Henschke, Alfred
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1903 ca. | Klabund liest das Buch Lieder aus dem Rinnstein [ID D12692]. Darin enthalten ist das Gedicht Chinesisches Vagabundenlied von Li-tai-pe [Li Bo]. Es ist seine erste Begegnung mit chinesischer Lyrik. [Nach einer wörtlichen Übersetzung von Léon Hervey de Saint-Denys. Poésies de l’époque des Thang] [ID D2216]. |
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2 | 1914 | Klabund liest das Buch Aus dem Lande der Verdammnis von Eugen von Binder-Krieglstein [ID D12631]. |
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3 | 1915 | Klabund besucht Bruno Frank, der ihm das Gedicht Pavillon aus Porzellan von Li Bo in der Nachdichtung aus Die chinesische Flöte von Hans Bethge [ID D16812] vorliest. Klabund sagt : Das ist unglaublich schön. Nur muss man’s anders übertragen. Er holt sich darauf umfangreiche Literatur über chinesische Lyrik aus der Staatsbibliothek München. | |
4 | 1915 | Bertolt Brecht befreundet sich mit Klabund und liest Dumpfe Trommeln und berauschtes Gong [ID D11994]. | |
5 | 1915 |
Klabund. Li Tai Pe : Nachdichtungen [ID D2998]. Quellen : Hervey de Saint-Denys, Léon. Poésies de l'époque des Thang [ID D2216]. Gautier, Judith. Le livre de jade [ID D12659]. Harlez, Charles Joseph de. La poésie chinoise [ID D12693]. Pfizmaier, August. Das Li-sao und die neun Gesänge [ID D4776]. Strauss, Victor von. Schi-king [ID D4648]. Forke, Alfred. Blüthen chinesischer Dichtung [ID D664]. Grube, Wilhelm. Geschichte der chinesischen Literatur [ID D798]. Heilmann, Hans. Chinesische Lyrik [ID D11976]. Hauser, Otto. Li-tai-po [ID D4640] und Die chinesische Dichtung [ID D12694]. Klabund schreibt an Walther Heinrich Unus : Mit Litaipe [Li Bo] bin ich mir noch nicht einig. Vielleicht mache ich eine grosse Ausgabe (1000 unbekannte Gedichte, direkt aus dem Chinesischen übersetzt mit einem hiesigen Chinakenner). Vielleicht. Statt dessen fertigt Klabund 40 Gedichte als Nachdichtungen an, 12 davon übernimmt er aus Dumpfe Trommeln [ID D11994]. Han Ruixin : Vergleicht man Klabunds Nachdichtungen mit den chinesischen Originaltexten, so weisen sie zumeist starke Abweichungen auf : Ersatz chinesischer Ausdrücke durch andere, Umformulierungen, Hinzufügungen, Auslassungen, Umbau. Obwohl seine Nachdichtungen nicht wörtlich mit den Originaltexten übereinstimmen, geben sie doch deren Aussagen und Sinngehalt manchmal hervorragend wieder. Andrerseits gibt es auch Nachdichtungen, die in der Aussage mit den Originaltexten nichts mehr gemein haben und ganz als Neuschöpfungen anzusehen sind. Dscheng, Fang-hsiung : Klabund hat alle deutschen Nachdichter auf dem Gebiet chinesischer Lyrik in Stil und Gehalt übertoffen. Dscheng weist nach, dass Klabund sich ausführlich mit China beschäftigt und dabei ernsthafte Kenntnisse erworben habe. Die Begeisterung für Li Tai Po liege in der wesensverwandten Gestalt begründet : Li Tai-bo, der wandelnde Poet, von Volk und Kaiser hoch geachtet, habe eine Parallele zu Klabund ; nicht von ungefähr sei Klabund eine Kombinationn aus Klabautermann und Vagabund. Heinz Grothe : Aus dieser östlichen Welt holt Klabund sich seine besten Lyrika und dichtet sie neu. So sagt man. Aber es ist nicht so. Klabund übertrug nicht nach Originalen. Er „erfand“ diese Verse und sie scheinen uns wie Blumen aus dem übbigen Garten chinesischer Dichtkunst ans Tageslicht gezaubert. Die Welt der Ahnenverehrung, die Menschen, die die Geister fürchten, die ihnen ihre Leben und Gesundheit bedrohen, lässt Klabund in seiner Art erstehen. Nichts von der Ferne und Tiefe östlichen Geheimnisses, umsomehr Romantik. Woraus wiederum zu schliessen ist, dass ein anderer Zusammenhang sein muss, als nur vom Vorbild zum Nachdichter. Klabunds eigene Traurigkeit klingt aus diesen Strophen. Herrliche Liebesgedichte, hämmernde Kriegsverse, trunkene Lieder Litaipes, Strophen von stärkster Resignation. Kuei-fen Pan-hsu : Die Vorlagen von Hervey Saint-Denys und Judith Gautier spielen vor allem eine grosse Rolle. Es zeigt sich, wenn das Original in der Vorlage falsch übersetzt worden ist, kann Klabunds Übertragung bei aller Intuition nicht den Sinn des chinesischen Gedichtes treffen… Die Veränderung dieser Gedichte ist zum Teil auch durch Klabunds Vorstellung von der chinesischen Welt bestimmt, sowie von Klabunds eigener geistiger Haltung und dem zeitgenössischen Geschmack. Wolfgang Bauer : Nur Hans Bethge und Klabund bietet die Berührung mit dem Chinesischen gerade den notwendigen Halt für die Entfaltung ihres Talents, das durch ein allzu grosses Mehr an Information wohl erstickt worden wäre. Ihre zahlreichen Nachdichtungen… können zweifellos als eigenständige Kunstleistungen betrachtet werden. Helwig Schmidt-Glintzer : Die starke Betonung der Trunkenheit, die Klabund in Lai Taibais Trinkliedern gesehen hat, ist nichts Fremdes. Sie wurzelt in dem dionysischen Kult der Philosophie Nietzsches, die wiederum auf die indische Philosophie zurückzuführen ist. Sie hat jedoch auch in der chinesischen Tradition eigenständige, vergleichbare Wurzeln in der Rausch- und Drogendichtung vergangener Jahrhunderte. |
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6 | 1917 |
