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“Kant, Herder und Hegel über das fremde Indien und China” (Publication, 2005)

Year

2005

Text

Hsia, Adrian. Kant, Herder und Hegel über das fremde Indien und China. Vortrag Internationales Symposium "Topographie des Fremden : Grenzen und Übergänge", Goethe-Institut Rom, 1.-2. Dez 2005. (Hsia20)

Type

Publication

Mentioned People (3)

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  (Stuttgart 1770-1831 Berlin) : Philosoph

Herder, Johann Gottfried  (Mohrungen 1744-1803 Weimar) : Philosoph, Theologe

Kant, Immanuel  (Königsberg 1724-1804 Königsberg) : Philosoph, Professor für Logik und Metaphysik

Subjects

Philosophy : Europe : Germany / References / Sources

Chronology Entries (3)

# Year Text Linked Data
1 1756-1796 Kant, Immanuel. Collegium über die Physische Geographie.
Vorlesungen geschrieben 1756-1796 und ca. 48 mal vorgetragen. Kant modifiziert den Text während seiner mündlichen Vorträge, hat ihn aber nur in geringem Masse verbessert.
Die Manuskripte aus Königsberg sind seit 1945 verschollen.

Diktattexte
Quellen :
Allgemeine Historie der Reisen zu Wasser und Lande [ID D16843].
Anson, George. A voyage round the world in the years M.DCC.XL.I.II.II.IV [ID D1897].
Du Halde, Jean-Baptiste. Ausführliche Beschreibung des Chinesischen Reichs und der grossen Tartary [ID D11242].
Guignes, Joseph de. Memoire dans lequel on preuve, que les chinois sont une colonie egyptienne [ID D1841].
Lettres édifiantes et curieuses [ID D1397].
Magazin von merkwürdigen Reisebeschreibungen [ID D16844].
Osbeck, Pehr. Reise nach Ostindien und China [ID D1839].
Pallas, Peter Simon. Sammlung historischer Nachrichten über die mongolischen Völkerschaften [ID D16845].
Pauw, Cornelius de. Recherches philosophiques sur les Egyptiens et les Chinois [ID D1861].
Salmon, Thomas. Die heutige Historie, oder, Der gegenwärtige Staat von allen Nationen [ID D16842].
Sonnerat, Pierre. Reise nach Ostindien und China [ID D1874].

Gesamtdarstellung
Im nördlichen Teile dieses grossen Reiches ist die Winterkälte stärker als in einem gleichen Parallel in Europa. Dieses Reich ist ohne Zweifel das volkreichste und kultivierteste in der ganzen Welt. Man rechnet in China so viele Einwohner als in ganz Europa zusammen. Fast durch jede Provinz sind Kanäle gezogen, aus diesen gehen andere kleinere zu den Städten und noch kleinere zu den Dörfern. Über alle diese gehen Brücken mit einigen gemauerten Schwibbogen, deren mittelster Teil so hoch ist, dass ein Schiff mit Masten durchsegeln kann. Der grosse Kanal, der von Kanton [Guangzhou] bis Peking [Beijing] reicht, hat an Länge keinen andern seinesgleichen in der Welt. Man hebt die Schiffe durch Kräne und nicht wie bei uns durch Schleusen aus einem Kanal in den andern oder über Wasserfälle. Die grosse chinesische Mauer ist, mit allen Krümmungen gerechnet, dreihundert deutsche Meilen lang, vier Klafter dick, fünf Klafter hoch, oder, wie andere berichten, fünf Ellen dick und zehn Ellen hoch. Sie geht über erstaunende Berge und Flüsse durch Schwibbogen. Sie hat schon eintausendachthundert Jahre gestanden. Die chinesischen Städte sind alle, sofern es der Grund leidet, akkurat ins Viereck gebaut und durch zwei Hauptstrassen in vier Vierteile gegliedert, so dass die vier Tore gerade gegen die vier Weltgegenden hinstehen. Die Mauer der Stadt Peking [Beijing] ist beinahe einhundert Fuss hoch. Der Porzellanturm in Nanking [Nanjing] hat eine Höhe von zweihundert Fuss und ist in neun Stockwerke geteilt. Er hat bereits vierhundert Jahre gestanden, besteht aus Porzellan und ist das schönste Gebäude im Orient.

Sitten und Charaktere
Die Chinesen sehen jemand für schön an, der lang und fett ist, kleine Augen, eine breite Stirn, kurze Nase, grosse Ohren und, wenn er eine Mannsperson ist, eine grobe Stimme und einen grossen Bart hat. Man zieht sich mit Zänglein die Barthaare aus und lässt nur einige Büschlein stehen. Die Gelehrten schneiden sich die Nägel an ihrer linken Hand niemals ab zum Zeichen ihrer Profession. Der Chinese ist von einem ungemein gelassenen Wesen. Er hält hinter dem Berge und sucht die Gemüter anderer zu erforschen. Es ist ihnen nichts verächtlicher als in Jähzorn zu geraten. Sie betrügen ungemein künstlich. Sie können ein zerrissenes Stück Seidenzeug so nett wieder zusammennähen, dass es der aufmerksamste Kaufmann nicht merkt, und zerbrochenes Porzellan flicken sie mit durchgezogenem Kupferdraht so gut zu, dass keiner anfänglich den Bruch gewahr wird. Er schämt sich nicht, wenn er auf dem Betruge betroffen wird, als nur insofern er dadurch einige Ungeschicklichkeit im Betruge hat blicken lassen. Er ist rachgierig, aber er kann sich bis auf bequeme Gelegenheit gedulden. Niemand duelliert sich. Er spielt ungemein gern, ist feige, sehr arbeitsam, sehr untertänig und den Komplimenten bis zum Übermasse ergeben ; ein hartnäckiger Verehrer der alten Gebräuche und in Ansehung des künftigen Lebens so gleichgültig als möglich. Das chinesische Frauenzimmer hat durch die in der Kindheit geschehene Einpressung nicht grössere Füsse als ein Kind von drei Jahren. Es schlägt die Augen immer nieder, zeigt niemals die Hände und ist übrigens weiss und schön genug.

Essen und Trinken
In China ist alles essbar bis auf die Hunde, Katzen, Schlangen usw. Alles Essbare wird nach Gewicht verkauft ; daher füllen sie den Hühnern den Kropf mit Sand. Ein totes Schwein gilt, wenn es mehr wiegt, auch mehr als ein lebendiges. Daher der Betrug, lebendige Schweine zu vergiften und, wenn sie über Bord geworfen worden, wieder aufzufischen. Man hat anstatt der Gabeln zwei Stäbchen von Ebenholz. Auch haben die Chinesen keine Löffel. Sie sitzen nicht wie andere orientalische Völker auf der Erde, sondern auf Stühlen. Ein jeder hat sein eigenes Tischchen bei dem Gastmahle. Alle Getränke wird bei ihnen warm getrunken, sogar der Wein, und das Essen geniessen sie kalt. Bei Gastmählern schlägt einer den Takt, dann heben alle ihre Gabelstöckchen auf und essen, oder heben ihre Tassen zugleich auf und trinken oder tun, als wenn sie tränken. Der Wirt gibt das Zeichen, wenn sie anfangen, etwas zum Munde zu bringen, aber auch wenn sie absetzen sollen. Alles geschieht wohl drei Stunden lang stillschweigend. Zwischen der Mahlzeit und dem Nachtische spaziert man im Garten. Dann kommen Komödianten und spielen alberne Possen. Sie tragen Wachteln in der Hand, um sich an ihnen als Müffen zu erwärmen. Die Tartaren machen hier auch Branntwein aus Pferdemilch und ziehen ihn über Schöpsenfleisch ab, wodurch er einen starken, aber ekelhaften Geschmack bekommt.

Komplimente
Niemand in China schimpft oder flucht. Alles was ein Gast, wenn er sich meldet [und] wenn er den Besuch abstattet, für Gebärden und Reden führen soll, was der Wirt dabei sagt oder tut : das alles ist in öffentlichen herausgegebenen Komplimentierbüchern vorgeschrieben, und es muss nicht ein Wort davon abgehen. Man weiss, wie man höflich etwas abschlagen soll und wenn es Zeit ist, sich zu bequemen. Niemand muss sein Haupt beim Grüssen entblössen, dieses wird für eine Unhöflichkeit gehalten.

Ackerbau, Früchte und Manufakturen
Die Hügel werden in Terrassen abgestuft. Der Mist wird aus den Städten auf den Kanälen herbeigeführt und trockene Ländereien unter Wasser gesetzt. Ein jeder, auch der kleinste Flecken Landes wird genutzt. Von dem Talgbaum ist oben die Rede gewesen. Vom Wachsbaume berichtet Salomon, dass ein Insekt wie eine Fliege nicht allein die Blätter, sondern auch bis auf den Kern oder Stamm die Baumrinde durchsteche, woraus das weisse Wachs wie Schnee tropfenweise hervorquillet. Der Teestrauch. Das Baumbusrohr, von welchem sie fast alle Geräte, auch sogar Kähne machen ; aus der Rinde desselben wird das überfirnisste Papier gefertigt, welches sehr dünn und glatt ist, aber von Würmern leicht verzehrt wird. Daher ihre Bücher immer müssen abgeschrieben werden. Rattang oder ein zähes chinesisches Rohr, wovon man Ankertaue flicht, welche nicht so leicht faulen als die, welche aus Hanf gemacht sind. Der Firnisbaum, mit dessen Lack die Chinesen alles, was in ihren Häusern ist, überfirnissen. Die Wurzel Ginseng oder Mannswurzel, weil sie sich in zwei Äste gleich den Lenden eines Mannes teilt. Der Kaiser schickt jährlich zehntausend Tataren in die chinesische Tatarei aus, um diese Wurzel für ihn einzusammeln. Das übrige können sie verkaufen. Sie ist ungemein teuer. Die Seidenwürmer arbeiten auf den Maulbeerbäumen in den südlichen Provinzen ohne Pflege. Ihre Seidenzeuge sind vornehmlich mit Figuren von eingewirkten Drachen geziert. Ihre Tusche oder chinesische Tinte wird aus Lampenruss verfertigt, den sie durch Muskus wohlriechend machen. Der Kaiser ackert alle Jahre einmal öffentlich.

Wissenschaften, Sprache und Gesetze
Ihre Astronomie ist zwar alt, und in Peking [Beiing] ist viele Jahrhunderte vor Ankunft der Missionarien ein Observatorium gewesen. Allein ihr Kalender war höchst falsch. Die Verkündigung der Finsternisse erstreckte sich kaum auf den Tag, nicht aber bis auf Minuten wie bei uns. Sie ziehen aber diese Verkündigung aus Tabellen, daher man damit nicht zusammenreimen kann, wie es möglich ist, dass ihre Gelehrten glauben können, der Mond oder die Sonne würden zur Zeit der Finsternis von einem Drachen gefressen, dem sie mit Trommeln seine Beute abzujagen suchen. Es kann aber auch sein, dass dieses ein alter Aberglaube von den Zeiten der Unwissenheit her ist, den die Chinesen als hartnäckige Verehrer alter Gebräuche noch beibehalten, ob sie gleich dessen Torheit einsehen. Die Kenntnisse der Mathematik und andere Wissenschaften haben der Predigt des Evangeliums in China statt der Wunder gedient.
Die chinesische Sprache hat nur dreihunderunddreissig einsilbige Wörter, welche alle nicht flektiert werden, aber die verschiedenen Töne, Aspirationes und Zusammensetzungen machen dreiundfünfzigtausend Wörter aus. Die Zeichen ihrer Schrift bedeuten nicht die Töne, sondern die Sachen selber, und zuweilen umfassen sie auch mehrere Begriffe zusammen. Z.E. Guten Morgen, mein Herr ! wird durch ein Zeichen ausgedrückt. Die Bewohner von Cochin-China und Tongking verstehen wohl der Chinesen Schrift, aber nicht ihre Sprache. Ein Gelehrter muss zum wenigsten zwanzigtausend Charaktere schreiben und kennen lernen.
Sie kurieren viele Krankheiten durch die Kauterisation oder durch Brennen mit heissen kupfernen Platten. Einige Kaiser und andere haben sich lange mit der Grille vom Trank der Unsterblichkeit geschleppt.
Die Buchdruckerkunst ist so beschaffen : man klebt die Blätter eines wohl abgeschriebenen Buchs auf ein langes Brett und schneidet die Charaktere in Holz aus.
Die Chinesen haben gradus academicos. Die Kandidaten zur Doktorwürde werden gemeiniglich vom Kaiser selbst examiniert. Mit ihnen werden die wichtigsten Ämter besetzt. Weil alle ihre Archive von einem ihrer Kaiser vor zweitausend Jahren sind vertilgt worden, so besteht ihre alte Geschichte fast bloss aus Traditionen.
Ihr erstes Gesetz ist die Gehorsamkeit der Kinder gegen die Eltern. Wenn ein Sohn Hand an seinen Vater legt, so kommt das ganze Land darüber in Bewegung. Alle Nachbarn kommen in Inquisition. Er selbst wird kondemniert, in zehntausend Stücke zerhauen zu werden. Sein Haus und die Strasse selber, darinnen es stand, werden niedergerissen und nicht mehr aufgebaut. Das zweite Gesetz ist Gehorsamkeit und Ehrerbietung gegen die Obrigkeit. Das dritte Gesetz betrifft die Höflichkeit und Komplimente. Diebstahl und Ehebruch werden mit der Bastonade bestraft. Jedermann hat in China die Freiheit, die Kinder, die ihm zur Last werden, wegzuwerfen, zu erhängen oder zu ersäufen. Dies geschieht, weil das Land so volkreich ist, das Heiraten zu befördern. Ungeachtet ihres Fleisses sterben doch jährlich in einer oder der anderen Provinz viele Tausende Hungers. In Peking [Beijing] wird täglich eine Zeitung abgedruckt, in der das löbliche und tadelhafte Verhalten der Mandarine samt ihrer Belohnung oder Strafe angegeben wird.

