2007
Publication
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1592 | Alessandro Valignano reist erneut nach Macao um sich der Chinamission anzunehmen. |
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2 | 1615-1618 |
Nicolas Trigault wird von Nicolo Longobardi nach Europa geschickt, um für die chinesische Mission zu sammeln. Johannes Schreck und Nicolas Trigault reisen durch Europa um für mathematische Instrumente, naturwissenschaftliche, theologische und technische Bücher und finanzielle Hilfe für China zu werben. Deutsche Fürsten und Geistliche hatten viele Uhren gespendet. |
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3 | 1655 | Ferdinand III. lässt in Augsburg eine Uhr als Geschenk für den Kaiser von China anfertigen. |
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4 | 1752 | Jean-Joseph-Marie Amiot beschreibt in einem Brief eine Automatenuhr, welche die Missionare dem chinesischen Kaiser anlässlich des 60. Geburtstags seiner Mutter übergaben. |
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5 | 1766 | Die East India Company schenkt Kaiser Qianlong ein Paar goldene Tischuhren. |
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6 | 1782 | James Cox eröffnet eine Filiale mit kostbaren Uhren und Automaten für den Export nach China in Guangzhou. |
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7 | 1883 | Theodor Fontane trifft Rudolf Lindau und kommt damit in Berührung mit Ostasien. | |
8 | 1895 |
Fontane, Theodor. Effi Briest [ID D15085]. Fontane schreibt : Entweder... war es eine unglückliche Liebe..., oder es kann auch eine glückliche gewesen sein, und der Chinese konnte es bloss nicht aushalten, dass es alles mit einemmal so wieder vorbei sein sollte. Denn die Chinesen sind doch auch Menschen, und es wird wohl alles ebenso mit ihnen sein wie mit uns. Ingrid Schuster : Fontane hat die komplexe Rolle, die der Chinese im Roman spielt, in einem Brief an Joseph Viktor Widmann selbst bezeugt : "Sie sind der erste, der auf das Spukhaus und den Chinesen hinweist ; ich begreife nicht, wie man daran vorbeisehen kann, denn erstlich ist dieser Spuk, so bilde ich mir wenigstens ein, an und für sich interessant, und zweitens, wie Sie hervorgehoben haben, steht die Sache nicht zum Spass da, sondern ist ein Drehpunkt für die ganze Geschichte." Der Leser merkt sehr bald, dass der Chinese ein äusserst schillerndes Phänomen ist. Effi wünscht ihn zur Unterhaltung herbei, dann fürchtet sie ihn als "Spuk". Innstetten spricht von ihm als einem Toten, Crampas vezeichnet ihn als ein Instrument Innstettens, mit dem dieser Effi manipulieren wolle. Fontane führt dem Leser nichte eine fiktive Wirklichkeit vor Augen, sondern er fasst die verschiedenen "Wirklichkeiten" seiner handelnden Personen in dem Chinesen zu einem Sinnbild zusammen... Auf den ersten Blick scheint das Motiv vom Chinesen nebensächlich zu sein : ein exotischer Schnörkel, der in den Plaudereien auftaucht und vielleicht etwas mysteriöse Stimmung schafft. Doch der Chinese hat für jede Person, die mit ihm in Berührung kommt, Bedeutung ; jede Äusserung über ihn gibt Aufschluss über den Sprechenden selbst. Darüber hinaus spiegelt sich in der wechselnden Einstellung der Personen zum Chinesen der Gang der Handlung. Für Effi ist er Sinnbild für junge, leidenschaftliche, unkonventionelle Liebe, die unerfüllt oder unvolkommen bleiben muss. Die Skala reicht von erwartungsvoller Aufregung bis zu Angst, von nostalgischer Erinnerung bis zum materiell ausgerichteten Kalkül, von ironischer Distanz bis zur gesellschaftlichen Ächtung. Einerseits wird das, was die Gesellschaft nicht toleriert, verschwiegen oder verschleiert. Andrerseits ermöglichen es die Gespräche über Spuk und den Chinesen, dem Gesprächspartner Dinge mitzuteilen, die unverhüllt schwer zu sagen wären. In dieser Hinsicht zeigen die Gespräche, inwieweit der Sprecher intime menschliche Kommunikation wünscht und bis zu welchem Grade er verstanden wird. Die junge ungestüme Effi ist die erste, die von einem Chinesen spricht. Und es ist bedeutsam, dass sie von ihm nicht eigentlich als von einer Person spricht, sondern von einer exotischen Konzeption, die ihre eigenen Wünsche und Hoffnungen ausdrückt...Innstetten möchte Effi den Chinesenspuk ausreden, und als das nicht geht, empfiehlt er ihr "einen adligen Spukstolz", d.h. vornehme Haltung und Verzicht auf die Realisierung ihrer erotischen Wünsche. Von nun an taucht Effis Chinese, das Sinnbild ihrer leidenschaftlichen Sehnsucht, nicht mehr auf, obwohl sie sich den "Spuk" gelegentlich mit vollem Bewusstsein zurückwünscht. Innstetten fürchtet die Lächerlichkeit einer zu zärtlichen Liebesverbindung und auch dafür ist der Chinese Sinnbild. Auch mit Major Crampas ist das Motiv des Chinesen eng verbunden. Er möchte Effis sehnsüchtig-ängstliche Vision vom Chinesen in die Wirklichkeit transponieren. Er wird Effis Hunger nach Zärtlichkeiten stillen, aber auch ihr Leben