung der sinesischen Eigenheit eine feindselige Verachtung derselben; denn sie ist Zug für Zug aus den Berichten ihrer wärmsten Verteidiger geschöpft und könnte mit hundert Proben aus jeder Klasse ihrer Einrichtungen bewiesen werden. Sie ist auch nichts als Natur der Sache, d. i. die Darstellung eines Volks, das sich in einer solchen Organisation und Weltgegend, nach solchen Grundsätzen, mit solchen Hülfsmitteln, unter solchen Umständen im grauen Altertum bildete und wider den gewöhnlichen Lauf des Schicksals unter andern Völkern seine Denkart so lange bewahrte. Wenn das alte Ägypten noch vor uns wäre, so würden wir, ohne von einer gegenseitigen Ableitung träumen zu dürfen, in vielen Studien eine Ähnlichkeit sehen, die nach gegebnen Traditionen nur die Weltgegend anders modifizierte. So wäre es mit mehreren Völkern, die einst auf einer ähnlichen Stufe der Kultur standen; nur diese sind fortgerückt oder untergegangen und mit andern vermischt worden; das alte Sina am Rande der Welt ist wie eine Trümmer der Vorzeit in seiner halbmongolischen Einrichtung stehengeblieben. Schwerlich ist's zu beweisen, daß die Grundzüge seiner Kultur von Griechen aus Baktra oder von Tatern aus Balkh hinübergebracht wären; das Gewebe seiner Verfassung ist gewiß einheimisch und die wenige Einwirkung fremder Völker auf dasselbe leicht zu erkennen und abzusondern. Ich ehre die Kings ihrer vortrefflichen Grundsätze wegen wie ein Sineser, und der Name Konfuzius ist mir ein großer Name, ob ich die Fesseln gleich nicht verkenne, die auch er trug und die er mit bestem Willen dem abergläubigen Pöbel und der gesamten sinesischen Staatseinrichtung durch seine politische Moral auf ewige Zeiten aufdrang. Durch sie ist dies Volk, wie so manche andere Nation des Erdkreises, mitten in seiner Erziehung, gleichsam im Knabenalter, stehengeblieben, weil dies mechanische Triebwerk der Sittenlehre den freien Fortgang des Geistes auf immer hemmte und sich im despotischen Reich kein zweiter Konfuzius fand. Einst, wenn sich entweder der ungeheure Staat teilt oder wenn aufgeklärtere Kien-Longs den väterlichen Entschluß fassen werden, was sie nicht ernähren können, lieber als Kolonien zu versenden, das Joch der Gebräuche zu erleichtern und dagegen eine freiere Selbsttätigkeit des Geistes und Herzens, freilich nicht ohne mannigfaltige Gefahr, einzuführen: alsdenn, aber auch alsdenn werden Sinesen immer nur Sinesen bleiben, wie Deutsche Deutsche sind und am östlichen Ende Asiens keine alten Griechen geboren werden. Es ist die offenbare Absicht der Natur, daß alles auf der Erde gedeihe, was auf ihr gedeihen kann, und daß eben diese Verschiedenheit der Erzeugungen den Schöpfer preise. Das Werk der Gesetzgebung und Moral, das als einen Kinderversuch der menschliche Verstand in Sina gebaut hat, findet sich in solcher Festigkeit nirgend sonst auf der Erde; es bleibe an seinem Ort, ohne daß je in Europa ein abgeschlossenes Sina voll kindlicher Pietät gegen seine Despoten werde. Immer bleibt dieser Nation der Ruhm ihres Fleißes, ihres sinnlichen Scharfsinns, ihrer feinen Künstlichkeit in tausend nützlichen Dingen. Das Porzellan und die Seide, Pulver und Blei, vielleicht auch den Kompaß, die Buchdruckerkunst, den Brückenbau und die Schiffskunst nebst vielen andern feinen Hantierungen und Künsten kannten sie, ehe Europa solche kannte; nur daß es ihnen fast in allen Künsten am geistigen Fortgange und am Triebe zur Verbesserung fehlt. Daß übrigens Sina sich unsern europäischen Nationen verschließt und sowohl Holländer als Russen und Jesuiten äußerst einschränkt, ist nicht nur mit ihrer ganzen Denkart harmonisch, sondern gewiß auch politisch zu billigen, solange sie das Betragen der Europäer in Ostindien und auf den Inseln, in Nordasien und in ihrem eignen Lande um und neben sich sehen. Taumelnd von tatarischem Stolz, verachten sie den Kaufmann, der sein Land verläßt, und wechseln betrügliche Ware gegen das, was ihnen das Sicherste dünkt: sie nehmen sein Silber und geben ihm dafür Millionen Pfunde entkräftenden Tees zum Verderben Europas. Tibet Zwischen den großen asiatischen Gebirgen und Wüsteneien hat sich ein geistliches Kaisertum errichtet, das in seiner Art wohl das einzige der Welt ist; es ist das große Gebiet der Lamas. Zwar ist die geistliche und weltliche Macht in kleinen Revolutionen bisweilen getrennt gewesen, zuletzt aber sind beide immer wieder vereinigt worden, so daß hier, wie nirgend anders, die ganze Verfassung des Landes auf dem kaiserlichen Hohepriestertum ruht. Der große Lama wird nach der Lehre der Seelenwanderung vom Gott Schaka oder Fo belebt, der bei seinem Tode in den neuen Lama fährt und ihn zum Ebenbilde der Gottheit weiht. In festgesetzten Ordnungen der Heiligkeit zieht sich von ihm die Kette der Lamas herab, und man kann sich in Lehren, Gebräuchen und Einrichtungen kein festgestellteres Priesterregiment denken, als auf dieser Erdhöhe wirklich thront. Der oberste Besorger weltlicher Geschäfte ist nur Statthalter des obersten Priesters, der, den Grundsätzen seiner Religion nach, voll göttlicher Ruhe in einem Palasttempel wohnt. Ungeheuer sind die Fabeln der lamaischen Weltschöpfung, grausam die gedrohten Strafen und Büßungen ihrer Sünden, aufs höchste unnatürlich der Zustand, zu welchem ihre Heiligkeit aufstrebt: er ist entkörperte Ruhe, abergläubische Gedankenlosigkeit und Klosterkeuschheit. Und dennoch ist kaum ein Götzendienst so weit als dieser auf der Erde verbreitet; nicht nur Tibet und Tangut, der größte Teil der Mongolen, die Mandschu, Kalkas, Eluthen u. f. verehrten, den Lama; und wenn sich in neueren Zeiten einige von der Anbetung seiner Person losrissen, so ist doch ein Stückwerk von der Religion des Schaka das einzige, was diese Völker von Glauben und Gottesdienst haben. Aber auch südlich zieht sich diese Religion weit hin; die Namen Sommona-Kodom, Schaktscha-Tuba, Sangol-Muni, Schige-Muni, Buddha, Fo, Schekia sind alle eins mit Schaka, und so geht diese heilige Mönchslehre, wenngleich nicht überall mit der weitläuftigen Mythologie der Tibetaner, durch Indostan, Ceylon, Siam, Pegu, Tonkin bis nach Sina, Korea und Japan. Selbst in Sina sind Grundsätze des Fo der eigentliche Volksglaube; dagegen die Grundsätze Konfuzius' und Laotse nur Gattungen einer politischen Religion und Philosophie sind unter den obern, d. i. den gelehrten Ständen. Der Regierung daselbst ist jede dieser Religionen gleichgültig; ihre Sorge ist nicht weiter gegangen, als daß sie die Lamas und Bonzen dem Staat unschädlich zu machen, sie von der Herrschaft des Dalai-Lama trennte. Japan vollends ist lange Zeit ein halbes Tibet gewesen; der Dairi war der geistliche Oberherr und der Kubo sein weltlicher Diener, bis dieser die Herrschaft an sich riß und jenen zum bloßen Schatten machte: ein Schicksal, das im Lauf der Dinge liegt und gewiß einmal auch das Los des Lamas sein wird. Nur durch die Lage seines Reichs, durch die Barbarei der mongolischen Stämme, am meisten aber durch die Gnade des Kaisers in Sina ist er so lange, was er ist, geblieben. Auf den kalten Bergen in Tibet entstand die lamaische Religion gewiß nicht; sie ist das Erzeugnis warmer Klimate, ein Geschöpf menschlicher Halbseelen, die die Wohllust der Gedankenlosigkeit in körperlicher Ruhe über alles lieben. Nach den rauhen tibetanischen Bergen, ja nach Sina selbst ist sie nur im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung kommen, da sie sich denn in jedem Lande nach des Landes Weise verändert. In Tibet und Japan wurde sie hart und strenge, unter den Mongolen ist sie beinah ein wirksamer Aberglaube worden; dagegen Siam, Indostan und die Länder, die ihnen gleichen, sie als Naturprodukte ihres warmen Klima aufs mildeste nähren. Bei so verschiedner Gestalt hat sie auch ungleiche Folgen auf jeden Staat gehabt, in dem sie lebte. In Siam, Indostan, Tunkin u. f. schläfert sie die Seelen ein; sie macht mitleidig und unkriegerisch, geduldig, sanft und träge. Die Talapoinen streben nicht nach dem Thron; bloße Almosen sind's, um die sie menschliche Sünden büßen. In hartem Ländern, wo das Klima den müßigen Beter nicht so leicht nährt, mußte ihre Einrichtung auch künstlicher werden, und so machte sie endlich den Palast zum Tempel. Sonderbar ist der Unzusammenhang, in welchem die Sachen der Menschen sich nicht nur binden, sondern auch lange erhalten. Befolgte jeder Tibetaner die Gesetze der Lamas, indem er ihren höchsten Tugenden nachstrebte, so wäre kein Tibet mehr. Das Geschlecht der Menschen, die einander nicht berühren, die ihr kaltes Land nicht bauen, die weder Handel noch Geschäfte treiben, hörte auf; verhungert und erfroren lägen sie da, indem sie sich ihren Himmel träumen. Aber zum Glück ist die Natur der Menschen stärker als jeder angenommene Wahn. Der Tibetaner heiratet, ob er gleich damit sündigt; und die geschäftige Tibetanerin, die gar mehr als einen Mann nimmt und fleißiger als die Männer selbst arbeitet, entsagt gerne den hohem Graden des Paradieses, um diese Welt zu erhalten. Wenn eine Religion der Erde ungeheuer und widrig ist, so ist's die Religion in Tibet188, und wäre, wie es wohl nicht ganz zu leugnen ist, in ihre härtesten Lehren und Gebräuche das Christentum hinübergeführt worden, so erschiene dies wohl nirgend in ärgerer Gestalt als auf den tibetanischen Bergen. Glücklicherweise aber hat die harte Mönchsreligion den Geist der Nation sowenig als ihr Bedürfnis und Klima ändern mögen. Der hohe Bergbewohner kauft seine Büßungen ab und ist gesund und munter; er zieht und schlachtet Tiere, ob er gleich die Seelenwanderung glaubt, und erlustigt sich funfzehn Tage mit der Hochzeit, obgleich seine Priester der Vollkommenheit ehelos leben. So hat sich allenthalben der Wahn der Menschen mit dem Bedürfnis abgefunden; er dung so lange, bis ein leidlicher Vergleich wurde. Sollte jede Torheit, die im angenommenen Glauben der Nationen herrscht, auch durchgängig geübt werden: welch ein Unglück! Nun aber werden die meisten geglaubt und nicht befolgt, und dies Mittelding toter Überzeugung heißt eben auf der Erde Glauben. Denke man nicht, daß der Kaimucke nach dem Muster der Vollkommenheit in Tibet lebt, wenn er ein kleines Götzenbild oder den heiligen Kot des Lama verehrt. Aber nicht nur unschädlich, auch nutzlos sogar ist dieses widerliche Regiment der Lamas nicht gewesen. Ein grobes heidnisches Volk, das sich selbst für die Abkunft eines Affen hielt, ist dadurch unstreitig zu einem gesitteten, ja in manchen Stücken feinen Volk erhoben, wozu die Nachbarschaft der Sinesen nicht wenig beitrug. Eine Religion, die in Indien entsprang, liebt Reinlichkeit; die Tibetaner dürfen also nicht wie tatarische Steppenvölker leben. Selbst die überhohe Keuschheit, die ihre Lamas preisen, hat der Nation ein Tugendziel aufgesteckt, zu welchem jede Eingezogenheit, Nüchternheit und Mäßigung, die man an beiden Geschlechtern rühmt, wenigstens als ein Teil der Wallfahrt betrachtet werden mag, bei welcher auch die Hälfte mehr ist als das Ganze. Der Glaube einer Seelenwanderung macht mitleidig gegen die lebendige Schöpfung, so daß rohe Berg- und Felsenmenschen vielleicht mit keinem sanftem Zaum als mit diesem Wahn und dem Glauben an lange Büßungen und Höllenstrafen gebändigt werden konnten. Kurz, die tibetanische ist eine Art päpstlicher Religion, wie sie Europa selbst in seinen dunkeln Jahrhunderten, und sogar ohne jene Ordnung und Sittlichkeit, hatte, die man an Tibetanern und Mongolen rühmt. Auch daß diese Religion des Schaka eine Art Gelehrsamkeit und Schriftsprache unter dies Bergvolk und weiterhin selbst unter die Mongolen gebracht hat, ist ein Verdienst für die Menschheit, vielleicht das vorbereitende Hülfsmittel einer Kultur, die auch diesen Gegenden reift. Wunderbar langsam ist der Weg der Vorsehung unter den Nationen, und dennoch ist er lautre Naturordnung. Gymnosophisten und Talapoinen, d. i. einsame Beschauer, gab es von den ältesten Zeiten her im Morgenlande; ihr Klima und ihre Natur lud sie zu dieser Lebensart ein. Die Ruhe suchend, flohen sie das Geräusch der Menschen und lebten mit dem wenigen vergnügt, was ihnen die reiche Natur gewährte. Der Morgenländer ist ernst und mäßig, so wie in Speise und Trank, so auch in Worten; gern überläßt er sich dem Fluge der Einbildungskraft, und wohin konnte ihn diese als auf Beschauung der allgemeinen Natur, mithin auf Weltentstehung, auf den Untergang und die Erneuung der Dinge führen? Die Kosmogonie sowohl als die Metempsychose der Morgenländer sind poetische Vorstellungsarten dessen, was ist und wird, wie solches sich ein eingeschränkter menschlicher Versland und ein mitfühlendes Herz denkt. »Ich lebe und genieße kurze Zeit meines Lebens; warum sollte, was neben mir ist, nicht auch seines Daseins genießen und von mir ungekränkt leben?« Daher nun die Sittenlehre der Talapoinen, die insonderheit auf die Nichtigkeit aller Dinge, auf das ewige Umwandeln der Formen der Welt, auf die innere Qual der unersättlichen Begierden eines Menschenherzens und auf das Vergnügen einer reinen Seele so rührend und aufopfernd dringt. Daher auch die sanften humanen Gebote, die sie zu Verschonung ihrer selbst und anderer Wesen der menschlichen Gesellschaft gaben und in ihren Hymnen und Sprüchen preisen. Aus Griechenland haben sie solche sowenig als ihre Kosmogonie geschöpft; denn beide sind echte Kinder der Phantasie und Empfindungsart ihres Klima. In ihnen ist alles bis zum höchsten Ziel gespannt, so daß nach der Sittenlehre der Talapoinen auch nur indische Einsiedler leben mögen; dazu ist alles mit so unendlichen Märchen umhüllt, daß, wenn je ein Schaka gelebt hat, er sich schwerlich in einem der Züge erkennen würde, die man dankend und lobend auf ihn häufte. Indessen lernt nicht ein Kind seine erste Weisheit und Sittenlehre durch Märchen? Und sind nicht die meisten dieser Nationen in ihrem sanften Seelenschlaf lebenslang Kinder? Lasst uns also der Vorsehung verzeihen, was nach der Ordnung, die sie fürs Menschengeschlecht wählte, nicht anders als also sein konnte. Sie knüpfte alles an Tradition, und so konnten Menschen einander nicht mehr geben, als sie selbst hatten und wußten. Jedes Ding in der Natur, mithin auch die Philosophie des Buddha, ist gut und böse, nachdem sie gebraucht wird. Sie hat so hohe und schöne Gedanken, als sie auf der andern Seite Betrug und Trägheit erwecken und nähren kann, wie sie es auch reichlich getan hat. In keinem Lande blieb sie ganz dieselbe; allenthalben aber, wo sie ist, steht sie immer doch eine Stufe über dem rohen Heidentum, die erste Dämmerung einer reinem Sittenlehre, der erste Kindestraum einer weltumfassenden Wahrheit. Sekundärliteratur Adrian Hsia : Die Menschen seien, davon ist Herder überzeugt, von der Vorsehung dazu bestimmt, sich zu höheren Wesen zu entwickeln. Daher gibt es für ihn nur eine Menschheit und er lehnt jegliche Rassentheorie ab. In der Praxis scheint es aber Ausnahmen zu geben : In der antiken Welt nimmt er anscheinend die Ägypter aus, in der modernen die Mongolen und Kalmücken. Die Klimatheorie eines Montesquieu zitierend, den Herder bewundert und als gross bezeichnet, und mit der Hinzuziehung des Begriffs 'des inneren Klimas', d.h. der genetischen Kraft, sucht er die innenwohnenden Mängel der beiden und verwandten Völker zu beweisen. Zu ihnen zählt er auch die Chinesen… Er will vermitteln zwischen den extrem positiven Jesuiten-Berichten über China und der extrem negativen Meinung der Zeit, den mittleren Weg gehen und China so beschreiben, wie es war. Seine Objektivität ist aber relativ, denn er kann die Kalmücken aus unbekannten Gründen und Ägypter der Hieroglyphen wegen, nicht ausstehen. Die Chinesen gebrauchen auch eine Art Bilderschrift. Für Herder ist die Sprache eine besondere Gabe Gottes, welche die Aufklärung der Menschheit, eine Voraussetzung zum höheren Wesen, erst möglich macht. Er glaubt, die fehlerhafte Sprache sei auf die chinesischen Eigenschaften, nämlich auf den 'Mangel von Erfindungskraft im Grossen' und die 'Unselige Feinheit in Kleinigkeiten' zurückzuführen. Dazu kämen noch die 80'000 Schriftzeichen von mindestens sechs Schriftarten… Herder glaubt, die mongolische Abkunft der Chinesen beeinträchtige nicht nur das Gehör, die Sprache und das Aussehen der Chinesen, sondern auch ihre Mentalität und Denkweise. Es sei unmöglich für so ein Volk, einen Sinn von 'innerer Ruhe, Schönheit und Würde' zu besitzen. Die verwahrloste mongolische Empfindung bringe es mit sich, dass den Chinesen die 'Gabe der