Religion
Die Religion wird hier ziemlich kaltsinnig behandelt. Viele glauben an keinen Gott ; andere, die eine Religion annehmen, bemengen sich nicht viel damit. Die Sekte des Fo ist die zahlreichste. Unter diesem Fo verstehen sie eine eingefleischte Gottheit, die vornhemlich den grossen Lama zu Barantola in Tibet anjetzt bewohnt und in ihm angebetet wird, nach seinem Tode aber in einen andern Lama fährt. Die tatarischen Priester des Fo werden Lamas genannt, die chinesischen Bonzen. Die katholischen Missionarien beschreiben die den Fo betreffenden Glaubensartikel in der Art, dass daraus erhellt, es müsse dieses nichts anderes als ein ins grosse Heidentum degeneriertes Christentum sein. Sie sollen in der Gottheit drei Personen statuieren, und die zweite habe das Gesetz gegeben und für das menschliche Geschlecht ihr Blut vergossen. Der grosse Lama soll auch eine Art des Sakramentes mit Brot und Wein administrieren. Man verehrt auch den Confucius oder Con-fu-tse, den chinesischen Sokrates. Es sind auch einige Juden da, die so wie diejenigen auf der Malabarischen Küste vor Christi Geburt dahin gegangen sind und von dem Judentum wenig genug mehr wissen. Die Sekte des Fo glaubt an die Seelenwanderung. Es ist eine Meinung unter ihnen, dass das Nichts der Ursprung und das Ende aller Dinge sei, daher eine Fühllosigkeit und Entsagung aller Arbeit auf einige Zeit gottselige Handlungen sind.

Ehen
Man schliesst mit den Eltern die Ehe, ohne dass beide Teile einander zu sehen bekommen. Die Mächen bekommen keine Mitgabe, sondern werden noch dazu verkauft. Wer viel Geld hat, kauft sich so viele Frauen als er will. Ein Hagestolz oder alter Junggeselle ist bei den Chinesen etwas Seltenes. Der Mann kann, wenn er den Kaufschilling verlieren will, die Frau, ehe er sie berührt, zurückschicken, die Frau aber nicht.

Waren, die ausgeführt werden
Dahin gehören vornehmlich Teebou, Singlotee, Quecksilber, Chinawurzel, Rhabarber, rohe und verarbeitete Seide, Kupfer in kleinen Stangen, Kampfer, Fächer, Schildereien, lackierte Waren, Porzellan, Soya, Borax, Lazursteine, Tutenag. Indische Vogelnester sind Nester von Vögeln, die den Meerschwalben gleichen und welche, aus dem Schaume des Meeres, der mit einem in ihrem Schnabel generierten Safte vermengt wird, jene Nester bilden. Sie sind weiss und durchsichtig, werden in Suppen gebraucht und haben einen aromatischen Geschmack.

Tibet
Es ist das höchste Land, wurde auch wahrscheinlich früher als irgend ein anderes bewohnt und mag sogar der Stammsitz aller Kultur und Wissenschaft sein. Die Gelehrsamkeit der Indier namentlich rührt mit ziemlicher Gewissheit aus Tibet her, so wie dagegen alle unsere Künste aus Indostan hergekommen zu sein scheinen, z.B. der Ackerbau, die Ziggern, das Schachspiel usw. Man glaubt, Abraham sei an den Grenzen von Indostan einheimisch gewesen… China, Persien und Indien bekam seine Einwohner dorther. Hier oder nirgends müsste man die Stammwurzeln aller Ursprachen Asiens und Europas suchen… In Barantola oder wie andere es nennen, in Potala, residiert der grosse Oberpriester der mongolischen Tataren, ein wahres Ebenbild des Papstes. Die Priester dieser Religion, die sich in dieser Gegend der Tartarei bis in das chinesische Meer ausgebreitet haben, heissen Lamas ; diese Religion scheint ein in das blindeste Heidentum ausgeartetes katholisches Christentum zu sein. Man hat bis jetzt gezweifelt, ob die Einwohner wirklich den Stuhlgang des grossen Dalai-Lama verzehren, indes bestätigt es Pallas dahin, dass sie ihre Speisen damit bestreuen und dass ihm geklagt sei, dass davon so wenig zu haben und dies wenige sehr kostbar sei. Die lamaische Religion ist eine der seltsamsten Erscheinungen auf dem Erdboden. Man sieht daraus, dass die Menschen in der Religion alle Ungereimtheiten versucht haben, die man sich ausdenken kann. Es ist in der lamaischen Religion eine Seelenwanderung der Menschen durch die Tiere. Dies ist die gewöhnliche Metempsychose, die man für eine Belohnung oder Bestrafung hält, je nachdem das Tier ist, in das die Seele fährt. Wenn aber eine Menschenseele wieder in einen Menschen fährt, so ist das die Lama’sche Wiedergeburt und ein solcher Manesch heisst Burchan, d.i. eine vergötterte menschliche Seele, folglich ist der Lama eine eingefleischte Gottheit. Es sind drei Lamas in Tibet. Der eine ist der alte Fo, der auch immer wiedergeboren werden soll. Ein anderer Lama führt die weltliche Regierung und der dritte ist der höchste und mischt sich in keine Regierungsgeschäfte.

Nachschriften
Nachschrift von Johann Gottfried Herder 1764.
Kant sagt : M. de Guignes hält das Chinesische vor verdorbnes Phönicisch….
Das Gesetz des Gehorsams der Kinder gegen die Eltern wäre „politisch, um den Gehorsam gegen den Kaiser zu bevestigen“.
Nachschrift von Georg Hesse 1770.
Kant sagt : China ist unter allen Ländern der Erde das älteste. Selbst Egypten kann nicht so lange bewohnt seyn, denn wegen der Überschwemmungen des Nils muss man glauben, dass das Meer ehemals ganz Nieder-Egypten bedecket habe, und dass der Nil es mit seinem Schlamm nur nach und nach angesetzet. China dagegen ist ein erhabenes Land. Nach den ältesten Geschichten, die wir nur haben, ist China eben so blühend und eingerichtet, wie jetzo gewesen. Es ist in Proportion seiner Ausdehnung das vollkommenste Land in der ganzen Welt… Die Religion haben sie noch von den alten Zeiten her beybehalten, so absurd sie auch ist. Sie thun es deswegen, damit der gemeine Mann nicht sehe, dass die Mandarinen sich irren können. Sie sind auch in der Religion nicht sehr eifrig. Sie haben zweyerley Pfaffen, die Bonzia und die Lamos. Erstere sind von der alten Chinesischen, letztere von der Tartaischen Religion.
Diese Unterthänigkeit der Kinder gegen die Eltern führet sie schon zur Sclaverey an gegen die Obrigkeit.
Nachschrift von David Friedländer 1772.
Kant sagt : Die Chinesen scheinen eine Abkunft der Ägypter zu sein. Desguignes hält dafür, dass (die Schrift der Chinesen) aus dem Chaldäischen entstanden sei.
Nachschrift von Philippi 1772.
Kant schenkt dem Herzog Friedrich von Holstein-Beck eine Handschrift seines Diktattextes von 1773, Vorlesungen gehalten 1772-1773. Das Manuskript ist von Kant selbst durchkorrigiert worden.
Nachschrift von Siegismundo Kaehler 1775.
Kant sagt : Die fünf „Kings“ oder heilige Bücher der Chinesen, die von dem Confucio herkommen, enthalten nichts als trockene Sittenlehre.
Nachschrift von G.C.W. Busolt 1775.
Nachschrift von Powalski 1777.
Nachschrift von Fehlhauer 1782.
Nachschrift von Geo-Pillau von 1784.
Kant sagt : Was zuerst das Verhalten des Kaysers betrifft, so wird das zwar sehr gerühmt, Er selbst schreibt auch viel von Leutseeligkeit, aber wir wollen nur seine Thaten ansehen. Er rottete a: 1748 und 49 die Tatarn aus,… Ferner er schickte sie nach Siphan einem Volck welches viele Saec. unabhängig gelebt. Der Kayser suchte sie zu überwältigen, welches ihm auch gelang, wo er denn das gantze Königliche Haus niederhauen liess, ausser ein einziges Mädchen, welches er zur Parade behielt… Was die Wissenschaften in China betrifft, so bemüht sich immer einer dem andern darin zuvor zu thun. Es ist aber keine Nation die eine grössere Opinion der Wissenschaften von sich hegte, aber auch keine, die in diesem Stück hartnäckiger als die Chineser. Die neuern Zeiten haben bewiesen, dass sie alles von Indien haben… Sie haben keine einzige Wissenschaft, ob sie gleich Künste haben, und selbst die wenigen Sätze der Geometrie, die sie wissen, können sie doch nicht demonstriren, sondern sie sind blos pracktisch. Man hat von ihrer Astronomie viel Wesens gemacht, allein sie haben keine Theorie : sondern ihre Wissenschaft gründet sich blos auf Tabellen… Ihre Gelehrsamkeit enthält viele Dinge, die zwar gelernet werden, aber keine eigentliche Wissenschaft sind. Ihr grösster Philosoph ist Confucius, von dem sie sagen, dass er alle Weissheit gehabt haben soll, allein er hat doch einmahlen gefragt, was das höchste Guth sey… Was die Gesetze der Chineser betrift, so dienen sie nur um das Volck ruhig und dem Kayser unterwürfig zu machen, es wird aber dabey gar nicht auf Moralitaet gesehen… Die Kinder müssen ihnen [Eltern] gehorchen, dass aber nicht um der Moralitaet, die Eltern haben eine absolute Gewalt über sie, sie können sie wegwerfen, ums Leben bringen, oder sonst mit ihnen machen was sie wollen… Den Eltern ist diese Macht von der Obrigkeit gegeben worden, damit sie die Kinder in Zeiten zur despotischen Herrschaft gewöhnen sollten, theils aber auch den Ehestand leicht zu machen, weil der Kayser seine Staaten bevölckert wissen will.
Nachschrift von Johann Friedrich Crueger 1785.
Kant sagt : Von diesen Völkern wurde vor einiger Zeit noch gross Rühmens gemacht, so dass man in Rücksicht vieler Stücke glauben könnte, es wäre kein besseres Land als dieses China. Allein die dahingeschickten Missionarii von Seiten der Römischen Kirche hatten zu viele Vorurteile auf ihrer Seite, warum sie es taten, nämlich der Welt etwas vorzumachen. Seit dieser Zeit aber hat sich die Sprache hiervon merklich geändert. Sie wollen zwar noch etwas davon rühmen : weil aber jetzt die Wahrheit allzusehr herfür leuchtet, so wird dies bald wieder niederschlagen… Wollen wir die Frage aufwerfen, ob sie wohl sonst Wissenschaften haben ?, so ist die Antwort : auch keine einzige ; denn sie zählen ja selbst unter ihre Elemente das Holz.
Nachschrift von J.W. Volckmann 1784, 1785.
Nachschrift von Christian Friedrich Puttlich 1785.
Kant sagt : Philosophie ist im ganzen Orient nicht anzutreffen, die wenigen Araber ausgenommen, allein das sind auch schon Weise. Ihr Lehrer Konfuzius trägt in seinen Schriften nichts als moralische Lehren für die Fürsten vor… und führt Exempel der vorigen chinesischen Fürsten an… aber ein Begriff von Tugend und Sittlichkeit ist den Chinesen nie in den Kopf gekommen.
Nachschrift von Heinrich zu Dohna-Wundlacken 1792.
Nachschrift von A.C.W. Werner 1793.
Nachschrift von K. Friedrich Wolter 1796.
Nachschriften ohne Datum von Barth, Busolt, F. Karmann, Vigilantius.
Anonyme Nachschriften : 1784, 1787, 1791.