zerstören und schliesslich von Innstetten erschossen werden. In der Affäre mit Crampas ist der Chinese "missbraucht" worden ; die leidenschaftliche Liebe hat unschöne Züge erhalten, das "Aparte" ist ins Lächerliche und Unmoralische abgerutscht. Alle in das Dreiecksverhältnis Verwickelten werden zu gesellschaftlichen Aussenseitern. Wie der Chinese stellen sie Verkörperungen des "Aparten" dar, weichen von der allgemeinen Verhaltensnorm ab. Für Effi ar der Chinese "Spuk" - heimliches und unheimliches Zeichen für ihre emotionalen und sexuellen Bedürfnisse. Für Innstetten stellte er die schmerzliche Erinnerung an die Erfahrungen seiner Jugend dar. Crampas dagegen hat die Gelegenheit benützt, "unterm chinesischen Drachen" auf ein neues Liebesabenteuer auszugegen. Sie alle werden von der Gesellschaft als Bedrohung empfunden und verfolgt, denn die Haltung der Öffentlichkeit zum Chinesen ist kompromisslos. |
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9 | 1907 |
Hofmannsthal, Hugo von. Der weisse Fächer : ein Zwischenspiel [ID D12664]. Nachdichtung von France, Anatole. Histoire de la dame à l'éventail blanc [ID D12663]. Ellen Ritter : Der weisse Fächer handelt von der Problematik einer missverstandenen Treue der Ehegatten über den Tod hinaus. Die treulose Witwe von Eduard Grisebach [ID D4688]. Darin enthalten ist eine chinesische Novelle aus Jin gu qi guan. In einer Neubarbeitung erscheint die Novelle in seinem Chinesisches Novellenbuch [ID D5491]. Es ist anzunehmen, dass Hofmannsthal diese Novelle gekannt hat, obwohl bisher keine Belege dafür vorliegen. Die Handlungen weisen unverkennbare Parallelen auf. Die Analogien betreffen in erster Linie das äussere Geschehen, die Ereignisse um die Dame mit dem Fächer… Hofmannsthal macht sich die Position des chinesischen Weisen zu eigen, der die bittere Wahrheit des Lebens kennt und darüber zu lachen vermag. Das ironisch behandelte Motiv der Treue, der Gegensatz zwischen einer idealen Wunschwelt und der realen Wirklichkeit wie auch die äusseren Motive sind in der Novelle aus dem Jin gu qi guan vorgegeben. In der Intention aber unterscheidet sich Hofmannsthals Stück fundamental… Hofmannsthal übernimmt Fremdes, um es zu Eigenem zu machen, indem er seine eigene Problematik in den fremden Stoff hineinträgt und mit übernommenen Mitteln dem eigenen Thema adäquaten Ausdruck zu verleihen sucht. Im Weissen Fächer sind es die äusseren Handlungsmotive und die ironisch distanzierte Haltung, mit deren Hilfe er das Problem der Treue darstellt. Ingrid Schuster : Hofmannsthal hat im Weissen Fächer ein chinesisches Motiv verwendet, auf das Ellen Ritter erstmals hingewiesen hat. Ritter hielt es für wahrscheinlich, dass es sich bei der Quelle um Eduard Grisebachs Studie Die treulose Witwe [ID D4688] oder um sein Chinesisches Novellenbuch [ID D4591] handelt, obwohl bisher keine direkten Belege dafür vorliegen. Gegen diese Annahme spricht aber nicht nur der fehlende biographische Bezug, sondern auch der Inhalt des Weissen Fächers selbst. Seine Quelle war Anatole France. France behandelt in seinem Essay die Contes chinois [ID D15182] des Generals Tscheng Ki-tong [Chen Jitong] und die chinesische Literatur im allgemeinen. Er kommt auch auf die Contes chinois von Abel Rémusat zu sprechen, wobei er besonders La Dame du pays de Soung hervorhebt. Die Unterschiede zwischen dem chinesischen Original und Histoire de la dame à l’éventail blanc von Anatole France [ID D12663] sind erheblich. Hofmannsthal hielt sich an die französiche Vorlage, viele Details, nicht nur der Titel, weisen Übereinstimmungen auf. Vor allem entspricht die Lösung des Problems im Weissen Fächer ganz dem Geist von France. Hofmannsthal machte sich nicht „die Position des chinesischen Weisen zu eigen“, wie sie im Original geschildert wird, denn dieser wendet sich ja am Ende höhnisch von der Welt ab, sondern er akzeptierte – wie Zhuangzi in der Geschichte von France – die Wirklichkeit des Lebens mit einem toleranten Lächeln. Andererseits ironisierte er – ebenfalls wie France – den chinesischen Philosophen selbst, indem er dessen weltabgewandte Einstellung in Forunio als nicht zu realisierenden Wunschtraum entlarvt. France schreibt : La version chinoise, autant qu’il m’en souvient, est moins heureuse que la version rapportée dans le Satyricon. Elle est gâtée par des lourdeurs et des invraisemblances, poussée au tragique et défigurée par cet air grimaçant qui nous rend, en somme, toute la littérature chinoise à peu près insupportable. Mails il me reste un souvenir charmant d’un épisode qui y est intercalé, celui de l’éventail. Si madame Tian nous divertit médiocrement, la dame à l’éventail est tout à fait amusante... Je suis obligé de conter de mémoire... Ce ne sera peut-être pas tout à fait chinois... Tchouang-tsen [Zhuangzi], du pays de Soung, était un lettré qui poussait la sagesse jusqu’au détachement de toutes les choses éternelles, il en lui restait pour contenter son âme que la conscience d’échapper aux communes erreurs des hommes qui s’agitent pour acquérir d’inutiles richesses ou de vains honneurs. Mais il faut que cette satisfaction soit profonde, car il fu, après sa mort, proclamé heureux et digne d’envie. 