freien, grossen Erfindung in den Wissenschaften, die Natur versagt zu haben'. Die Grundtugend dieser Kultur sei der kindliche Gehorsam, der auf Befehl ruht, sowohl in der Familie als auch im Staat. Männliche Kraft und Ehre seien den Chinesen fremd, es sei alles nur kindliche Pflicht und leere Zeremonien. Er spricht das Urteil aus, dass die chinesische Kultur im 'Knabenalter' stehen geblieben ist. In diesem Zusammenhang macht er seinen bekannten und oft zitierten Spruch über China : "Das Reich ist eine balsamierte Mumie, mit Hieroglyphen bemalt und mit Seide umwunden ; ihr innerer Kreislauf ist wie das Leben der schlafenden Wintertiere"… Er bekennt, dass er die 'kings', die konfuzianischen Kanons, und Konfuzius verehre, aber auch dieser sei durch die mongolische Abkunft bestimmt… Erst im Vergleich mit den Nachbarländern Chinas, nämlich 'Kotschinchina, Tongking, Laos, Korea, die östliche Tartarei, Japan', werden die Chinesen in positiverem Licht dargestellt. Dies bedeutet jedoch, dass die Einwohner und Kulturen in jenen Ländern umso negativer wegkommen… Herder beschreibt Tibet aus folgendem Grund : Tibet ist die Heimat des Buddhismus, der Sitz von Dalai Lama, eine Art Kaiser-Hohepriester, der für Herder Buddha verkörpert. Herder betrachtet die 'Lama Religion' als die grösste der ganzen Welt, eine Religion der Massen, die vom Katholizismus beeinflusst worden ist, während Konfuzianismus und Taoismus die Religion der Oberschicht ist. Lee Eun-jeung : Die durch die Berichte der Chinamissionare ausgelöste Begeisterung für die chinesische Moral- und Staatsphilosophie hat unter dem Einfluss von Montesquieu und Rousseau in Ablehnung umgeschlagen. Herder will hier keine Positition beziehen, sondern beiden Seiten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er sieht in China keineswegs einen idealen Musterstaat. Dabei erkennt er durchaus die durch die Jesuiten vermittelten Einsichten an und findet die konfuzianische Sittenlehre in der Theorie sogar bewundernswert. Aber er hegt Zweifel, ob die Berichte der Jseuiten der chinesischen Wirklichkeit auch entsprechen… Im Grunde spricht er den Chinesen die Fähigkeit ab, sich mittels Vernunft und politischer Aktivität von der Tradition, dem Despotismus und anderen Einschränkungen zu befreien… Während Leibniz die chinesische Schrift als Vorbild für eine 'lingua universalis' betrachtet, scheint Herder in ihr nur das Abstossend-Fremde zu sehen… Betrachtet man Herders China- und Konfuzianismusdarstellung im gesamten Kontext seines geschichtsphilosophischen Denkens, kann man darin zwei wichtige politische Überlegungen finden, die vor allem an der Gegenwart seiner Zeit orientiert sind. Die eine ist die grundsätzliche Absage Herders an die despotische Herrschaft und damit verbunden die Forderung nach politischer Reform. Seine andere Überlegung lässt sich mit dem Begriff 'Wunschbild eines pazifistischen Föderalismus' der Kulturen der Menschheit charakterisieren. Rudolf Franz Merkel : Weil Herder’s Massstäbe beinahe ausschliesslich europäische Ideale wie Fortschritt, Individualismus und Haumanität waren, so vermochte er nicht bis zu den chinesischen Idealen des Traditionalismus, des Universismus und der chinesischen Humanität vordringen ; sonst hätte er China an dessen eigenen Massstäben messen oder vom höheren Standpunkt einer Synthese der chinesischen und der europäischen Ideale aus beurteilen müssen. Andreas Pigulla : Herder ist überzeugt, dass es schon sehr viel früher ein gut organisiertes Staatsgebilde in China vorhanden gewesen sein muss… Mit der ständigen Wiederholung der Unwandelbarkeit der Grundpositionen des chinesischen Volkscharakters im Zusammenhang äusserer Faktoren und der Zuordnung zur 'Kindheit' des Menschengeschlechts ist bei Herder keine Diskriminierung der chinesischen Geschichte intendiert. Er lässt Mitleid für die chinesische Zivilisation durchscheinen. Es fehle ihr nur an den 'Triebfedern' zur Weiterentwicklung, aber auch die europäische Entwicklung habe schliesslich lange gedauert. Er hält die Entwicklungsmöglichkeiten Chinas durchaus für gegeben, denn es fehle der Nation nicht an 'Fähigkeiten zur Wissenschaft'. Er favorisiert eine Teilung Chinas, damit sich konkurrierende Kräfte, die Europa zur Entwicklung gebracht hätten, auch in China herausbilden können… Die geographische Lage, die zur Entstehung der Menschheit ideal war, wird im Verlauf der Geschichte zur Falle. Sie bedingt die Isolation des chinesischen Staates… Regierungsformen werden bei Herder nach dem Freiheitsraum beurteilt, den sie dem Individuum zubilligen. In diesen Bezugsrahmen kann die chinesische Geschichte nur als negatives Gegenbild einbezogen werden… Die Sprachentwicklung in Asien ist für ihn auch wichtigste Begründung für die kulturelle Andersartigkeit im Vergleich zu Europa. Dabei ist seine Einschätzung durchaus nicht undifferenziert. Er erkennt an, dass die einsilbigen, aus 'wenigen Wurzeln' gebildeten Sprachformen gegenüber den ‚unnützen Hülfsworten und langweiligen Flexionen’ der meisten Sprachen zu einer 'fein-durchdachten, leise-geregelten Hieroglyphik der unsichtbaren Gedankensprache' führen. Er erkennt die ästhetisch reizvolle Seite der chinesischen Sprache an, doch bedeutsamer für sein Konzept von Kulturentwicklung ist ihre Funktion. Aus 'fast kindischem Kunstwerk' erscheint ihm eine Sprachbildung, die aus '330 Silben achtzigtausend zusammengesetzte Charaktere' bildet. Sie macht Chinesisch für Herder einzigartig. Die Bewertung fällt allerdings negativ aus… Die chinesische Erziehung sieht er vom Prinzip der 'kindlichen Pietät' beherrscht und hält es für die gesellschaftliche Ordnung eines Nomadenvolks für angemessen. In China seien dadurch aber auch das Erwachsenenleben, die staatlichen Strukturen und das Verhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten bestimmt… Mit der Dichotomie zwischen menschlicher Natur und gesellschaftlicher Ordnungskonzeption hat Herder den für ihn massgeblichen Grundwiderspruch der chinesischen Kultur und Geschichte herausgearbeitet… Sein umfassender Menschheitsbegriff verbietet aber die völlige Ausgrenzung des chinesischen Volkes aus der Menschheitsgeschichte, auch wenn er diese als Fortentwicklung versteht, an der China keinen Anteil hat… Da Herders Vorstellung von Menschheitsentwicklung nicht von einem engen Fortschrittsbegriff ausgehen soll und er Rationalisierungsprozesse nicht als seine einzige Komponente begreift, lassen sich in der Chinabeschreibung auch die Verluste, die bei der fortschreitenden Weiterentwicklung Europas erkannt werden, widerspiegeln. Die Struktur der Chinabeschreibungen ist an der Schilderung des faktisch Bestehenden orientiert und nicht an der Vermittlung historischer Verläufe. Jahreszahlen werden in den China betreffenden Abshnitten nicht genannt. Da China ausserhalb der für Herder am menschlichen Fortschritt beteiligten Nationen steht, kommen nicht die Veränderungen in der chinesischen Geschichte in den Blick… Nach einer kurzen topographischen Bestimmung und einer Beschreibung der Raumstruktur entsteht zunächst ein positives Bild Chinas mit ‚florierender Landwirtschaft, 'Höflichkeit', 'öffentlicher Ordnung', 'Pietät', 'Religionsfreiheit' und 'Moral'. Doch diese den Jesuitenbeschreibungen entnommenen idealisierten Zuschreibungen dienen ihm nur zur Kontrasierung seiner eigenen Version. Die erwähnten Merkmale chinesischer Kultur werden zu Hindernissen in der Entwicklung menschlicher Vernunft… An China werden die politischen und gesellschaftlichen Faktoren exemplarisch ausgeführt, die Fortschritt verhindern. Die Wiederverwendung der Begriffe 'Despotismus' und 'Isolation' in bezug auf europäische Geschichte macht deutlich, dass China als Beispiel für Zustände, die für Herder auch in der eigenen Geschichte noch überwunden werden müssen, herangezogen wird. Despotische Regierungen sind innerhalb der europäischen und der asiatischen Geschichte für ihn nicht naturbedingt, sondern von Menschen veränderbar. Fang Weigui : Was in der Geschichte Herder in erster Linie anspricht, sind Sitten und Charaktere, sowohl der Völker als auch einzelner Menschen. Er hat in seiner Ausführung seine genetische Betrachtungsmethode nicht konsequent durchgeführt, besser gesagt, nicht persisten durchführen können. In dem Moment, als er mit einigen Beispielen, die er aus den Kaufmanns- und Jesuitenberichten geschöpft hat, aufzuzeigen versucht, dass die Natur den Chinesen die Gabe der freien, grossen Erfindung in den Wissenschaften versagt zu haben scheine, dass das ganze Gebäude ihrer Sprache, Verfassung und Denkart ihnen eigen sei, kommt diese 'neue' Betrachtungsweise in der Tat ganz klar zum Vorschein. Sobald er dann zur chinesischen Erziehung übergeht und im beträchtlichen Umfang seinen Vorgänern jene eigentlich nicht angeborenen sondern erworbenen ‚Charaktere’ der Chinesen nachbetet, stellt er automatisch seine eigene Methode in Frage. Bei der Bewertung der chinesischen Kultur sind Herders Massstäbe letzten Endes die europäischen Ideale wie Fortschriftt, Individualimus, Humanität und christliche Anschauungen, die ihn hier und da zu eurozentrischen Schlussfolgerungen veranlassen. Ausgehend von seiner genetischen Betrachtungsweise folgert Herder, dass die chinesische Sprache 'zur Gestalt dieses Volks in seiner künstlichen Denkart unsäglich viel beigetragen habe'. Dass es den Chinesen an Erfindungskraft mangelt, wie es seine Vorgänger in Europa in Umlauf setzten, ist für Herder auch den 'rohen Hieroglyphen' zuzuschreiben. Er hat die chinesische Reichs- und Sittenlehre angeprangert, die für ihn schliesslich nur eine 'Sklavencultur' darstellt. Die kindische Gehorsamkeit, scheinbare Sittsamkeit und höfliche Zuvorkommenheit führe nur dazu, dass man das wahre Herz des Menschen an Falschheit gewöhnen und die von der Natur bescherte selbstwirksame Kraft aufgeben müsse. Diese Grundtugenden der Chinesen seinen nicht anderes als entkräftende falsche Gebräuche, die durch kindische Gefangenschaft der menschlichen Vernunft, Kraft und Empfindung gekennzeichnet seien. Werner Lühmann : Dass Herder zum Zeitpunkt der gedanklichen Konzeption seiner Ideen die chinesischen Klassiker, allen voran Konfuzius, wenn überhaupt dann nur höchst beiläufig zur Kenntnis genommen haben dürfte, wird bei der Lektüre jener Passagen deutlich, die sich mit der Geistesgeschichte Chinas befassen… Dass er sich dann in den letzten Jahren seines Lebens instensiv mit der Geistesgeschichte auseinandergesetzt hat, geht auch aus einem Hinweis auf Joseph de Guignes und Corneille de Pauw hervor. Ulrich Faust : Der Buddhismus scheidet für Herder bei der Behandlung Chinas und Indiens aus, obleich er ihn für den eigentlichen Volksglauben hält. Das 18. Jahrhundert hatte nur eine sehr unzureichende Kenntnis vom Buddhismus. Im Nachlass von Herder finden sich einige Aufzeichnungen, die von dem Bemühen zeugen, sich auch eine Kenntnis über diese Religion zu verschaffen. Herder über Tibet : Er nimmt als erster eine klare Trennung von Mythos und Religion vor. Seine negative Bewertung der tibetanischen Mythologie ist erstaunlich, da die nicht weniger abstrusen Mythologien Indiens von ihm positiv bewertet werden. Er nennt diese asiatische Religion nicht Buddhismus, sondern spricht von der Religion des Schaka oder Fo. Er hat richtig erkannt, dass die Ursprünge der tibetischen Religion in Indien liegen. Er tadelt die Untätigkeit der Mönche, anerkennt aber ihre kulturellen Verdienste. Willy Richard Berger : Herders China-Bild ist weniger die goldene Mitte zwischen idealisierendem Lob und absprechender Verzeichnung als vielmehr doch ein entschieden negatives Bild. Gefangen im eurozentrischen Denken, gelingt es ihm nicht, sich in die ganz andere Kultur so einzufühlen, dass er sie 'massstabgerecht' hätte erfassen können. Fixiert auf europäische Ideale wie Fortschritt, Individualismus, Humanität – nämlich auf eine christlich-antik geprägte Humanität –, bleibt es ihm verwehrt, bis zu den chinesischen Idealen des Traditionalismus, des Universismus und chinesischer Humanität vorzudringen. Beherrscht von einem religiösen Gefühl, das in der 'Fülle des Herzens' seinen Mittelpunkt hat, muss ihm das fromme Zeremoniell des chinesischen Kults kalt und sinnentleert erscheinen, und in fast völliger Unkenntnis schliesslich der literarischen und künstlerischen Originalwerke selbst macht er sich ästhetische Urteile zu eigen, die entweder an den Chinoiserien abgelesen oder aus religionspolitischen Tendenzschriften abgezogen sind. Dabei ist Herder selbst eine willkürliche Tendenz nirgendwo anzulasten, es ist nur die historisch und subjektiv bedingte Unzulänglikeit des menschlichen Urteils, die wir heute doch wahrzunehmen berechtigt sind. |
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5 | 1812-1827 |
Rotteck, Carl von. Allgemeine Geschichte [ID D17232]. Quellen : Mailla, Joseph-Anne-Marie de Moyriac de. Histoire générale de la Chine [ID D1868]. Guignes, Joseph de. Histoire générale des Huns, des Turcs, des Mogols, et des autres Tartares occidentaux [ID D1837]. Gatterer, Johann Christoph. Handbuch der Universalhistorie [ID D1846]. Gesandtschafts- und Reiseberichte. Rotteck schreibt : Von diesem Augenblicke an [nach Chinas Reichseinigung] scheint die Kultur des Volkes stille gestanden, und seinem Charakter jene Wertlosigkeit und Apathie eingedrückt worden seyn, welche sogar die Möglichkeit eines weitern Fortschritts aufhob… Die Sinesen, die vor vielen anderen Völkern einen bedeutenden Vorsprung errungen hatten, aber dann für Jahrtausende zu dem beklagenswerthesten und schmählichsten Zustand degenerierten… Die sinesische Geschichte gleicht der Naturgeschichte einer Thier-Gattung, welche in jeder Generation unverändert wiederkehrt – zeigt uns Jahrtausende hindurch immer ein und dasselbe Bild… China, wiewohl sein Daseyn ins höchste Altertum erweislich hinaufsteigt, ist für das System der alten Weltgeschichte gleichsam gar nicht vorhanden… Bei der blossen Betrachtung, und wie viel mehr bei der Beschreibung der Versunkenheit einer so grossen Nation in völliges Vergessen aller Bürger- und Menschenrechte, der Auflösung aller Empfindungen und Triebe ins Sklavische, ja abgöttische Verehrung eines Einzigen, der Entwicklung alles menschlichen Lebens, aller edlen und freien Kräfte durch die Schrecken der uneingeschränkten Gewalt, so wie durch die niderdruckenden Formen der verächtlichen Knechtschaft da kann, wer angeborenen Styl, oder wer sein Gemüth aufgerichtet hat an den Lehren der Philosophie und an den Geschichten edlerer Völker, nicht Anderes als Leid und Ekel empfinden : er schämt sich, Mensch zu seyn, er hat keine Freude des Lebens mehr… Aber sollen wir unseren Lesern, theils im Süden, theils im Norden Sina’s, theils über das ganze Reich herrschende Dynastien umständlich vorführen ? Sie begehren dessen nicht… Stufenweise wird der Verfall uns zum Loose der Chinesen führen, und die Russen werden, wie dort die Mongolen oder Mandschu, unserer Überwinder seyn. Aus der Welt wird darum freilich nicht die Freiheit weichen ; aber Europa wird das heilige Feuer, welches es bisher bewahrte, nur noch von ferne, von jenseits des atlantischen Meeres herüber leuchten sehen. Andreas Pigulla : Über China sind kurze Einträge in diesem Werk verteilt, aber mit einer dezidierten Beurteilung. Die grösste Freiheit der Funktionalisierung von Erfahrungen aus der Vergangenheit zur Beurteilung der Gegenwart nimmt sich Rotteck bei der Darstellung der chinesischen Geschichte. Die chinesischen Ursprungsvorstellungen werden, wie die aller anderen Völkergeschichten als 'Fabeln, Sagen, Mythen und Philosopheme' abgetan und sind nicht Gegenstand seiner Geschichtsschreibung. Er nimmt nicht an, dass die chinesische Überlieferung von der biblischen 'Sündflut' spricht, wenn sie Überschwemmungen verzeichnet. Er bleibt aber bei der Wanderungshypothese und vermutet, dass Nachkommen Noahs China besiedelt hätten. Die chinesische Geschichte hält er zwar für 'uralt', die erste Jahreszahl reiht er aber erst mit dem Jahr 1121 v. Chr. ein. In seinem kurzen Abriss über die Sinesen wird nur noch Konfuzius datiert mit 533 v. Chr. Mit gesteigertem emotionalen Engagement geisselt Rotteck den Despotismus in China. Schon im Vorwort von 1812 setzt er sich zunächst kritisch von den Weltgeschichtsdarstellungen seiner Vorläufer ab. Er will sich nicht an ihrem 'trockenen Ton' und an der 'gedrängten' Form der Kompendien orientieren. Er beabsichtigt nicht, alle verfügbaren Informationen zu verarbeiten, ihm geht es um ‚die Darstellung des allgemeinen Ganges der Ereignisse, d.h. der grossen Weltbegebenheiten, ihres Zusammenhangs und Einflusses’. Er bezieht die chinesische Geschichte in seine Darstellung mit hinein, obwohl sie ihm 'fern' liegt, so sind seine thematischen Hinsichten auf Geschichte für die massive Abgrenzung der europäischen von der chinesischen Zivilisation ursächlich. Denn er hat ein festes Programm : Weltgeschichte erzählt den Entwicklungsprozess hin zur Kultur, Aufklärung, Freiheit und Befriedigung der Lebensbedürfnisse… Er ist misstrauisch gegenüber den jesuitischen Werturteilen und verweist auf die Materialfülle durch die 'neueren englischen Gesandtschaftsberichte'… Der sechste Band enthält fünf Seiten über das 'ganze Mittelalter' Chinas, dies sei für die 'Allgemeine Geschichte' hinreichend, da es bei 'Chinas Isolierung und bei der kläglichen Einförmigkeit seiner Verhältnisse' nicht mehr Interesse verdiene… Rotteck will nicht annehmen, dass die Lehren des Konfuzius, die er mehrfach zitiert, in Verbindung mit den kritisierten Verhältnissen in China stehen. Er hält ihn zu den 'erhabensten Denkern, die jemals unter den Menschen gewandelt'. |