Sekundärliteratur

Helmuth von Glasenapp / Adrian Hsia : Für Kant sollen die Chinesen ein Mischstamm der weissen und gelben Rasse sein. Er bezeichnet China als das kultivierteste Reich der Welt und beschreibt seine Errungenschaften wie z.B. die Grosse Mauer. Er teilt auch die Meinung seiner Zeit, dass die Chinesen höflich seine, niemals fluchten oder Schimpfworte benutzten und ihr ganzes Leben ritualisiert sei. Etwa 40 Jahre lang brachte Kant seinen Studenten bei, das Schönheitsideal der Chinesen beiderlei Geschlechts sei ein langer und fetter Körper. Die Stirn müsse breit und die Nase kurz, die Augen müssten klein und die Ohren gross sein. Die Chinesen seien ungemein rachsüchtig, jedoch sehr geduldig in der Ausführung des Racheakts. Weiterhin seien sie feige, sehr arbeitsam, sehr untertänig und den Komplimenten bis zum Übermasse ergeben. Sie seien von Natur aus betrügerisch veranlagt und schämen sich nur, wenn sie sich dabei ertappen liessen. Von den Wissenschaften berichtet Kant, dass ihre Voraussage von Sonnen- und Mondeklipsen trotz der uralten astronomischen Tradition sehr fehlerhaft seien. Kant findet es eigenartig, dass die Jesuiten ihre Missionsarbeit durch die Verbreitung der Wissenschaften wie Astronomie und Mathematik vorantreiben, statt durch die Predigt der Worte Gottes oder durch Wundertaten. Er versucht mit Objektivität die Lage der Religionen in China darzustellen und unterteilt die Chinesen in grundsätzliche und funktionale Atheisten. Die ersten seien Atheisten an und für sich, die anderen glaubten zwar an die Existenz Gottes, ohne ihn aber anzubeten. Er nimmt an, dass die meisten Chinesen der Lehre Buddhas folgten und er identifiziert den Dalai Lama mit Buddha, der in Lhasa thront und nach dem Tod reinkarniert würde. Konfuzius nennt er den chinesischen Sokrates, ohne sich für seine Person oder Lehre zu interessieren. Laozi, den er Laokum nennt, interessiert ihn dagegen viel mehr, denn die Jesuiten haben wenig Interesse für ihn gehabt, da sich ihre Missionsarbeit darauf konzentrierte, den Konfuzianismus mit dem Christentum zu harmonisieren.
Kant konzentriert seine Kritik gegen China in vier Hauptpunkten, die die Vorurteile des späten 18. Jahrhunderts widerspiegelt. Er glaubt, dass die Chinesen niemals in ihren Wissenschaften zu klaren Konzepten kommen würden. Für ihn ist das Fehlen der Schatten in der chinesischen Tuschmalerei ein fester Beweis, dass die Chinesen konfus denken. Schlimmer sei noch die Tatsache, dass sie 80'000 Schriftzeichen brauchen, um sich verständlich zu machen, während man in Europa nur 24 benutzt. Der Chinese könne erst die nötigen Zahlen beherrschen, wenn er bereits den Zustand der Senilität erreicht habe. Dass der Chinese angeblich nie seine Heimat verlässt und in die Fremde ziehe, sei ein weiterer Nationalfehler. Den letzten Beweis, dass die Chinesen keine klaren Konzepte hätten, sieht Kant darin, dass sich der Sitz ihres religiösen Oberhauptes, der Dalai Lama, ausserhalb Chinas befinde. Am Ende steht China für Kant als ein Land ohne die Fähigkeit zur Tugend und Pflichterfüllung da.

Helmuth von Glasenapp : Berücksichtigt man, dass Kant ausschliesslich von der Literatur über China abhängig war und keine eigene Kenntnis des Landes besass, mag es einerseits verständlich erscheinen, dass er in seinen Ansichten von den herrschenden Meinungen bestimmt wurde. Andererseits stellt sich die Frage, aus welchem Grund er über seine eigenen Bedenken gegenüber den Berichten der Kaufleute so einfach hinwegging. Er war sich durchaus bewusst, dass die für die Chinesen ungünstigen Nachrichten von den Handelsplätzen an der Küste Chinas kamen… Sein Urteil über China in den ersten Jahren seiner Vorlesung ist geprägt vom positiven, neutralen Ton der Jesuitenberichte, auch wenn er damals schon die Bemerkung über den betrügerischen Charakter der Chinesen von Anson übernommen hat…
Zunächst einmal vermisst Kant an den philosophischen Werken der Chinesen die Schärfe des Ausdrucks, die logische Verknüpfung, die Strenge der Beweisführung und die systematische übersichtlich gegliederte Darstellung… Der chinesische Philosoph sucht gar nicht rationale, durch Schlüsse fundierte Erkenntnisse zu vermitteln, sondern er will die Rätsel des Lebens intuitiv lösen und gibt das, was er erschaute, in Form von Aphorismen von sich. Dem an die Formen abendländischen Denkens Gewöhnten mussten die Aussprüche des Konfuzius deshalb als unzusammenhängende Sentenzen ohne eigenliche philosophische Grundlage erscheinen…

Lee Eun-jeung : Kant zweifelte in keiner Weise daran, dass der chinesische Herrscher ein Despot war. Er könnte über Leben und Tod der Untertanen entscheiden. Diese wären ohnehin per Gesetz zu Gehorsam und Ehrerbietigkeit gegen die Obrikeit verpflichtet, ebenso wie gegen die Eltern. Diese wären die obersten Gesetze der Chinesen, wozu auch noch Höflichkeit und Komplimente zu zählen wären. In allen Manuskripten spricht Kant von diesen Gesetzen, wobei er relativ nüchtern und ohne eigene Interpretation die bekannten Sittenkodizes der Chinesen wiedergibt. Kants Deutung, dass es sich bei den chinesischen Gesetzen nicht um Moralität handle, bedarf, auch wenn dies nur beiläufig erwähnt wird, vor allem deshalb besonderer Achtung, weil darin der von ihm entfaltete Kritizismus reflektiert wird. Mit dieser Aussage spricht Kant den Chinesen die moralische Autonomie und Vernunft ab. Seiner Ansicht nach, hängt die Glückseligkeit, die er als den „Inbegriff aller durch die Natur ausser und in dem Menschen möglichen Zwecken desselben“ betrachtet, nicht vom autonomen Handeln des Menschen, sondern von der Wohltätigkeit der Natur ab. Die Materie, die, die das Glück bestimmenden Zwecke ausmacht, bestünde nämlich aus Macht, Reichtum, Ehre, Gesundheit, Wohlstand und Zufriedenheit mit dem eigenen Zustand…
Da in den Berichten der Jesuiten immer wieder von dem wohlgeordneten Leben in China und von seiner guten Moral die Rede ist, mag es sein, dass Kant darauf geschlossen hat, dass die Chinesen hauptsächlich auf 'das beständige Wohlergehen' und 'ein vergnütes Leben', also auf 'die Glückseligkeit' bedacht sind…
Bedenkt man, dass Kant nur über geringe Kenntnis von der konfuzianischen Lehre verfügt, sind seine Feststellungen um so verwunderlicher. Sein Kommentar zu den 5 Jings geht über die Wiedergabe damals weitvertreiteter abwertender Urteile nicht hinaus. Obwohl ihm bekannt ist, dass die chinesischen Gesetze auf diesen fünf Büchern beruhen, hat er, wie es scheint nicht versucht, sie zu untersuchen, um sich eine eigene Meinung zu bilden.
  • Document: Glasenapp, Helmuth von. Kant und die Religionen des Ostens. (Kitzingen-Main : Holzner-Verlag, 1954). (Beihefte zum Jahrbuch der Albertus-Universität Königsberg. Der Göttinger Arbeitskreis, Veröffentlichungen ; Nr. 100). S. XVII-XX, 3-5, 9-10, 23, 72-79, 83-90, 97, 99, 132. (Glas1, Publication)
  • Document: Deutsche Denker über China. Hrsg. von Adrian Hsia. (Frankfurt a.M. : Insel Verlag, 1985). (Insel Taschenbuch ; 852). S. 95-102. (Hsia6, Publication)
  • Document: Lee, Eun-jeung. Kant zu China und Konfuzius. In : Dialektik : Zeitschrift für Kulturphilosophie ; Nr. 1 (2002). [Confucius]. S. 55-64. (Lee20, Publication)
  • Document: Lee, Eun-jeung. "Anti-Europa" : die Geschichte der Rezeption des Konfuzianismus und der konfuzianischen Gesellschaft seit der frühen Aufklärung : eine ideengeschichtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. (Münster : LIT Verlag, 2003). (Politica et ars ; Bd. 6). Habil. Univ. Halle-Wittenberg, 2003. S. 169-270. (LeeE1, Publication)
  • Document: Kant's gesammelte Schriften : Textzeugnisse zu/Nach Kant's Physischer Georgraphie : http://web.uni-marburg.de/kant//webseitn/ge-fund0.htm. (Kant2, Web)
  • Person: Crüger, Johann Friedrich
  • Person: Dohna-Wundlacken, Heinrich Ludwig Adolf zu
  • Person: Friedländer, David
  • Person: Holstein-Beck, Friedrich Karl Ludwig von
  • Person: Kant, Immanuel
  • Person: Puttlich, Christian Friedrich
2 1787 Herder, Johann Gottfried. Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit [ID D1955].
Quellen :
Le Comte, Louis. Nouveaux mémoires sur l'état de la Chine [ID D1771].
Du Halde, Jean-Baptiste. Description géographique... [ID D1819].
Mémoires concernant l'histoire, les sciences, les arts [ID D1867].
Gaubil, Antoine. Le Chou-king [ID D1856]. [Shu jing].
Pallas, Peter Simon. Sammlung historischer Nachrichten über die mongolischen Völkerschaften [ID D16796].
Quelle zu Tibet : Georgi, Agustin Antonio. Alphabetum tibetanum [ID D17081].

Herder schreibt zu seinen Quellen : Um die fleissigen Versuche eines Deguignes, Bayers, Gatterers u.a., die kühneren Hypothesen Baillys, Pauws, Delisle u.f., die nützlichen Bemühungen in Sammlung und Bekanntmachung asiatischer Sprache und Schriften sind Vorarbeiten zu einem Gebäude, dessen ersten sichern Grundstein ich zu sehen wünschte.
Im umfangreichen handschriftlichen Nachlass Herders in der Staatbibliothek Berlin, befinden sich eine Reihe von Büchern über China und Ostasien, sowie Zusammenfassungen des Shu jing und Yi jing.