Kuei-fen Pan-Hsu : Klabund veröffentlicht einen offenen Brief an Kaiser Wilhelm II., in dem er den Kaiser auffordert, dem Wunsch des Volkes entsprechend baldigst seinen Willen zum Frieden zu bekunden. In : NZZ ; 3.6.1917 Die seit der Beschäftigung Klabunds mit der chinesischen Kriegslyrik langsam eintretende Veränderung in der Einstellung zum Krieg ist in diesem Brief deutlich abzulesen. In diesem Brief basiert der Friede nach der Vorstellung Klabunds nicht auf der Regierungsform, sondern einzig und allein auf der Menschlichkeit, die er durch die chinesische Kiregslyrik kennengelernt hat. |
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7 | 1918 |
Klabund. Irene oder die Gesinnung : ein Gesang [ID D12696]. Anton Zink geht auf die Lehre von Laozi und Zhuangzi ein. Die eigentliche Erlösungshoffnung in diesem Gesang sei an die Güte des Geistes geknüpft. Die Güte sei immer, so interpretiere Klabund, dem Gewalthaften gegenübergestellt worden. Dabei muss betont werden, dass die erstere niemals als Kraftloses, Schwächliches verstanden werden darf, sondern im Gegenteil als die Stärkere angesehen werden muss. Es ist dies die Lehre der chinesischen Weisheit in ihrer taoistischen Ausprägung. Klabund übernimmt das Gedankengut des Ostens voll und ganz in das abendländische Denken… Dabei treten die Ausformungen des Persischen, Indischen, Japanischen usw. gegenüber der Lehre Chinas und hier vor allem der des Laotse [Laozi] vom Tao, weit in den Hintergrund… Dort wo er speziell von der chinesischen Welt spricht… hat er nicht so sehr die konfuzianische Richtung im Auge. Es gehe Klabund weniger um die Darlegung eines abstrakten geistigen Gebäudes, sondern um einen Aufruf an die Menschen dieser zerrissenen Zeit zu gütig - gewaltlosem – verhaltenem Dasein. |
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8 | 1918 |
Klabund beginnt sich für die chinesische Philosophie zu interessieren. Seine hohe Einschätzung der taoistischen Philosophie zeigt sich nach dem Tod seiner ersten Frau in einem Brief an Walther Heinrich Unus : … die Vernunft beweist. Das Herz lässt sich von ihr nicht weisen, wenn der Weise eine Waise geworden ist. Spricht (nicht so, aber in ähnlichem Sinne) der Tao. Wäre ich nicht ein Jünger des Tao (der einzigen Philosophie, die dem Menschen dieser Zeit etwas zu sagen hätte : denn es ist eine lebendige Philosophie, eine Philosophie, die gelebt werden muss und nach der gestorben werden muss), ich wäre längst verzweifelt. Wüsste ich nicht, dass die Seele Stern und Sonne ist, nicht dass sie bloss Objekte der Augen sind, wüsste ich nicht, dass die Einzelseele so gut unsterblich wie die Gesamtseele (das Urtao), so hätte ich mir längst eine Kugel in den Kopf gejagt. Kuei-fen Pan-hsu : Der Taoismus hilft Klabund vor allem bei der Überwindung der Isolation in der persönlichen Lebenskrise und wird so zu einem neuen Stützpfeiler in seiner nach dem Krieg gewandelten Weltanschauung. |
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9 | 1918 |
Klabund. Bracke [ID D12697]. Luo Wei : Trotz dem Enthusiasmus für den Taoismus versäumt Klabund nicht, sich auch vom Konfuzianismus inspirieren zu lassen. In seinem Roman Bracke vollzieht er eine literarische Darstellung der gedanklichen Anregungen, die er aus dem konfuzianischen Lun yu gewann. Hier mahnt er „Rechte Form“ (li) und Menschlichkeit (ren) an, die Kernbegriffe der konfuzianischen Lehre. Kuei-fen Pan-hsu : Klabund macht Bracke zur Symbolfigur des neuen Menschen und schliesst damit an den Grundgedanken des Expressionismus an… Klabund nähert sich der daoistischen Weltanschauung der Kreislauflehre, in der das Dao Allseiendes und Nichtseiendes umfasst. |
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10 | 1919 |
Klabund. Dreiklang : ein Gedichtwerk. (Berlin : Reiss, 1919). Quellen : Windischmann, Carl Joseph H. Die Philosophie im Fortgang der Weltschichte [ID D17338]. Darin erwähnt wird Le livre des récompenses von Abel-Rémusat [ID D1937] mit teilweiser Übersetzung. Dao de jing von Laozi in den Übersetzungen von Viktor von Strauss [ID D4587] und Richard Wilhelm [ID D4445]. Klabund schreibt : I-hi-wei : Dies ist die heilige Dreieinigkeit : Gottvater, Sohn und heiliger Geist. Drei auch sind der Göttermenschen, der Menschengötter, der Menschen, welche Gott geworden sind : Der Inder Buddha, Der Jude Christus ; Der Chinese Laotse [Laozi]. Laotse aber ist der erste unter ihnen. In Laotse sah er zum ersten Mal : Sich. Ich rufe ihn mit seinem Namen - Ich singe ihn mit seinem Dreiklang - Dass er mich höre und erhöre - Sinn meiner Seele, Seele meines Lebens. Kuei-fen Pan-Hsu : Dreiklang ist das Ergebnis von Klabunds Auseinandersetzung mit dem Dao de jing von Laozi. Der Begriff „Dreiklang“ kommt durch ein Missverständnis Klabunds von I-hi-wei aus dem Dao de jing. Richard Wilhelm hat die drei Wörter yi, xi, wei im 14. Spruch übertragen als gleich, fein, klein. Strauss stützt sich auf Abel-Rémusat. Klabund sieht in den sogenannten musikalischen Klängen die wichtigste Grundlage des Daoismus. Auf die Verbindung von yi, xi, wei und Jehowa (nach Abel-Rémusat) hat er in seiner Übertragung des Dao de jing um der Authenzität eines philosophischen Werkes willen verzichtet. In Dreiklang, das er als eigenes Werk beansprucht, macht er davon Gebrauch… Klabunds Verständnis von yi, xi und wie ist weit von dem des chinesischen Originals entfernt… Mit Dreiklang stellt Klabund nicht nur die Verbindung zwischen den östlichen Lehren und dem Christentum her, er koordiniert auch die theologischen und kosmologischen Elemente zu einer harmonischen Einheit mit dem Menschendasein… Im Zusammenhang mit dem Dreiklang führt er auch den Begriff Tai-kie [Taiji] ein. Er erklärt, Tai-kie sei das Geheimnis aller Dinge und stellt es dem Ja-nein gleich. Das Ja-nein bedeutet für ihn etwas, das alles umfasst, auf alles wirkt. |