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6 | 1821-1831.1 |
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte : Die orientalische Welt [ID D17264]. Vorlesungen 1821/22-1830/31 in Berlin. Sekundärliteratur siehe Extra-Eintrag Quellen : Mailla, Joseph-Anne-Marie de Moyriac de. Histoire générale de la Chine [ID D1868]. Mémoires concernant l'histoire, les sciences, les arts, les moeurs, les usages, & c. des chinois [ID D1867]. Zhu, Xi. Tong jian gang mu. Grosier, Jean Baptiste Gabriel Alexandre. Description générale de la Chine [ID D1878]. Iu-kiao-li. Trad. par Jean-Pierre Abel-Rémusat. [ID D5232]. Abel-Rémusat, Jean-Pierre. Mémoire sur la vie et les opinions de Lao-tseu [ID D11899]. Kircher, Athanasius. China illustrata [ID D1712]. The imperial epistle from Kien Long, emperor of China, to George the third, king of Great Britain [ID D7549]. Abel-Rémusat, Jean-Pierre. Mémoire sur la vie et les opinions de Lao-tseu [ID D11899]. Ellis, Henry Sir. Journal of the proceedings of the late embassy to China [Amherst] [ID D1944]. La Barbinais le Gentil. Nouveau voyage autour du monde [ID D1816]. Anson, George. A voyage round the world [ID D1897]. Gaubil, Antoine ; Guignes, Joseph de. Le Chou-king [ID D1856]. Marshman, Joshua. The works of Confucius : Lun yu [ID D1909]. Du Halde, Jean-Baptiste. Description géographique... [ID D1819]. Ritter, Carl. Die Erdkunde [ID D2045]. Hegel schreibt : Wir haben die Aufgabe, mit der orientalischen Welt zu beginnen, und zwar insofern wir Staaten in derselben sehen. Die Verbreitung der Sprache und die Ausbildung der Völkerschaften liegt jenseits der Geschichte. Die Geschichte ist prosaisch, und Mythen enthalten noch keine Geschichte. Das Bewußtsein des äußerlichen Daseins tritt erst ein mit abstrakten Bestimmungen, und sowie die Fähigkeit vorhanden ist Gesetze auszudrücken, so tritt auch die Möglichkeit ein, die Gegenstände prosaisch aufzufassen. Indem das Vorgeschichtliche das ist, was dem Staatsleben vorangeht, liegt es jenseits des selbstbewußten Lebens, und wenn Ahnungen und Vermutungen hier aufgestellt werden, so sind dieses noch keine Fakta. Die orientalische Welt hat als ihr näheres Prinzip die Substantialität des Sittlichen. Es ist die erste Bemächtigung der Willkür, die in dieser Substantialität versinkt. Die sittlichen Bestimmungen sind als Gesetze ausgesprochen, aber so, daß der subjektive Wille von den Gesetzen als von einer äußerlichen Macht regiert wird, daß alles Innerliche, Gesinnung, Gewissen, formelle Freiheit nicht vorhanden ist, und daß insofern die Gesetze nur auf eine äußerliche Weise ausgeübt werden und nur als Zwangsrechtbestehen. Unser Zivilrecht enthält zwar auch Zwangspflichten: ich kann zum Herausgeben eines fremden Eigentums, zum Halten eines geschlossenen Vertrages angehalten werden; aber das Sittliche liegt doch bei uns nicht allein im Zwange, sondern im Gemüte und in der Mitempfindung. Dieses wird im Orient ebenfalls äußerlich anbefohlen, und wenn auch der Inhalt der Sittlichkeit ganz richtig angeordnet ist, so ist doch das Innerliche äußerlich gemacht. Es fehlt nicht an dem Willen, der es befiehlt, wohl aber an dem, welcher es darum tut, weil es innerlich geboten ist. Weil der Geist die Innerlichkeit noch nicht erlangt hat, so zeigt er sich überhaupt nur als natürliche Geistigkeit. Wie Äußerliches und Innerliches, Gesetz und Einsicht noch eins sind, so ist es auch die Religion und der Staat. Die Verfassung ist im ganzen Theokratie, und das Reich Gottes ist ebenso weltliches Reich, als das weltliche Reich nicht minder göttlich ist. Was wir Gott nennen, ist im Orient noch nicht zum Bewußtsein gekommen, denn unser Gott tritt erst in der Erhebung zum Obersinnlichen ein, und wenn wir gehorchen, weil wir das, was wir tun, aus uns selbst nehmen, so ist dort das Gesetz das Geltende an sich, ohne dieses subjektiven Dazutretens zu bedürfen. Der Mensch hat darin nicht die Anschauung seines eignen, sondern eines ihm durchaus fremden Wollens. Von den einzelnen Teilen Asiens haben wir schon als ungeschichtliche ausgeschieden: Hochasien, soweit und solange die Nomaden desselben nicht auf den geschichtlichen Boden heraustreten, und Sibirien. Die übrige asiatische Welt teilt sich in vier Terrains: Erstens die Stromebenen, gebildet durch den gelben und blauen Strom, und das Hochland Hinterasiens — China und die Mongolen... Mit China und den Mongolen, dem Reiche der theokratischen Herrschaft, beginnt die Geschichte. Beide haben das Patriarchalische zu ihrem Prinzip, und zwar auf die Weise, daß es in China zu einem organisierten Systeme weltlichen Staatslebens entwickelt ist, während es bei den Mongolen sich in die Einfachheit eines geistigen, religiösen Reichs zusammennimmt. In China ist der Monarch Chef als Patriarch: die Staatsgesetze sind teils rechtliche, teils moralische, so daß das innerliche Gesetz, das Wissen des Subjekts vom Inhalte seines Wollens als seiner eignen Innerlichkeit, selbst als ein äußerliches Rechtsgebot vorhanden ist. Die Sphäre der Innerlichkeit kommt daher hier nicht zur Reife, da die moralischen Gesetze wie Staatsgesetze behandelt werden und das Rechtliche seinerseits den Schein des Moralischen erhält. Alles, was wir Subjektivität nennen, ist in dem Staatsoberhaupt zusammengenommen, der, was er bestimmt, zum Besten, Heil und Frommen des Ganzen tut. Diesem weltlichen Reiche steht nun als geistliches das mongolische gegenüber, dessen Oberhaupt der Lama ist, der als Gott verehrt wird. In diesem Reiche des Geistigen kommt es zu keinem weltlichen Staatsleben… China Mit dem Reiche China hat die Geschichte zu beginnen, denn es ist das älteste, soweit die Geschichte Nachricht gibt, und zwar ist sein Prinzip von solcher Substantialität, daß es zugleich das älteste und neueste für dieses Reich ist. Früh schon sehen wir China zu dem Zustande heranwachsen, in welchem es sich heute befindet; denn da der Gegensatz von objektivem Sein und subjektiver Daranbewegung noch fehlt, so ist jede Veränderlichkeit ausgeschlossen, und das Statarische, das ewig wiedererscheint, ersetzt das, was wir das Geschichtliche nennen würden. China und Indien liegen gleichsam noch außer der Weltgeschichte, als die Voraussetzung der Momente, deren Zusammenschließung erst ihr lebendiger Fortgang wird. Die Einheit von Substantialität und subjektiver Freiheit ist so ohne Unterschied und Gegensatz beider Seiten, daß eben dadurch die Substanz nicht vermag, zur Reflexion in sich, zur Subjektivität zu gelangen. Das Substantielle, das als Sittliches erscheint, herrscht somit nicht als Gesinnung des Subjekts, sondern als Despotie des Oberhauptes. Kein Volk hat eine so bestimmt zusammenhängende Zahl von Geschichtschreibern wie das chinesische. Auch andre asiatische Völker haben uralte Traditionen, aber keine Geschichte. Die Vedas der Inder sind eine solche nicht, die Oberlieferungen der Araber sind uralt, aber sie beruhen nicht auf einem Staat und seiner Entwicklung. Dieser besteht aber in China und hat sich hier eigentümlich herausgestellt. Die chinesische Tradition steigt bis auf 3000 Jahre vor Christi Geburt hinauf und der Schu-king [Shu jing], das Grundbuch derselben, welches mit der Regierung des Yao beginnt, setzt diese 2357 Jahre vor Christi Geburt. Beiläufig mag hier bemerkt werden, daß auch die andern asiatischen Reiche in der Zeitrechnung weit hinaufführen. Nach der Berechnung eines Engländers geht die ägyptische Geschichte z.B. bis auf 2207 Jahre vor Christus, die assyrische bis auf 2221, die indische bis auf 2204 hinauf. Also bis auf ungefähr 2300 Jahre vor Christi Geburt steigen die Sagen in Ansehung der Hauptreiche des Orients. Wenn wir dies mit der Geschichte des Alten Testaments vergleichen, so sind, nach der gewöhnlichen Annahme, von der noachischen Sintflut bis auf Christus 2400 Jahre verflossen. Johannes von Müller hat aber gegen diese Zahl bedeutende Einwendungen gemacht. Er setzt die Sintflut in das Jahr 3473 vor Christus, also ungefähr um 1000 Jahre früher, indem er sich dabei nach der alexandrinischen Obersetzung der Mosaischen Bücher richtet. Ich bemerke dies nur darum, daß, wenn wir Daten von höherem Alter als 2400 Jahre vor Chr. begegnen und doch nichts von der Flut hören, uns das in bezug auf die Chronologie nicht weiter genieren darf. Die Chinesen haben Ur- und Grundbücher, aus denen ihre Geschichte, ihre Verfassung und Religion erkannt werden kann. Die Vedas, die Mosaischen Urkunden sind ähnliche Bücher, wie auch die Homerischen Gesänge. Bei den Chinesen führen diese Bücher den Namen der Kings und machen die Grundlage aller ihrer Studien aus. Der Schu-king [Shu jing] enthält die Geschichte handelt von der Regierung der alten Könige und gibt die Befehle, die von diesem oder jenem Könige ausgegangen sind. Der Y-king [Yi jing] besteht aus Figuren, die man als Grundlagen der chinesischen Schrift angesehen hat, so wie man auch dieses Buch als Grundlage der chinesischen Meditation betrachtet. Denn es fängt mit den Abstraktionen der Einheit und Zweiheit an und handelt dann von konkreten Existenzen solcher abstrakten Gedankenformen. Der Schi-king [Shi jing] endlich ist das Buch der ältesten Lieder der verschiedensten Art. Alle hohen Beamten hatten früher den Auftrag, bei dem Jahresfeste alle in ihrer Provinz im Jahre gemachten Gedichte mitzubringen. Der Kaiser inmitten seines Tribunals war der Richter dieser Gedichte, und die für gut erkannten erhielten öffentliche Sanktion. Außer diesen drei Grundbüchern, die besonders verehrt und studiert werden, gibt es noch zwei andre, weniger wichtige, nämlich den Li-ki [Li ji] (auch Li-king), welcher die Gebräuche und das Zeremonial gegen den Kaiser und die Beamten enthält, mit einem Anhang Yo-king [Yue jing], welcher von der Musik handelt, und den Tschun-tsin [Chun qiu], die Chronik des Reiches Lu, wo Konfuzius auftrat. Diese Bücher sind die Grundlage der Geschichte, der Sitten und der Gesetze Chinas. Dieses Reich hat schon früh die Aufmerksamkeit der Europäer auf sich gezogen, wenngleich nur unbestimmte Sagen davon vorhanden waren. Man bewundert es immer als ein Land, das, aus sich selbst entstanden, gar keinen Zusammenhang mit dem Auslande zu haben schien. Im dreizehnten Jahrhunderte ergründete es ein Venetianer (Marco Polo) zum ersten Male, allein man hielt seine Aussagen für fabelhaft. Späterhin fand sich alles, was er über seine Ausdehnung und Größe ausgesagt hatte, vollkommen bestätigt. Nach der geringsten Annahme nämlich würde China 150 Millionen Menschen enthalten, nach einer andern 200 und nach der höchsten sogar 300 Millionen. Vom hohen Norden erstreckt es sich gegen Süden bis nach Indien, im Osten wird es durch das große Weltmeer begrenzt, und gegen Westen verbreitet es sich bis nach Persien nach dem Kaspischen Meere zu. Das eigentliche China ist übervölkert. An den beiden Strömen Hoang-ho [Huanghe] und Yangtse-kiang [Yangzi] halten sich mehrere Millionen Menschen auf, die auf Flößen ganz nach ihrer Bequemlichkeit eingerichtet leben. Die Bevölkerung, die durchaus organisierte und bis in die kleinsten Details hineingearbeitete Staatsverwaltung hat die Europäer in Erstaunen gesetzt, und hauptsächlich verwunderte die Genauigkeit, mit der die Geschichtswerke ausgeführt waren. In China gehören nämlich die Geschichtschreiber zu den höchsten Beamten. Zwei sich beständig in der Umgebung des Kaisers befindende Minister haben den Auftrag, alles, was der Kaiser tut, befiehlt und spricht, auf Zettel zu schreiben, die dann von den Geschichtschreibern verarbeitet und benutzt werden. Wir können uns freilich in die Einzelheiten dieser Geschichte weiter nicht einlassen, die, da sie selbst nichts entwickelt, uns in unsrer Entwicklung hemmen würde. Sie geht in die ganz alten Zeiten hinauf, wo als Kulturspender Fohi genannt wird, der zuerst eine Zivilisation über China verbreitete. Er soll im 29. Jahrhundert vor Christus gelebt haben, also vor der Zeit, in welcher der Schu-king anfängt; aber das Mythische und Vorgeschichtliche wird von den chinesischen Geschichtsschreibern ganz wie etwas Geschichtliches behandelt. Der erste Boden der chinesischen Geschichte ist der nordwestliche Winkel, das eigentliche China, gegen den Punkt hin, wo der Hoang-ho von dem Gebirge herunterkommt; denn erst späterhin erweiterte sich das chinesische Reich gegen Süden, nach dem Yang-tse-kiang zu. Die Erzählung beginnt mit dem Zustande, wo die Menschen in der Wildheit, das heißt in den Wäldern, gelebt, sich von den Früchten der Erde genährt und mit den Fellen wilder Tiere bekleidet haben. Keine Kenntnis von bestimmten Gesetzen war unter ihnen. Dem Fohi (wohl zu unterscheiden von Fo, dem Stifter einer neuen Religion,) wird es zugeschrieben, dass er die Menschen gelehrt habe, sich Hütten zu bauen und Wohnungen zu machen; er habe ihre Aufmerksamkeit an den Wechsel und die Wiederkehr der Jahreszeiten gelenkt, Tausch und Handel eingeführt, das Ehegesetz begründet; er habe gelehrt, dass die Vernunft vom Himmel komme, und Unterricht in der Seidenzucht, im Brückenbau und in dem Gebrauch von Lasttieren erteilt. Über alle diese Anfänge lassen sich die chinesischen Geschichtsschreiber sehr weitläufig aus. Die weitere Geschichte ist dann die Ausbreitung der entstandenen Gesittung nach Süden zu und das Beginnen eines Staates und einer Regierung. Das große Reich, das sich so nach und nach gebildet hatte, zerfiel bald in mehrere Provinzen, die lange Kriege miteinander führten und sich dann wieder zu einem Ganzen vereinigten. Die Dynastien haben in China oft gewechselt, und die jetzt herrschende wird in der Regel als die 22. bezeichnet. Im Zusammenhang mit dem Auf- und Abgehen dieser Herrschergeschlechter wechselten auch die verschiedenen Hauptstädte, die sich in diesem Reiche finden. Lange Zeit war Nanking die Hauptstadt, jetzt ist es Peking, früher waren es noch andre Städte. Viele Kriege hat China mit den Tataren führen müssen, die weit ins Land eindrangen. Den Einfällen der nördlichen Nomaden wurde die von Schi-hoang-ti erbaute lange Mauer entgegengesetzt, welche immer als Wunderwerk betrachtet worden ist. Dieser Fürst hat das ganze Reich in 36 Provinzen geteilt und ist auch dadurch besonders merkwürdig, dass er die alte Literatur und namentlich die Geschichtsbücher und die geschichtlichen Bestrebungen überhaupt verfolgte. Es geschah dieses in der Absicht, die eigne Dynastie zu befestigen durch die Vernichtung des Andenkens der früheren. Nachdem die Geschichtsbücher zusammengehäuft und verbrannt waren, flüchteten sich mehrere hundert Gelehrte auf die Berge, um das, was ihnen an Werken noch übrigblieb, zu erhalten. Jeder von ihnen, der aufgegriffen wurde, hatte ein gleiches Schicksal wie die Bücher. Dieses Bücherverbrennen ist ein sehr wichtiger Umstand, denn trotz demselben haben sich die eigentlichen kanonischen Bücher dennoch erhalten, wie dies überall der Fall ist. Die Verbindung Chinas mit dem Abendland fällt ungefähr in das Jahr 64 nach Christi Geburt. Damals sandte, so heißt es, ein chinesischer Kaiser Gesandte ab, die Weisen des Abendlandes zu besuchen. Zwanzig Jahre später soll ein chinesischer General bis Judäa vorgedrungen sein; im Anfange des achten Jahrhunderts nach Christi Geburt seien die ersten Christen nach China gekommen, wovon spätere