1891 erscheinen die Contes chinois von General Tcheng Ki-tong in La vie littéraire, Bd. 3. Hofmannsthal schreibt 1891 in seinem Tagebuch über dieses Buch : Anatole France : Typische Dilettantenbildung mit der Unausgeglichenheit der herangezogenen Beispiele je nach zufälliger Vorliebe. Aus einem Brief von Hofmannsthal an Marie Herzfeld 1892 kann man entnehmen, dass er sich weiterhin mit France beschäftigt, den er 1900 persönlich aufsucht. Luo Wei : Er verwertet des taoistische Motiv des „Grab-Fächelns“ nach Zhuangzi als Probe der Liebestreue, ohne aber zu versäumen, im gleichen Jahr das Gedicht „Der Kaiser von China spricht“ im Sinne des konfuzianischen Idealismus zu gestalten. |
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10 | 1911 |
Dauthendey, Max. Die acht Gesichter am Biwasee : japanische Liebesgeschichten. (München : A. Langen, 1911). Er schreibt : Dort, wo die Chinesen wie der Sand am Meer sind, wo die gelbe Rasse die braune Rasse verdrängt, wo Ilse noch gelbere Menschen als die gelben Japaner sah... überfiel sie ein Schrecken und eine Angst vor der Zukunft. Die schlitzäugigen Menschen entsetzten sie. Die geschlitzten Augen, die hervorstehenden Backenknochen schienen ihr die Gesichter zu verkrüppeln. |
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11 | 1915 |
Döblin, Alfred. Die drei Sprünge des Wang-lun [ID D12338]. Die Quellen, denen Döblin seine Kenntnisse über die historische Person des Wang-lun und die von diesem geführte Rebellion entnimmt sind folgende Werke : Sectarianism and religious persecution in China von J.J.M. de Groot [ID D789]. The religious system of China von J.J.M. de Groot [ID D787]. Die Bewohner der Mandschurey von Johann Heinrich Plath [ID D40989]. Die Geschichte des chinesischen Reiches… von Karl Gützlaff [ID D832]. Religion und Kultus der Chinesen von Wilhelm Grube [ID D799]. Zur Pekinger Volkskunde von Wilhelm Grube [ID D797]. Geschichte der chinesischen Literatur von Wilhelm Grube [ID D798]. Laotse. Tao te king übersetzt von Richard Wilhelm [ID D4445]. Dschuang Dsi. Das wahre Buch vom südlichen Blütenland übersetzt von Richard Wilhelm [ID D4447]. Liä Dsi. Das Wahre Buch vom quellenden Urgund übersetzt von Richard Wilhelm [ID D4446]. Samuel Turner’s Gesandtschaftsreise an den Hof des Teshoo Lama… [ID D1898]. P’u T’o shan von Ernst Boerschmann [ÍD D444]. Aus China von Leopold Katscher [ID D12204]. Die Religion des Buddha von Karl Friedrich Koeppen [ID D12205]. Die Welt als Wille und Vorstellung von Arthur Schopenhauer [ID D11901]. Alfred Döblin hat Die Welt als Wille und Vorstellung sehr gut gekannt und daraus auch Hinweise auf seine Lektüre der Bücher über China für Wang-lun bekommen. Ma Jia : Döblin ist der erste, der den Stoff des in der chinesischen Geschichte im Jahre 1744 unter Wang Lun stattgefundenen Aufstandes gegen Kaiser Qianlong als literarisches Werk bearbeitet. Der Roman handelt von der religiösen Sekte des Reinen Wassers (Jin shui jiao) in Shandong, die unter Wang Lun die taoistische Botschaft des Schwachseins und Nicht-Handelns zu ihrem Lebensprinzip erklärt. Voller Hochachtung widmet er dem chinesischen 'weisen alten Mann' Liä Dsi (Liezi) seinen chinesischen Roman, predigt in dessen Sinne Rückkehr zum natürlichen Leben und entwickelt die daoistische Botschaft des Nicht-Handelns zum Hauptmotiv seines Romans. In dieser Hinsicht ist Wang-lun Produkt einer Zeit der Desorientierung in der eigenen entfremdeten Kulturwelt, ein Bekenntnis Döblins zu einer Distanzierung von der eigenen Kultur und Suche nach einer neuen Identifikationsmöglichkeit in der chinesischen Kultur… China ist bei Döblin eine zwar nicht historisch getreue, aber in sich geschlossene sozialpolitische Realität. Nicht nur die Tatsache, dass die Haupthandlung auf eine geschichtlich nachweisbare Rebellion zurückgeht, verleiht ihm einen realen Zug. Die Lehre des Nicht-Handelns bettet er in die gesellschaftliche Situation Chinas ein, die ebenso konfliktreich ist wie seine eigene. Die daoistische Botschaft verliert im Wang-lun den allgemeinen Charakter, indem sie ausschliesslich zum Lebensprinzip der Ausgestossenen und Gestrandeten wird. In der Konfrontation mit der sozialen Wirklichkeit lässt Döblin die heilige Lehre, mit der die armen Menschen die schöne Hoffnung auf einen Lebensweg verbinden, an der Intoleranz der despotischen Herrschaft scheitern. Döblin zitiert im Roman wörtlich das Gleichnis von dem Mann, der seinen Schatten fürchtet und sich zu Tode rennt von Zhuangzi. Es ist der Hauptgedanke des Wang-lun. Das Werk gehört zu den wichtigsten Ergebnissen der Beschäftigung deutscher Autoren mit der chinesischen Kultur. Seine Einzigartigkeit besteht nicht nur