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11 | 1919 | Hermann Hesse schreibt in der Neuen Zürcher Zeitung : Die Weisheit, die uns nottut, steht bei Lao Tse [Laozi], und sie ins Europäische zu übersetzen, ist die einzige geistige Aufgabe, die wir zur Zeit haben. Darauf schreibt ihm Klabund, der eben seine Übersetzung des Dao de jing abgeschlossen hat [ID D11984] : Ich brauche Ihnen kaum zu sagen, dass ich das Tao te king für das politische Buch halte, das der Welt augenblicklich am meisten not täte : als Erlebnis und Verwirklichung. | |
12 | 1919 |
Klabund. Tao : eine Auswahl aus den Sprüchen des Lao Tse [ID D12698]. Gerwig Epkes : Klabund beginnt Auszüge aus dem Dao de jing nachzudichten. Er sucht diejenigen heraus, welche seiner Meinung nach die falschen Ziele der Gesellschaft zum Inhalt haben, sowie die Kritik am Krieg, die Lebenssituation der Schwachen und Weisen, das Übersinnliche, das Mütterliche und die Unsterblichkeit. Diese Themen sind für Klabunds Leben selbst bestimmend. Es ist deutlich geworden, dass in den Gestalten, Gleichnissen, Gedichten und Nachdichtungen eine narzisstische Persönlichkeit spricht, und dass China selbst ein Identifikationsobjekt zur Stabilisierung des Ichs für Klabund ist. Es ist auch deutlich geworden, dass Klabund China idealisiert und in der daoistischen Philosophie Hilfe für sein Leben gefunden zu haben glaubt. |
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13 | 1919 |
Klabund. Hör es, Deutscher ! In : Der Revolutionär ; Bd. 1 (1919). Er schreibt : Sieh nur nach innen ! Schiele nicht nach aussen ! (Dies würde auch dem heiligen Geist des Tao widersprechen, nach dem du künftig leben und sinnen sollst : denn Du wirst der Chinese Europas werden)... Wichtiger als alle politischen und sozialen Revolutionen ist die Revolution des Herzens. Erstere weisen auf Wege. Diese zum Ziel. Vielleicht, dass Du, Deutscher, dennoch als endgültiger Sieger hervorgehst : wenn Du zur letzten Einsicht kommst. Der Herzhaftere wird der endliche Sieger sein. Das zarte Herz überwindet die härteste Herrschaft. |
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14 | 1920 |
Klabund contra Pfemfert. In : Der Revolutionär ; 1.3.1920. Klabund schreibt : Es liegt mir fern, mich dem Proletariat in einer gloriosen Apotheose als Märtyrer des proletarischen Gedanken vorzuführen : das war ich nicht. Wenn ich gelitten habe, so habe ich für mich persönlich gelitten. Ich bin, wie Sie wissen, Taoist, und mich trennt eine Welt vom Gedanken des Klassenkampfes, des Terrors und der Diktatur. Ich glaube auch nicht an eine sozialistische Welt, sondern nur an eine sozialistische Wirtschaftsanschauung. Wenn auch meine ganz Sympathie den revolutionären Arbeitern gehört, so bin ich doch Revolutionär der Seele oder glaube es wenigstens zu sein. |
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15 | 1920-1924 |
Klabund. Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Bd. 1-6. (Wien : Phaidon, 1930). Bd. 6 : „Östliche Gleichnisse“ : enthält die Erzählungen Der letzte Kaiser : Erzählung. Mit Zeichnungen von Erich Büttner. (Berlin : F. Heyder, 1923). (Wandersmann-Bücherei ; 30) ; Das Totenfest (1922 in Spuk) ; Die zwei Reiche (1920) ; Gleichnisse (1924). Kuei-fen Pan-hsu : Diese Werke scheinen nicht auf bestimmten Vorlagen zu beruhen ; zwar tragen sie Züge chinesischer Gedankenwelt und weisen Bezüge zu chinesischen historischen Ereignissen auf, doch sind ihre Handlungen Klabunds eigene Schöpfungen. Klabund verwendet taoistische Ideen für seine Gleichnisse, verfolgt jedoch seine eigenen Intentionen. |
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16 | 1921 |
Klabund. Laotse. Mensch, werde wesentlich. [ID D11984]. Er schreibt im Nachwort : Der östliche Mensch ist der Weise, der Helle, der Heilige, der Wesentliche. Zu werden wie er, zu sein wie er : ruft er uns zu ; denn wir sind müde des funktionellen, des mechanischen, des rationellen Da-seines und Dort-denkens. Der Relativismen des Wissens und der Wissenschaft. Der unfruchtbaren Dialektik. Des geistigen Krieges aller gegen alle. Die Sehnsuch nach einem wahren Frieden der Seele, dem absoluten Sinn in sich und an sich ist deine tiefste Sehnscuht, Mensch ! Kuei-fen Pan-hsu : Klabund überträgt 29 von den 81 Sprüchen des Tao de jing. Er hält die ursprüngliche Reihenfolge nicht ein, sondern ordnet sie nach eigenen Intentionen, die besonders den politischen und ethnischen Bereich in den Vordergrund stellen. Für das chinesische Wort „Dao“ verwendet er durchgegend den Begriff „Sinn“. Den Begriff „De“ überträgt der mit „Sein“. „Sein“ bedeutet für ihn ein vom Dao bzw. vom Sinn erfülltes Leben. Die Begriffe scheint er von Richard Wilhelm übernommen zu haben. Wichtig ist der Untertitel nach Silesius : Klabund sieht Laozi mit dem deutschen Mystiker verwandt. Die daoistische naturphilosophische Anschauung wird mit der Innenschau von Silesius gleichgesetzt, nämlich in der Sich-Versenkung die Grenzen zwischen dem Ich und dem Göttlichen zu überwinden – im Fall des Daoismus, in dem nichtseienden und doch alles umfassenden Dao aufzugehen… Klabund hält sich an die Bedeutung des Originaltextes, ändert oder ergänzt aber Wörter, Sätze, um so einen besseren Klang zu erzielen. Dadurch entsteht an einigen Stellen eine Abweichung der ursprünglichen Bedeutung… |