Ankömmlinge noch Spuren und Denkmale gefunden haben wollen. Ein im Norden Chinas bestehendes tatarisches Königreich Lyau-tong sei mit Hilfe der westlichen Tataren um 1100 von den Chinesen zerstört und überwunden worden, was jedoch eben diesen Tataren die Gelegenheit gab, festen Fuß in China zu fassen. Auf gleiche Weise habe man den Mandschus Wohnsitze eingeräumt, mit denen man im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert in Krieg geriet, infolge welcher sich die jetzige Dynastie des Thrones bemächtigte. Eine weitere Veränderung hat jedoch diese neue Herrscherfamilie, so wenig als die frühere Eroberung der Mongolen im J. 1281, im Land nicht hervorgebracht. Die Mandschus, die in China leben, müssen sich genau in die chinesischen Gesetze und Wissenschaften einstudieren. Wir gehen nunmehr von diesen wenigen Daten der chinesischen Geschichte zur Betrachtung des Geistes der immer gleichgebliebenen Verfassung über. Er ergibt sich aus dem allgemeinen Prinzipe. Dieses ist nämlich die unmittelbare Einheit des substantiellen Geistes und des Individuellen; das aber ist der Familiengeist, welcher hier auf das volkreichste Land ausgedehnt ist. Das Moment der Subjektivität, das will sagen, das sich in sich Reflektieren des einzelnen Willens gegen die Substanz als die ihn verzehrende Macht, oder das Gesetztsein dieser Macht als seiner eignen Wesenheit, in der er sich frei weiß, ist hier noch nicht vorhanden. Der allgemeine Wille betätigt sich unmittelbar durch den einzelnen: dieser hat gar kein Wissen seiner gegen die Substanz, die er sich noch nicht als Macht gegen sich setzt, wie z.B. im Judentum der eifrige Gott als die Negation des Einzelnen gewußt wird. Der allgemeine Wille sagt hier in China unmittelbar, was der Einzelne tun solle, und dieser folgt und gehorcht ebenso reflexions- und selbstlos. Gehorcht er nicht, tritt er somit aus der Substanz heraus, so wird er, da dieses Heraustreten nicht durch ein Insichgehen vermittelt ist, auch nicht in der Strafe an der Innerlichkeit erfaßt, sondern an der äußerlichen Existenz. Das Moment der Subjektivität fehlt daher diesem Staatsganzen ebensosehr, als dieses auch anderseits gar nicht auf Gesinnung basiert ist. Denn die Substanz ist unmittelbar ein Subjekt, der Kaiser, dessen Gesetz die Gesinnung ausmacht. Trotzdem ist dieser Mangel an Gesinnung nicht Willkür, welche selber schon wieder gesinnungsvoll, das heißt subjektiv und beweglich wäre, sondern es ist hier das Allgemeine geltend, die Substanz, die noch undurchweicht sich selber allein gleich ist. Dieses Verhältnis nun näher und der Vorstellung gemäßer ausgedrückt ist die Familie. Auf dieser sittlichen Verbindung allein beruht der chinesische Staat, und die objektive Familienpietät ist es, welche ihn bezeichnet. Die Chinesen wissen sich als zu ihrer Familie gehörig und zugleich als Söhne des Staates. In der Familie selbst sind sie keine Personen, denn die substantielle Einheit, in welcher sie sich darin befinden, ist die Einheit des Blutes und der Natürlichkeit. Im Staate sind sie es ebensowenig, denn es ist darin das patriarchalische Verhältnis vorherrschend, und die Regierung beruht auf der Ausübung der väterlichen Vorsorge des Kaisers, der alles in Ordnung hält. Als hochgeehrte und unwandelbare Grundverhältnisse werden im Schu-king [Shu jing] fünf Pflichten angegeben: 1) die des Kaisers und des Volkes gegeneinander, 2) des Vaters und der Kinder 3) des älteren und des jüngeren Bruders, 4) des Mannes und der Frau, 5) des Freundes gegen den Freund. Es mag hier gelegentlich bemerkt werden, daß die Zahl fünf überhaupt bei den Chinesen etwas Festes ist und ebensooft wie bei uns die Zahl drei vorkommt, sie haben fünf Naturelemente, Luft, Wasser, Erde, Metall und Holz, sie nehmen vier Himmelsgegenden und die Mitte an, heilige Orte, wo Altäre errichtet sind, bestehen aus vier Hügeln und einem in der Mitte. Die Pflichten der Familie gelten schlechthin, und es wird gesetzlich auf dieselben gehalten. Der Sohn darf den Vater nicht anreden, wenn er in den Saal tritt, er muß sich an der Seite der Türe gleichsam eindrücken und kann die Stube nicht ohne Erlaubnis des Vaters verlassen. Wenn der Vater stirbt, so muß der Sohn drei Jahre lang trauern, ohne Fleischspeisen und Wein zu sich zu nehmen; die Geschäfte, denen er sich widmete, selbst die Staatsgeschäfte stocken, denn er muß sich von denselben entfernen; der eben zur Regierung kommende Kaiser selbst widmet sich während dieser Zeit seinen Regierungsarbeiten nicht. Keine Heirat darf während der Trauerzeit in der Familie geschlossen werden. Erst das fünfzigste Lebensjahr befreit von der überaus großen Strenge der Trauer, damit der Leidtragende nicht mager werde; das sechzigste mildert sie noch mehr, und das siebzigste beschränkt sie gänzlich auf die Farbe der Kleider. Die Mutter wird ebensosehr wie der Vater verehrt. Als Lord Macartney den Kaiser sah, war dieser achtundsechzig Jahre alt (sechzig Jahre ist bei den Chinesen eine feste Zahl wie bei uns hundert), dessenungeachtet besuchte er seine Mutter alle Morgen zu Fuß, um ihr seine Ehrfurcht zu beweisen. Die Neujahrsgratulationen finden sogar bei der Mutter des Kaisers statt, und der Kaiser kann die Huldigungen der Großen des Hofes erst empfangen, nachdem er die seinigen seiner Mutter gebracht. Die Mutter bleibt stets die erste und beständige Ratgeberin des Kaisers, und alles, was die Familie betrifft, wird in ihrem Namen bekanntgemacht. Die Verdienste des Sohnes werden nicht diesem, sondern dem Vater zugerechnet. Als ein Premierminister einst den Kaiser bat, seinem verstorbenen Vater Ehrentitel zu geben, so ließ der Kaiser eine Urkunde ausstellen, worin es hieß: "Eine Hungersnot verwüstete das Reich: Dein Vater gab Reis den Bedürftigen. Welche Wohltätigkeit! Das Reich war am Rande des Verderbens: Dein Vater verteidigte es mit der Gefahr seines Lebens. Welche Treue! Die Verwaltung des Reiches war deinem Vater anvertraut: Er machte vortreffliche Gesetze, erhielt Friede und Eintracht mit den benachbarten Fürsten und behauptete die Rechte meiner Krone. Welche Weisheit! Also der Ehrentitel, den ich ihm verleihe, ist: Wohltätig, treu und weise". Der Sohn hatte alles das getan, was hier dem Vater zugeschrieben wird. Auf diese Weise gelangen die Voreltern (umgekehrt wie bei uns) durch ihre Nachkommen zu Ehrentiteln. Dafür ist aber auch jeder Familienvater für die Vergehen seiner Deszendenten verantwortlich. Es gibt Pflichten von unten nach oben, aber keine eigentlich von oben nach unten. Ein Hauptbestreben der Chinesen ist es, Kinder zu haben, die ihnen die Ehre des Begräbnisses erweisen können, das Gedächtnis nach dem Tode ehren und das Grab schmücken. Wenn auch ein Chinese mehrere Frauen haben darf, so ist doch nur eine die Hausfrau, und die Kinder der Nebenfrauen haben diese durchaus als Mutter zu ehren. In dem Falle, daß ein Chinese von allen seinen Frauen keine Kinder erzielte, würde er zur Adoption schreiten können, eben wegen der Ehre nach dem Tode. Denn es ist eine unerläßliche Bedingung, daß das Grab der Eltern jährlich besucht werde. Hier werden altjährig die Wehklagen erneut, und manche, um ihrem Schmerz vollen Lauf zu lassen, verweilen bisweilen ein bis zwei Monate daselbst. Der Leichnam des eben verstorbenen Vaters wird oft drei bis vier Monate im Hause behalten, und während dieser Zeit darf keiner sich auf einen Stuhl setzen und im Bette schlafen. Jede Familie in China hat einen Saal der Vorfahren, wo sich alle Mitglieder derselben alle Jahre versammeln; daselbst sind die Bildnisse derer aufgestellt, die hohe Würden bekleidet haben, und die Namen der Männer und Frauen, welche weniger wichtig für die Familie waren, sind auf Täfelchen geschrieben die ganze Familie speist dann zusammen, und die Ärmeren werden von den Reicheren bewirtet. Man erzählt, daß, als ein Mandarin, der Christ geworden war, seine Voreltern auf diese Weise zu ehren aufgehört hatte, er sich großen Verfolgungen von seiten seiner Familie aussetzte. Ebenso genau wie die Verhältnisse zwischen dem Vater und den Kindern sind auch die zwischen dem älteren Bruder und den jüngeren Brüdern bestimmt. Die ersteren haben, obgleich im minderen Grade, doch Ansprüche auf Verehrung. Diese Familiengrundlage ist auch die Grundlage der Verfassung, wenn man von einer solchen sprechen will. Denn obschon der Kaiser das Recht eines Monarchen hat, der an der Spitze eines Staatsganzen steht, so übt er es doch in der Weise eines Vaters über seine Kinder aus. Er ist Patriarch, und auf ihn gehäuft ist alles, was im Staate auf Ehrfurcht Anspruch machen kann. Denn der Kaiser ist ebenso Chef der Religion und der Wissenschaft, wovon später noch ausführlich die Rede sein wird. - Diese väterliche Fürsorge des Kaisers und der Geist seiner Untertanen, als Kinder, die aus dem moralischen Familienkreise nicht heraustreten und keine selbständige und bürgerliche Freiheit für sich gewinnen können, macht das Ganze zu einem Reiche, Regierung und Benehmen, das zugleich moralisch und schlechthin prosaisch ist, d.h. verständig ohne freie Vernunft und Phantasie. Die höchste Ehrfurcht muß dem Kaiser erwiesen werden. Durch sein Verhältnis ist er persönlich zu regieren genötigt und muß selbst die Gesetze und Angelegenheiten des Reiches kennen und leiten, wenn auch die Tribunale die Geschäfte erleichtern. Trotzdem hat seine bloße Willkür wenig Spielraum, denn alles geschieht auf Grund alter Reichsmaximen, und seine fortwährend zügelnde Aufsicht ist nicht minder notwendig. Die kaiserlichen Prinzen werden daher aufs strengste erzogen, ihr Körper wird abgehärtet, und die Wissenschaften sind von früh auf ihre Beschäftigung. Unter der Aufsicht des Kaisers wird ihre Erziehung geleitet, und früh wird ihnen gezeigt, daß der Kaiser das Haupt des Reiches sei und in allem auch als der Erste und Beste erscheinen müsse. Jährlich werden die Prinzen geprüft und darüber eine weitläufige Deklaration an das ganze Reich erlassen, welches den ungemeinsten Anteil an diesen Angelegenheiten nimmt. So ist China dazu gekommen, die größten und besten Regenten zu erhalten, auf welche der Ausdruck salomonische Weisheit anwendbar wäre, und besonders die jetzige Mandschudynastie hat sich durch Geist und körperliche Geschicklichkeit ausgezeichnet. Alle Ideale von Fürsten und von Fürstenerziehung, dergleichen seit dem Telemaque von Fenelon so vielfach aufgestellt worden, haben hier ihre Stelle. In Europa kann's keine Salomos geben. Hier aber ist der Boden und die Notwendigkeit von solcher Regierungen, insofern als die Gerechtigkeit, der Wohlstand, die Sicherheit des Ganzen auf dem einen Impuls des obersten Gliedes der ganzen Kette der Hierarchie beruht. Das Benehmen des Kaisers wird uns als höchst einfach, natürlich, edel und verständig geschildert, ohne stummen Stolz, Widrigkeit der Äußerungen und Vornehmtun lebt er im Bewußtsein seiner Würde und in der Ausübung seiner Pflichten, wozu er von Jugend auf ist angehalten worden. Außer dem Kaiser gibt es eigentlich keinen ausgezeichneten Stand, keinen Adel bei den Chinesen. Nur die Prinzen vom Hause und die Söhne der Minister haben einigen Vorrang, mehr durch ihre Stellung als durch ihre Geburt. Sonst gelten alle gleich, und nur diejenigen haben Anteil an der Verwaltung, die die Geschicklichkeit dazu besitzen. Die Würden werden so von den wissenschaftlich Gebildetsten bekleidet. Daher ist oft der chinesische Staat als ein Ideal aufgestellt worden, das uns sogar zum Muster dienen sollte. Das Weitere ist die Reichsverwaltung. Von einer Verfassung kann hier nicht gesprochen werden, denn darunter wäre zu verstehen, daß Individuen und Korporationen selbständige Rechte hätten, teils in Beziehung auf ihre besonderen Interessen, teils in Beziehung auf den ganzen Staat. Dieses Moment muß hier fehlen, und es kann nur von einer Reichsverwaltung die Rede sein. In China ist das Reich der absoluten Gleichheit, und alle Unterschiede, die bestehen, sind nur vermittelst der Reichsverwaltung möglich und durch die Würdigkeit, die sich jeder gibt, in dieser Verwaltung eine hohe Stufe zu erreichen. Weil in China Gleichheit, aber keine Freiheit herrscht, ist der Despotismus die notwendig gegebene Regierungsweise. Bei uns sind die Menschen nur vor dem Gesetz und in der Beziehung gleich, daß sie Eigentum haben, außerdem haben sie noch viele Interessen und viele Besonderheiten, die garantiert sein müssen, wenn Freiheit für uns vorhanden sein soll. Im chinesischen Reiche sind aber diese besonderen Interessen nicht für sich berechtigt, und die Regierung geht lediglich vom Kaiser aus, der sie als eine Hierarchie von Beamten oder Mandarinen betätigt. Von diesen gibt es zweierlei Arten, gelehrte und Kriegsmandarinen, welche letzteren unsre Offiziere sind. Die gelehrten Mandarinen sind die höheren, denn der Zivilstand überragt in China den Militärstand. Die Beamten werden auf den Schulen gebildet. Es sind Elementarschulen für die Erlangung von Elementarkenntnissen eingerichtet. Anstalten für die höhere Bildung, wie bei uns die Universitäten, sind wohl nicht vorhanden. Die, welche zu hohen Staatsämtern gelangen wollen, müssen mehrere Prüfungen bestehen, in der Regel drei. Zum dritten und letzten Examen, bei dem der Kaiser selbst gegenwärtig ist, kann nur zugelassen werden, wer das erste und zweite gut bestanden hat, und die Belohnung, wenn man dasselbe glücklich absolviert hat, ist die sofortige Zulassung in das höchste Reichskollegium. Die Wissenschaften, deren Kenntnis besonders verlangt wird, sind die Reichsgeschichte, die Rechtswissenschaft und die Kenntnis der Sitten und Gebräuche, sowie der Organisation und Administration. Außerdem sollen die Mandarine das Talent der Dichtkunst in äußerster Feinheit besitzen. Man kann dies besonders aus dem von Abel Remüsat [Abel-Rémusat] übersetzten Romane Ju-Kiao-Li [Yu jiao li] die beiden Cousinen, ersehen, es wird hier ein junger Mensch vorgeführt, der seine Studien absolviert hat und sich nun anstrengt, um zu hohen Würden zu gelangen. Auch die Offiziere in der Armee müssen Kenntnisse besitzen, auch sie werden geprüft; aber die Zivilbeamten stehen, wie schon gesagt worden ist, in weit höherem Ansehen. Bei den großen Festen erscheint der Kaiser mit einer Begleitung von zweitausend Doktoren, das heißt Zivilmandarinen, und ebensoviel Kriegsmandarinen. (Im ganzen chinesischen Staate sind nämlich gegen 15000 Zivil- und 20000 Kriegsmandarine.) Die Mandarine, die noch keine Anstellung erhalten haben, gehören dennoch zum Hofe, und bei den großen Festen, im Frühjahr und im Herbst, wo der Kaiser selbst die Furche zieht, müssen sie erscheinen. Diese Beamten sind in acht Klassen geteilt. Die ersten sind die um den Kaiser stehenden, dann folgen die Vizekönige und so weiter. Der Kaiser regiert durch die Behörden, welche meist aus Mandarinen zusammengesetzt sind. Das Reichskollegium ist die oberste Behörde, es besteht aus den gelehrtesten und geistreichsten Männern. Daraus werden die Präsidenten und andern Collegia gewählt. In den Regierungsangelegenheiten herrscht die größte Öffentlichkeit, die Beamten berichten an das Reichskollegium, und dieses legt dem Kaiser die Sache vor, dessen Entscheidung alsdann in der Hofzeitung bekanntgemacht wird. Oft klagt sich auch der Kaiser selbst wegen der Fehler an, die er begangen hat; und wenn seine Prinzen schlecht im Examen bestanden haben, so tadelt er sie laut. In jedem Ministerium und in den verschiedenen Teilen des Reiches ist ein Zensor Ko-tao, der an den Kaiser über alles Bericht erstatten muß, diese Zensoren werden nicht abgesetzt und sind sehr gefürchtet; sie führen über alles, was die Regierung betrifft, über die Geschäftsführung und das Privatbenehmen der Mandarinen eine strenge Aufsicht und berichten darüber unmittelbar an den Kaiser, auch haben sie das Recht, dem Kaiser Vorstellungen zu machen und ihn zu tadeln. Die chinesische Geschichte liefert viele Beispiele von dem Adel der Gesinnung und dem Mute dieser Ko-tao. So hatte ein Zensor einem tyrannischen Kaiser Vorstellungen gemacht, war aber hart zurückgewiesen worden. Er ließ sich indessen nicht irremachen, sondern verfügte sich abermals zum Kaiser, um seine Vorstellungen zu erneuern. Seinen Tod voraussehend, ließ er sich zugleich den Sarg mit hintragen, in dem er begraben sein wollte. Von andern Zensoren wird erzählt, daß sie von den Henkersknechten ganz zerfleischt, unvermögend einen Laut hervorzubringen, noch mit Blut ihre Bemerkungen in den Sand schrieben. Diese