darin, dass ihm, im Unterschied zu den in jener Zeit zahlreich erschienenen Übersetzungen von chinesischen Geschichten, Nachdichtungen von chinesischer Lyrik oder dramatischen Umgestaltungen von chinesischen Motiven, die das Prinzip der Imitation befolgen, ein mehr schöpferisches Prinzip zugrundeliegt. Es ist Döblin - der die chinesische Sprache nicht versteht und nicht einmal in China gewesen ist - gelungen, aus seinen Leseerfahrungen eine fremde Welt in breitem Umfang zu schaffen. Die so entstandene China-Welt basiert nicht auf einzelnen sinnlichen Eindrücken, wie sie die zu seiner Zeit nach China Reisenden bekommen haben, sondern auf einem von Deutschen und Europäern vielseitig wahrgenommenen und vermittelten Gesamtbild Chinas. Wang-lun ist keine Chinoiserie, ist auch keinem klassischen chinesischen Werk nachgedichtet. Döblin ist es gelungen, die chinesische Philosophie des Taoismus aus dem akademischen Elfenbeinburm zu befreien. Er hat als erster dem Taoismus eine gesellschaftliche Relevanz gegeben, hat die Philosophie des Nicht-Handelns mit politisch-sozialen Wirklichkeiten konfrontiert. Döblins Wendung nach China bildet eine der ersten Stationen eines langen ununterbrochenen geistigen Suchprozesses. Sie ist ein Versuch, in der Berufung auf die östliche Philosophie das ihn ständig bewegende Problem des Daseins zu lösen und die in der Industriegesellschaft verschärfte geistige Krise zu überwinden… Die Rätselhaftigkeit der Welt, die Unübersichtlichkeit des Wirklichkeitsbildes und der Verlust des Sicherheitgefühls des Menschen in der technischen Zivilisation führen ihn zu Laozi, Zhuangzi und Liezi. Seine Begegnung mit dem Taoismus ist vor allem den Übersetzungen von Richard Wilhelm zu verdanken. Wang-lun im Vergleich mit dem Shui hu zhuan siehe Döb1, S. 115-160. Luo Wei : Döblin leistet mit seiner Hinwendung zur chinesischer Philosophie, unter ausdrücklicher Ablehnung der gängigen China-Mode, mit seinem Einrücken der chinesischen Menschenmassen in den Rang von Romanfiguren einen Beitrag zur Herausbildung und Bereicherung eines neuen objektiven Chinabildes im 20. Jahrhundert, das sich sowohl von dem idealisierten der Aufklärer im 18. Jahrhundert als auch von dem negativen des 19. Jahrhunderts unterscheidet. Mit der Niederschrift findet Döblins erste umfassende Beschäftigung mit dem Konfuzianismus und Taoismus statt, die im Hinblick auf die Beschleunigung der Technisierung und Industrialisierung Deutschlands um die Jahrhundertwende mit all ihren Folgen ausserdem noch durch eine persönliche 'Verlorenheit' und eine verwirrende Atmosphäre der allgemeinen Kulturkrise genährt wurde. Seine literarische Kritik am Konfuzianismus im Wang-lun gilt nicht der Person Konfuzius und seiner Lehre, sondern an deren Missbrauch und Entstellung durch den feudalistischen Despotismus und der kaiserlichen Macht. Die Lehre von Laozi und dem Taoismus macht einen tiefen Eindruck auf Döblin, der aus Unbehagen an der eigenen Kultur und an den negativen Aspekten der Industrialisierung in der chinesischen geistigen Welt nach Alternativen sucht. Liu Weijian : Döblin schreibt : Ich habe niemals daran gedacht, mit mit China zu befassen, der Gedanke etwa, nach China zu fahren, ist mir nicht im Traum eingefallen : ich hatte ein seelisches Grunderlebnis oder eine Grundeinstellung, diese liess ich mit höchster Schonung gewähren und legte ihr vor, unterbreitete ihr, wessen sie zu ihrer Auswirkung bedurfte. Diese Grundeinstellung findet sich im Roman als tiefes Gefühl wieder und korrespondiert mit dem daoistischen Wuwei, das als grundlegendes Motiv den Roman durchzieht. Döblin schreibt : Die Welt erobern wollen durch Handeln, misslingt. Die Welt ist von geistiger Art, man soll nicht an ihr rühren. Wer handelt, verliert sie, wer festhält, verliert sie. So widmet Döblin die Zueignung dem taoistischen weisen alten Mann Liezi. Zugleich spricht er Laozi, dem Wuwei-Meister, seine besondere Anerkennung aus : Was ging mich, der nicht einmal Europa kennt, China an, von Laotse abgesehen. Als Kind einer kleinbürgerlichen jüdischen Familie ist Döblin entbehrungsreich aufgewachsen und fühlt sich den Unterdrückten und Ausgestossenen zugehörig. Er ist empört über die ungerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und empfindet den Staat als Handlanger der Mächtigen. Dieser Eindruck wird zur Zeit der Entstehung von Wang-lun noch durch die imperialistische Aussenpolitik und Aufrüstung für den Krieg Kaiser Wilhelms II. verstärkt. Dieser deutschen Machtpolitik stellt Döblin die daoistische Wuwei-Lehre gegenüber, die sich seiner Ansicht nach durch den Sieg des chinesischen Volkes über die zweitausendjährige Feudalherrschaft ausgezeichnet hatte und die ihm auf deutsche Verhältnisse übertragbar erscheint. In der Vorrede zu Wang-lun unterstreicht er den sozialen Aspekt der Wuwei-Lehre durch ein Zitat Liezis : Dass ich nicht vergesse – Im Leben dieser Erde sind zweitausend Jahre ein