Herder schreibt : Südwärts am Fluss der grossen Asiatischen Gebürge haben sich, so viel uns aus der Geschichte bekannt ist, die ältesten Reiche und Staaten der Welt gebildet ; auch giebt uns die Naturgeschichte dieses Welttheils Ursachen an die Hand, warum sie sich nicht sowohl Nord- als Südwärts bilden konnten… In diesem hohen, zerschnittenen, steilabhängigen Lande, der Steppen- und Bergregion unsrer alten Welt, mussten also lange Zeit und in manchen Strichen vielleicht immer, Sarmaten und Scythen, Mongolen und Tatern, halbwilde Jäger und Nomaden wohnen. Das Bedürfniss und die Gegend machte die Menschen barbarisch : eine einmal gewohnte Gedankenlose Lebensart bevestigte sich in den abgetrennten oder umherziehenden Stämmen und bildete bei roheren Sitten jenen beinah ewigen National-Charakter, der alle Nord-Asiatischen Stämme von den südlichen Völkern so ganz unterscheidet… Da aber, was die Vernunft noch nicht thun kann, der Despotismus thun muss, so entstanden im südlichen Asien jene Gebäude der Policeien und Religionen, die uns wie Pyramiden und Götzentempel der alten Welt in ewigen Traditionen dastehn ; schätzbare Denkmale für die Geschichte der Menschheit, die uns in jeder Trümmer zeigen, wie viel der Bau der Menschen-Vernunft unserm Geschlecht gekostet habe.

Sina

Im östlichen Winkel Asiens unter dem Gebirge liegt ein Land, das an Alter und Kultur sich selbst das Erste aller Länder, die Mittelblume der Welt nennt, gewiß aber eins der ältesten und merkwürdigsten ist: Sina. Kleiner als Europa, rühmt es sich einer größern Anzahl Einwohner, als in Verhältnis dieser volkreiche Weltteil hat; denn es zählt in sich über 25 Millionen und zweimal Hunderttausend steuernde Ackerleute, 1572 große und kleine Städte, 1193 Kastelle, 3158 steinerne Brücken, 2796 Tempel, 2606 Klöster, 10809 alte Gebäude u. f.181, welche alle von den 18 Statthalterschaften, in welche das Reich geteilt ist, samt Bergen und Flüssen, Kriegsleuten und Gelehrten, Produkten und Waren in langen Verzeichnissen jährlich aufgestellt werden. Mehrere Reisende sind darüber einig, daß außer Europa und etwa dem alten Ägypten wohl kein Land so viel an Wege und Ströme, an Brücken und Kanäle, selbst an künstliche Berge und Felsen gewandt habe als Sina, die, nebst der Großen Mauer, alle doch vom geduldigen Fleiß menschlicher Hände zeugen. Von Kanton bis nahe bei Peking kommt man zu Schiff, und so ist das ganze mit Bergen und Wüsten durchschnittene Reich durch Landstraßen, Kanäle und Ströme mühsam verbunden; Dörfer und Städte schwimmen auf Flüssen, und der innere Handel zwischen den Provinzen ist reg und lebendig. Der Ackerbau ist die Grundsäule ihrer Verfassung: man spricht von blühenden Getreide- und Reisfeldern, von künstlich gewässerten Wüsten, von urbar gemachten wilden Gebirgen; an Gewächsen und Kräutern wird gepflegt und genutzt, was genutzt werden kann; so auch Metalle und Mineralien, außer dem Golde, das sie nicht graben. Tierreich ist das Land, fischreich die Seen und Ströme; der einzige Seidenwurm ernährt viele Tausende fleißiger Menschen. Arbeiten und Gewerbe sind für alle Klassen des Volks und für alle Menschenalter, selbst für Abgelebte, Blinde und Taube. Sanftmut und Biegsamkeit, gefällige Höflichkeit und anständige Gebärden sind das Alphabet, das der Sinese von Kindheit auf lernt und durch sein Leben hin unablässig übt. Ihre Polizei und Gesetzgebung ist Regelmäßigkeit und genau bestimmte Ordnung. Das ganze Staatsgebäude in allen Verhältnissen und Pflichten der Stände gegeneinander ist auf die Ehrerbietung gebaut, die der Sohn dem Vater und alle Untertanen dem Vater des Landes schuldig sind, der sie durch jede ihrer Obrigkeiten wie Kinder schützt und regiert: könnte es einen schönern Grundsatz der Menschenregierung geben? Kein erblicher Adel; nur Adel des Verdienstes soll gelten in allen Ständen; geprüfte Männer sollen zu Ehrenstellen kommen, und diese Ehrenstellen allein geben Würde. Zu keiner Religion wird der Untertan gezwungen und keine, die nicht den Staat angreift, wird verfolgt; Anhänger der Lehre Konfuzius', des Laotse und Fo, selbst Juden und Jesuiten, sobald sie der Staat aufnimmt, wohnen friedlich nebeneinander. Ihre Gesetzgebung ist auf Sittenlehre, ihre Sittenlehre auf die heiligen Bücher der Vorfahren unabänderlich gebaut: der Kaiser ihr oberster Priester, der Sohn des Himmels, der Bewahrer der alten Gebräuche, die Seele des Staatskörpers durch alle seine Glieder; könnte man sich, wenn jeder dieser Umstände bewährt und jeder Grundsatz in lebendiger Ausübung wäre, eine vollkommenere Staatsverfassung denken? Das ganze Reich wäre ein Haus tugendhafter, wohlerzogner, fleißiger, sittsamer, glücklicher Kinder und Brüder.

Jedermann kennet die vorteilhaften Gemälde der sinesischen Staatsverfassung, die insonderheit von den Missionarien nach Europa geschickt und daselbst nicht nur von spekulativen Philosophen, sondern von Staatsmännern sogar, beinah als politische Ideale bewundert wurden; bis endlich, da der Strom menschlicher Meinungen sich in entgegengesetzten Winkeln fortbricht, der Unglaube erwachte und ihnen weder ihre hohe Kultur noch selbst ihre sonderbare Eigentümlichkeit zugestehen wollte. Einige dieser europäischen Einwürfe haben das Glück gehabt, in Sina selbst, obgleich ziemlich sinesisch, beantwortet zu werden, und da die meisten Grundbücher ihrer Gesetzgebung und Sittenverfassung samt der weitläuftigen Geschichte ihres Reichs und einigen gewiß unparteiischen Nachrichten vor uns liegen, so wäre es übel, wenn sich nicht endlich ein Mittelweg zwischen dem übertriebnen Lobe und Tadel, wahrscheinlich die richtige Straße der Wahrheit, auffinden ließe. Die Frage über das chronologische Altertum ihres Reichs können wir dabei völlig an ihren Ort gestellt sein lassen; denn so wie der Ursprung aller Reiche des Erdbodens mit Dunkel umhüllt ist, so mag es dem Forscher der Menschengeschichte gleichgültig sein, ob dies sonderbare Volk zu seiner Bildung ein paar Jahrtausende mehr oder minder bedurft habe; genug, wenn es diese Bildung sich selbst gab und wir sogar in seinem langsamen Gange die Hindernisse wahrnehmen, warum es nicht weiterkommen konnte.

Und diese Hindernisse liegen in seinem Charakter, im Ort seiner Wohnung und in seiner Geschichte uns klar vor Augen. Mongolischer Abkunft ist die Nation, wie ihre Bildung, ihr grober oder verschrobener Geschmack, ja selbst ihre sinnreiche Künstlichkeit und der erste Wohnsitz ihrer Kultur zeigt. Im nördlichen Sina herrschten ihre ersten Könige: hier wurde der Grund zu dem halbtatarischen Despotismus gelegt, der sich nachher, mit glänzenden Sittensprüchen überzogen, durch mancherlei Revolutionen bis ans Südmeer hinab verbreitet. Eine tatarische Lehnverfassung war Jahrhunderte hin das Band, das die Vasallen an den Herrscher knüpfte, und die vielen Kriege dieser Vasallen gegeneinander, die öftern Umstürze des Throns durch ihre Hände, ja selbst die ganze Hofhaltung des Kaisers, seine Regentschaft durch Mandarinen, eine uralte Einrichtung, die nicht erst die Dschengis-Khaniden oder Mandschu nach Sina gebracht haben; alle dies zeigt, welcher Art und welches genetischen Charakters die Nation sei: ein Gepräge, das man bei der Ansicht des Ganzen und seiner Teile, bis auf Kleider, Speisen, Gebräuche, häusliche Lebensart, die Gattungen ihrer Künste und ihres Vergnügens, schwerlich aus den Augen verliert. Sowenig nun ein Mensch seinen Genius, d.i. seine angeborne Stammart und Komplexion, zu ändern vermag, sowenig konnte auch durch jede künstliche Einrichtung, wenn sie gleich jahrtausendelang währte, dies nordöstliche Mongolenvolk seine Naturbildung verleugnen. Es ist auf diese Stelle der Erdkugel hingepflanzt, und wie die Magnetnadel in Sina nicht die europäische Abweichung hat, so konnten aus diesem Menschenstamme in dieser Region auch niemals Griechen und Römer werden. Sinesen waren und blieben sie, ein Volksstamm mit kleinen Augen, einer stumpfen Nase, platter Stirn, wenig Bart, großen Ohren und einem dicken Bauch von der Natur begabt; was diese Organisation hervorbringen konnte, hat sie hervorgebracht, etwas anders kann man von ihr nicht fordern.

Alle Nachrichten sind darüber einig, daß sich die mongolische Völkerschaften auf der nordöstlichen Höhe Asiens durch eine Feinheit des Gehörs auszeichnen, die sich bei ihnen ebensowohl erklären läßt, als man sie bei andern Nationen vergebens suchen würde; die Sprache der Sinesen ist von dieser Feinheit des Gehörs Zeuge. Nur ein mongolisches Ohr konnte darauf kommen, aus dreihundertdreißig Silben eine Sprache zu formen, die sich bei jedem Wort durch fünf und mehrere Akzente unterscheiden muß, um nicht statt Herr eine Bestie zu nennen und jeden Augenblick die lächerlichsten Verwirrungen zu sagen; daher ein europäisches Ohr und europäische Sprachorgane sich äußerst schwer oder niemals an diese hervorgezwungene Silbenmusik gewöhnen. Welch ein Mangel an Erfindungskraft im Großen und welche unselige Feinheit in Kleinigkeiten gehörte dazu, dieser Sprache aus einigen rohen Hieroglyphen die unendliche Menge von achtzigtausend zusammengesetzten Charakteren zu erfinden, in welchen sich nach sechs und mehr Schriftarten die sinesische Nation unter allen Völkern der Erde auszeichnet! Eine mongolische Organisation gehörte dazu, um sich in der Einbildungskraft an Drachen und Ungeheuer, in der Zeichnung an jene sorgsame Kleinfügigkeit unregelmäßiger Gestalten, in den Vergnügungen des Auges an das unförmliche Gemisch ihrer Gärten, in ihren Gebäuden an wüste Größe oder pünktliche Kleinheit, in ihren Aufzügen, Kleidungen und Lustbarkeiten an jene eitle Pracht, an jene Laternenfeste und Feuerwerke, an lange Nägel und zerquetschte Füße, an einen barbarischen Troß von Begleitern, Verbeugungen, Cerimonien, Unterschieden und Höflichkeiten zu gewöhnen. Es herrscht in alle diesem so wenig Geschmack an wahrem Naturverhältnis, so wenig Gefühl von innrer Ruhe, Schönheit und Würde, daß immer nur eine verwahrloste Empfindung auf diesen Gang der politischen Kultur kommen und sich von demselben so durchaus modeln lassen konnte. Wie die Sinesen das Goldpapier und den Firnis, die sauber gemalten Züge ihrer krausen Charaktere und das Geklingel schöner Sentenzen unmäßig lieben, so ist auch die Bildung ihres Geistes diesem Goldpapier und diesem Firnis, den Charakteren und dem Schellenklange ihrer Silben durchaus ähnlich. Die Gabe der freien, großen Erfindung in den Wissenschaften scheint ihnen, wie mehreren Nationen dieser Erdecke, die Natur versagt zu haben; dagegen sie ihren kleinen Augen jenen gewandten Geist, jene listige Betriebsamkeit und Feinheit, jenes Kunsttalent der Nachahmung in allem, was ihre Habsucht nützlich findet, mit reicher Hand zuteilte. In ewigem Gange, in ewiger Beschäftigung gehen und kommen sie des Gewinnes und Dienstes wegen, so daß man sie auch in ihrer höchstpolitischen Form immer noch für ziehende Mongolen halten könnte; denn bei allen ihren unzähligen Einteilungen haben sie die Einteilung noch nicht gelernt, Bewerbsamkeit mit Ruhe also zu gatten, daß jede Arbeit einen jeden auf seiner Stelle finde. Ihre Arzneikunst wie ihr Handel ist ein feines, betrügerisches Pulsfühlen, welches ihren ganzen Charakter in seiner sinnlichen Feinheit und erfindungslosen Unwissenheit malt. Das Gepräge des Volks ist eine merkwürdige Eigenheit in der Geschichte, weil es zeigt, was durch hochgetriebne politische Kultur aus einem Mongolenvolk, unvermischt mit andern Nationen, werden oder nicht werden konnte; denn daß die Sinesen in ihrer Erdecke sich, wie die Juden, von der Vermischung mit andern Völkern frei erhalten haben, zeigt schon ihr eitler Stolz, wenn es sonst nichts zeigte. Einzelne Kenntnisse mögen sie erlangt haben, woher sie wollten; das ganze Gebäude ihrer Sprache und Verfassung, ihrer Einrichtung und Denkart ist ihnen eigen. Wie sie das Einimpfen der Bäume nicht lieben, so stehen auch sie, trotz mancher Bekanntschaft mit andern Völkern, noch jetzt uneingeimpft da, ein mongolischer Stamm, in einer Erdecke der Welt zur sinesischen Sklavenkultur verartet.