Zensoren bilden selbst wieder ein Tribunal, das die Aufsicht über das ganze Reich hat. Die Mandarinen sind verantwortlich auch für alles, was sie im Notfall unterlassen haben. Wenn eine Hungersnot, Krankheit, Verschwörung, religiöse Unruhe ausbricht, so haben sie zu berichten, aber nicht auf weitere Befehle der Regierung zu warten, sondern sogleich tätig einzugreifen. Das Ganze dieser Verwaltung ist also mit einem Netz von Beamten überspannt. Für die Aufsicht der Landstraßen, der Flüsse, der Meeresufer sind Beamte angestellt. Alles ist aufs genaueste angeordnet; besonders wird auf die Flüsse große Sorgfalt verwendet; im Schu-king [Shu jing] finden sich viele Verordnungen der Kaiser in dieser Hinsicht, um das Land vor Überschwemmungen zu sichern. Die Tore jeder Stadt sind mit Wachen besetzt, und die Straßen werden alle Nacht gesperrt. Die Beamten sind immer dem höheren Kollegium Rechenschaft schuldig. Jeder Mandarin hat ohnehin die Pflicht alle fünf Jahre seine begangenen Fehler anzuzeigen und die Treue seiner Darstellung wird durch das kontrollierende Institut der Zensoren verbürgt. Bei jedem groben unangegebenen Vergehen werden die Mandarine mit ihrer Familie auf das härteste bestraft. Aus allem diesem erhellt, daß der Kaiser der Mittelpunkt ist, um den sich alles dreht, und zu dem alles zurückkehrt, und von dem Kaiser hängt somit das Wohl des Landes und des Volkes ab. Die ganze Hierarchie der Verwaltung ist mehr oder weniger nach einer Routine tätig, die im ruhigen Zustande eine bequeme Gewohnheit wird. Einförmig und gleichmäßig, wie der Gang der Natur, geht sie ihren Weg ein wie allemal nur der Kaiser soll die rege, immer wache und selbsttätige Seele sein. Wenn nun die Persönlichkeit des Kaisers nicht von der geschilderten Beschaffenheit ist, nämlich durchaus moralisch, arbeitsam und bei gehaltener Würde voller Energie, so läßt alles nach, und der Zustand der Regierung ist von oben bis unten gelähmt und der Nachlässigkeit und Willkür preisgegeben. Denn es ist keine andre rechtliche Macht oder Ordnung vorhanden als diese von oben spannende und beaufsichtigende Macht des Kaisers. Es ist nicht das eigne Gewissen, die eigne Ehre, die die Beamten zur Rechenschaft anhielte sondern das äußerliche Gebot und die strenge Aufreithaltung desselben. Bei der Revolution in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts war der letzte Kaiser der damals herrschenden Dynastie sehr sanftmütig und edel, aber bei seinem milden Charakter erschlafften die Zügel der Regierung, und es entstanden notwendigerweise Empörungen. Die Aufrührer riefen die Mandschu ins Land. Der Kaiser selbst entleibte sich, um den Feinden nicht in die Hände zu fallen, und mit seinem Blute schrieb er noch auf den Saum des Kleides seiner Tochter einige Worte, in welchen er sich über das Unrecht seiner Untertanen tief beklagte. Ein Mandarin, der bei ihm war, begrub ihn und brachte sich dann auf seinem Grabe um. Dasselbe taten die Kaiserin und ihr Gefolge; der letzte Prinz des kaiserlichen Hauses, welcher in einer entfernten Provinz belagert wurde, fiel in die Hände der Feinde und wurde hingerichtet. Alle noch um ihn seienden Mandarine starben einen freiwilligen Tod. Gehen wir nun von der Reichsverwaltung zum Rechtszustande über, so sind durch das Prinzip der patriarchalischen Regierung die Untertanen für unmündig erklärt. Keine selbständigen Klassen oder Stände, wie in Indien, haben für sich Interessen zu beschützen, denn alles wird von obenher geleitet und beaufsichtigt. Alle Verhältnisse sind durch rechtliche Normen festbefohlen: die freie Empfindung, der moralische Standpunkt überhaupt ist dadurch gründlich getilgt. Wie die Familienglieder in ihren Empfindungen zueinander zu stehen haben, ist förmlich durch Gesetze bestimmt, und die Übertretung zieht zum Teil schwere Strafen nach sich. Das zweite hier zu berücksichtigende Moment ist die Äußerlichkeit des Familienverhältnisses, welches fast Sklaverei wird. Jeder kann sich und seine Kinder verkaufen, jeder Chinese kauft seine Frau. Nur die erste Frau ist eine Freie, die Konkubinen dagegen sind Sklavinnen und können wie die Kinder, wie jede andre Sache bei der Konfiskation in Beschlag genommen werden. Ein drittes Moment ist, daß die Strafen meist körperliche Züchtigungen sind. Bei uns wäre dies entehrend, aber nicht so in China, wo das Gefühl der Ehre noch nicht ist. Eine Tracht Schläge ist am leichtesten verschmerzt, und doch das Härteste für den Mann von Ehre, der nicht für einen sinnlich Berührbaren gehalten werden will, sondern andre Seiten feinerer Empfindlichkeit hat. Die Chinesen aber kennen die Subjektivität der Ehre nicht; sie unterliegen mehr der Zucht als der Strafe, wie bei uns die Kinder; denn Zucht geht auf Besserung, Strafe involviert eine eigentliche Imputabilität. Bei der Züchtigung ist der Abhaltungsgrund nur Furcht vor der Strafe, nicht die Innerlichkeit des Unrechts, denn es ist hier noch nicht die Reflexion über die Natur der Handlung selbst vorauszusetzen. Bei den Chinesen nun werden alle Vergehen, sowohl die in der Familie als die im Staate, auf äußerliche Weise bestraft. Die Söhne, die es gegen den Vater oder die Mutter, die jüngeren Brüder, die es gegen die älteren an Ehrerbietung fehlen lassen, bekommen Stockprügel, und wenn sich ein Sohn beschweren wollte, daß ihm von seinem Vater, oder ein jüngerer Bruder, daß ihm von seinem älteren Unrecht widerfahren sei, so erhält er hundert Bambushiebe und wird auf drei Jahre verbannt, wenn das Recht auf seiner Seite ist, hat er aber Unrecht, so wird er stranguliert. Würde ein Sohn die Hand gegen seinen Vater aufheben, so ist er dazu verurteilt, daß ihm das Fleisch mit glühenden Zangen vom Leibe gerissen wird. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau ist, wie alle andren Familienverhältnisse, sehr hoch geachtet, und die Untreue, die jedoch wegen der Abgeschlossenheit der Weiber nur sehr selten vorkommen kann, wird hart gerügt. Eine ähnliche Rüge findet statt, wenn der Chinese zu einer seiner Nebenfrauen mehr Zuneigung als zu seiner eignen Hausfrau zeigt und diese ihn darob verklagt. - Jeder Mandarin kann in China Bambusschläge austeilen, und selbst die Höchsten und Vornehmsten, die Minister, Vizekönige, ja die Lieblinge des Kaisers selbst werden mit Bambusschlägen gezüchtigt. Hinterher ist der Kaiser ebensosehr wie früher ihr Freund, und sie selbst scheinen davon gar nicht ergriffen zu sein. Als einst die letzte englische Gesandtschaft in China von den Prinzen und ihrem Gefolge vom Palaste aus nach Hause geführt wurde, so hieb der Zeremonienmeister, um sich Platz zu machen, ohne weiteres auf alle Prinzen und Vornehme mit Peitschenhieben ein. Was die Imputation betrifft, so findet der Unterschied von Vorsatz bei der Tat und kulposem oder zufälligem Geschehen nicht statt, denn der Zufall ist ebenso imputabel als der Vorsatz, und der Tod wird verhängt, wenn man die zufällige Ursache des Todes eines Menschen ist. Dieses Nichtunterscheiden des Zufälligen und Vorsätzlichen veranlaßt die meisten Zwistigkeiten zwischen Engländern und Chinesen, denn wenn die Engländer von Chinesen angegriffen werden, wenn ein Kriegsschiff, das sich angegriffen glaubt, sich verteidigt und ein Chinese umkommt, so verlangen die Chinesen in der Regel, daß der Engländer, der geschossen hat, das Leben verlieren solle. Jeder, der mit dem Verbrechen auf irgendeine Weise zusammenhängt wird, zumal bei Verbrechen gegen den Kaiser, mit ins Verderben gerissen, die ganze höhere Familie wird zu Tode gemartert. Die Drucker einer verwerflichen Schrift, wie die, welche sie lesen, unterliegen auf gleiche Weise der Rache des Gesetzes. Es ist eigentümlich, welche Wendung aus solchem Verhältnis die Privatrachsucht nimmt. Von den Chinesen kann gesagt werden, daß sie gegen Beleidigungen höchst empfindlich und rachsüchtig seien. Um seine Rache zu befriedigen kann nun der Beleidigte seinen Gegner nicht ermorden, weil sonst die ganze Familie des Verbrechers hingerichtet würde, er tut sich also selbst ein Leid an, um dadurch den andern ins Verderben zu stürzen. Man hat in vielen Städten die Brunnenöffnungen verengen müssen, damit die Menschen sich nicht mehr darin ersäufen. Denn wenn jemand sich umgebracht hat, so befehlen die Gesetze, daß die strengste Untersuchung darüber angestellt werde, was die Ursache sei. Alle Feinde des Selbstmörders werden eingezogen und torquiert, und wird endlich der Beleidiger ausgemittelt, so wird er und seine ganze Familie hingerichtet. Der Chinese tötet in solchem Falle lieber sich als seinen Gegner, da er doch sterben muß, in dem ersten Falle aber noch die Ehre des Begräbnisses hat und die Hoffnung hegen darf, daß seine Familie das Vermögen des Gegners erhalten wird. Dies ist das fürchterliche Verhältnis bei der Imputation oder Nichtimputation, daß alle subjektive Freiheit und moralische Gegenwart bei einer Handlung negiert wird. In den Mosaischen Gesetzen, wo auch dolus, culpa und casus noch nicht genau unterschieden werden, ist doch für den kurposen Totschläger eine Freistatt eröffnet, in welche er sich begeben könne. Dabei gilt in China kein Ansehen des hohen oder niedrigen Ranges. Ein Feldherr des Reiches, der sich sehr ausgezeichnet hatte, wurde beim Kaiser verleumdet, und er bekam zur Strafe des Vergehens, dessen man ihn beschuldigte, das Amt, aufzupassen, wer den Schnee in den Gassen nicht wegkehre. - Bei den Rechtsverhältnissen sind auch noch die Veränderungen im Eigentumsrecht und die Einführung der Sklaverei, welche damit verbunden ist, zu erwähnen. Der Grund und Boden, worin das Hauptvermögen der Chinesen besteht, wurde erst spät als Staatseigentum betrachtet. Seit dieser Zeit wurde es festgesetzt, daß der neunte Teil alles Güterertrags dem Kaiser zukomme. Später entstand auch die Leibeigenschaft, deren Einsetzung man dem Kaiser Schi-hoang-ti [Shihuangdi] zugeschrieben hat, demselben, der im Jahre 213 v. Chr. Geburt die Mauer erbaute, der alle Schriften verbrennen ließ, welche die alten Rechte der Chinesen enthielten, und der viele unabhängige Fürstentümer von China unter seine Botmäßigkeit brachte. Seine Kriege eben machten, daß die eroberten Länder Privateigentum wurden und deren Einwohner leibeigen. Doch ist notwendig in China der Unterschied zwischen der Sklaverei und Freiheit nicht groß, da vor dem Kaiser alle gleich, das heißt, alle gleich degradiert sind. Indem keine Ehre vorhanden ist, und keiner ein besonderes Recht vor dem andern hat, so wird das Bewußtsein der Erniedrigung vorherrschend, das selbst leicht in ein Bewußtsein der Verworfenheit übergeht. Mit dieser Verworfenheit hängt die große Immoralität der Chinesen zusammen. Sie sind dafür bekannt, zu betrügen, wo sie nur irgend können; der Freund betrügt den Freund, und keiner nimmt es dem andern übel, wenn etwa der Betrug nicht gelang oder zu seiner Kenntnis kommt. Sie verfahren dabei auf eine listige und abgefeimte Weise, so daß sich die Europäer im Verkehr mit ihnen gewaltig in acht zu nehmen haben. Das Bewußtsein der moralischen Verworfenheit zeigt sich auch darin, daß die Religion des Fo so sehr verbreitet ist, welche als das Höchste und Absolute, als Gott, das Nichts ansieht und die Verachtung des Individuums als die höchste Vollendung aufstellt. Wir kommen nun zur Betrachtung der religiösen Seite des chinesischen Staates. Im patriarchalischen Zustand ist die religiöse Erhebung des Menschen für sich einfache Moralität und Rechttun. Das Absolute ist selbst teils die abstrakte einfache Regel dieses Rechttuns, die ewige Gerechtigkeit, teils die Macht derselben. Außer diesen einfachen Bestimmungen fallen nun alle weiteren Beziehungen der natürlichen Welt zum Menschen, alle Forderungen des subjektiven Gemütes weg. Die Chinesen in ihrem patriarchalischen Despotismus bedürfen keiner solchen Vermittlung mit dem höchsten Wesen; denn die Erziehung, die Gesetze der Moralität und Höflichkeit, und dann die Befehle und Regierung des Kaisers enthalten dieselbe. Der Kaiser ist wie das Staatsoberhaupt so auch Chef der Religion. Dadurch ist hier die Religion wesentlich Staatsreligion. Von ihr muß man den Lamaismus unterscheiden, indem dieser nicht zum Staate ausgebildet ist, sondern die Religion als freies, geistiges, uninteressiertes Bewußtsein enthält. Jene chinesische Religion kann daher das nicht sein was wir Religion nennen. Denn uns ist dieselbe die Innerlichkeit des Geistes in sich, indem er sich in sich was sein Innerstes Wesen ist, vorstellt. In diesen Sphären ist also der Mensch auch dem Staatsverhältnis entzogen und vermag in die Innerlichkeit hineinflüchtend sich der Gewalt weltlichen Regiments zu entwinden. Auf dieser Stufe aber steht die Religion in China nicht, denn der wahre Glaube wird erst da möglich, wo die Individuen in sich selbst, für sich unabhängig von einer äußeren treibenden Gewalt sind. In China hat das Individuum keine Seite dieser Unabhängigkeit, es ist daher auch in der Religion abhängig, und zwar von Naturwesen, von welchen das Höchste der Himmel ist. Von diesen hängt Ernte, Jahreszeit, Gedeihen, Mißwachs ab. Der Kaiser, als die Spitze, als die Macht, nähert sich allein dem Himmel, nicht die Individuen als solche. Er ist es, der an den vier Festen die Opfer darbringt, an der Spitze des Hofes für die Ernte dankt und Segen für die Saaten herabfleht. Dieser Himmel nun könnte im Sinne unsres Gottes in der Bedeutung des Herrn der Natur genommen werden (wir sagen z.B., der Himmel behüte uns), aber so ist das Verhältnis in China noch nicht, denn hier ist das einzelne Selbstbewußtsein als substantielles, der Kaiser, selbst die Macht. Der Himmel hat daher nur die Bedeutung der Natur. Die Jesuiten gaben zwar in China nach, den christlichen Gott Himmel, Tien, zu nennen, sie wurden aber deshalb beim Papst von andern christlichen Orden verklagt, und der Papst sandte einen Kardinal hin, der dort starb; ein Bischof, der nachgeschickt wurde, verordnete statt Himmel solle Herr des Himmels gesagt werden. Das Verhältnis zum Tien wird nun auch so vorgestellt, als bringe das Wohlverhalten der Individuen und des Kaisers den Segen, ihre Vergehungen aber Not und alles Übel herbei. Es liegt in der chinesischen Religion insofern noch das Moment der Zauberei, als das Benehmen des Menschen das absolut Determinierende ist. Verhält sich der Kaiser gut, so kann es nicht anders als gut gehen, der Himmel muß Gutes geschehen lassen. Eine zweite Seite dieser Religion ist, daß, wie im Kaiser die allgemeine Seite des Verhältnisses zum Himmel liegt, derselbe auch die besondere Beziehung ganz in seinen Händen hat. Dies ist die partikulare Wohlfahrt der Individuen und Provinzen. Diese haben Genien (Schen), welche dem Kaiser unterworfen sind der nur die allgemeine Macht des Himmels verehrt während die einzelnen Geister des Naturreiches seinen Gesetzen folgen. So wird er also auch zugleich der eigentliche Gesetzgeber für den Himmel. Für die Genien, von denen jeder auf seine Weise verehrt wird sind Skulpturbilder festgesetzt. Es sind scheußliche Götzenbilder, die noch nicht Gegenstand der Kunst sind, weil nichts Geistiges darin sich darstellt. Sie sind daher nur erschreckend, furchtbar, negativ und wachen wie bei den Griechen die Flußgötter, die Nymphen und Dryaden, über die einzelnen Elemente und Naturgegenstände. Jedes der fünf Elemente hat seinen Genius und dieser ist durch eine besondere Farbe unterschieden. Auch die Herrschaft der den Thron von China behauptenden Dynastie hängt von einem Genius ab und zwar hat dieser die gelbe Farbe. Aber nicht minder besitzt jede Provinz und Stadt, jeder Berg und Fluß einen bestimmten Genius. Alle diese Geister stehen unter dem Kaiser, und in dem jährlich erscheinenden Reichsadreßbuche sind die Beamten wie die Genien verzeichnet, denen dieser Bach, dieser Fluß usw. anvertraut worden ist. Geschieht ein Unglück, so wird der Genius wie ein Mandarin abgesetzt. Die Genien haben unzählige Tempel (in Peking sind deren gegen 10000) mit einer Menge von Priestern und Klöstern. Diese Bonzen leben unverheiratet und werden in allen Nöten von den Chinesen um Rat gefragt. Außerdem aber werden weder sie noch die Tempel sehr geehrt Die englische Gesandtschaft des Lord Macartney wurde sogar in die Tempel einquartiert, da man dieselben wie Wirtshäuser braucht. Ein Kaiser hat viele Tausende solcher Klöster säkularisiert, die Bonzen ins bürgerliche Leben zurückzukehren genötigt und die Güter mit Abgaben belegt. Die Bonzen sagen wahr und beschwören; denn