Uebersetzung der Algemeinen Welthistorie. Siegmund Jakob Baumgarten, Johann Christoph Gatterer, Johann Friedrich Le Bret, Johann Georg Meusel, August Ludwig von Schlözer, Johann Salomo Semler [ID D17262].
Quellen :
An universal history [ID D17261].
Marsy, François-Marie de. Neuere Geschichte der Chineser, Japaner, Indianer, Persianer, Türken und Russen etc. [ID D4613].
Guignes, Joseph de. Histoire générale des Huns, des Turcs, des Mogols [ID D1837].
Gaubil, Antoine ; Guignes, Joseph de. Le Chou-king [ID D1856].
Sima Qian.
Im 24. und 25. Band wird vor allem die Geschichte Chinas, Koreas und Japans behandelt.
Gatterer schreibt : Der berühmte Jesuite du Halde übertreibt ohne Zweifel die Sache, wann er vorgibt, dass so gar die ganze alte Geschichte der Chineser durch gleichzeitige Schriftsteller aufgezeichnet worden. Die Chinesische Historie hat so gut ihre Kindheit als die Historie anderer alten Nationen. Reichthum an Fabeln und unerheblichen Gegebenheiten und Mangel an glaubwürdigen und interessanten Nachrichten sind die Eigenschaften der ältesten Historie der Chineser… Man kan, wie mich dünkt, die ganze Chinesische Geschichte in Ansehung des Umfangs der Materialien gar füglich in drey Zeitpuncte abtheilen. Im ersten, der von dem Ursprunge des chinesischen Reichs bis zum vierten Jahrhundert vor Christi Geburt sich erstrecket, ist die Geschichte desselben so arm, dass sie nichts, als die Folge der regierenden Personen, und eine blose Anzeige der Begebenheiten ohne umständliche Erzälung derselben, enthält. Im zweyten Zeitpuncte, das ist im vierten und dritten Jahrhundert vor Christi Geburt, fängt zwar die Chinesische Geschichte an, umständlicher zu werden, allein man kan es ihr noch immer ansehen, dass sie kaum aus den Jahren der Kindheit getreten ist. Hingegen im dritten Zeitpuncte, der mit dem zweyten Jahrhundert vor Christi Geburt angeht, wird sie nach und nach reicher und interessanter… Die kleinen Dynastien der Könige können nicht wol mit Stillschweigen übergangen werden. Ein solcher Entwurf kan zugleich das gemeine Vorutheil widerlegen, als wann das chinesische Reich sich stets in einem ruhigen und unveränderten Zustande erhalten hätte… Die bisher beschriebenen Geschichtsbücher der Chineser machen eine der schönsten Sammlungen von Geschichtsschreibern aus, die man nur irgend über die Historie einer Nation hat… Es würde ohne Zweifel niemand für sich selbst darauf verfallen, dass Unruhen, die in dem östlichen Theile von Asien vorgiengen, die Zerstörung des abendländischen Kaiserthums, und die jezige Gestalt der Europäischen Staaten veranlasst haben. Dieses habe ich erst vor einigen Jahren aus den Geschichtsbüchern der Morgenländer, insonderheit der Chineser gelernet. Man kan also die Geschichte und Verfassung der Reiche, die aus den Ruinen des Römischen Kaiserthums hervorgekommen sind, nicht recht verstehen, wenn man sich nicht zuvor den Zustand der asiatischen Staaten bekannt gemacht hat… Bei dem allen ist es aber sonderbar genug, dass dieser ungeheure Staatskörper, der so oft, und so gar von Ausländern zergliedert worden ist, sich bis diese Stunde erhalten, und dass er nicht das Schicksal aller der mächtigen Reiche erfahren hat, von welchen die Geschichte kaum noch einige Spuren aufweist.