Alle Kunstbildung der Menschen geschieht durch Erziehung; die Art der sinesischen Erziehung trug nebst ihrem Nationalcharakter mit dazu bei, warum sie das, was sie sind, und nicht mehr wurden. Da nach mongolischer Nomadenart kindlicher Gehorsam zum Grunde aller Tugenden, nicht nur in der Familie, sondern jetzt auch im Staat, gemacht werden sollte, so mußte freilich daher mit der Zeit jene scheinbare Sittsamkeit, jenes höfliche Zuvorkommen erwachsen, das man als einen Charakterzug der Sinesen auch mit feindlicher Zunge rühmt; allein was gab dieser gute Nomadengrundsatz in einem großen Staat für Folgen? Als in ihm der kindliche Gehorsam keine Grenzen fand, indem man dem erwachsnen Mann der selbst Kinder und männliche Geschäfte hat, dieselbe Pflicht auflegte, die nur dem unerzognen Kinde gebührte, ja, als man diese Pflicht auch gegen jede Obrigkeit festsetzte, die doch nur im bildlichen Verstande durch Zwang und Not nicht aber aus süßem Naturtriebe den Namen des Vaters führt: was konnte, was mußte daher anders entstehen, als daß indem man trotz der Natur ein neues menschliches Herz schaffen wollte, man das wahre Herz der Menschen zur Falschheit gewöhnte? Wenn der erwachsne Mann noch kindischen Gehorsam bezeugen soll, so muß er die selbstwirksame Kraft aufgeben, die die Natur in seinen Jahren ihm zur Pflicht machte; leere Cerimonien treten an die Stelle der herzlichen Wahrheit, und der Sohn, der gegen seine Mutter, solange der Vater lebte, in kindlicher Ergebenheit hinschwamm, vernachlässigt sie nach seinem Tode, sobald nur das Gesetz sie eine Konkubine heißt. Gleichergestalt ist's mit den kindlichen Pflichten gegen die Mandarinen: sie sind kein Werk der Natur, sondern des Befehls; Gebräuche sind sie, und wenn sie gegen die Natur streben, so werden sie entkräftende, falsche Gebräuche. Daher der Zwiespalt der sinesischen Reichs- und Sittenlehre mit ihrer wirklichen Geschichte. Wie oft haben die Kinder des Reichs ihren Vater vom Thron gestoßen, wie oft die Väter gegen ihre Kinder gewütet! Geizige Mandarine lassen Tausende verhungern und werden, wenn ihr Verbrechen vor den höheren Vater kommt, mit elenden Stockschlägen wie Knaben unwirksam gezüchtigt. Daher der Mangel an männlicher Kraft und Ehre, den man selbst in den Gemälden ihrer Helden und Großen wahrnimmt: die Ehre ist kindliche Pflicht geworden, die Kraft ist in modische Achtsamkeit gegen den Staat verartet; kein edles Roß ist im Dienst, sondern ein gezähmter Maulesel, der in Gebräuchen von Morgen bis zum Abende gar oft die Rolle des Fuchses spielt.

Notwendig mußte diese kindische Gefangenschaft der menschlichen Vernunft, Kraft und Empfindung auf das ganze Gebäude des Staats einen schwächenden Einfluß haben. Wenn einmal die Erziehung nichts als Manier ist, wenn Manieren und Gebräuche alle Verhältnisse des Lebens nicht nur binden, sondern auch überwältigen: welche Summen von Wirksamkeit verliert der Staat! zumal die edelste Wirksamkeit des menschlichen Herzens und Geistes. Wer erstaunt nicht, wenn er in der sinesischen Geschichte auf den Gang und die Behandlung ihrer Geschäfte merkt, mit wie vielem ein Nichts getan werde! Hier tut ein Kollegium, was nur einer tun muß, damit es recht getan sei; hier wird gefragt, wo die Antwort daliegt; man kommt und geht, man schiebt auf und weicht aus, nur um das Cerimoniel des kindlichen Staatsrespekts nicht zu verfehlen. Der kriegerische sowohl als der denkende Geist sind fern von einer Nation, die auf warmen Öfen schläft und von Morgen bis zum Abende warm Wasser trinkt. Nur der Regelmäßigkeit im gebahnten Wege, dem Scharfsinn in Beobachtung des Eigennutzes und tausend schlauer Künste, der kindischen Vieltätigkeit ohne den Überblick des Mannes, der sich fragt, ob dies auch nötig zu tun sei und ob es nicht besser getan werden möge: nur diesen Tugenden ist in Sina der königliche Weg eröffnet. Der Kaiser selbst ist in dies Joch gespannt; er muß mit gutem Beispiel vorgehen und wie der Flügelmann jede Bewegung übertreiben. Er opfert im Saal seiner Vorfahren nicht nur an Festtagen, sondern soll bei jedem Geschäft, in jedem Augenblick seines Lebens den Vorfahren opfern und wird mit jedem Lobe und jedem Tadel vielleicht gleich ungerecht bestraft.

Kann man sich wundern, daß eine Nation dieser Art nach europäischem Maßstabe in Wissenschaften wenig erfunden, ja, daß sie Jahrtausende hindurch sich auf derselben Stelle erhalten habe? Selbst ihre Moral- und Gesetzbücher gehen immer im Kreise umher und sagen auf hundert Weisen genau und sorgfältig mit regelmäßiger Heuchelei von kindlichen Pflichten immer dasselbe. Astronomie und Musik, Poesie und Kriegskunst, Malerei und Architektur sind bei ihnen, wie sie vor Jahrhunderten waren, Kinder ihrer ewigen Gesetze und unabänderlich-kindischen Einrichtung. Das Reich ist eine balsamierte Mumie, mit Hieroglyphen bemalt und mit Seide umwunden; ihr innerer Kreislauf ist wie das Leben der schlafenden Wintertiere. Daher die Absonderung, Behorchung und Verhinderung jedes Fremden; daher der Stolz der Nation, die sich nur mit sich selbst vergleicht und das Auswärtige weder kennt noch liebt. Es ist ein Winkelvolk auf der Erde, vom Schicksal außer den Zusammendrang der Nationen gesetzt und eben dazu mit Bergen, Wüsten und einem beinah buchtlosen Meer verschanzt. Außer dieser Lage würde es schwerlich geblieben sein, was es ist; denn daß seine Verfassung gegen die Mandschu standgehalten hat, beweist nichts, als daß sie in sich selbst gegründet war und daß die roheren Überwinder zu ihrer Herrschaft einen solchen Lehnstuhl kindlicher Sklaverei sehr bequem fanden. Sie dorften nichts an ihm ändern, sie setzten sich drauf und herrschten. Dagegen die Nation in jedem Gelenk ihrer selbsterbauten Staatsmaschine so sklavisch dient, als ob es eben zu dieser Sklaverei erfunden wäre.

Alle Nachrichten von der Sprache der Sinesen sind darüber einig, daß sie zur Gestalt dieses Volks in seiner künstlichen Denkart unsäglich viel beigetragen habe; denn ist nicht jede Landessprache das Gefäß, in welchem sich die Ideen des Volks formen, erhalten und mitteilen? Zumal wenn eine Nation so stark als diese an ihrer Sprache hängt und von ihr alle Kultur herleitet. Die Sprache der Sinesen ist ein Wörterbuch der Moral, d.i. der Höflichkeit und guten Manieren: Nicht nur Provinzen und Städte, sondern selbst Stände und Bücher unterscheiden sich in ihr, so daß der größte Teil ihres gelehrten Fleißes bloß auf ein Werkzeug verwandt wird, ohne daß noch mit dem Werkzeuge irgend etwas ausgerichtet werde. An regelmäßigen Kleinigkeiten hängt in ihr alles; sie sagt mit wenigen Lauten viel, um mit vielen Zügen einen Laut und mit vielen Büchern ein und dasselbe herzumalen. Welch ein unseliger Fleiß gehört zum Pinseln und Druck ihrer Schriften! Eben dieser Fleiß aber ist ihre Lust und Kunst, da sie sich an schönen Schriftzügen mehr als an der zaubervollsten Malerei ergötzen und das einförmige Geklingel ihrer Sittensprüche und Komplimente als eine Summe der Artigkeit und Weisheit lieben. Nur ein so großes Reich und die Arbeitseligkeit des Sinesen gehört dazu, um z.B. von der einzigen Stadt Kai-fong-fu vierzig Bücher in acht großen Bänden zu malen186 und diese mühsame Genauigkeit auf jeden Befehl und Lobspruch des Kaisers zu verbreiten. Sein Denkmal über die Auswanderung der Torguts ist ein ungeheures Buch auf Steinen187, und so ist die ganze gelehrte Denkart der Sinesen in künstliche und Staatshieroglyphen vermalt. Unglaublich muß der Unterschied sein, mit dem diese Schriftart allein schon auf die Seele wirkt, die in ihr denkt. Sie entnervt die Gedanken zu Bilderzügen und macht die ganze Denkart der Nation zu gemalten oder in die Luft geschriebenen willkürlichen Charakteren.