die Chinesen sind einem unendlichen Aberglauben ergeben: dieser beruht eben auf der Unselbständigkeit des Innern und setzt das Gegenteil von der Freiheit des Geistes voraus. Bei jedem Unternehmen - ist z.B. die Stelle eines Hauses oder eines Begräbnisplatzes und dergleichen zu bestimmen - werden die Wahrsager um Rat gefragt. Im Y-king [Yi jing] sind gewisse Linien angegeben, die die Grundformen und Grundkategorien bezeichnen, weshalb dieses Buch auch das Buch der Schicksale genannt wird. Der Kombination von solchen Linien wird eine gewisse Bedeutung zugeschrieben und die Prophezeiung dieser Grundlage entnommen. Oder eine Anzahl von Stäbchen wird in die Luft geworfen und aus der Art, wie sie fallen, das Schicksal vorherbestimmt. Was uns als zufällig gilt, als natürlicher Zusammenhang, das suchen die Chinesen durch Zauberei abzuleiten oder zu erreichen, und so spricht sich auch hier, ihre Geistlosigkeit aus. Mit diesem Mangel eigentümlicher Innerlichkeit hängt auch die Bildung der chinesischen Wissenschaft zusammen. Wenn wir von den chinesischen Wissenschaften sprechen, so tritt uns ein großer Ruf hinsichtlich der Ausbildung und des Altertums derselben entgegen. Treten wir näher, so sehen wir, daß die Wissenschaften in sehr großer Verehrung, und zwar öffentlicher von der Regierung ausgehender Hochschätzung und Beförderung stehen. Der Kaiser selbst steht an der Spitze der Literatur. Ein eignes Kollegium redigiert die Dekrete des Kaisers, damit sie im besten Stile verfaßt seien, und so ist dieses denn auch eine wichtige Staatssache. Dieselbe Vollkommenheit des Stils müssen die Mandarine bei Bekanntmachungen beobachten, denn der Vortrefflichkeit des Inhalts soll auch die Form entsprechen. Eine der höchsten Staatsbehörden ist die Akademie der Wissenschaften. Die Mitglieder prüft der Kaiser selbst, sie wohnen im Palaste, sind teils Sekretäre, teils Reichsgeschichtschreiber, Physiker, Geographen. Wird irgendein Vorschlag zu einem neuen Gesetz gemacht, so muß die Akademie ihre Berichte einreichen. Sie muß die Geschichte der alten Einrichtungen einleitend geben, oder wenn die Sache mit dem Auslande in Verbindung steht, so wird eine Beschreibung dieser Länder erfordert. Zu den Werken, die hier verfaßt werden, macht der Kaiser selbst die Vorreden. Unter den letzten Kaisern hat sich besonders Kienlong [Qianlong] durch wissenschaftliche Kenntnisse ausgezeichnet: er selbst hat viel geschrieben, sich aber bei weitem mehr noch durch die Herausgabe der Hauptwerke Chinas hervorgetan. An der Spitze der Kommission, welche die Druckfehler verbessern mußte, stand ein kaiserlicher Prinz, und wenn das Werk durch alle Hände gegangen war, so kam es nochmals an den Kaiser zurück, der jeden Fehler, der begangen wurde, hart bestrafte. Wenn so einerseits die Wissenschaften aufs höchste geehrt und gepflegt scheinen, so fehlt ihnen auf der andern Seite gerade jener freie Boden der Innerlichkeit und das eigentliche wissenschaftliche Interesse, das sie zu einer theoretischen Beschäftigung macht. Ein freies, ideelles Reich des Geistes hat hier nicht Platz, und das, was hier wissenschaftlich heißen kann, ist empirischer Natur und steht wesentlich im Dienste des Nützlichen für den Staat und für seine und der Individuen Bedürfnisse. Schon die Art der Schriftsprache ist ein großes Hindernis für die Ausbildung der Wissenschaften; oder vielmehr umgekehrt, weil das wahre wissenschaftliche Interesse nicht vorhanden ist, so haben die Chinesen kein besseres Instrument für die Darstellung und Mitteilung des Gedankens. Bekanntlich haben sie neben der Tonsprache eine solche Schriftsprache, welche nicht wie bei uns die einzelnen Töne bezeichnet, nicht die gesprochenen Worte vor das Auge hinstellt, sondern die Vorstellungen selbst durch Zeichen. Dies scheint nun zunächst ein großer Vorzug zu sein und hat vielen großen Männern, unter andern auch Leibniz imponiert; es ist aber gerade das Gegenteil von einem Vorzug. Denn betrachtet man zuerst die Wirkung solcher Schriftweise auf die Tonsprache. so ist diese bei den Chinesen, eben um jener Trennung willen, sehr unvollkommen. Denn unsre Tonsprache bildet sich vornehmlich dadurch zur Bestimmtheit aus, daß die Schrift für die einzelnen Laute Zeichen finden muß, die wir durchs Lesen bestimmt aussprechen lernen. Die Chinesen, welchen ein solches Bildungsmittel der Tonsprache fehlt, bilden deshalb die Modifikationen der Laute nicht zu bestimmten, durch Buchstaben und Silben darstellbaren Tönen aus. Ihre Tonsprache besteht aus einer nicht beträchtlichen Menge von einsilbigen Worten welche für mehr als eine Bedeutung gebraucht werden. Der Unterschied nun der Bedeutung wird allein teils durch den Zusammenhang, teils durch den Akzent, schnelles oder langsames, leiseres oder lauteres Aussprechen bewirkt. Die Ohren der Chinesen sind hierfür sehr fein gebildet. So finde ich, daß Po je nach dem Ton elf verschiedene Bedeutungen hat: Glas; sieden; Getreide; worfeln; zerspalten; wässern; zubereiten; ein alt Weib; Sklave; freigebiger Mensch; kluge Person; ein wenig. — Was nun die Schriftsprache betrifft, so will ich nur das Hindernis hervorheben, das in ihr für die Beförderung der Wissenschaften liegt. Unsre Schriftsprache ist sehr einfach zu lernen, indem wir die Tonsprache in etwa 25 Töne analysieren (und durch diese Analyse wird die Tonsprache bestimmt, die Menge möglicher Töne beschränkt, die unklaren Zwischentöne entfernt); wir haben nur diese Zeichen und ihre Zusammensetzung zu erlernen. Statt solcher 25 Zeichen haben die Chinesen viele Tausende zu lernen, man gibt die für den Gebrauch nötige Anzahl auf 9353 an, ja bis auf 10516, wenn man die neueingeführten hinzurechnet; und die Anzahl der Charaktere überhaupt, für die Vorstellungen und deren Verbindungen, soweit sie in den Büchern vorkommen, beläuft sich auf 80 bis 90 000. - Was nun die Wissenschaften selbst angeht, so begreift die Geschichte der Chinesen nur die ganz bestimmten Fakta in sich, ohne alles Urteil und Räsonnement. Die Rechtswissenschaft gibt ebenso nur die bestimmten Gesetze und die Moral die bestimmten Pflichten an, ohne daß es um eine innere Begründung derselben zu tun wäre. Die Chinesen haben jedoch auch eine Philosophie. deren Grundbestimmungen sehr alt sind, wie denn schon der Y-king [Yi jing], das Buch der Schicksale, von dem Entstehen und Vergehen handelt. In diesem Buche finden sich die ganz abstrakten Ideen der Einheit und Zweiheit, und somit scheint die Philosophie der Chinesen von denselben Grundgedanken, wie die pythagoreische Lehre, auszugehen. Das Prinzip ist die Vernunft, Tao, diese allem zugrunde liegende Wesenheit, die alles bewirkt. Ihre Formen kennenzulernen, gilt auch bei den Chinesen als die höchste Wissenschaft; doch hat diese keinen Zusammenhang mit den Disziplinen, die den Staat näher betreffen. Die Werke des Lao-tse [Laozi] und namentlich sein Werk Tao-te-king [Dao de jing] sind berühmt. Konfuzius besuchte im sechsten Jahrhundert vor Christus diesen Philosophen, um ihm seine Ehrerbietung zu bezeigen. Wenn es nun auch jedem Chinesen freisteht, diese philosophischen Werke zu studieren, so gibt es Jods dazu eine besondere Sekte, die sich Tao-tse nennt oder Verehrer der Vernunft. Diese sondern sich von dem bürgerlichen Leben aus, und es mischt sich viel Schwärmerisches und Mystisches in ihre Vorstellungsweise. Sie glauben nämlich, wer die Vernunft kenne, der besitze ein allgemeines Mittel, das schlechthin für mächtig angesehen werden könne und eine übernatürliche Macht erteile, so daß man dadurch fähig wäre, sich zum Himmel zu erheben und niemals dem Tode unterliege (ungefähr wie man bei uns einmal von einer Universallebenstinktur sprach). Mit den Werken des Konfuzius sind wir nun auch näher bekannt geworden; ihm verdankt China die Redaktion der Kings; außerdem aber viele eigne Werke über Moral, die die Grundlage für die Lebensweise und das Betragen der Chinesen bilden. In dem Hauptwerke des Konfuzius, welches ins Englische übersetzt wurde, finden sich zwar richtige moralische Aussprüche, aber es ist ein Herumreden, eine Reflexion und ein sich Herumwenden darin, welches sich nicht über das Gewöhnliche erhebt. - Was die übrigen Wissenschaften anbelangt, so werden sie nicht als solche, sondern vielmehr als Kenntnisse zum Behufe von nützlichen Zwecken angesehen. Die Chinesen sind weit in der Mathematik, Physik und Astronomie zurück, so groß auch ihr Ruhm früher darin war. Sie haben vieles gekannt, als die Europäer es noch nicht entdeckt hatten, aber sie haben keine Anwendung davon zu machen verstanden, so z.B. den Magnet, so die Buchdruckerkunst. Allein namentlich in Beziehung auf die letztere bleiben sie dabei stehen, die Buchstaben in hölzerne Tafeln zu gravieren und dann abzudrucken, von den beweglichen Lettern wissen sie nichts. Auch das Pulver wollen sie früher wie die Europäer erfunden haben, aber die Jesuiten mußten ihnen die ersten Kanonen gießen. Was die Mathematik anbetrifft, so verstehen sie sehr wohl zu rechnen, aber die höhere Seite der Wissenschaft ist ihnen unbekannt. Auch als große Astronomen haben die Chinesen lange gegolten. La Place hat ihre Kenntnisse darin untersucht und gefunden, daß sie einige alte Nachrichten und Notizen von Mond- und Sonnenfinsternissen besitzen, was freilich die Wissenschaft noch nicht konstituiert. Auch sind die Notizen so unbestimmt, daß sie eigentlich gar nicht als Kenntnisse gelten können; im Schu-king [Shu jing] sind nämlich in einem Zeitraum von 1500 Jahren zwei Sonnenfinsternisse erwähnt. Der beste Beweis, wie es mit der Wissenschaft der Astronomie bei den Chinesen steht, ist, daß schon seit mehreren hundert Jahren die Kalender dort von den Europäern gemacht werden. In früheren Zeiten, als noch chinesische Astronomen den Kalender verfaßten, kam es oft genug vor, daß falsche Angaben von Mond- und Sonnenfinsternissen gemacht wurden und die Hinrichtung der Verfertiger nach sich zogen. Die Fernrohre, welche die Chinesen von den Europäern zum Geschenk erhielten, sind zwar zum Schmucke aufgestellt, aber sie wissen weiter keinen Gebrauch davon zu machen. Auch die Medizin wird von den Chinesen getrieben, aber als etwas bloß Empirisches, woran sich der größte Aberglaube knüpft. Überhaupt hat dieses Volk eine ungemeine Geschicklichkeit in der Nachahmung, welche nicht bloß im täglichen Leben, sondern auch in der Kunst ausgeübt wird. Das Schöne als Schönes darzustellen ist ihm noch nicht gelungen, denn in der Malerei fehlt ihm die Perspektive und der Schatten, und wenn auch der chinesische Maler europäische Bilder wie alles überhaupt gut kopiert, wenn er auch genau weiß, wieviel Schuppen ein Karpfen hat, wieviel Einschnitte in den Blättern sind, wie die Gestalt der verschiedenen Bäume und die Biegung ihrer Zweige beschaffen ist, so ist doch das Erhabene, Ideale und Schöne nicht der Boden seiner Kunst und Geschicklichkeit. Die Chinesen sind anderseits zu stolz, um etwas von den Europäern zu lernen, obgleich sie oft deren Vorzüge anerkennen müssen. So ließ ein Kaufmann in Kanton ein europäisches Schiff bauen, aber auf Befehl des Statthalters wurde es sofort zerstört. Die Europäer werden als Bettler behandelt, da sie genötigt seien, ihre Heimat zu verlassen und sich ihren Unterhalt anderswo als im eignen Lande zu suchen. Dagegen haben wohl auch die Europäer eben weil sie Geist haben, noch nicht vermocht, die äußerliche und vollkommen natürliche Geschicklichkeit der Chinesen nachzuahmen. Denn ihre Firnisse, die Bearbeitung ihrer Metalle und namentlich die Kunst, die selben beim Gießen äußerst dünn zu halten, die Bereitung der Porzellane nebst vielem andern sind noch unerreicht geblieben. – Dies ist der Charakter des chinesischen Volkes nach allen Seiten hin. Das Ausgezeichnete desselben ist, daß alles, was zum Geist gehört, freie Sittlichkeit, Moralität, Gemüt, innere Religion, Wissenschaft und eigentliche Kunst entfernt ist. Der Kaiser spricht immer mit Majestät und väterlicher Güte und Zartheit zum Volke, das jedoch nur das schlechteste Selbstgefühl über sich selber hat und nur geboren zu sein glaubt den Wagen der Macht der kaiserlichen Majestät zu ziehen. Die Last, die es zu Boden drückt, scheint ihm sein notwendiges Schicksal zu sein, und es ist ihm nicht schrecklich, sich als Sklaven zu verkaufen und das saure Brot der Knechtschaft zu essen. Der Selbstmord als Werk der Rache die Aussetzung der Kinder als gewöhnliche und tägliche Begebenheit zeugt von geringer Achtung, die man vor sich selbst, wie vor dem Menschen hat, und wenn kein Unterschied der Geburt vorhanden ist und jeder zur höchsten Würde gelangen kann, so ist eben diese Gleichheit nicht die durchgekämpfte Bedeutung des inneren Menschen sondern das niedrige, noch nicht zu Unterschieden gelangte Selbstgefühl. |
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7 | 1821-1831.2 |
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte : Die orientalische Welt [ID D17264]. Sekundärliteratur 1922 Johannes Witte : Kraft seines Genies hat er aus den Kenntnissen über China die Grundzüge seines innersten Wesens so fein herausgearbeitet, wie das bisher vorher noch nicht geschehen war und auch bisher nach ihm nicht wieder geschehen ist. Tiefer als der Rationalismus, der einseitig bewundernd Chinas Vorzüge heraushob, hat er Chinas Eigenart für sich, kritisch Vorzüge und Schwächen abwägend und den Geist des Ganzen klar erfassend, festgestellt und hat China seinen richtigen Platz angewiesen in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Geisteslebens : Er stellt China über die primitiven Völker, aber er stellt es tiefer, als die in der christlichen-europäischen Entwicklung erreichte Stufe. Sehr richtig hat Hegel gesehen und hervorgehoben, dass diese geistige Zuständlichkeit Chinas nicht eine Entwicklungsstufe darstellt, aus der sich eine höhere Geistigkeit, eine Befreiung des Geistes aus der Knechtung unter Natur- und Moralgesetzen entwickeln würden und könnten. Es handelt sich vielmeht um eine grundsätzlich andere Ausprägungsform des Geisteslebens von dauernder Art, die über sich selbst weder hinausgelangen will noch kann. Dieser Dauercharakter der chinesischen Welt ist durch seine 4000jährige Geschichte hinreichend bestätigt. China war vor 4000 Jahren wesentlich das gleiche, wie es bis in die neueste Zeit war. Aber über eine gewisse Stufe konnten sie nicht hinaus und empor. Daher hat China eigentlich, wie Hegel gleichfalls richtig betont, keine Entwicklung und keine Geschichte. Der chinesische Geist bleibt gebunderer Geist. Er hat alle richtigen Gedanken, aber er hat sie nicht zusammengefasst. Hier hat die neuere Forschung grössere Klarheit geschaffen, Die Chinesen sind überhaupt kein Volk von Denkern. Es kommt nie zu systematischen, wissenschaftlichen Herausarbeitung eines Systems auf irgendeinem Gebiet. China wollte bleiben und blieb, was es seit Jahrtausenden war. Ja, selbst ehrlich ist der Chinese nur im festen Kontrakt, da, wo er durch den gesetzlichen Zwang gebunden ist. Denn dies riesige Volk, das im Vergangenen so viel geleistet, hat sicher noch eine grosse Zukunft. Abgesehen von Einzelkenntnissen hat Hegel die Welt Chinas nicht nur in ihrem Tatbestande richtig dargestellt, sondern er hat sie, was viel wertvoller ist, in ihrer geistigen Grundart scharf erfasst, ihr Wesen aufgezeigt und es in das Gesamtleben der Menschheit richtig eingeordnet. Ja, man möchte wünschen, dass seine Gedanken von allen Chinaforschern ernst beachtet würde. Man würde China dann besser verstehen. Aus Hegels Darlegungen ergibt sich zunächst das Recht, ja die Pflicht zur Missionsarbeit in China überhaupt. Es gilt, diese Welt auf unsere Stufe der Geistigkeit, der grundätzlich höchsten Form des Menschendaseins emporzuheben. Die Mission muss sich dauernd klar bewusst bleiben, dass China trotz seiner alten Kultur auf einer niederen Stufe der Entwicklung des menschlichen Geisteslebens steht, und muss es als erste Aufgabe ansehen, zur Überwindung des Systems Vorarbeit zu leisten für die Emporhebung Chinas auf unsere Stufe entwickelter Geistigkeit, weil nur auf ihrem Boden volles Verständnis des Christentums möglich ist. Martin Müller zu Witte : Wittes Artikel sind vermutlich die ersten, die man als 'wissenschaftlich' betrachten kann, enthalten jedoch bereits Stereotypen. Der erste Aspekt, mit dem Witte beginnt, berührt die Fakten über China, auf deren Grundlage Hegel seine Urteile fällt. Obleich er entschieden darauf hinweist, dass vieles mittlerweile überholt sei, lägen die Fehler dennoch nicht bei Hegel, sondern seien der mangelhaften Kenntnis seiner Zeit zuzuschreiben. Witte sieht eine Aufgabe der 'Wissenschaft' darin, Hegels grundätzlich richtige Ausführungen durch neue Erkenntnisse zu systematisieren und zu belegen. 