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17 | 1921 |
Klabund. Das Blumenschiff [ID D12523]. Han Ruixin : Die Kraft, die Klabund aus der taoistischen Lehre schöpfte, ermöglichte ihm auch die weitere Beschäftigung mit der chinesischen Lyrik. Zum Andenken an seine Frau schreibt er die Nachdichtungs-Anthologie Das Blumenschiff mit 54 Gedichten. Darin enthalten sind : Li Bo, Du fu, Bai Juyi, Wang Changling, Zhu Qingyu, Zhang Jiuling, Zhang Ji und Zhu Qingyu. Sowie Gedichte aus dem Shi jing und Dichter aus einer anderen Epoche wie Kaiser Wu Di, Mei Sheng, Zhuo Wenjun, Pan Jieyu, Wang Sengru, Su Dongpo, Ding Dunling, Li Hongzhang, Cao Zhi. Bei einigen Gedichten ist keine chinesische Herkunft feststellbar. Kuei-fen Pan-hsu : Klabunds Gedichte im Blumenschiff zeigen Schönheit in den Bildern, in der Form und im Klang. Dennoch verlassen sie durch seine Ergänzungen ihren Standort im chinesischen Kulturraum und verlieren den ursprünglichen Aussagewert. Der Band enthält schöne „chinesische“ Gedichte, von denen manche durch die hervorgehobenen Bilder und den Rhythmus die Originale wiedergeben können. Viele weichen aber von den Originalen ab, da schon in den Vorlagen Zitate und Anspielungen weggelassen wurden. Sie tendieren zur Ästhetisierung und erscheinen manchmal durch Klabunds Phantasie vollkommen anders. Dennoch bewirken diese Gedichte, dass das Interesse des Lesers an chinesischer Literatur durch Klabunds Werke angeregt wird ; zugleich aber führen sie dazu, dass Missverständnisse und Vorurteile über chinesische Literatur und Kultur beim Leser entstehen. |
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18 | 1921 |
Wang-siang. Das Buch der irdischen Mühe und des himmlischen Lohnes. Übertragen von Klabund. [ID D12680]. Quelle : Abel-Rémusat Le livre des récompenses et des peines [ID D1937]. Einfluss hatten auch Laozi, Liezi und Zhuangzi. Kuei-fen Pan-hsu : Das Interesse an chinesischer Philosophie führt Klabund auch zur chinesischen Volksreligion. Es sind ethische Gebote und Verbote, denen gefolgt werden soll. Eine Verletzung bringt dem Menschen Unheil. |
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19 | 1921 |
Klabund. Franziskus [ID D12691] Kuei-fen Pan-hsu : In diesem Roman vermischt Klabund christliche, buddhistische und daoistische Elemente… Ferner übernimmt er den sogenannten chinesischen Alleinheitsgedanken… In der Bezeichnung des chinesischen Denkens mit der vereinfachten Formel „Einheit von Mensch und Natur“ kommt die Sehnsucht, sowohl im Westen als auch im Osten zum Ausdruck. |
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20 | 1922 |
Klabund. Kunterbuntergang des Abendlandes : Grotesken. [ID D12524]. Er schreibt : Man soll nicht nach Asien schielen, denn dies würde dem heiligen Geist des Tao widersprechen, nach dem Du künftig leben und sinnen sollst, denn Du wirst der Chinese Europas werden. |
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21 | 1922 |
Klabund. China : Laotse und das magische Denken [ID D12628]. Er schreibt : China wird von dem Gegensatz Kongfutse [Konfuzius] – "ordnende Vernunft" und Laotse [Laozi] – "sinnende Seele" im Gleichgewicht erhalten. Kongfutse (551 bis 479 v.Chr.) ist der Moralist, der praktische Politiker, dem China sein patriarchalisches Staats- und Familienleben verdankt. (Man muß abwarten, wie weit die von einigen in Amerika groß gewordenen chinesischen Intellektuellen angestiftete, gänzlich unchinesische Revolution von 1905 dauernden Erfolg zeigt.) Laotse ist der Mystiker, in sich selbst Versunkene, der nur ein sittliches Beispiel geben will, jeder aktivistischen zwangsmäßigen Verwirklichung ethischer Postulate aber aus dem Wege geht. Er ist der erste, der der stark pazifistischen Neigung der Chinesen Ausdruck gibt. "Wer in Weisheit dem Herren der Welt hilft, unterjocht nicht mit Waffen die Welt. Die Welt könnte ihre Waffen gegen ihn wenden." Laotse wurde 604 v.Chr. geboren. Er verwaltete das Reichsarchiv der Dynastie Choú und schrieb den Taoteking [Dao de jing]. Dessen Sinn: der Mensch soll nicht nach außen, sondern nach innen leben. Wenngleich das Klimatische bei der Entstehung des taoistischen Menschen eine Rolle gespielt haben mag, so scheint mir der Trennungsstrich zwischen östlichen und westlichen Menschen quer durch die Seele der Menschheit zu gehen, die nur durch das himmlische Gesetz der Waage, der Polaritäten, des Gegensatzes zwischen Tag und Nacht, Tod und Leben, Gott und Teufel, Mann und Weib, Gut und Böse sich in der Schwebe hält. Der Typ des östlichen und des westlichen Menschen, man kann ihn auch den Menschen des (Sonnen-) Aufgangs und des (Sonnen-) Untergangs bezeichnen, ereignet sich