Mitnichten ist diese Entwicklung der sinesischen Eigenheit eine feindselige Verachtung derselben; denn sie ist Zug für Zug aus den Berichten ihrer wärmsten Verteidiger geschöpft und könnte mit hundert Proben aus jeder Klasse ihrer Einrichtungen bewiesen werden. Sie ist auch nichts als Natur der Sache, d. i. die Darstellung eines Volks, das sich in einer solchen Organisation und Weltgegend, nach solchen Grundsätzen, mit solchen Hülfsmitteln, unter solchen Umständen im grauen Altertum bildete und wider den gewöhnlichen Lauf des Schicksals unter andern Völkern seine Denkart so lange bewahrte. Wenn das alte Ägypten noch vor uns wäre, so würden wir, ohne von einer gegenseitigen Ableitung träumen zu dürfen, in vielen Studien eine Ähnlichkeit sehen, die nach gegebnen Traditionen nur die Weltgegend anders modifizierte. So wäre es mit mehreren Völkern, die einst auf einer ähnlichen Stufe der Kultur standen; nur diese sind fortgerückt oder untergegangen und mit andern vermischt worden; das alte Sina am Rande der Welt ist wie eine Trümmer der Vorzeit in seiner halbmongolischen Einrichtung stehengeblieben. Schwerlich ist's zu beweisen, daß die Grundzüge seiner Kultur von Griechen aus Baktra oder von Tatern aus Balkh hinübergebracht wären; das Gewebe seiner Verfassung ist gewiß einheimisch und die wenige Einwirkung fremder Völker auf dasselbe leicht zu erkennen und abzusondern. Ich ehre die Kings ihrer vortrefflichen Grundsätze wegen wie ein Sineser, und der Name Konfuzius ist mir ein großer Name, ob ich die Fesseln gleich nicht verkenne, die auch er trug und die er mit bestem Willen dem abergläubigen Pöbel und der gesamten sinesischen Staatseinrichtung durch seine politische Moral auf ewige Zeiten aufdrang. Durch sie ist dies Volk, wie so manche andere Nation des Erdkreises, mitten in seiner Erziehung, gleichsam im Knabenalter, stehengeblieben, weil dies mechanische Triebwerk der Sittenlehre den freien Fortgang des Geistes auf immer hemmte und sich im despotischen Reich kein zweiter Konfuzius fand. Einst, wenn sich entweder der ungeheure Staat teilt oder wenn aufgeklärtere Kien-Longs den väterlichen Entschluß fassen werden, was sie nicht ernähren können, lieber als Kolonien zu versenden, das Joch der Gebräuche zu erleichtern und dagegen eine freiere Selbsttätigkeit des Geistes und Herzens, freilich nicht ohne mannigfaltige Gefahr, einzuführen: alsdenn, aber auch alsdenn werden Sinesen immer nur Sinesen bleiben, wie Deutsche Deutsche sind und am östlichen Ende Asiens keine alten Griechen geboren werden. Es ist die offenbare Absicht der Natur, daß alles auf der Erde gedeihe, was auf ihr gedeihen kann, und daß eben diese Verschiedenheit der Erzeugungen den Schöpfer preise. Das Werk der Gesetzgebung und Moral, das als einen Kinderversuch der menschliche Verstand in Sina gebaut hat, findet sich in solcher Festigkeit nirgend sonst auf der Erde; es bleibe an seinem Ort, ohne daß je in Europa ein abgeschlossenes Sina voll kindlicher Pietät gegen seine Despoten werde. Immer bleibt dieser Nation der Ruhm ihres Fleißes, ihres sinnlichen Scharfsinns, ihrer feinen Künstlichkeit in tausend nützlichen Dingen. Das Porzellan und die Seide, Pulver und Blei, vielleicht auch den Kompaß, die Buchdruckerkunst, den Brückenbau und die Schiffskunst nebst vielen andern feinen Hantierungen und Künsten kannten sie, ehe Europa solche kannte; nur daß es ihnen fast in allen Künsten am geistigen Fortgange und am Triebe zur Verbesserung fehlt. Daß übrigens Sina sich unsern europäischen Nationen verschließt und sowohl Holländer als Russen und Jesuiten äußerst einschränkt, ist nicht nur mit ihrer ganzen Denkart harmonisch, sondern gewiß auch politisch zu billigen, solange sie das Betragen der Europäer in Ostindien und auf den Inseln, in Nordasien und in ihrem eignen Lande um und neben sich sehen. Taumelnd von tatarischem Stolz, verachten sie den Kaufmann, der sein Land verläßt, und wechseln betrügliche Ware gegen das, was ihnen das Sicherste dünkt: sie nehmen sein Silber und geben ihm dafür Millionen Pfunde entkräftenden Tees zum Verderben Europas.

Tibet

Zwischen den großen asiatischen Gebirgen und Wüsteneien hat sich ein geistliches Kaisertum errichtet, das in seiner Art wohl das einzige der Welt ist; es ist das große Gebiet der Lamas. Zwar ist die geistliche und weltliche Macht in kleinen Revolutionen bisweilen getrennt gewesen, zuletzt aber sind beide immer wieder vereinigt worden, so daß hier, wie nirgend anders, die ganze Verfassung des Landes auf dem kaiserlichen Hohepriestertum ruht. Der große Lama wird nach der Lehre der Seelenwanderung vom Gott Schaka oder Fo belebt, der bei seinem Tode in den neuen Lama fährt und ihn zum Ebenbilde der Gottheit weiht. In festgesetzten Ordnungen der Heiligkeit zieht sich von ihm die Kette der Lamas herab, und man kann sich in Lehren, Gebräuchen und Einrichtungen kein festgestellteres Priesterregiment denken, als auf dieser Erdhöhe wirklich thront. Der oberste Besorger weltlicher Geschäfte ist nur Statthalter des obersten Priesters, der, den Grundsätzen seiner Religion nach, voll göttlicher Ruhe in einem Palasttempel wohnt. Ungeheuer sind die Fabeln der lamaischen Weltschöpfung, grausam die gedrohten Strafen und Büßungen ihrer Sünden, aufs höchste unnatürlich der Zustand, zu welchem ihre Heiligkeit aufstrebt: er ist entkörperte Ruhe, abergläubische Gedankenlosigkeit und Klosterkeuschheit. Und dennoch ist kaum ein Götzendienst so weit als dieser auf der Erde verbreitet; nicht nur Tibet und Tangut, der größte Teil der Mongolen, die Mandschu, Kalkas, Eluthen u. f. verehrten, den Lama; und wenn sich in neueren Zeiten einige von der Anbetung seiner Person losrissen, so ist doch ein Stückwerk von der Religion des Schaka das einzige, was diese Völker von Glauben und Gottesdienst haben. Aber auch südlich zieht sich diese Religion weit hin; die Namen Sommona-Kodom, Schaktscha-Tuba, Sangol-Muni, Schige-Muni, Buddha, Fo, Schekia sind alle eins mit Schaka, und so geht diese heilige Mönchslehre, wenngleich nicht überall mit der weitläuftigen Mythologie der Tibetaner, durch Indostan, Ceylon, Siam, Pegu, Tonkin bis nach Sina, Korea und Japan. Selbst in Sina sind Grundsätze des Fo der eigentliche Volksglaube; dagegen die Grundsätze Konfuzius' und Laotse nur Gattungen einer politischen Religion und Philosophie sind unter den obern, d. i. den gelehrten Ständen. Der Regierung daselbst ist jede dieser Religionen gleichgültig; ihre Sorge ist nicht weiter gegangen, als daß sie die Lamas und Bonzen dem Staat unschädlich zu machen, sie von der Herrschaft des Dalai-Lama trennte. Japan vollends ist lange Zeit ein halbes Tibet gewesen; der Dairi war der geistliche Oberherr und der Kubo sein weltlicher Diener, bis dieser die Herrschaft an sich riß und jenen zum bloßen Schatten machte: ein Schicksal, das im Lauf der Dinge liegt und gewiß einmal auch das Los des Lamas sein wird. Nur durch die Lage seines Reichs, durch die Barbarei der mongolischen Stämme, am meisten aber durch die Gnade des Kaisers in Sina ist er so lange, was er ist, geblieben. Auf den kalten Bergen in Tibet entstand die lamaische Religion gewiß nicht; sie ist das Erzeugnis warmer Klimate, ein Geschöpf menschlicher Halbseelen, die die Wohllust der Gedankenlosigkeit in körperlicher Ruhe über alles lieben. Nach den rauhen tibetanischen Bergen, ja nach Sina selbst ist sie nur im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung kommen, da sie sich denn in jedem Lande nach des Landes Weise verändert. In Tibet und Japan wurde sie hart und strenge, unter den Mongolen ist sie beinah ein wirksamer Aberglaube worden; dagegen Siam, Indostan und die Länder, die ihnen gleichen, sie als Naturprodukte ihres warmen Klima aufs mildeste nähren. Bei so verschiedner Gestalt hat sie auch ungleiche Folgen auf jeden Staat gehabt, in dem sie lebte. In Siam, Indostan, Tunkin u. f. schläfert sie die Seelen ein; sie macht mitleidig und unkriegerisch, geduldig, sanft und träge. Die Talapoinen streben nicht nach dem Thron; bloße Almosen sind's, um die sie menschliche Sünden büßen. In hartem Ländern, wo das Klima den müßigen Beter nicht so leicht nährt, mußte ihre Einrichtung auch künstlicher werden, und so machte sie endlich den Palast zum Tempel. Sonderbar ist der Unzusammenhang, in welchem die Sachen der Menschen sich nicht nur binden, sondern auch lange erhalten. Befolgte jeder Tibetaner die Gesetze der Lamas, indem er ihren höchsten Tugenden nachstrebte, so wäre kein Tibet mehr. Das Geschlecht der Menschen, die einander nicht berühren, die ihr kaltes Land nicht bauen, die weder Handel noch Geschäfte treiben, hörte auf; verhungert und erfroren lägen sie da, indem sie sich ihren Himmel träumen. Aber zum Glück ist die Natur der Menschen stärker als jeder angenommene Wahn. Der Tibetaner heiratet, ob er gleich damit sündigt; und die geschäftige Tibetanerin, die gar mehr als einen Mann nimmt und fleißiger als die Männer selbst arbeitet, entsagt gerne den hohem Graden des Paradieses, um diese Welt zu erhalten. Wenn eine Religion der Erde ungeheuer und widrig ist, so ist's die Religion in Tibet188, und wäre, wie es wohl nicht ganz zu leugnen ist, in ihre härtesten Lehren und Gebräuche das Christentum hinübergeführt worden, so erschiene dies wohl nirgend in ärgerer Gestalt als auf den tibetanischen Bergen. Glücklicherweise aber hat die harte Mönchsreligion den Geist der Nation sowenig als ihr Bedürfnis und Klima ändern mögen. Der hohe Bergbewohner kauft seine Büßungen ab und ist gesund und munter; er zieht und schlachtet Tiere, ob er gleich die Seelenwanderung glaubt, und erlustigt sich funfzehn Tage mit der Hochzeit, obgleich seine Priester der Vollkommenheit ehelos leben. So hat sich allenthalben der Wahn der Menschen mit dem Bedürfnis abgefunden; er dung so lange, bis ein leidlicher Vergleich wurde. Sollte jede Torheit, die im angenommenen Glauben der Nationen herrscht, auch durchgängig geübt werden: welch ein Unglück! Nun aber werden die meisten geglaubt und nicht befolgt, und dies Mittelding toter Überzeugung heißt eben auf der Erde Glauben. Denke man nicht, daß der Kaimucke nach dem Muster der Vollkommenheit in Tibet lebt, wenn er ein kleines Götzenbild oder den heiligen Kot des Lama verehrt. Aber nicht nur unschädlich, auch nutzlos sogar ist dieses widerliche Regiment der Lamas nicht gewesen. Ein grobes heidnisches Volk, das sich selbst für die Abkunft eines Affen hielt, ist dadurch unstreitig zu einem gesitteten, ja in manchen Stücken feinen Volk erhoben, wozu die Nachbarschaft der Sinesen nicht wenig beitrug. Eine Religion, die in Indien entsprang, liebt Reinlichkeit; die Tibetaner dürfen also nicht wie tatarische Steppenvölker leben. Selbst die überhohe Keuschheit, die ihre Lamas preisen, hat der Nation ein Tugendziel aufgesteckt, zu welchem jede Eingezogenheit, Nüchternheit und Mäßigung, die man an beiden Geschlechtern rühmt, wenigstens als ein Teil der Wallfahrt betrachtet werden mag, bei welcher auch die Hälfte mehr ist als das Ganze. Der Glaube einer Seelenwanderung macht mitleidig gegen die lebendige Schöpfung, so daß rohe Berg- und Felsenmenschen vielleicht mit keinem sanftem Zaum als mit diesem Wahn und dem Glauben an lange Büßungen und Höllenstrafen gebändigt werden konnten. Kurz, die tibetanische ist eine Art päpstlicher Religion, wie sie Europa selbst in seinen dunkeln Jahrhunderten, und sogar ohne jene Ordnung und Sittlichkeit, hatte, die man an Tibetanern und Mongolen rühmt. Auch daß diese Religion des Schaka eine Art Gelehrsamkeit und Schriftsprache unter dies Bergvolk und weiterhin selbst unter die Mongolen gebracht hat, ist ein Verdienst für die Menschheit, vielleicht das vorbereitende Hülfsmittel einer Kultur, die auch diesen Gegenden reift. Wunderbar langsam ist der Weg der Vorsehung unter den Nationen, und dennoch ist er lautre Naturordnung. Gymnosophisten und Talapoinen, d. i. einsame Beschauer, gab es von den ältesten Zeiten her im Morgenlande; ihr Klima und ihre Natur lud sie zu dieser Lebensart ein. Die Ruhe suchend, flohen sie das Geräusch der Menschen und lebten mit dem wenigen vergnügt, was ihnen die reiche Natur gewährte. Der Morgenländer ist ernst und mäßig, so wie in Speise und Trank, so auch in Worten; gern überläßt er sich dem Fluge der Einbildungskraft, und wohin konnte ihn diese als auf Beschauung der allgemeinen Natur, mithin auf Weltentstehung, auf den Untergang und die Erneuung der Dinge führen? Die Kosmogonie sowohl als die Metempsychose der Morgenländer sind poetische Vorstellungsarten dessen, was ist und wird, wie solches sich ein eingeschränkter menschlicher Versland und ein mitfühlendes Herz denkt. »Ich lebe und genieße kurze Zeit meines Lebens; warum sollte, was neben mir ist, nicht auch seines Daseins genießen und von mir ungekränkt leben?« Daher nun die Sittenlehre der Talapoinen, die insonderheit auf die Nichtigkeit aller Dinge, auf das ewige Umwandeln der Formen der Welt, auf die innere Qual der unersättlichen Begierden eines Menschenherzens und auf das Vergnügen einer reinen Seele so rührend und aufopfernd dringt. Daher auch die sanften humanen Gebote, die sie zu Verschonung ihrer selbst und anderer Wesen der menschlichen Gesellschaft gaben und in ihren Hymnen und Sprüchen preisen. Aus Griechenland haben sie solche sowenig als ihre Kosmogonie geschöpft; denn beide sind echte Kinder der Phantasie und Empfindungsart ihres Klima. In ihnen ist alles bis zum höchsten Ziel gespannt, so daß nach der Sittenlehre der Talapoinen auch nur indische Einsiedler leben mögen; dazu ist alles mit so unendlichen Märchen umhüllt, daß, wenn je ein Schaka gelebt hat, er sich schwerlich in einem der Züge erkennen würde, die man dankend und lobend auf ihn häufte. Indessen lernt nicht ein Kind seine erste Weisheit und Sittenlehre durch Märchen? Und sind nicht die meisten dieser Nationen in ihrem sanften Seelenschlaf lebenslang Kinder? Lasst uns also der Vorsehung verzeihen, was nach der Ordnung, die sie fürs Menschengeschlecht wählte, nicht anders als also sein konnte. Sie knüpfte alles an Tradition, und so konnten Menschen einander nicht mehr geben, als sie selbst hatten und wußten. Jedes Ding in der Natur, mithin auch die Philosophie des Buddha, ist gut und böse, nachdem sie gebraucht wird. Sie hat so hohe und schöne Gedanken, als sie auf der andern Seite Betrug und Trägheit erwecken und nähren kann, wie sie es auch reichlich getan hat. In keinem Lande blieb sie ganz dieselbe; allenthalben aber, wo sie ist, steht sie immer doch eine Stufe über dem rohen Heidentum, die erste Dämmerung einer reinem Sittenlehre, der erste Kindestraum einer weltumfassenden Wahrheit.