Jahr. Gewinnen, Erobern ; ein alter Mann sprach : Wir gehen und wissen nicht wohin. Wir bleiben und wissen nicht wo. Wir essen und wissen nicht warum. Das alles ist die starke Lebenskraft von Himmel und Erde. Wer kann da sprechen von Gewinnen, Besitzen. So sieht Döblin in der Wuwei-Lehre ein Perspektive für die Unterdrückten. Sie kommt seiner Vorstellung nach einer gesellschaftlichen Verbesserung entgegen und führt ihn dazu, sich der Niederschrift des Wang-lun zu widmen. Die Auseinandersetzung Döblins mit dem Buddhismus drückt sich in den Vorstudien zu Wang-lun, den zu Lebzeiten unveröffentlicheten Aufsätzen Der Wille zur Macht als Erkenntnis bei Friedrich Nietzsche (1902) und zu Niezsches Morallehren (1902-1903) aus. Ingrid Schuster : Döblin hat die Konzeption vom neuen Menschen mit der Lehre vom wu-wei verschmolzen und eine Sonderform des neuen Menschen geschaffen : den chinesischen neuen Menschen… Wang-lun ist religiöser Führer und politischer Revolutionär zugleich ; er versucht, Idee und Tat, religiöse Vision und politische Praxis, Erlösung und Existenz miteinander zu versöhnen. Wang-luns Ziel ist wu-wei, der Zustand der Übereinstimmung mit dem Weltgesetz, der Zustand der Ruhe ohne die Polarität von Freude und Schmerz, Gut und Böse, Glück und Unglück. Der Weg zum Ziel ist : Nicht handeln ; wie das weisse Wasser schwach und folgsam sein… Döblin schreibt in Wissen und Verändern : Wir haben als Ziel den auch im Natürlichen, im Ökonomischen, Politischen und Geistigen freien Menschen, dessen Verwirklichung wir nicht in die graue Zukunft schieben können. Die Verwirklichung dieses freien Menschen besteht für Döblin in dem Einswerden mit dem tao, das durch wu-wei erreicht wird. Tan Yuan : Der Zauber von Wang-lun zeigt die Andersartigkeit der chinesischen Welt und ein Bild der chinesischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts : Arme Dörfer, staubige Landstrassen, nordchinesisches Gebirge, brausende Flüsse, einsame Einsiedlerhütten, chaotische Provinzstädte, majestätische Hauptstadt, prächtige Paläste, buddhistische Klöster, düstere Gefängnisse. Es treten auf : Bauern, Handwerker, Kaufleute, Bettler, Diebe, Räuber, Dirnen, Zauberer, Soldaten, Beamte, Generäle, Kaiser, Lama, Mönche, Taoisten und Literaten. Die Chinoiserie ist berückend : Es gibt prunkvolle Darstellung des Kaiserhofes, detaillierte Schilderungen der exotischen Sitten, Bräuche, Rituale und Lebensgewohnheiten. Die Metaphorik ist faszinieren : Mit den ungewöhnlichen Assoziationen und Vergleichen verleiht Döblin der chinesischen Gefühlswelt einen sinnlich erfahrbaren Charakter und eröffnet den Lesern einen neuen Raum für ihre Phantasie. Döblin charakterisiert den Kaiser Khien-lung [Qianlong] als Staatsoberhaupt und Führer der Staatsreligion Konfuzianismus. Dass der Kaiser der 'Himmelssohn' ist, wird nur in Khien-lungs Selbstäusserung erwähnt : Ich bin als Sohn des Himmels geboren und werde auf dem Drachenthron sterben. Wang-lun kommt nach seiner Flucht in die Nan-ku-Berge erstmals mit der taoistischen Lehre in Berührung. Er hört zuerst von 'den niedrigen Leuten' die Sprüche aus dem Dao de jing : "In den niedrigen Leuten schwang der alte Geist des Volkes ; mehr als in den Literaten strömte in den Gestrandeten, viel Erfahrenen das tiefe Grundgefühl : Die Welt ist von geistiger Art, man soll nicht an ihr rühren. Wer handelt, verliert sie ; wer festhält, verliert sie". Wang-luns Bekehrung zum Wu-wei basiert auf seinem Nachdenken über den elenden Zustand der 'armen ausgestossenen Menschen'. Er sieht, dass jemand zuerst handeln muss, damit das Wu-wei verwirklicht werden kann. Als er sieht, dass die Bandenmitglieder der 'Gebrochenen Melone' bald den Regierungstruppen zum Opfer fallen werden, vergiftet er den Brunnen in der Stadt, so dass die Truppen nur noch die toten Mitglieder finden. Es ist für ihn die einzige Möglichkeit, den gewaltigen Kampf zu vermeiden und die Gewaltlosigkeit der 'wahrhaft Schwachen' durchzuhalten. Mit der Vergiftung macht er sich zum Mörder und handelt der Wu-wei-Lehre zuwider. Aber er verwirklicht den Spruch im Dao de jing, indem er allen 'Schmutz' auf sich nimmt und das Unglück trägt. Döblin weist darauf hin, dass jemand die Verantwortung übernehme und sich für das Nichthandeln der Brüder opfern muss. Im Roman zitiert Döblin zudem eine Fabel von Zhuangzi, um die Hektik des Menschen in Frage zu stellen : "Es war einmal ein Mann, der fürchtete sich vor seinem Schatten und hasste seine Fussspuren. Und um beiden zu entgehen, ergriff der die Flucht. Aber je öfter er den Fuss hob, umso häufiger liess er Spuren zurück. Und so schnell er auch lief, löste sich der Schatten nicht von seinem Körper. Da wähnte er, er säume noch zu sehr ; begann schneller zu laufen, ohne Rast, bis seine Kraft erschöpft war und er starb. Er hatte nicht gewusst, dass er nur an einem schattigen Ort zu weilen brauchte, um seinen Schatten los zu sein. Dass er sich nur ruhig zu verhalten