Sie [Chinesen] glauben, dass die abgeschiednen Seelen der Tugendhaften bey und um den Schang-ti, das ist, bey dem höchsten Wesen, seyn werden. Diese Grundsätze der Religion, die über 2000 Jahre in China Beyfall gefunden haben, kamen bey den vielen innerlichen Kriegen, und bey der daraus entstandenen allgemeine Verderbnis der Sitten in Vergessenheit, bis sie Confucius wieder bekannt gemacht hat. Wir sezen nur noch hinzu, dass diese sogenannte Religion des Confucius noch jezo die Religion des Kaisers, der Prinzen, und aller vornehmen und gelehrten Personen in China sey : ob gleich seit vielen Jahrhunderten mehrerer Religionen in diesem Reiche aufgekommen sind. Ob es indessen für die Religion selbst vortheilhaft sey, dass die Verrichtung des äuserlichen Gottesdienstes blos auf die Person des Kaisers eingeschränkt worden, ist eine Untersuchung die sich nicht zu unserer Absicht schickt. Diese King mus man als eine Art von symbolischen Bücher der Chinesischen Religion betrachten. Wann gleich die erste und vornehmste Absicht derselben mehr auf die Historie, als auf den Unterricht in der Religion zu gehen scheint ; so sind sie doch eigentlich nur zu dem Ende verfertiget worden, um aus den Beispielen guter und böser Regenten die Pflichten und Wirkungen der Tugend und der Religion käntlich und reizend zu machen… Die Chineser haben seit einigen Jahrtausenden Wissenschaften und Künste getrieben, und doch keine derselben zu einiger Vollkommenheit gebracht. Es fehlt ihnen in allen Dingen an Geschmack und Critik, weil sie die vollkommenern Känntnisse der Ausländer verachten, die ihnen doch wenigstens bey der Beurtheilung der ihrigen zur Richtschnur und zum Vergleichungspuncte dienen könnten. Zumal würden ihr Kalender noch immer sehr unvollkommen sein, wenn ihn nicht die Jesuiten verbessert hätten.
Schlözer schreibt : Wie lange wollen wir, europäische Historiker, uns noch mit dem albernen Zeuge schleppen, das junge sinesische Mythologen, Romanen-Schreiber, und Stoppler, erfunden haben, und sinesische Kritiker selbst verschmähen ?, das ungelerte oder enthusiastische Missionarien geglaubt, und französische Deisten, zum Nachteile Mosis, und zum Umsturze der Religion, verbreitet haben !...Das sicherste ist, zu glauben, dass es gar keine Geschichte von Sina aus der VorWelt gebe… Die ersten Kaiser von jeder Familie waren gemeiniglich brave GrossWessire ; und die letzten waren, wie natürlich, Weichlinge, an deren statt Bonzen, Verschnittene, oder Weiber, regirten… China ist zwar das grösste Reich der Erde, aber auch, da ihm Klima, Sitten, Religion, Schrift, und unmenschlicher Despotism, den Gebrauch seiner ungeheuren Kräfte, die es doch wirklich besitzt, verweren – zugleich, bei allem äussern Anschein von Cultur, das dümmste Reich von Asien, wie von Europa.
Er schreibt über das Shu jing : Dieses Buch ist alt und heilig : alle seine Charactere haben die Sineser msorethisch gezält. Es gehet bis auf den Pingwang (und also bis auf Roms Jarhundert, ist folgich doch kein Mose), und war anfänglich nur stückweise vorhanden, wie Homer und wie der Koran : erst Konfuzee um das J. 484 machte ein Buch daraus. A. 213 vernichtete es der grosse Bücher-Brand : 37 J. nachher stellte es ein 90järiger Greis aus dem Gedächtnisse wieder her ; und noch 36 J. später fand man den alten Text, aber sehr unleserlich, in einer Mauer. Seit der Zeit gibt es unglücklicher Weise zwei Schukings [Shu jing], die von einander ganz verschieden sind. So ein Buch, das auf seiner Reise durch die Zeit so viele Fährlichkeiten ausgestanden, ich will nicht sagen für göttlich und heilig, sondern nur für eine historische Urkunde, zu halten : muss man da nicht ein Sineser seyn ?
Semler schreibt : … dass es eben so häufige und gewaltsame Veränderungen und gottlose Ränke in dieser Geschichte gibt, als bey andern Völkern, und dass man also die so gerümte Politik und Moral der Chineser nicht in die alten Zeiten setzen, oder viel mehr davon behaupten kan, als bey andern Regierungen… Die vielen Zerrüttungen haben es wol auch gehindert, das die Chinesen so wenig Verbindung mit fremden Völkern gehabt haben.