überall: in allen Zeiten und Völkern und Klimaten. Der faustische und der apollinische, der sentimentalische und der naive Mensch sind parallele Polaritäten. Das östliche Denken, wie Laotse es denkt, ist ein mythisches, ein magisches Denken, ein Denken an sich. Das westliche Denken ist ein rationalistisches, empiristisches Denken, ein Denken um sich, ein Denken zum Zweck. Der östliche Mensch beruht in sich und hat seinen Sinn nur in sich. Seine Welt ist eine Innenwelt. Der westliche Mensch ist 'außer sich'. Seine Welt ist die Außenwelt. Der östliche Mensch schafft die Welt, der westliche definiert sie. Der westliche ist der Wissenschaftler, der östliche der Weise, der Helle, der Heilige, der Wesentliche, der 'sein Geschmeide unter einem ärmlichen Gewande verborgen trägt'. Die großen chinesischen Dichter sind sämtlich von Laotse beeinflußt, der in seinen Sprüchen einer der großen Dichterphilosophen ist wie Plato oder Nietzsche. Seine Schüler Liä-dsi und Dschuang-dsi haben die Kunst des Gleichnisses, die die Kunst ist, gleichzeitig und gleichräumlich mit den gleichen Worten zu den Menschen vieler Ebenen zu sprechen, auf das höchste entwickelt. Das wahre Buch vom quellenden Urgrund trägt den Namen des Liä-dsi, Das wahre Buch vom südlichen Blütenland den des Dschuang-dsi. Viele dieser Gleichnisse gehören zu dem Schönsten und Tiefsten, was in menschlicher Sprache gedacht und gesagt wurde. Man lese, man träume den 'Schmetterlingstraum' des Dschuang-dsi: "Einst träumte Dschuang-dschu, daß er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang-dschu. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang-dschu. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang-dschu geträumt hat, daß er Dschuang-dschu sei, obwohl doch zwischen Dschuang-dschu und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge." Die chinesische Literatur ist so umfangreich wie die Ausdehnung des chinesischen Reiches. Das älteste Literaturdokument ist eine Inschrift des Kaisers Yao von etwa 2400 v. Chr., die das Sintflutmotiv anschlägt. Schon damals zeigte die chinesische Literatur einen festen Umriß, der auf eine jahrtausendalte Tradition zurückweist. Im 18. Jahrhundert plante ein Kaiser die Drucklegung einer Auswahl der klassischen Literatur. Diese Auswahl war auf 163 000 Bände berechnet, von denen bis 1818 ungefähr 80 000 erschienen. Wir kennen nur einen geringen Bruchteil dieser Literatur. Vermutlich stehen dem Europäer noch große Entdeckungen darin bevor, vielleicht nicht unwichtiger als die Entdeckung Amerikas. Man denke, daß sich in der Münchener Staatsbibliothek eine Sammlung von etwa 10 000 chinesischen Büchern befindet, die noch nicht einmal katalogisiert ist. Die chinesische Sprache besteht aus lauter einsilbigen Worten, die kurz und prägnant ohne Bindung aneinandergereiht werden. Die Substantiva werden nicht dekliniert, die Verba nicht konjugiert. Mond steht Berg. Glanz über Wald. Ferne Flöte. Helle Seide. Mädchen tanzt. Dies (etwa) ist die Fiktion eines chinesischen Gedichts. Nur: daß der Reim fehlt. Die chinesischen Gedichte reimen sich. Der Vokal, je nachdem er getönt ist, gibt dem chinesischen Wort den Sinn. Ein Wort kann zwanzigfach gedeutet werden. Wird es geschrieben, entfaltet es sich wie eine Blüte noch reicher. Es gibt kein Alphabet. Die Schrift ist eine Sinogrammschrift. Die Schriftzeichen zaubern ohne klangliche Überleitung im chinesischen Bewußtsein farbige Begriffe hervor: Man sieht ein Zeichen – und denkt: Trauer, Armut, Helligkeit. Man setzt Zeichen zusammen. Spielerisch.Baut Mosaik: Auge...Wasser, gleich Träne. Unendliche Möglichkeiten für den Dichter, der sein Gedicht zugleich denkt, malt, formt und singt. Alle Gedichte werden auch gesungen. Nach durch Tradition vorgeschriebenen Melodien. Für den Chinesen ist nur der lyrische Dichter der wahre Dichter. Roman, Novelle und Drama gehören wohl zur Literatur, aber nicht zur Dichtung. Deshalb verzichtet auch der Schriftsteller von Romanen und Dramen meistens auf seine Signatur und bleibt anonym. Die Redaktion der alten chinesischen Volksliedersammlung des Schi-king [Shi jing] (500 v.Chr.) stammt von Kongfutse, der auch der Dichter eines herrlichen „Epitaph auf einen Krieger“ ist. Die bedeutendsten Vorläufer der klassischen chinesischen Epoche sind Kiü-yüan (Qu Yuan] (300 n.Chr.) und Mei-scheng [Mei Sheng] (140 n.Chr.). Die Blütezeit der Dichtung fällt in die Dynastie Thang (618 bis 907), welche Litaipe [Li Bo], vielleicht den größten Lyriker aller Zeiten und Völker, hervorgebracht hat. Litaipe lebte von 702 bis 763 n.Chr. Als ewig trunkener, ewig heiliger Wanderer wandert er durch die chinesische Welt. Kunstsinnige Herrscher beriefen den erlauchten Vagabunden an ihren Hof, und oft genug erniedrigte und erhöhte sich der Kaiser zum Sekretär des Dichters, wenn Litaipe nach einem Zechgelage ihm seine Verse im Morgengrauen in den Pinsel diktierte. Der Kaiser, der den Dichter und Menschen brüderlich liebte, machte ihn zum kaiserlichen Beamten, setzte ihm eine Rente aus und gab ihm als Zeichen seiner Gnade ein kaiserliches Prunkgewand zum Geschenk – für einen Chinesen die höchste Ehrung. Litaipe schleifte das kaiserliche Gewand durch alle Gassen der Provinz und ließ sich an Abenden voll Trunkenheit als Kaiser