brauchte, um keine Fussspuren zu hinterlassen". Gerwig Epkes : China ist für Döblin ein Weg zur Rechtfertigung seiner Schriftstellerei. Durch die Beschäftigung mit dem fremden Land vermeidet er unbewusst, sich mit seinen Eltern auseinanderzusetzten. Damit klammert er Schuld- und Angstgefühle aus, die sein strenges Über-Ich von ihm fordern würde. Er idealisiert China. Später wird ihm selbst bewusst, dass China ihm als 'Vehikel' zur Lösung persönlicher Probleme diente. Otto Jensen schreibt 1922 : Dies Buch ist nicht nur ein Roman. Wie jedes grosse Kunstwerk ist es ein Zeitbild. Es ist ein Beitrag zur Sozialgeschichte eines Volkses, das steigende Bedeutung in der Weltpolitik unserer Tage erlangt. Wir müssen die alte Kultur der Chinesen kennen, um die Wandlungen im Fernen Osten zu begreifen. Lion Feuchtwanger schreibt 1916 : Und während allerorten geschäftige Kärrner an der Arbeit sind, Grenzwälle aufzuwerfen zwischen Nation und Nation, legt hier ein Dichter eine Bresche in die chinesische Mauer, die das geistige Europa von der östlichen Welt schied... die tiefste Weisheit des Ostens, die uns bisher höchstens in sentimental-transzendentalen, akademisch theosophischen Abhandlungen europäisch frisiert, verwässert und verflüchtigt entgegendämmerte, ist in diesem Prosa-Epos rein, naiv, unsentimental, mit überzeugender Gegenständlichkeit gestaltet... Der Sinn des Buches ist die weiche, süsse Weisheit des Wu-Wei, des Nichtwiderstrebens. Das Epos sei ungefähr die Erfüllung dessen, was Goethe träumte, als er den Westöstlichen Diwan konzipierte : östliches Fühlen und Denken, in eine vollendete westliche Kunstform gezwungen. Nebel zerreissen, eine neue ungeahnte Welt ist da, Menschen und Dinge stehen da, ungeheuer fremd und seltsam, aber sie sind da, greifbar, wirklich, vom Ungläubigsten nicht wegzuleugnen. Sind da und überzeugen mit ihren abertausend neuen, unbekannten, ungeahnten Erscheinungen, Weisheiten, Lüsten, Schmerzen, Träumen, Erkenntnissen, Verzichten. |
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12 | 1919 |
Klabund. Hör es, Deutscher ! In : Der Revolutionär ; Bd. 1 (1919). Er schreibt : Sieh nur nach innen ! Schiele nicht nach aussen ! (Dies würde auch dem heiligen Geist des Tao widersprechen, nach dem du künftig leben und sinnen sollst : denn Du wirst der Chinese Europas werden)... Wichtiger als alle politischen und sozialen Revolutionen ist die Revolution des Herzens. Erstere weisen auf Wege. Diese zum Ziel. Vielleicht, dass Du, Deutscher, dennoch als endgültiger Sieger hervorgehst : wenn Du zur letzten Einsicht kommst. Der Herzhaftere wird der endliche Sieger sein. Das zarte Herz überwindet die härteste Herrschaft. |
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13 | 1921 |
Toller, Ernst. Masse-Mensch : ein Stück aus der sozialen Revolution des 20. Jahrhunderts. (Potsdam : G. Kiepenheuer, 1921). Toller schreibt : Muss der Handelnde schuldig werden, immer und immer ? Oder, wenn er nicht schuldig werden soll, untergehen ?... Unlösbar scheint mir dieser Widerspruch, weil ich ihn handelnd erlebt hatte, und ich suche, ihn zu formen. So entsteht mein Drama Masse-Mensch.... Ist der Mensch nicht Individuum und Masse zugleich ? Spielt sich der Kampf zwischen Individuum und Masse nur in der Gesellschaft ab, nicht auch im Innern des Menschen ? Ingrid Schuster : Toller sucht in diesem Drama nach neuen Werten und Idealen und sieht wie viele andere im Taoismus eine Alternative zum traditionellen Christentum. Er kannt Laozi und zählte sein Werk zu den Büchern, "die mir Geschenke, jedes von besonderer Musik und Farbigkeit, wurden". In Masse-Mensch ist Sonja der neue Mensch. Sie rät zum Streik (also zum Nicht-Handeln!) in den Fabriken, um so das Ende des Krieges zu erzwingen. |
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14 | 1921 |
Klabund. Laotse. Mensch, werde wesentlich. [ID D11984]. Er schreibt im Nachwort : Der östliche Mensch ist der Weise, der Helle, der Heilige, der Wesentliche. Zu werden wie er, zu sein wie er : ruft er uns zu ; denn wir sind müde des funktionellen, des mechanischen, des rationellen Da-seines und Dort-denkens. Der Relativismen des Wissens und der Wissenschaft. Der unfruchtbaren Dialektik. Des geistigen Krieges aller gegen alle. Die Sehnsuch nach einem wahren Frieden der Seele, dem absoluten Sinn in sich und an sich ist deine tiefste Sehnscuht, Mensch ! Kuei-fen Pan-hsu : Klabund überträgt 29 von den 81 Sprüchen des Tao de jing. Er hält die ursprüngliche Reihenfolge nicht ein, sondern ordnet sie nach eigenen Intentionen, die besonders den politischen und ethnischen Bereich in den Vordergrund stellen. Für das chinesische Wort „Dao“ verwendet er durchgegend den Begriff „Sinn“. Den Begriff „De“ überträgt der mit „Sein“. „Sein“ bedeutet für ihn ein vom Dao bzw. vom Sinn erfülltes Leben. Die Begriffe scheint er von Richard Wilhelm übernommen zu haben. Wichtig ist der Untertitel nach Silesius : Klabund sieht Laozi mit dem deutschen Mystiker verwandt. Die daoistische naturphilosophische Anschauung wird mit der Innenschau von Silesius gleichgesetzt, nämlich in der Sich-Versenkung die Grenzen zwischen dem Ich und dem Göttlichen zu überwinden – im Fall des Daoismus, in dem nichtseienden und doch alles umfassenden Dao aufzugehen… Klabund hält sich an die Bedeutung des Originaltextes, ändert oder ergänzt aber Wörter, Sätze, um so einen besseren Klang zu erzielen. Dadurch entsteht an einigen Stellen eine Abweichung der ursprünglichen Bedeutung… |