Andreas Pigulla : Baumgarten und die anderen Herausgeber belassen es nicht bei der reinen Übersetzung. Mit umfangreichen Vorworten, ausführlichen Anmerkungen und Hinzufügungen versuchen sie ihre Vorstellungen von Geschichtswissenschaft zu vermitteln und die Chinadarstellungen auf den neuesten Stand zu bringen. Schlözer weist Mythologien für die historische Darstellung zurück und grenzt sich von der chinesischen Geschichtsschreibung vor Sima Qian ab. Gatterer konzentriert sich bei Analyse des Chinabildes auf seine erste Universalgeschichte, da sich hier die ausführlichsten Chinabeschreibungen befinden… Gatterer nimmt an, dass die 'Chineser eines der ersten Völker gewesen seyn, die sich in den ersten Jahrhunderten nach der Sündflut gebildet haben'.
Lee Eun-jeung : Gatterer beginnt mit der chinesischen Geschichte mit Noah, der sich nach der Sündflut in China angesiedelt habe. Man nenne ihn in China Fo-hi, also den ersten Kaiser in der chinesischen Geschichtsschreibung ; deshalb könne die chinesische Geschichte nicht mehr als 6000 Jahr alt sein. Man wisse nicht, 'ob die Chineser ihre Fabeln selbst ausgedacht haben, oder ob sie durch Ausländer zu ihnen gebracht worden sind. So viel ist gewiss, dass sie erst in neuern Zeiten entstanden sind, da kein altes Buch, als wie z.E. das Schu-king [Shu jing] ist, ihrer Erwähnung thut'… Für Gatterer ist Konfuzius der Gesetzgeber für die Chinesen, so wie es Moses für die Hebräer oder Zoroaster für die Perser war. Er schreibt zwar, Konfuzius sei ein chinesischer Socrates, dennoch betrachtet er den Konfuzianismus grundsätzlich als Religion, als Sekte, nicht als Philosophie. Die Gründe für das Scheitern der Mission in China sieht er in erster Linie in der Uneinigkeit der Missionare selbst und nicht etwa im chinesischen Despotismus wie Pauw ein paar Jahre später behaupten wird. Er hat starke Zweifel an den chinafreundlichen Aussagen der Jesuiten. Darüber hinaus findet er die auf der konfuzianischen Sittenlehre beruhende chinesische Verfassung höchst mangelhaft. Der Gesetzgeber Chinas trage seiner Ansicht nach nur wenig Sorge um das Wohl der Kinder, da chinesische Eltern, die von ihren Kindern strengen Gehorsam fordern, ihnen gegenüber so unmenschlich grausam sein können, dass sie sie in grosser Anzahl aussetzen 'wo sie auf den öffentlichen Gassen entweder verschmachten müssen, oder von den Hunden gefressen werden'. Die Mentalität der Chinesen charakterisiert er als 'sanft und phlegmatisch, aber doch sehr arbeitsam und zu allem geschickt, zur Verstellung und heimlichen Rache geneigt, schamhaftig und eingezogen, mäsig und vorsichtig, im Handel und Wandel eigennützig und betrügerisch'. Man könne eine ganze Million Chineser mit 'einem kleinen geübten Kriegsheere in die Flucht schlagen'. Die Tapferkeit sei nicht ihre Sache, dennoch sei ihr Nationalstolz so unerträglich, ‚dass sie sich die Erfindung aller unter ihnen bekannten Künste und Wissenschaften zuschreiben’.
Schlözer meint, dass man im Mittelalter sowohl in Europa als auch in Asien schwer zu leiden gehabt habe. Der Unverschied bestände nur darin, dass die Menschen in Asien von unumschränkten monarchischen Despoten und in Europa von zuchtlosen aristokratischen Despoten bedroht worden seien. China befinde sich nach wie vor in der Despotie, die die Bevölkerung zu kindlichem Gehorsam verpflichte. China sei 'das dümmste Reich der Welt' und die Chinesesen seien 'Halbmenschen'. Es steht für ihn fest, dass die chinesische Herrschaft die Despotie schlechthin ist. 'Semazjen' [Sima Qian] ist für ihn der 'Vater der sinesischen Geschichte'. Seit ihmgebe es in China eine ununterbrochene Reihe der Annalen, die zwar ausführlich aber 'trocken und untreu' seien, 'weil sie kanzleimässig unter dem Einfluss des Stats geschrieben werden'. 'Die Dummköpfe schreiben seit 105 nach Chr. auf Papier und seit 1100 drucken sie sogar'.
History : China : General