Sekundärliteratur

Adrian Hsia : Die Menschen seien, davon ist Herder überzeugt, von der Vorsehung dazu bestimmt, sich zu höheren Wesen zu entwickeln. Daher gibt es für ihn nur eine Menschheit und er lehnt jegliche Rassentheorie ab. In der Praxis scheint es aber Ausnahmen zu geben : In der antiken Welt nimmt er anscheinend die Ägypter aus, in der modernen die Mongolen und Kalmücken. Die Klimatheorie eines Montesquieu zitierend, den Herder bewundert und als gross bezeichnet, und mit der Hinzuziehung des Begriffs 'des inneren Klimas', d.h. der genetischen Kraft, sucht er die innenwohnenden Mängel der beiden und verwandten Völker zu beweisen. Zu ihnen zählt er auch die Chinesen… Er will vermitteln zwischen den extrem positiven Jesuiten-Berichten über China und der extrem negativen Meinung der Zeit, den mittleren Weg gehen und China so beschreiben, wie es war. Seine Objektivität ist aber relativ, denn er kann die Kalmücken aus unbekannten Gründen und Ägypter der Hieroglyphen wegen, nicht ausstehen. Die Chinesen gebrauchen auch eine Art Bilderschrift. Für Herder ist die Sprache eine besondere Gabe Gottes, welche die Aufklärung der Menschheit, eine Voraussetzung zum höheren Wesen, erst möglich macht. Er glaubt, die fehlerhafte Sprache sei auf die chinesischen Eigenschaften, nämlich auf den 'Mangel von Erfindungskraft im Grossen' und die 'Unselige Feinheit in Kleinigkeiten' zurückzuführen. Dazu kämen noch die 80'000 Schriftzeichen von mindestens sechs Schriftarten… Herder glaubt, die mongolische Abkunft der Chinesen beeinträchtige nicht nur das Gehör, die Sprache und das Aussehen der Chinesen, sondern auch ihre Mentalität und Denkweise. Es sei unmöglich für so ein Volk, einen Sinn von 'innerer Ruhe, Schönheit und Würde' zu besitzen. Die verwahrloste mongolische Empfindung bringe es mit sich, dass den Chinesen die 'Gabe der freien, grossen Erfindung in den Wissenschaften, die Natur versagt zu haben'. Die Grundtugend dieser Kultur sei der kindliche Gehorsam, der auf Befehl ruht, sowohl in der Familie als auch im Staat. Männliche Kraft und Ehre seien den Chinesen fremd, es sei alles nur kindliche Pflicht und leere Zeremonien. Er spricht das Urteil aus, dass die chinesische Kultur im 'Knabenalter' stehen geblieben ist. In diesem Zusammenhang macht er seinen bekannten und oft zitierten Spruch über China : "Das Reich ist eine balsamierte Mumie, mit Hieroglyphen bemalt und mit Seide umwunden ; ihr innerer Kreislauf ist wie das Leben der schlafenden Wintertiere"… Er bekennt, dass er die 'kings', die konfuzianischen Kanons, und Konfuzius verehre, aber auch dieser sei durch die mongolische Abkunft bestimmt… Erst im Vergleich mit den Nachbarländern Chinas, nämlich 'Kotschinchina, Tongking, Laos, Korea, die östliche Tartarei, Japan', werden die Chinesen in positiverem Licht dargestellt. Dies bedeutet jedoch, dass die Einwohner und Kulturen in jenen Ländern umso negativer wegkommen…
Herder beschreibt Tibet aus folgendem Grund : Tibet ist die Heimat des Buddhismus, der Sitz von Dalai Lama, eine Art Kaiser-Hohepriester, der für Herder Buddha verkörpert. Herder betrachtet die 'Lama Religion' als die grösste der ganzen Welt, eine Religion der Massen, die vom Katholizismus beeinflusst worden ist, während Konfuzianismus und Taoismus die Religion der Oberschicht ist.

Lee Eun-jeung : Die durch die Berichte der Chinamissionare ausgelöste Begeisterung für die chinesische Moral- und Staatsphilosophie hat unter dem Einfluss von Montesquieu und Rousseau in Ablehnung umgeschlagen. Herder will hier keine Positition beziehen, sondern beiden Seiten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er sieht in China keineswegs einen idealen Musterstaat. Dabei erkennt er durchaus die durch die Jesuiten vermittelten Einsichten an und findet die konfuzianische Sittenlehre in der Theorie sogar bewundernswert. Aber er hegt Zweifel, ob die Berichte der Jseuiten der chinesischen Wirklichkeit auch entsprechen… Im Grunde spricht er den Chinesen die Fähigkeit ab, sich mittels Vernunft und politischer Aktivität von der Tradition, dem Despotismus und anderen Einschränkungen zu befreien… Während Leibniz die chinesische Schrift als Vorbild für eine 'lingua universalis' betrachtet, scheint Herder in ihr nur das Abstossend-Fremde zu sehen… Betrachtet man Herders China- und Konfuzianismusdarstellung im gesamten Kontext seines geschichtsphilosophischen Denkens, kann man darin zwei wichtige politische Überlegungen finden, die vor allem an der Gegenwart seiner Zeit orientiert sind. Die eine ist die grundsätzliche Absage Herders an die despotische Herrschaft und damit verbunden die Forderung nach politischer Reform. Seine andere Überlegung lässt sich mit dem Begriff 'Wunschbild eines pazifistischen Föderalismus' der Kulturen der Menschheit charakterisieren.

Rudolf Franz Merkel : Weil Herder’s Massstäbe beinahe ausschliesslich europäische Ideale wie Fortschritt, Individualismus und Haumanität waren, so vermochte er nicht bis zu den chinesischen Idealen des Traditionalismus, des Universismus und der chinesischen Humanität vordringen ; sonst hätte er China an dessen eigenen Massstäben messen oder vom höheren Standpunkt einer Synthese der chinesischen und der europäischen Ideale aus beurteilen müssen.

Andreas Pigulla : Herder ist überzeugt, dass es schon sehr viel früher ein gut organisiertes Staatsgebilde in China vorhanden gewesen sein muss… Mit der ständigen Wiederholung der Unwandelbarkeit der Grundpositionen des chinesischen Volkscharakters im Zusammenhang äusserer Faktoren und der Zuordnung zur 'Kindheit' des Menschengeschlechts ist bei Herder keine Diskriminierung der chinesischen Geschichte intendiert. Er lässt Mitleid für die chinesische Zivilisation durchscheinen. Es fehle ihr nur an den 'Triebfedern' zur Weiterentwicklung, aber auch die europäische Entwicklung habe schliesslich lange gedauert. Er hält die Entwicklungsmöglichkeiten Chinas durchaus für gegeben, denn es fehle der Nation nicht an 'Fähigkeiten zur Wissenschaft'. Er favorisiert eine Teilung Chinas, damit sich konkurrierende Kräfte, die Europa zur Entwicklung gebracht hätten, auch in China herausbilden können… Die geographische Lage, die zur Entstehung der Menschheit ideal war, wird im Verlauf der Geschichte zur Falle. Sie bedingt die Isolation des chinesischen Staates… Regierungsformen werden bei Herder nach dem Freiheitsraum beurteilt, den sie dem Individuum zubilligen. In diesen Bezugsrahmen kann die chinesische Geschichte nur als negatives Gegenbild einbezogen werden… Die Sprachentwicklung in Asien ist für ihn auch wichtigste Begründung für die kulturelle Andersartigkeit im Vergleich zu Europa. Dabei ist seine Einschätzung durchaus nicht undifferenziert. Er erkennt an, dass die einsilbigen, aus 'wenigen Wurzeln' gebildeten Sprachformen gegenüber den ‚unnützen Hülfsworten und langweiligen Flexionen’ der meisten Sprachen zu einer 'fein-durchdachten, leise-geregelten Hieroglyphik der unsichtbaren Gedankensprache' führen. Er erkennt die ästhetisch reizvolle Seite der chinesischen Sprache an, doch bedeutsamer für sein Konzept von Kulturentwicklung ist ihre Funktion. Aus 'fast kindischem Kunstwerk' erscheint ihm eine Sprachbildung, die aus '330 Silben achtzigtausend zusammengesetzte Charaktere' bildet. Sie macht Chinesisch für Herder einzigartig. Die Bewertung fällt allerdings negativ aus… Die chinesische Erziehung sieht er vom Prinzip der 'kindlichen Pietät' beherrscht und hält es für die gesellschaftliche Ordnung eines Nomadenvolks für angemessen. In China seien dadurch aber auch das Erwachsenenleben, die staatlichen Strukturen und das Verhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten bestimmt… Mit der Dichotomie zwischen menschlicher Natur und gesellschaftlicher Ordnungskonzeption hat Herder den für ihn massgeblichen Grundwiderspruch der chinesischen Kultur und Geschichte herausgearbeitet… Sein umfassender Menschheitsbegriff verbietet aber die völlige Ausgrenzung des chinesischen Volkes aus der Menschheitsgeschichte, auch wenn er diese als Fortentwicklung versteht, an der China keinen Anteil hat… Da Herders Vorstellung von Menschheitsentwicklung nicht von einem engen Fortschrittsbegriff ausgehen soll und er Rationalisierungsprozesse nicht als seine einzige Komponente begreift, lassen sich in der Chinabeschreibung auch die Verluste, die bei der fortschreitenden Weiterentwicklung Europas erkannt werden, widerspiegeln. Die Struktur der Chinabeschreibungen ist an der Schilderung des faktisch Bestehenden orientiert und nicht an der Vermittlung historischer Verläufe. Jahreszahlen werden in den China betreffenden Abshnitten nicht genannt. Da China ausserhalb der für Herder am menschlichen Fortschritt beteiligten Nationen steht, kommen nicht die Veränderungen in der chinesischen Geschichte in den Blick… Nach einer kurzen topographischen Bestimmung und einer Beschreibung der Raumstruktur entsteht zunächst ein positives Bild Chinas mit ‚florierender Landwirtschaft, 'Höflichkeit', 'öffentlicher Ordnung', 'Pietät', 'Religionsfreiheit' und 'Moral'. Doch diese den Jesuitenbeschreibungen entnommenen idealisierten Zuschreibungen dienen ihm nur zur Kontrasierung seiner eigenen Version. Die erwähnten Merkmale chinesischer Kultur werden zu Hindernissen in der Entwicklung menschlicher Vernunft… An China werden die politischen und gesellschaftlichen Faktoren exemplarisch ausgeführt, die Fortschritt verhindern. Die Wiederverwendung der Begriffe 'Despotismus' und 'Isolation' in bezug auf europäische Geschichte macht deutlich, dass China als Beispiel für Zustände, die für Herder auch in der eigenen Geschichte noch überwunden werden müssen, herangezogen wird. Despotische Regierungen sind innerhalb der europäischen und der asiatischen Geschichte für ihn nicht naturbedingt, sondern von Menschen veränderbar.