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15 | 1942 |
Brecht, Bertolt. Der gute Mensch von Sezuan [ID D12785]. Brecht schreibt : Alle Folklore habe ich sorgfältig vermieden. Andrerseits ist nicht beabsichtigt, aus den französische Weissbrote essenden Gelben einen Witz zu machen… Zur Diskussion steht : Soll man nur die sozialen Anachronismen beibehalten ? Die den Göttern (und der Moral) auf den Leib rückende Industrie, die Invasion europäischer Gebräuche, damit bewegte man sich noch auf realem Boden. Aber weder Industrie noch Europäertum wird den Reis mit dem Brot ersetzen. Hier hat man dann das Chinesische als reine Verkleidung und als löchrige Verkleidung ! Die Studien in amerikanischer Umgangssprache machen mir Vergnügen. Dasselbe gilt von den Studien in chinesischen Sitten, die ich gleichzeitig begonnen habe. Die chinesischen Sitten studiere ich nicht bei den Chinesen selber, von denen es hier wie in New York genügend Exemplare gäbe, sondern aus einem kleinen Buch, von dem ich natürlich nicht weiss, ob es sehr verlässlich ist. Er schreibt 1940 : Li Gung (die spätere Shen Te) musste ein Mensch sein, damit sie ein guter Mensch sein konnte. Sie ist also nicht stereotyp gut… und Lao Gu (der spätere Shui Ta) ist nicht stereotyp böse usw. scheint nun halbwegs gelungen, das grosse Experiment der Götter, dem Gebot der Nächstenliebe das Gebot der Selbstliebe hinzuzufügen, dem ‚du sollst zu andern gut sein’ das ‚du sollst zu dir selbst gut sein’ musste sich zugleich abheben von der Fabel und sie doch beherrschen. Liu Weijian : Brecht baut in diesem Stück das Gleichnis von Zhuangzi ein : "In Sung ist ein Platz namens Dornheim. Dort gedeihen Katalpen, Zypressen und Maulbeerbäume. Die Bäume nun, die ein oder zwei Spannen im Umfang haben, die werden abgehauen von den Leuten, die Stäbe für ihre Hundekäfige wollen. Die drei, vier Fuss Umfang haben, werden abgehauen von den vornehmen und reichen Familien, die Bretter suchen für ihre Särge. Die mit sieben, acht Fuss Umfang werden abgehauen von denen, die nach Balken suchen für ihre Luxusvillen. So erreichen sie alle nicht ihrer Jahre Zahl, sondern gehen auf halbem Wege zugrunde durch Säge und Axt. Das ist das Leiden der Brauchbarkeit". Die "Leiden der Brauchbarkeit" illustriert Brecht vor allem mit der Figur Shen Te, die von den drei Göttern, die auf der Suche nach einem guten Menschen auf die Erde kommen, als Vorbild der Tugenden gepriesen wird… Laozi glaubt, dass die Gesetze nicht nur die sozialen Probleme bestätigen, sondern auch falsches Verhalten herausfordern. So verschafft Brecht seiner Laozi angenäherten Meinung Ausdruck, dass die Gesetze nicht nur die Ungerechtigkeit der Gesellschaft reflektieren, sondern auch das unmenschliche Verhalten verursachen. Antony Tatlow : Das Stück hat eigentlich mit dem chinesischen Theater nichts oder nicht viel zu tun. Gleichzeitig sind jedoch die Motive sehr chinesisch. Mengzi zum Beispiel, tritt für das Recht des einzelnen auf sein Glück ein und behauptet, dass der Mensch dazu gezwungen werden muss, Böses zu tun. Brecht hat Mengzi gelesen und er hat starken Eindruck auf ihn gemacht. Betrachtet man das Stück vom chinesischen Gesichtspunkt aus, geht sofort auf, wie europäisch es ist. Yeh Fang-xian : Zahlreiche Pläne und Korrekturen zeigen, dass Brecht grosse Schwierigkeiten gehabt hat, die europäischen Zustände in den chinesischen Hintergrund zu intergrieren. 1940 hat er im Arbeitsjournal geschrieben : wir grübeln noch über der frage : brot und milch oder reis und tee für die Sezuanparabel. Natürlich, es gibt in diesem sezuan schon flieger und noch götter. Alle folklore habe ich sorgfältig vermieden. andrerseits ist nicht beabsichtigt, aus den französische weissbrote essenden gelben einen witz zu machen… hier hat man dann das chinesische als reine verkleidung und als löchrige verkleidung. Das Thema des Stückes handelt von dem Konflikt zwischen den moralischen Vorschriften und dem bösen Verhalten der Menschen, von dem schlechten Zustand der Welt, in der niemand ein guter Mensch bleiben kann. Das Thema wird durch ein Experiment mit drei Göttern eingeführt und durch die Spaltung der Hauptfigur Shen Te entfaltet… Brecht kehrt die alte Geschichte um, damit die bürgerliche Moral verspottet wird. Dabei verstärkt die exotische, chinesische Umgebung die Verfremdungseffekte. Die Frage, ob die Welt bleiben kann oder verändert werden