1931-1932 Karl A. Wittfogel : Die Extensität, mit der Hegel das Problem China erörtert, ist Ausdruck der Bedeutung, die er diesem Problem beimisst. Es ist bekannt, dass in der mit Hegel gehenden Periode der philosophischen Vorbereitung, Rechtfertigung und Erklärung der bürgerlichen Revolution in Mittel- und Westeuropa die Mehrzahl der führenden Denker sich ausgiebig mit China beschäftigt hat. Hegel selbst nennt die Gründe. Chinas Anblick interessierte damals die Europäer keineswegs als exotisches Kuriosum, sondern aus klassenmässig politischen Ursachen. Die Klassifizierung Chinas im Vergleich zu den übrigen orientalischen Reichen geschieht nach idealistischen Prinzipien, wie die Aufstellung des ganzen Systems (was nicht ausschliesst, dass teilweise faktisch materialistisch dialektische Zusammenhänge die idealistisch dialektische Anordnung bestimmen. Die von den damaligen Chinareisenden in Anlehnung an die konfuzianische Legende behauptete Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Kaiser stellt China in den Augen Hegels an den Anfang einer Differenzierung von Innerem und Äusserem, Geistigem und Natürlichem, die der Weltgeist in vielen Stufen erst durchlaufen muss, um zum Bewusstsein und zur Verwirklichung seiner Freiheit zu kommen. So wird denn, trotz der niedrigen Stellung, die Hegel China im geschichtlichen Gesamtbilde anweist, die Analyse des ostasiatischen Lebensgefüges für ihn keineswegs unnötig, sondern vielmehr doppelt bedeutsam und wichtig. Angesichts der idealistischen Art, in der Hegel diesen allseitigen Zusammenhang der Gesellschaft Chinas herstellt, wirft sich sofort die Frage nach dem Wie einer materialistischen Umstülpung dieser idealistischen Ableitung auf. Hegels Analyse Chinas steht vielleicht in irgendeinem Zusammenhang mit einer wichtigen Konzeption Marxens, mit derjenigen nämlich von einer spezifischen 'asiatischen, orientalischen' Gesellschaft oder Produktionsweise. Die Äusserung Hegels, China habe 'eigentlich keine Geschichte', ist von einzelnen Gelehrten so interpretiert worden, als sehe Hegel in China einen stets gleichartigen Staatszustand, d.h., den Staat, wie ihn die konfuzianischen Quellen als von jeher bestehend schildern. Die konfuzianischen Quellen lassen, gesellschaftswissenschaftlich untersucht, zwei durchaus verschiedenartige Staaatsverfassungen, eine feudale und eine bürokratisch despotische, und ausserdem einen vorstaatlichen Frühzustand erkennen. Hegel muss immer wieder feststellen, dass auch in China Wachstum, Entwicklung vor sich gegangen ist. Enorm waren die Transformationen der Frühgeschichte, deren Skizze Hegel den Quellen entnahm. In der Tat stehen die Erinnerungen die die prähistorischen Frühzeiten auf verblüffende Weise im Einklang nicht nur mit den Prinzipien der modernen Psychologie, sondern vor allem mit denjenigen der allerjüngsten Völkerkunde. Die Entwicklung Chinas 'in sich' hat also, auch nach Hegels Bericht, zwei, ja nach ihm eigentlich : drei spezifische Stufen der Agrarverfassung durchlaufen. Durch die konfuzianisch orientierten Quellen bestimmt, hat Hegel vom Anfang an in China ein Land ohne Klassen und Stände gesehen. Da ist zunächst einmal ‚die Einführung der Sklaverei, die als zweites Moment der chinesischen Unfreiheit zu erwähnen ist, [dann] das Bauerntum, dessen formale Freiheit er betont. Sodann das Beamtentum, das literarisch gebildete Mandarinat. Nun ist angeblich der Zugang zum Mandarinat, ausser den Sklaven, allen Staatsbürgern gleichmässig offen. Allein die Qualifikation findet sich an die harten Bedingungen einer langwierigen literarischen Schulung gebunden, und diese Schulung wiederum ist, auch nach Hegels Darstellung, schwer zu erreichen. Unterschätzt Hegel das Klassenmoment in der Sozialgeschichte Chinas, so überschätzt er die gesellschaftsbestimmende Bedeutung der chinesischen Familie. Die feudale Welt Chinas transformiert sich in die scheinbare Menschlichkeit einer patriarchalischen Despotie des Oberhauptes. Die Vorstellung des Substantiellen ist selbstherrschen ; das Allgemeine, das hier als Substantielles, Sittliches erscheint, ist mittels einer solchen Despotie so herrisch, dass die subjektive Freiheit, damit die Veränderung, nicht hat eintreten können. Daher zieht Hegel aus jener substantiellen natürlichen Geistigkeit die Konsequenzen der despotischen Regierungsformen der orientalischen Welt. Die Weltgeschichte ist nach Hegel 'der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit', und diese subjektive Freiheit wird jeweils nach den Stufen der Weltgeschichte vermehrt. Von hier aus kommt Hegel zur Analyse des unfreien Geisteszustandes unter den Lasten des Despotismus und bringt dafür die Verstaatlichung der Moralität als Beispiel. Die höchste Idee der Regierung ist auch nie durch die Gesetze geleistete Ordnung, sondern die durch die ausserrechtliche Sitte herbeigeführt. So glaubt Hegel von dieser Begriffsvorstellung der Gesetze aus daran, dass alle moralischen Handlungen durch die despotischen Rechtsgebräuche bezwungen werden sollten. Und darüber hinaus hat er konsequent mit dieser unfreien Geistigkeit auf die Vorstellung der Sklaverei Bezug genommen. Diese von Hegel allgemein ausgedrückte 'Sklaverei' zeigt uns jedoch seine zweifachen Irrtümer oder mangelnden Kenntnisse ; es handelt sich einmal um die bloss idealistische aufgefasste abstrakte Sklaverei, die im Grunde auf die 'Sklaverei' die falsche Begriffsanwendung des Verhältnisses von 'Herrschaft und Knechtschaft' der antiken 'Sklavenhaltergesellschaft oder der mittelalterlichen Leibeigenschaft' zugrunde. Die chinesische 'Sklaverei' ist nicht das im Begriff 'Sklaverei' oder 'Leibeigenschaft' konzipierte 'Produktionsmittel', sondern nur die sekundäre 'Haus- und Luxussklaverei'. Hegel anerkennt das Ideal der Gleichheit, jedoch ist die Freiheit für ihn das letzte Kriterium, um festzustellen, ob eine Regierung despotisch ist oder nicht. Die Freiheit ist für ihn nicht nur die Substanz des Geistes, sondern die des Willens. Er sieht dialektisch die Kehrseite der staatlichen Institutionalisierung der Technik und Wissenschaft als den Grund für die paralysierte Forschungsfreiheit des Individuums an, wie er die Trennung der Wissenschaft von der katholischen Kirche als erstes Moment der geistigen Bildung Europas ansieht. Er sucht den Hintergrund des verschwundenen Ruhms der chinesischen Wissenschaft besonders in Astronomie, Physik, Geometrie und mechanischen Vorrichtungen, in dem Mangel an innerer Freiheit des Geistes im Prozess der Verstaatlichung der Wissenschaft. Hegel sieht zwar die Produktionsvermehrung innerhalb der 'bürgerlichen Gesellschaft', vernachlässigt aber den Zusammenhang mit der eminentesten Problematik der stagnierten Technik und Wissenschaft in seiner geschichtsphilosophischen Überprüfung der 'Stagnation' der orientalischen Welt. Wenn Hegel China und Indien vom weltgeschichtlichen Entwicklungsprozess nicht ausnimmt, so zeigt sich dabei der schwächste Punkt seiner geschichtsphilosophischen Konstruktion der 'Weltgeschichte'. Weil er trotzdem mit diesem zusammenhanglosen 'Anfang' seinen Entwicklungsprozess beginnt, muss er selbst folglich seine geschichtsphilosophische Konstruktion als die 'im Begriffe' charakterisieren. Er stellt den begrifflichen ideenhaften Übergang nicht nur von Indien nach Persien dar, sondern auch schon früher von China nach Indien, als ob das chinesische Prinzip der 'Gleichheit' in das indische des 'Unterschiedes' übergegangen sei. Er zieht also China und Indien in den weltgeschichtlichen Entwicklungsprozess ein und zeigt so, dass die selbständig nebeneianderstehenden lokalhistorischen Besonderheiten zu den nacheinander geordneten 'Prinzipien' der jeweiligen Völker werden. Das geschieht durch die 'ideologische' oder 'psychologische' Historisierung. Dabei erklärt er die weltgeschichtliche Entwicklung mittels der Metamorphose der 'Ost-West-Bewegung' des 'Weltgeistes' wie der sichtbaren Sonnenbewegung und der biologischen Periodisierung von 'Kindesalter (orientalische Welt), Jünglingsalter (griechische Welt), Mannesalter (römische Welt), Greisenalter (germanische Welt)'. Diese Geschichtsauffassung stützt sich im Grunde auf den Parallelismus zwischen dem logosartigen ‚Weltgeist’ und dem gegenständlich-prinzipiellen 'Volksgeist'. Soweit die 'orientalische Welt' nur 'im Begriffe' und 'an sich und für uns' in die Weltgeschichte eintritt, liegt sie für Hegel jenseits der geschichtlichen Dimensionen. 1996 Andreas Pigulla : China wird innerhalb einer vergleichenden Betrachtung des Orients behandelt. Dabei geht Hegel deduktiv vor. Allen Völkern des Orients gemein ist das Prinzip der 'Substantialität des Sittlichen'. Dies schliesst ein, 'dass der subjective Wille von den Gesetzen als von einer äusserlichen Macht regiert wird, dass alles Innerliche, Gesinnung, Gewissen, formelle Freiheit nicht vorhanden ist'. China liegt 'gleichsam noch ausserhalb der Weltgeschichte', denn da 'Substantialität' und 'subjective Freiheit' noch eine Einheit bilden, ist das Innere und Äussere, das Geistige und das Natürliche nicht voneinander getrennt, der schöpferische Geist nicht vorhanden, der sich von der Macht der Natur löslösen könnte, um Veränderung zu bewirken. Hegel übernimmt unkritisch die Übersetzung de Maillas. Sie passt in sein Konzept, da er davon ausgeht, dass jedes der orientalischen Völker sein 'Grundbuch' habe. China erhält allerdings eine Sonderstellung, da seine Historiographie am weitesten zurückreicht. Die patriarchalische Grundstruktur des Reiches und seiner Gesellschaft, in der das Individuum noch 'reflexions- und selbstlos' ist, erklärt für Hegel die chinesische Zivilisation vollständig. Hegels Resumée zeugt von Anerkennung des indivuduellen chinesischen Charakters wie auch von der abgrenzenden Funktion, sie die chinesische Zivilisation zur Folie macht, auf der sich der Entwicklungsprozess zur Freiheit konstruieren lässt. Er hat mit seinen Chinainterpretationen ein komplettes, leicht verwendbares Bild geschaffen, das diese Kultur anhand einer Leitvorstellung, die a priori festgelegt scheint, verständlich macht. Plausibilität gewinnt sein Vorgehen dadurch, dass die leitende Hinsicht nicht ohne weiteres als dem Gegenstand unangemessen erscheint. Die Perspektive wirkt erst dann verkürzt, wenn Hegels geschlossenes Bild mit China-Informationen in Beziehung gesetzt wird, die ihm schon zur Verfügung standen. und kommt unter anderem zu einer unzutreffenden Konfuzianismus-Interpretation. So ist er scheinbar nicht bereit, die Vielschichtigkeit der chinesischen Philosophie wahrzunehmen 1996 Donghie Rhie : Es geht bei Hegel um die Idee des modernen Staates, die auf der individuellen Freiheit basiert. Die individuelle subjektive Freiheit kann für Hegel nur dann entstehen, wenn sich der individuelle Wille mit dem allgemeinen Wille vermitteln kann. Das Prinzip der individuellen Freiheit wird im Staat verwirklicht, wo der individuelle Wille mit dem allgemeinen Wille identifiziert wird. Hegel sieht in China ein festes Staatsystem, das vom moralischen Despotismus getrieben wird. Die sittliche Substantialität beherrscht Hegel zufolge den chinesischen Staat, der auf dem Familiengeist beruht. Die Einheit des Geistes mit der Natur bedeutet für Hegel nichts anderes als ‚die niedrigste und unwahrste Stufe’ der Geistesentwicklung. Hiermit wird der Ort der chinesischen Walt als die erste Stufe der schematisch durchgehaltenen Dreiteilung der Geistentwicklung vorgestellt. Wegen dieser kritischen Einstellung Hegels zu China wird ihm vorgeworfen, dass er den chinesischen, im weiteren Sinne den orientalischen Geist von vornherein abwertend eingeschätzt hat, indem er ihn in sein 'spekulatives' geschichtlich-philosophisches Schema, wo Natur und Geist gegenübergestellt sind, eingeordnet hat. Dieser Vorworf fragt allerdings nicht nach dem geschichtlichen Hintergrund, aus der Hegels Bestimmung Chinas erwächst und vor dem er sein kritisches Urteil über China fällt. Die geschichtliche Erkenntnis, die Hegel aus der spekulativen Philosophie ableitet, ist weit entfernt von den 'apriorischen Erdichtungen' in der Geschichte, welche die damaligen Historiker den Philosophen vorwarfen. Der enge Naturbezug im geistigen Leben in China ist für Hegel der Leitfaden, das chinesische Reich wirklich zu verstehen. Hegel versteht unter dem chinesischen Begriff 'Himmel' die Natur überhaupt. Er erkennt dabei, dass der Himmel bei den Chinesen einen besonderen religiösen Sinn hat. Aus dem abhängigen Verhältnis des Geistes zur Natur versucht er, die enge Beziehung der Chinesen zum Himmel aufzuklären. Der Himmel gilt zugleich als 'innere Macht' in einem moralischen Zusammenhang. Weil es für Hegel die himmlische Vorstellung in dem geistigen Sinne in China noch nicht gibt, bezieht er die allgemeine Naturmacht auf die Naturgewalt des Kaisers. Der Kaiser ist Vermittler zwischen Himmel und seinen Untertanen. 1998 Adrian Hsia : Im Bereich der Religion unterscheidet Hegel drei Phasen der linearen Evolution, die natürliche, die künstliche und die Offenbarungsreligion. Weil sich die Chinesen in einem substanitellen Stadium befänden und ihr oberstes Wesen tian, Himmel, sei, gehörten sie einer natürlichen Religion an. Folgerichtig beteten sie Gott nur in seiner natürlichen Erscheinung an. Diese Naturreligion sei weit enfernt vom Weltgeist, der nur in der christlich-germanischen Welt zu seiner vollen Entfaltung komme, in der die Substantialität in jeglicher Form vollständig überwunden sei. Dieser reine Geist, der zu seiner vollkommenen Realisation gekommen sei, beherrsche nun die Welt. Im Laufe dieser Entwicklung des Weltgeistes zu sich selbst würden alle asiatischen Nationen von Europa unterworfen werden. 2000 Reinhard Sonnenschmidt : 'Die Weltgeschichte geht von Osten nach Westen, denn Europa ist schlechthin das Ende der Weltgeschichte, Asien der Anfang' : Für Hegel ist der 'Anfang' das An-sich, das, was sich noch entwickeln wird hin zu seiner Wesensbestimmung. Das 'Ende' ist das, was sich entwickelt hat, d.h. über die Realisierung des An-sich zu einem Für-sich geworden ist. Asien bewegt sich somit auf einem niedrigeren Niveau als Europa, was durch das Wort 'schlechthin' untermauert wird. Hiermit setzt Hegel insofern einen durch sein philosophisches System abgesicherten Akzent, als Europa zivilisatorisch und kulturell gesehen höherwertiger ist als Asien. Das zeigt sich besonders prägnant in seiner Darstellung des Kaisers, und zwar im Kontext von Substanz und Subjektivität. Subjektivität und Substanz bzw. einzelner Wille und allgemeiner Wille sind nun nach Hegel in China unmittelbar verbunden, was ein denkbar schlechtes Zeichen ist. Denn die Unmittelbarkeit der Verbindung bedeutet, dass Substanz und Subjekt nicht geschieden waren und sind und demgemäss die Bildung eines dialektischen Verhältnisses gänzlich fehlt. Unmittelbares Gehorchen ist ohne Reflexion und daher ohne Selbst. Was fehlt, ist also Selbstreflexion oder Innerlichkeit des Subjekts, die auch Gesinnung heisst. Diese Gesinnung aber wird durch das unmittelbare Substanz-Subjekt, den Kaiser, per Gesetz festgelegt. Die Härte des Substanz-Kaisers zeigt sich in ihrer mangelnden 'Undurchweichtheit', weshalb sie 'sich selber allein gleich ist', also auf einer Stufe stehenbleibt, die Hegel 'Familie' oder patriarchisch nennt, wobei Despotismus und Vorsorge diejenigen Grössen sind, die die Unmündigkeit und Unselbständigkeit der Chinesen dokumentieren. Daher sind, so Hegel, die Chinesen in der Familie selbst 'keine Personen'. Weil China 'das Reich der absoluten Gleichheit' ist, herrscht in ihm 'keine Freiheit', und daher ist der Unterschied zwischen der Sklaverei und der Freiheit nicht gross, da vor dem Kaiser alle gleich, d.h. alle gleich degradiert sind. Als Mitglieder sind die Chinesen also nicht nur Sklaven, Unfreie, Unmündige, Unpersonen, weil despotisch degradiert. Das Fehlen von Freiheit verschärft Hegels Kritik an China. Was aber unselbständig, unfrei und daher reflexions- wie selbstlos ist, befindet sich im Zustand der Natur. 