huldigen. Oder er hielt, in des Kaisers Kleidern, rebellische Ansprachen an die Trinkkumpane und das herbeigelaufene Volk. Er starb im Rausch, indem er bei einer nächtlichen Bootsfahrt aus dem Kahne fiel. Die Legende läßt ihn von einem Delphin erretten, der ihn, während in den Lüften engelhafte Geister ihn betreuen, auf Meer hinaus und in die Weiten der Unsterblichkeit entführt. Sein Volk vergöttert ihn und errichtete ihm einen Tempel; der kunstreichste der chinesischen Lyriker wurde auch der volkstümlichste. Neben Litaipe ist der elegische Thu-fu [Du Fu] (714 bis 764 n.Chr.) zu nennen. Pe-Kiü-ys [Bo Juyi] (772 bis 846 n.Chr.) tausend Gedichte ließ Kaiser Sien tsung [Xianzong] auf Steine gravieren und die Steine auf einem heiligen Hügel aufstellen. Su-tung-po [Su Shi] (1036 bis 1101 n.Chr.) ist der bekannteste unter den späteren Lyrikern. Ende des 19. Jahrhunderts erwarb sich der bedeutende Staatsmann Li-hung-tschang [Li Hongzhang] auch als Lyriker einen Namen. Im chinesischen Drama spielen Helden, Heldenjungfrauen, Zauberer, Dämonen ihre Rolle. Je weniger der Chinese selber ein Held ist und sein will, um so lieber sieht er ihn sich auf der Bühne an. Das chinesische Theater findet im Freien oder in einem Tempelhof statt und ist ganz auf Improvisation gestellt. Es gibt keine Dekorationen. Die Kostüme sind reich und prunkvoll. Der Schauspieler zieht sich auf offener Bühne um und an. Die Szenerie wird symbolisch angedeutet. Eine Schale mit Wasser bedeutet einen Wolkenbruch. Eine kleine Flamme einen Weltbrand. Musik von Gong, Geige und Flöte begleitet die Handlung, die durch keinen Applaus unterbrochen wird. Schweigend stehen die Chinesen an Bäumen oder sitzen auf mitgebrachten Stühlen. Übrigens sind die bürgerlichen Lustspiele oft von Damen der halben Welt geschrieben, die eine ganze Welt aus ihrem Herzen heraufbeschwören. Die Prosa zeigt als Haupthelden der Handlung fast immer die gleichen Typen: einen Studenten, der die Tochter eines Mandarinen liebt. Darum rankt sich ein ganzer Rattenkönig von Intrigen, oft über viele hundert Bände ausgesponnen. Der Autor weiß im dritten Band schon nicht mehr, was er im ersten geschrieben, und im zwanzigsten sind die Helden des ersten sämtlich verstorben und haben andern Platz gemacht. Aber es ist, wie beim Theater, nur ein Kostümwechsel. Entzückend sind die chinesischen Märchen, kleineren Novellen, die Geister und Gespenstergeschichten. |
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22 | 1922 |
Klabund. Spuk [ID D12648] Kuei-fen Pan-hsu : Für Klabund liegt das Heil im Innern des Menschen. Der Mensch soll sich in sich zurückziehen und in sich selbst suchen, was ihm fehlt, so kommt er erst zu sich selbst. Die Liebe wird als die vereinigende Kraft dargestellt, die die einzelne Seele mit dem Sinn verbindet… Insgesamt verwendet Klabund seine Kenntnis des Dao – des Sinnes - aus seiner Übertragung des Dao de jing. Er versteht unter dem „Sinn“ die Verinnerlichung der Weltseele… Zu den christlichen Elementen treten fernöstliche Elemente hinzu, z.B. die andere Gottesvorstellung – Gott wird zum „Sinn“, zum „Dao“ ; die Erkenntnis – ein buddhistisches Element, spielt eine wichtige Rolle, sie führt zum Sinn, zum Dao ; der Weg nach innen kann als ein weiteres asiatisches Element angesehen werden : der christliche Gedanke, dass der Mensch nur durch Gottesgnade erlöst wird, wird verändert, indem der Mensch durch die Erkenntnis zum Sinn kommt und erlöst wird. Han Ruixin : Klabund widmet das Kapitel „Vom Sinn“ Laozis Lehre, in Anlehnung an Richard Wilhelms Übersetzung des Dao mit Sinn. Im Kapitel „Boxkampf“ hat es taoistische Gedanken ; dass das Schwache das Starke überwindet, indem er einen scheinbar schwachen Chinesen gegen einen Europäer siegen lässt. |
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23 | 1925 | Bertolt Brecht sieht die Aufführung Der Kreidekreis von Klabund [ID D12520] und sagt : Das ist eine echte Offenbarung. |
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24 | 1925 |
Klabund. Der Kreidekreis [ID D12520]. Uraufführung im Stadttheater Meissen, dann in Frankfurt. Quellen : Julien, Stanislas. Hoei-lan-ki [ID D4646] ; Fonsecas, Wollheim da. Der Kreidekreis [ID D12699] ; Wilhelm Grube bespricht das Stück in Geschichte der chinesischen Literatur [ID D798] und macht auszugsweise Übersetzungen ins Deutsche. Klabund schreibt : Es ist drei Jahre her, dass eines Abends in der „Wilden Bühne“ Elisabeth Bergner auf mich zu kam : „Wir haben ein Schauspielertheater gegründet : wollen Sie ein Stück für uns, für mich schreiben?... Kennen Sie den Kreidekreis?