muss, hängt also vom Erfolg der Mission der Götter ab… Die Armut wird der Moral gegenüber gestellt. Wo die grosse Armut herrscht, können die moralischen Vorschriften nicht mehr gehalten werden. Adrian Hsia : Brecht erkennt mit Mozi, dass die zwischenmenschliche Beziehung mit der materiellen Grundlage der Gesellschaft in ursächlichem Zusammenhang steht. An sich herrscht der Idealzustand im Staat, in dem Tugenden nicht nötig sind. Brecht schreibt : Freiheitsliebe, Gerechtigkeitssinn, Tapferkeit, Unbestechlichkeit, Aufopferung, Disziplin, all das ist nötig, um ein Land so umzuformen, dass um zu leben keine besonderen Tugenden mehr nötig sind. Man kann sagen, dass es ja gerade die elenden Zustände sind, welche solche Extraanstrengungen nötig machen… Brechts besitzt des Werk des Mengzi. Brecht und Mengzi stimmen darüber überein, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Shen Te verwandelt sich immer häufiger durch den Zwang ihrer Umwelt in Shui Ta. Brecht verwendet das Gleichnis des "Leidens der Brauchbarkeit" von Zhuangzi um die christliche Nächstenliebe Shen Tes zu verfremden. Dadurch wird die Unmöglichkeit der Nächstenliebe im gegebenen Gesellschaftssystem aufgezeigt. Yuan Tan : Das Stück entsteht zwischen 1939 und 1941 in vier verschiedenen Ländern und fällt in die unruhigste Zeit Brechts. Im Vorspiel erzählt Wang, ein obdachloser Wasserverkäufer in Sezuan, von der grossen Armut in der Stadt. Nur noch die Götter könnten den Leuten in der aussichtslosen Situation helfen. Shen Te ist eigentlich "der beste Mensch" in Sezuan. Sie erweist sich als gut, weil sie zu Anderen immer hilfsbereit und weil sie nützlich ist. Sie möchte auch gut sein und Gutes tun, weil die gute Tat den Täter selbst angenehm macht. Aber gerade wegen dieser Nützlichkeit und Güte wird sie von den "Nachbarn ohne Herz" ausgenutzt, so dass ihre eigene Existenz bedroht wird. In unserm Lande Braucht der Nützliche Glück. Nur Wenn er starke Helfer findet Kann er sich nützlich erweisen. Die Guten Können sich nicht helfen, und die Götter sind machtlos. Shen Tes Monolog und Zuangzis Gleichnis stimmen im Hauptpunkt überein : Der Nützliche leidet wegen seiner Nützlichkeit. Aber es gibt auch einen Unterschied. Zhuangzi zeigt nur Fassungslosigkeit und Pessimismus gegenüber der verkommenen Welt. Er sieht keine Lösung für das Leiden der Brauchbarkeit. Brecht bestätigt zwar die Fassungslosigkeit der Guten und Götter gegenüber dem gesellschaftlichen Zustand, findet aber für Shen Te eine Lösung : Mit Glück und starkem Helfer kann sich der Nützliche gerfolgreich als das erweisen, was er seiner Natur nach ist. Der böse Vetter Shui Ta ist der starke Helfer und ihr einziger Freund. Shen Tes doppeltes Rollenspiel wird vor allem durch eine Maske verdeutlicht. Während Zhuangzi die Aufbewahrung des Lebens und die Anpassung an die Welt betont, stellt Brecht die Ordnung der Welt in Frage. Für den Widerspruch, dass der gute Mensch "zu gut" für diese Welt ist und nicht gut bleiben kann, findet sich nur eine Erklärung, wie Shen Te vor den Göttern klagt : "Etwas muss falsch sein an eurer Welt". Wo Zhuangzi von der Anpassungsmöglichkeit des Menschen spricht, verweist Brecht auf die Verbesserungsmöglichkeit der Welt an. Christoph Gellner : In der Neufassung (1953), die Brecht unter dem Eindruck der siegreichen kommunistischen Revolution in China geschrieben hat, ist ganz ausdrücklich vom Umbau der Gesellschaft als Voraussetzung einer grundlegenden Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens die Rede. Ingrid Schuster : Ein neuer Mensch in chinesischem Kleid findet sich in Der gute Mensch von Sezuan. Der Konflikt zwischen Hingabe und Selbsterhaltung wird in diesem Drama auch äusserlich - durch die doppelte Identität der Heldin Shen Te - deutlich gemacht. Als Shui Ta ist sie männlich-aktiv, greift in die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Stadt ein, gründet eine Fabrik. Doch dieser Weg führt in die Unmenschlichkeit. Als Shen Te ist sie weiblich-hingebend und tut allen Menschen Gutes. Dadurch bringt sie sich jedoch um ihre Existenzgrundlage. Yim Han-soon : Das Gleichnis ist für Brecht ein treffendes Beispiel für die These, dass sich die Ordnung und die Unordnung „an ein und demselben Platz“ aufhielten. Aus seiner Sicht ist Zhuangzi wohl wie Hegel ein Humorist und Dialektiker, allerdings ein resignierter. Brecht schreibt „Dschuang-tsi zeigt in den Leiden der Brauchbarkeit, dass die Unnützesten die Glücklichsten sind“. |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 1906 | Dehmel, Richard. Gedichte nach Li-tai-pe. In : Neue Rudschau ; Jg. 17 (1906). [Li Bo]. | Publication / Deh3 | |
2 | 1907 | Haussmann, Conrad. Gedichte nach Li-tai-pe. In : März (1907). [Li Bo]. | Publication / HauC1 |
# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 2000- | Asien-Orient-Institut Universität Zürich | Organisation / AOI |
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