2003 Lee Eun-jeung : Hegel unternimmt den Versuch, das Frühe und Ewig-Gleichbleibende Chinas geschichtsphilosophisch zu begründen. Für ihn tritt die Geschichte Chinas hinter die Bedeutung seiner sich nicht verändernden Verfassung zurück. Der sittliche Zustand in China bestehe auf dem Verhältnis der Kinder zu den Eltern, also auf dem der Familie. Dieses patriarchalische Verhältnis ist nach Hegel das Grundelement des chinesischen Staates. In China komme alles auf die Persönlichkeit des Kaisers an und so sehr hier auch Vernachlässigung und Willkür möglich sind, so kann sich doch auch hohe moralische Würde ausbilden. Der chinesische Staat möge zwar im Hinblick auf die Individualität des Kaisers und seine geregelte Verwaltung glänzend dastehen, aber es fehle 'in diesem Ideale die Würdigkeit des Individuums'. Es ist bemerkenswert, welch weitreichende Thesen Hegel aus der kindlichen Pietät, also aus dem Sittenkodex der konfuzianischen Lehre entwickelt. Seiner Meinung nach ist es 'der Mangel des ganzen Prinzipis der Chinesen', dass bei ihnen 'das Rechtliche vom Moralischen' nicht getrennt ist. Da er von vornherein davon ausgeht, dass die ganze Reichsverwaltung Chinas auf dem sittlichen Verhältnis der Familie beruht, beginnt er auch hier mit der chinesischen Familie. Es gebe Pflichten von unten nach oben, aber eigentlich keine von oben nach unten ; nichts werde so hart verurteilt wie der Mangel an Ehrbietung. Für Hegel ist die Tatsache, dass in China 'körperliche Züchtigung' als Strafe einsesetzt wird, der Beweis für das Fehlen des Ehrgefühls bei den Chinesen überhaupt. Die Berichte der Missionare über die Häufigkeit von Selbstmorden betrachtet er als den Beweis dafür, dass die Chinesen 'kein moralisches Inneres' haben. Die Chinesen werden als 'ein unmündiges Volk' regiert ; ihre Sitten haben infolgedessen den Charakter der 'Unselbständigkeit'. Hegel nimmt Beispiele chinesisch-konfuzianischer Gebräuche, die in Europa – auf welche Weise auch immer – bekannt geworden sind, für seine philosophisch formulierte Geist-Deutung in Anspruch. Dabei interessiert ihn die Frage kaum, in welchem sozio-ökonomischen und politischen Kontext solche Gebräuche entstanden sind ; welche Rolle sie tatsächlich spielen. Es geht ihm in aller erster Linie um empirische Belege für seine philosophische Konstruktion. Ausserdem passiert es häufig, dass er andere Zahlen angibt als die von ihm verwendeten Quellenwerke. Er versucht, die dialektische Katagorie der Totalität in seiner Darstellung aufrechtzuerhalten, indem er auf allen Gebieten, also auch in der Kunst und Wissenschaft stets die Verbindung mit dem Ganzen der Verfassung des Staates herstellt. Die Wissenschaft bleibe in China dem Staatsdiener vorbehalten und ihr Studium beschränke sich auf die Jings und deren Kommentare, die Gesetze des Reichs, die Moral und die Geschichte. Hegel sieht in der staatlichen Institutionalisierung der Wissenschaften den Grund für die paralysierte Forschungsfreiheit des Individuums. Er hat keine hohe Meinung von den verschiedentlich gerühmten wissenschaftlichen Errungenschaften der Chinesen auf den Gebieten der Astronomie, Geometrie, Mathematik, Medizin und Physik. Es ist auffällig, wie Hegel versucht, die kausalen Faktoren, aus denen er die Immobilität des chinesischen Geistes ableitet, sämtlich aus den besonderen Zügen der Herrschaftsstruktur des chinesischen Reiches bestimmt. Nur im Falle der Schriftstprache der Chinesen scheint er eine Ausnahme zu machen, wenn er sie als 'ein grosses Hindernis für die Ausbildung der Wissenschaften' bezeichnet. Hegel sammelt geistige, religiöse, politische, kulturelle und gesellschaftliche Tatsachen, um die in allen Bereichen als selbstverständlich angenommene Überlegenheit des neuzeitlichen Eruopa zu belegen und damit seine Konstruktion des Gangs der Weltgeschichte zu rechtfertigen. Er hat dafür umfangreiche, im Fluss der Forschung seiner Zeit stehende Literatur einbezogen, leider aber geht er mit diesem Material selektiv um. Zudem berücksichtigt er einige wichtige Materialien wie lateinische Übersetzungen der konfuzianischen Klassiker kaum. Er spricht wiederholt von der absoluten Gehorsamkeit der Untertanen dem Kaiser gegenüber und der moralischen Unselbständigkeit der Chinesen, obleich er weiss, dass es in der chinesischen Geschichte immer wieder zu Aufständen gekommen ist. Hegel beurteilt aber nicht nur kulturelle und sittliche Erscheinungen, sondern auch philosophische Aspekte nach seinen eigenen Massstäben. China ist für ihn das Land schlechthin, das sich als das genaue Gegenteil des sich zur Freiheit emanizpierenden Europas offenbart. Dadurch erhält China in Hegels geschichtsphilosophischer Konstruktion ein grosses politisches Gewicht. Er rechtfertigt nicht nur die europäischen Eroberungen in Asien, sondern auch die von ihm – im Namen des Weltgeistes – prophezeite Unterwerfung Chinas durch Europa. |
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8 | 1873 | Gründung der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokyo durch Max von Brandt. |
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9 | 1881-1888 |
Ranke, Leopold von. Weltgeschichte [ID D17233]. Ranke schreibt über Asien und China : … dass dort die Cultur entsprungen ist, und dass dieser Welttheil mehrere Culturepochen gehabt hat. Allein dort ist die Bewegung im ganzen eher eine rückgängige gewesen ; denn die älteste Epoche asiatischer Cultur war die blühendste ; die zweite und dritte Epoche, in welcher das griechische und das römische Element dominiren, war schon nicht mehr so bedeutend, und mit dem Einbrechen der Barbaran, der Mongolen, fand die Cultur in Asien vollends ein Ende… Da erscheint in dem uralten, durch und durch originellen China die Lehre des Confucius, der im sechsten Jahrhundert vor Chr. gelebt haben soll, als die Grundlage der noch heute gültigen Reichsreligion. Andreas Pigulla : China wird zwanzig Mal, meistens aber nur kurz erwähnt. Ranke eignet sich seine Chinakenntnisse durch Carl Ritter an. Vergleiche von Originalquellen und die Berücksichtigung des zeitlichen und gesellschaftlichen Kontextes in bezug auf die chinesischen Geschichtszeugnisse sind ihm nicht möglich. Da er die Zuverlässigkeit der chinesischen Annalen anzweifelt, können sie nicht Grundlage einer Darstellung innerhalb der Weltgeschichte sein. Die ausführlichste Erwähnung Chinas ist die 'Überfluthung der asiatischen und osteuropäischen Welt durch die Mongolen'. In der imaginären Raumkonzeption Rankes sind die von ihm neu genannten Nationen Island und China aus der völligen welthistorischen Bedeutungslosigkeit zur Peripherie der weltgeschichtlichen Bewegung aufgerückt. Da im Falle Chinas aber keine direkten staatlichen Beziehungen historisch relevant wurden, sondern akzidentiell das gleiche Fremdvolk Europa wie China bedroht, dem Ranke keine Kulturleistung zuspricht, erfolgt auch in den Vorlesungen keine Würdigung der chinesischen Geschichte… China wird von ihm als 'uralte' und 'durch und durch originelle' Nation und als 'ein Reich, das nur Frieden und Ruhe sucht' charakterisiert… Ranke schildert kurz die Hauptmerkmale des Buddhismus und sein Vordringen nach China. Die Verbindungen, die sich dadurch ergeben, sind für ihn Beipsiel für welthistorisch relevante Prozesse. |
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10 | 1901-1920 |
Lindner, Theodor. Weltgeschichte seit der Völkerwanderung [ID D17249]. Quellen : Texte von Karl Friedrich August Gützlaff, Ferdinand von Richthofen, August Conrady, Friedrich Hirth, Viktor von Strauss, Marco Polo, Jesuitenberichte und Übersetzungen chinesischer Klassiker, wie z.B. Shi jing. Andreas Pigulla : China ist für Lindner ein Bestandteil der Darstellung, weil die gegenwärtige Situation des Landes nur historisch verstehbar sei… Auch wenn China nicht als weltgeschichtlich handelndes Subjekt betrachtet wird, so zeigt Lindner an China, dass sich die Weltgeschichte in einem globalen Rahmen abspielt… In einem Kommentar zur chinesischen Geschichtsschreibung geht er auf das hohe Alter Chinas ein. Er schreibt : "In keinem Volke besitzt die Beharrung so mächtige Kraft, wie bei den Chinesen". Diese Feststellung führt aber nicht zu einer Abwertung, denn ‚Beharrung’ ist bei ihm eine Komponente jedes historischen Phänomens. In seiner Chinadarstellung werden die Bezugsgrössen ‚Beharrung’ und 'Veränderung' flexibel auf Zeitabschnitte bezogen operationalisiert. Er geht davon aus, China habe früh eine überlege Kultur ausgebildet und schon während der Zhou-Dynastie den grundlegenden Volkscharakter entwickelt. Er nennt die Daten der Dynastiewechsel, die wichtigsten Herrscher und auch die Perioden der Einheit und des Zerfalls des Reiches. Konfuzius stellt er als einen der 'grössten Männer der Geschichte' dar. Konfuzius’ Lehre wird historisch wirksam, weil sie dem gesellschaftlichen Befürfnis nach geordneten Lebensverhältnissen entspringt und ihrer Konzeption nach den 'Chinesen aus ihren Herzen geschrieben, eine Verkündigung ihrer innersten Anlage' ist… Es steht für Lindner ausser Frage, dass China auch in Zukunft entwicklungsfähig ist… Die Anpassungsfähigkeit Chinas sieht er gemindert, da das Land, wie kein anderes, 'alleinstehend' und daher nicht zu Anpassungsprozessen herausgefordert worden sei… Die konfuzianische Staats- und Gesellschaftsordnung entspringe einer Bereitschaft zur 'bewussten Unterordnung' aber nicht im ‚sklavischen Sinn’. Die Schrift sei sehr alt, aber nicht weniger leistungsfähig als andere Systeme. Aus der Literatur, Religion und Philosophie gibt Lindner kurze Inhaltsangaben und bemüht sich, diese in ihrer Fremdheit zu verstehen und ihre Leistungen anzuerkennen. Für ihn ist die Vermischung des Konfuzianismus mit Elementen des Volksglaubens ein 'grosser Fehler'. Er erwähnt Erfindungen und Bauwerke und sein Interesse richtet sich auf das Leben breiter Bevölkerungsschichten. |
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11 | 1911 |
Fueter, Eduard. Geschichte der neueren Historiographie [ID D17253]. Fueter schreibt : China verlangte nicht anderes, als in Ruhe gelassen zu werden. Trotzdem war ein Angriff erfolgt. Die Europäer duldeten nicht mehr, dass sich ihnen ein Absatzmarkt verschloss. Andreas Pigulla : Fueter bemerkt die Wirkung der modernen Verkehrs- und Kommunikationsmöglichkeiten. Er erkennt die Dynamisierung des Welthandels auch in bezug auf China als Phänomen der 'Europäisierung des Handels' mit Rückwirkungen auf Europa. Unter dieser Perspektive bleibt China durchgängig ein Thema. Im Rahmen der Konzentration auf Kolonial- und Weltwirtschaftspolitik haben die alten Stereotypen der Chinabeschreibung keinen Erklärungswert mehr. |
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12 | 1919-1922 |
Spengler, Oswald. Der Untergang des Abendlandes [ID D17250]. Spengler schreibt : Jede Kultur steht in einer tiefsymbolischen und beinahe mystischen Beziehung zum Ausgedehnten, zum Raume, in dem, durch den sie sich verwirklichen will. Ist das Ziel erreicht und die Idee, die ganze Fülle innerer Möglichkeiten vollendet und nach aussen hin verwirklicht, so erstarrt die Kultur plötzlich, sie stirbt ab, ihr Blut gerinnt, ihre Kräfte brechen – sie wird zur Zivilisation. Das ist es, was wir bei den Worten Ägyptizismus, Byzantinismus, Mandarinentum fühlen und verstehen. So kann sie, ein verwitterter Baumriese im Urwald, noch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch die morschen Äste emporstrecken. Wir sehen es an China. Andreas Pigulla : Die radikal umgewertete Weltsicht Spenglers bietet für die Erfassung Chinas Chancen und Gefahren. Für die Behandlung der chinesischen Geschichte fallen so die zwei wichtigsten 'efizite' ihres Verlaufs fort : Es sollte nun bedeutungslos sein, dass China, nach europäischer Wahrnehmung, wenig Beziehungen zur Aussenwelt gehabt hat und als dominanter Staat nicht zu inneren Veränderungen gezwungen war. Ausserdem kann der angeblich zyklische Verlauf geschichtlicher Prozesse in einem Modell, das Geschichte selbst zyklisch versteht, nicht zur Ausgrenzung führen. Tatsächlich ist die chinesische Kultur hier so wertvoll wie jede andere und bildet einen von acht Kulturkreisen der Weltgeschichte. Spengler funktionalisiert China, um die Gleichartigkeit von Entwicklungsverläufen in der Weltgeschichte durch Analogien zwischen westlichen und fremdkulturellen Phänomenen zu illustrieren. Die chinesische Religion hat eine 'gothische' Zeit. Die Zhanguo-Periode (481-221 v. Chr.) ist bei ihm der 'Übergang vom Napoleonismus zum Cäsarismus'. China bekommt eine Sonderrolle des übriggebliebenen Reiches aus der Urzeit… ist aber für Spengler schon seit 2000 Jahren eine 'tote' Kultur. |
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13 | 1964-1965 |
Gatterer, Johann Christoph. Handbuch der Universalhistorie [ID D1846]. Darin enthalten ist ein Verzeichnis chinesischer Geschichtsschreiber bzw. –bücher und die Geschichte der Chineser : Neben vielen Reiseberichten werden die Schriften von Jean-Baptiste Du Halde, Joseph de Guignes, Juan Gonzáles de Mendoza, Alvaro Semedo, Martini Martini, Athanasius Kircher, Marsy, François-Marie de. Neuere Geschichte der Chineser, Japaner, Indianer, Persianer, Türken und Russen etc. [ID D4613] und die Übersetzung der Algemeinen Welthistorie erwähnt. Die Abhandlung über China, Tibet, Korea und Japan enthält 560 Seiten. Gatterer schreibt : Von Rechtswegen hätte ich die ältere Geschichte von China schon in dem ersten Theile dieses Werkes abhandeln sollen ; allein ich wolte sie nicht gerne von der neuern Historie trennen, zumal da die Chinesische Geschichte erst in den nächsten Jahrhunderten nach Christi Geburt für uns Europäer wichtig zu werden anfängt. |
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14 | 1996 |
Weber, Max. Konfuzianismus und Taoismus : Sekundärliteratur (6). Andreas Pigulla : Wenn sich Weber um Kenntnisse über China bemüht, dann nicht, um China zu verstehen, sondern um seine eigene Kultur zu begreifen. Um die Plausibilität der Kulturanalyse der eigenene Gesellschaft erhöhen zu können und die Eigenart der Entwicklung möglichst präzise zu erfassen, sucht Weber nach Kontrastflächen durch den Vergleich mit fremden Kulturen. Immer war ihm dabei klar, dass er keine dauerhaften und umfassenden Kulturanalysen der aussereuropäischen Gesellschaften liefern konnte. Weber beginnt mit dem chinesischen Konfuzianismus, da er ihm als der stärkste Gegensatz zur eigenen Kultur erscheint. Während die westliche Welt 'entzaubert' ist, ist der Konfuzianismus nicht von magischen Elementen getrennt. Das heisst, Magie bleibt in ihrer 'positiven Heilsbedeutung' bestehen und wird noch durch das ‚Fehlen aller naturwissenschaftlicher Kenntnis’ verstärkt. Dazu fehlt auch die zweite zentrale Komponente für die Motivation, die Welt zu beherrschen : die 'Spannung gegen die Welt'. Denn, und hier verqickt Weber Taoismus und Konfuzianismus, in China lebe der Mensch nach den 'aus der kosmischen Harmonie folgenden sozialen Erfordernisse des Zusammenlebens' und diese bedeuten nicht Beherrschung, sondern rationelle Anpassung an die Welt. Weber vergleicht noch weiter Aspekte der Kulturen. Er untersucht die aus dem Konfuzianismus erwachsenden 'richtunggebenden Elemente der Lebensführung' der staatsbestimmenden chinesischen Elite und die von Europa abweichende Rolle der Städte in der chinesischen Geschichtsentwicklung. Bei der Untersuchung der 'religionssoziologischen' Phänomene der chinesischen Gesellschaft kommt Weber zu dem Ergebnis, dass in China Kapitalismus nicht 'geschaffen' worden ist, es aber jederzeit möglich sei, dass sich China den westlichen Kapitalismus 'aneignet'. |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 1744-1779 | Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie die in England durch eine Gesellschaft von Gelehrten ausgefertigt worden. Nebst den Anmerkungen der holländischen Uebersetzung auch vielen neuen Kupfern und Karten. Siegmund Jakob Baumgaren, Johann Christoph Gatterer, Johann Friedrich Le Bret, Johann Georg Meusel, August Ludwig von Schlözer, Johann Salomo Semler. (Halle : J.J. Gebauer, 1744-1779). Übersetzung von An universal history, from the earliest account of time. George Sale, George Psalmanazar, Archibald Bower, George Shelvocke, John Campbell, John Swinton. Vol. 1-65. (London : Printed for T. Osborne, 1747-1768). Bd. 2 und Bd. 4 enthalten chinesische Geschichte. | Publication / Baum2 |
# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 2000- | Asien-Orient-Institut Universität Zürich | Organisation / AOI |
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