“. Natürlich kannte ich (alter Chinese) den Kreidekreis : In der (ausgezeichneten) Übersetzung Stanislav Juliens, in der (weniger guten) Reclamschen Ausgabe (Fonsecas). Dass die Figur der Haitang eine Rolle für Elisabeth Bergner ergeben könnte wie kaum eine zweite, leuchtete mir blitzartig ein. Es galt, ein chinesisches Märchenspiel zu ersinnen. Keine strenge Chinoiserie. Es sollte sein, wie wenn jemand von China träumt. Dscheng Fang-hsiung : Max Reinhardt macht die Inszenierung. Klabund habe zwar die Fabel weitgehend beibehalten, ebenfalls die Spielform, jedoch einige Figuren ausgewechselt, Ortsnamen und Personen und Einzelheiten erfunden. Klabund schreibt in Die literarische Welt vom 13.11.1925 den Artikel Klabund gegen die Berliner Kritik seines Kreidekreises : Der Kreidekreis ist bereits an etwa 100 Bühnen gespielt worden. Ich habe etwa 1000 (uff) Kritiken gelesen. Vielleicht darf ich mir einmal gestatten, meine Herren Kritiker zu kritisieren – selbstverständlich mit der mir gebührenden Zurückhaltung und der mir als Chinesen innewohnenden Höflichkeit des Herzens. Sie reden soviel davon, dass wir kein Drama haben – haben wir eine Kritik ? Herbert Ihering schreibt in seiner Theaterkritik : Klabund ging zum chinesischen Drama, um abgenutzte europäische Sentiments, um Kastengegensätze, um politische Aktualitäten zu finden und noch einmal zu betonen. Der Publikumserfolg des Stückes liegt in der bourgeoisen Gefühlsüberschwemmung und in der exotischen Formgebung. Ein Literatenstück, was den Stil, ein Spiesserstück, was den Kern betrifft. Chen Chuan : Die Bearbeitung des Kreidekreis enthält zwar noch vieles Unchinesische, aber der Dichter hat uns doch die Möglichkeit aufgewiesen, ein echt chinesisches Drama bei einigen Veränderungen dem deutschen Theater zugänglich zu machen. Auch ihm ist noch nicht Vollendetes gelungen, auch bei ihm vermischen sich noch deutlich chinesische Elemente mit europäischen, auch bei ihm überschneiden sich noch chinesische Weltanschauung mit europäischem Lebensgefühl. Ma Jia : Auf der Realitätsflucht macht Klabund seine geistige Pilgerfahrt zu Lao Zi [Laozi] in dem Glauben, mit dessen Lehre der Dekandenz der westlichen Kultur entgegenwirken zu können. Für den "Revolutionär der Seele" ist China, ähnlich wie für [Hermann] Hesse, in erster Linie eine geistige Gegenwelt. Der gesellschaftlichen Situation Chinas und der sozialen Wirkung der daoistischen Lehre schenkt er wenig Beachtung. Begeistert entdeckt er in der daoistischen Weisheit ein Heilrezept für die erkrankte Seele seiner Landsleute und hofft, durch Veränderung der Menschen eine Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Zustände herbeizuführen. Dass Klabund China von der realen gesellschaftlichen Situation löst und die daoistische Botschaft als Möglichkeit, den realen politischen, gesellschaftlichen Konflikten auszuweichen, betrachtet, zeigt sich in seinem erfolgreichen Theaterstück Der Kreidekreis. Kuei-fan Pan-hsu : Die Fabel des Originals ist bei Klabund unverändert erhalten. Doch ist sein Stück im Grunde genommen nicht chinesisch. Dabei liegt die Abweichung des Dramas von der chinesischen Welt nicht nur darin, dass sich Klabund weitgehend vom Original löst, sondern vor allem darin, dass er seine eigene Kenntnis über China entsprechend seiner Konzeption in das Stück einarbeitet… Er vermittelt chinesisches Selbstverständnis, konfuzianische Verhaltensweisen und Elemente der chinesischen Volksreligion ; er bemüht sich im Stück um eine Widerspiegelung des Lebens in China, indem er chinesische Lyrik einflicht und mit Sprichwörtern chinesische Vorstellungswelt nahebringt. Allerdings ist die von Klabund gezeichnete chinesische Welt zum grossen Teil eine Illusion, die wenig mit den tatsächlichen Gegebenheiten gemein hat… Was das Stück anziehend macht, ist die lyrische Sprache. Klabund verwendet chinesische Bilder, Vergleiche und Symbole… Die Abweichung des Stückes liegt darin, dass Klabund die Personencharaktere umgestaltet : Haitang, der Richter Bao, Herr Ma und Zhang Lin… Ein weiterer einflussreicher Faktor, der die Gestaltung des Kreidekreis bestimmt, ist der Publikumsgeschmack. Das Publikum empfindet die "Zartheit" des Stückes als den "lang erwarteten Kontrast zu den extremen Texten der neuen Autoren". Ye Fang-xian : Anders als im chinesischen Drama zeigt der Kreidekreis nicht eine menschliche Weisheit, sondern eine mystische Kraft, derer Quelle die Liebe ist. Der konkrete historische Hintergrund ist total verschwunden. Was vom chinesischen Original übrig bleibt, sind nur einzelne Szenen und das Muttermotiv. Alfred Forke hat Klabunds Abweichung vom chinesischen Original kritisiert. |
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25 | 1928 | Alfred Kerr schreibt zum Tode von Klabund : Klabund hatte kein Glück. Nur das Glück, ein Dichter zu sein ; einer, der vor sich hindichtete, vor sich hinsummte. – Was aus ihm quoll, war nicht gekrampft, nicht zeitgierig, nicht programmatisch und nicht musiklos. Klabund war ein Musizierer gewesen. |
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26 | 1929 |
Klabund. Literaturgeschichte : die deutsche und die fremde Dichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart. [ID D12629]. Er schreibt : In neuerer Zeit haben sich die Chinesen emanzipiert, aber auch vielfach nach Westen gerichtet. Sie schreiben französisch und englisch... Auch in den Ländern des fernen Ostens sind heute starke Kräfte am Werk, die das Weltbild seelisch und politisch umgestalten wollen. |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 1915 |
Klabund. Li Tai Pe : Nachdichtungen. (Leipzig : Insel-Verlag, 1915). (Insel-Bücherei ; Nr. 201). [Li Bo]. https://catalog.hathitrust.org/Record/009007722. |
Publication / Klab1 |
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2 | 1915 |