Fang Weigui : Was in der Geschichte Herder in erster Linie anspricht, sind Sitten und Charaktere, sowohl der Völker als auch einzelner Menschen. Er hat in seiner Ausführung seine genetische Betrachtungsmethode nicht konsequent durchgeführt, besser gesagt, nicht persisten durchführen können. In dem Moment, als er mit einigen Beispielen, die er aus den Kaufmanns- und Jesuitenberichten geschöpft hat, aufzuzeigen versucht, dass die Natur den Chinesen die Gabe der freien, grossen Erfindung in den Wissenschaften versagt zu haben scheine, dass das ganze Gebäude ihrer Sprache, Verfassung und Denkart ihnen eigen sei, kommt diese 'neue' Betrachtungsweise in der Tat ganz klar zum Vorschein. Sobald er dann zur chinesischen Erziehung übergeht und im beträchtlichen Umfang seinen Vorgänern jene eigentlich nicht angeborenen sondern erworbenen ‚Charaktere’ der Chinesen nachbetet, stellt er automatisch seine eigene Methode in Frage. Bei der Bewertung der chinesischen Kultur sind Herders Massstäbe letzten Endes die europäischen Ideale wie Fortschriftt, Individualimus, Humanität und christliche Anschauungen, die ihn hier und da zu eurozentrischen Schlussfolgerungen veranlassen. Ausgehend von seiner genetischen Betrachtungsweise folgert Herder, dass die chinesische Sprache 'zur Gestalt dieses Volks in seiner künstlichen Denkart unsäglich viel beigetragen habe'. Dass es den Chinesen an Erfindungskraft mangelt, wie es seine Vorgänger in Europa in Umlauf setzten, ist für Herder auch den 'rohen Hieroglyphen' zuzuschreiben. Er hat die chinesische Reichs- und Sittenlehre angeprangert, die für ihn schliesslich nur eine 'Sklavencultur' darstellt. Die kindische Gehorsamkeit, scheinbare Sittsamkeit und höfliche Zuvorkommenheit führe nur dazu, dass man das wahre Herz des Menschen an Falschheit gewöhnen und die von der Natur bescherte selbstwirksame Kraft aufgeben müsse. Diese Grundtugenden der Chinesen seinen nicht anderes als entkräftende falsche Gebräuche, die durch kindische Gefangenschaft der menschlichen Vernunft, Kraft und Empfindung gekennzeichnet seien.

Werner Lühmann : Dass Herder zum Zeitpunkt der gedanklichen Konzeption seiner Ideen die chinesischen Klassiker, allen voran Konfuzius, wenn überhaupt dann nur höchst beiläufig zur Kenntnis genommen haben dürfte, wird bei der Lektüre jener Passagen deutlich, die sich mit der Geistesgeschichte Chinas befassen… Dass er sich dann in den letzten Jahren seines Lebens instensiv mit der Geistesgeschichte auseinandergesetzt hat, geht auch aus einem Hinweis auf Joseph de Guignes und Corneille de Pauw hervor.

Ulrich Faust : Der Buddhismus scheidet für Herder bei der Behandlung Chinas und Indiens aus, obleich er ihn für den eigentlichen Volksglauben hält. Das 18. Jahrhundert hatte nur eine sehr unzureichende Kenntnis vom Buddhismus. Im Nachlass von Herder finden sich einige Aufzeichnungen, die von dem Bemühen zeugen, sich auch eine Kenntnis über diese Religion zu verschaffen. Herder über Tibet : Er nimmt als erster eine klare Trennung von Mythos und Religion vor. Seine negative Bewertung der tibetanischen Mythologie ist erstaunlich, da die nicht weniger abstrusen Mythologien Indiens von ihm positiv bewertet werden. Er nennt diese asiatische Religion nicht Buddhismus, sondern spricht von der Religion des Schaka oder Fo. Er hat richtig erkannt, dass die Ursprünge der tibetischen Religion in Indien liegen. Er tadelt die Untätigkeit der Mönche, anerkennt aber ihre kulturellen Verdienste.

Willy Richard Berger : Herders China-Bild ist weniger die goldene Mitte zwischen idealisierendem Lob und absprechender Verzeichnung als vielmehr doch ein entschieden negatives Bild. Gefangen im eurozentrischen Denken, gelingt es ihm nicht, sich in die ganz andere Kultur so einzufühlen, dass er sie 'massstabgerecht' hätte erfassen können. Fixiert auf europäische Ideale wie Fortschritt, Individualismus, Humanität – nämlich auf eine christlich-antik geprägte Humanität –, bleibt es ihm verwehrt, bis zu den chinesischen Idealen des Traditionalismus, des Universismus und chinesischer Humanität vorzudringen. Beherrscht von einem religiösen Gefühl, das in der 'Fülle des Herzens' seinen Mittelpunkt hat, muss ihm das fromme Zeremoniell des chinesischen Kults kalt und sinnentleert erscheinen, und in fast völliger Unkenntnis schliesslich der literarischen und künstlerischen Originalwerke selbst macht er sich ästhetische Urteile zu eigen, die entweder an den Chinoiserien abgelesen oder aus religionspolitischen Tendenzschriften abgezogen sind. Dabei ist Herder selbst eine willkürliche Tendenz nirgendwo anzulasten, es ist nur die historisch und subjektiv bedingte Unzulänglikeit des menschlichen Urteils, die wir heute doch wahrzunehmen berechtigt sind.
  • Document: Faus, Ulrich. Mythologien und Religionen des Ostens bei Johann Gottfried Herder. (Münster : Aschendorff, 1977). (Aevum Christianum ; 12). S. 175, 177-179, 187-196. (FauU1, Publication)
  • Document: Deutsche Denker über China. Hrsg. von Adrian Hsia. (Frankfurt a.M. : Insel Verlag, 1985). (Insel Taschenbuch ; 852). S. 117-134, http://www.textlog.de/5636.html, FauU1. (Hsia6, Publication)
  • Document: Berger, Willy Richard. China-Bild und China-Mode im Europa der Aufklärung. (Köln ; Wien : Böhlau, 1990). S. 125. (Berg, Publication)
  • Document: Fang, Weigui. Das Chinabild in der deutschen Literatur, 1871-1933 : ein Beitrag zur komparatistischen Imagologie. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1992). (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 1356). Diss. Technische Hochschule Aachen, 1992. S. 109-110. (FanW1, Publication)
  • Document: Pigulla, Andreas. China in der deutschen Weltgeschichtsschreibung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. (Wiesbaden : O. Harrassowitz, 1996). (Veröffentlichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität Bochum ; Bd. 43). Diss. Univ. Bochum, 1995. S. 178, 180-181, 190, 196-199, 206, 210-212, 223. (Pig1, Publication)
  • Document: Hsia, Adrian. Protestant philosophers and the construct of China : Immanuel Kant, Johann Gottfried Herder and Georg Wilhelm Friedrich Hegel. In : East-West dialogue ; vol. 2 (2000). (Hsia22, Publication)
  • Document: Lühmann, Werner. Konfuzius : aufgeklärter Philosoph oder reaktionärer Moralapostel ? : der Bruch in der Konfuzius-Rezeption der deutschen Philosophie des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. (Wiesbaden : Harrassowitz, 2003). [Confucius]. S. 85, 87. (Lüh1, Publication)
  • Document: Lee, Eun-jeung. "Anti-Europa" : die Geschichte der Rezeption des Konfuzianismus und der konfuzianischen Gesellschaft seit der frühen Aufklärung : eine ideengeschichtliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. (Münster : LIT Verlag, 2003). (Politica et ars ; Bd. 6). Habil. Univ. Halle-Wittenberg, 2003. S. 230, 245, 247, 249, 259-260. (LeeE1, Publication)
  • Document: http://www.textlog.de/5636.html. (Textlog, Web)
  • Person: Herder, Johann Gottfried
3 1794 Kant, Immanuel. Das Ende aller Dinge [ID D17033].
Adrian Hsia : Das Wissen über Laozi war zu Kants Zeit mangelhaft. Kants Kommentare reflektieren sowohl diesen Wissensstand, wie auch eine gewisse Feindseligkeit, welche die Jesuiten Laozi gegenüber empfanden. Kant unterscheidet drei Arten vom Ende aller Dinge :
1. Das natürliche Ende, das in der Ordnung der moralischen Zwecke in Übereinstimmung mit der göttlich Weisheit ist. 2. Das mystische Ende, das schlechthin unverständiglich ist. 3. Das unnatürliche Ende, das von uns selbst herbeigeführt wird. Laozi gilt als Mystiker. Als solcher hat er nichts gemeinsam mit den intelligenten Erdenbewohner, die Kant schätzt. Es ist daher in der Natur der Dinge, dass Kant Laozis Lehre als monströs bezeichnet, weil beim chinesischen Weisen das höchste Gut das Nichts ist, d.h. im Gefühl eins mit der Unendlichkeit Gottes zu sein, indem man seine eigene Persönlichkeit zerstört und die Gottes annimmt. Um sich für dieses letzte Stadium vorzubereiten schlössen sich chinesische Philosophen in dunklen Räumen ein, wo sie sich mit geschlossenen Augen darauf konzentrieren, das Nichts zu fühlen. Kant meint, dass diese Praktik an den Pantheismus der Tibeter und anderer orientalischer Völker, d.h. der Buddhisten, erinnert. Der hebt hervor, dass das Stadium der ‚ewigen Stille’ keineswegs das Ende aller Dinge, sondern das Ende des Denkens sei. Für Kant ist es letzten Endes nur durch das Christentum erreichbar.

Sources (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1794 Kant, Immanuel. Das Ende aller Dinge. In : Berlinische Monatshefte ; Nr. 23 (Juni 1794). Publication / Kant83

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000 Nyitray, Vivian-Lee. In memoriam Julian Francis Pas, 1929-2000. In : Journal of Chinese religions ; no 28 (2000). Publication / Pas
  • Source: Wei, Maoping. Günter Eich und China : Studien über die Beziehungen des Werks von Günter Eich zur chinesischen Geisteswelt. (Heidelberg : Universität Heidelberg, 1989). Diss. Univ. Heidelberg, 1989. (Eich4, Publication)
  • Source: Daniels, Christian ; Menzies, Nicholas K. Agro-industries and forestry. (Cambridge : Cambridge University Press, 1996). (Science and civilisation in China ; vol. 6, pt. 3. Biology and biological technology ; vol. 3). (DanC1, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)