Klabund. Dumpfe Trommeln und berauschtes Gong : Nachdichtungen chinesischer Kriegslyrik. (Leipzig : Insel-Verlag, 1915). (Insel-Bücherei ; Nr. 1983). https://catalog.hathitrust.org/Record/006295884. |
Publication / Kla3 |
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3 | 1918 |
Klabund. Irene oder die Gesinnung : ein Gesang. (Berlin : Erich Reiss, 1918). https://catalog.hathitrust.org/Record/100109469. |
Publication / Klab19 |
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4 | 2007 | Klabund. Bracke : ein Eulenspiegel-Roman. (Berlin : E. Reiss, 1918). | Publication / Klab21 |
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5 | 1919 |
Klabund. Dreiklang : ein Gedichtwerk. (Berlin : Reiss, 1919). https://catalog.hathitrust.org/Record/100812822. |
Publication / Klab12 |
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6 | 1919 | Klabund. Tao : eine Auswahl aus den Sprüchen des Lao Tse. In : Vivoc voco ; (1919). [Laozi]. [Später publiziert in Laotse. Sprüche [ID D11984]. | Publication / Klab22 |
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7 | 1921 | Laotse. Sprüche : Mensch, werde wesentlich ! Deutsch von Klabund. (Berlin-Zehlendorf : Fritz Heyder, 1921). | Publication / Klab2 |
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8 | 1921 |
Klabund. Das Blumenschiff : Nachdichtungen chinesischer Lyrik. (Berlin : E. Reiss, 1921). https://catalog.hathitrust.org/Record/001783102. |
Publication / Klab7 |
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9 | 1921 |
Wang-siang. Das Buch der irdischen Mühe und des himmlischen Lohnes. Übertragen von Klabund. (Hannover : Paul Steegemann, 1921). (Die Silbergaule ; Bd. 190/110). Übersetzung von Wang, Xiang. Tai shang gan ying pian 太上感應篇 https://catalog.hathitrust.org/Record/100683600. |
Publication / Klab13 |
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10 | 1921 | Klabund. Franziskus : ein kleiner Roman. (Berlin : Erich Reiss, 1921). [Geschrieben 1916]. | Publication / Klab14 |
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11 | 1922 | Klabund. Kunterbuntergang des Abendlandes : Grotesken. (München : Roland-Verlag, 1922). | Publication / Klab8 |
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12 | 1922 | Klabund. Spuk : Roman. (Berlin : E. Reiss, 1922). | Publication / Klab11 |
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13 | 1925 | Klabund. Der Kreidekreis : Spiel in 5 Akten nach dem Chinesischen. (Berlin : Spaeth, 1925). [Li, Xingdao. Hui lan ji]. | Publication / Klab5 |
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14 | 1929 | Klabund. Chinesische Lyrik. (Wien : Phaidon-Verlag, 1929). | Publication / Klab6 |
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15 | 1929 | Klabund. Literaturgeschichte : die deutsche und die fremde Dichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Ludwig Goldscheider. (Wien : Phaidon-Verlag, 1929). Darin enthalten ein Abriss über die chinesische Literatur. | Publication / Klab10 |
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16 | 1930 |
Klabund. Gesammelte Nachdichtungen : China, Japan, Persien. (Wien : Phaidon Verlag, 1930). Chinesische Lyrik : Bidrag af: Sschi-king ; Kong-fu-tse ; Kiü-yüan ; Kaiser Wu-ti ; Weng-kiun ; Ein Mädchen aus Mo-ling ; Pang-tschi-yü ; Mei-scheng ; Ein Hie-koh-Lied ; Wang-seng-yu ; Wang-tschang-li ; Tschau-hong ; Unbekannte Dichter ; Tsüi-tao ; Tschang-tü-tsi ; Li-tai-pe ; Thu-fu ; Pe-kiü-y ; Anonymus der Sammlung Thang-schi-yie-tsai ; Thu-hing-yu ; Tschang-tsi ; Su-tung-po ; Tschan-tiu-lin ; Tin-tun-ling ; Li-hung-tschang ; Laotse) ; Der Kreiderkreis ; Die Geischa O-sen ;Das Kirschblütenfest ; Persische Lyrik (Der Feueranbeter ; Das Sinngedicht des persischen Zeltmachers. |
Publication / Klab15 |
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17 | 2007 | Klabund. China, Laotse und das magische Denken. In : Klabund. Geschichte der Weltliteratur in einer Stunde. (Leipzig : Dürr & Weber, 1922). [2. neudurchgesehene Aufl. 1923] : http://www2.digitale-schule-bayern.de/dsdaten/18/310.pdf. | Web / Klab9 |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 1990 | Pan-Hsu, Kuei-fen. Die Bedeutung der chinesischen Literatur in den Werken Klabunds : eine Untersuchung zur Entstehung der Nachdichtungen und deren Stellung im Gesamtwerk. (Frankfurt a.M. : P. Lang,, 1990). (Europäische Hochschulschriften ; Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 1179). Diss. Univ. Hamburg, 1988. | Publication / Pan2 | |
2 | 1992 | Xue, Siliang. Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzung klassischer chinesischer Lyrik ins Deutsche : ein Beitrag zur Übersetzungswissenschaft und zur Übersetzungskritik. (Heidelberg : Julius Groos, 1992). (TextconText. Beiheft ; 4). Diss. Univ. Heidelberg, 1991). [Enthält] : Diether von den Steinen, Otto Hauser, Jan Ulenbrook, Max Geilinger, Vincenz Hundhausen, Hans Bethge, Alfred Forke, Richard Dehmel, Günter Eich, Klabund. | Publication / XueS1 |
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3 | 1993 | Han, Ruixin. Die China-Rezeption bei expressionistischen Autoren. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1993). (Europäische Hochschulschriften ; Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 1421). Diss. Univ. München, 1993. | Publication / HanR1 |
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