HomeChronology EntriesDocumentsPeopleLogin

“Die chinesische Quelle von Hofmannsthals Dramolett Der weisse Fächer” (Publication, 1968)

Year

1968

Text

Ritter, Ellen. Die chinesische Quelle von Hofmannsthals Dramolett Der weisse Fächer. In : Arcadia ; Bd. 3, Nr. 3 (1968). (Rit1)

Type

Publication

Subjects

References / Sources

Chronology Entries (1)

# Year Text Linked Data
1 1907 Hofmannsthal, Hugo von. Der weisse Fächer : ein Zwischenspiel [ID D12664].
Nachdichtung von France, Anatole. Histoire de la dame à l'éventail blanc [ID D12663].

Ellen Ritter : Der weisse Fächer handelt von der Problematik einer missverstandenen Treue der Ehegatten über den Tod hinaus.
Die treulose Witwe von Eduard Grisebach [ID D4688]. Darin enthalten ist eine chinesische Novelle aus Jin gu qi guan. In einer Neubarbeitung erscheint die Novelle in seinem Chinesisches Novellenbuch [ID D5491]. Es ist anzunehmen, dass Hofmannsthal diese Novelle gekannt hat, obwohl bisher keine Belege dafür vorliegen. Die Handlungen weisen unverkennbare Parallelen auf. Die Analogien betreffen in erster Linie das äussere Geschehen, die Ereignisse um die Dame mit dem Fächer…
Hofmannsthal macht sich die Position des chinesischen Weisen zu eigen, der die bittere Wahrheit des Lebens kennt und darüber zu lachen vermag. Das ironisch behandelte Motiv der Treue, der Gegensatz zwischen einer idealen Wunschwelt und der realen Wirklichkeit wie auch die äusseren Motive sind in der Novelle aus dem Jin gu qi guan vorgegeben. In der Intention aber unterscheidet sich Hofmannsthals Stück fundamental…
Hofmannsthal übernimmt Fremdes, um es zu Eigenem zu machen, indem er seine eigene Problematik in den fremden Stoff hineinträgt und mit übernommenen Mitteln dem eigenen Thema adäquaten Ausdruck zu verleihen sucht. Im Weissen Fächer sind es die äusseren Handlungsmotive und die ironisch distanzierte Haltung, mit deren Hilfe er das Problem der Treue darstellt.

Ingrid Schuster : Hofmannsthal hat im Weissen Fächer ein chinesisches Motiv verwendet, auf das Ellen Ritter erstmals hingewiesen hat. Ritter hielt es für wahrscheinlich, dass es sich bei der Quelle um Eduard Grisebachs Studie Die treulose Witwe [ID D4688] oder um sein Chinesisches Novellenbuch [ID D4591] handelt, obwohl bisher keine direkten Belege dafür vorliegen. Gegen diese Annahme spricht aber nicht nur der fehlende biographische Bezug, sondern auch der Inhalt des Weissen Fächers selbst.
Seine Quelle war Anatole France. France behandelt in seinem Essay die Contes chinois [ID D15182] des Generals Tscheng Ki-tong [Chen Jitong] und die chinesische Literatur im allgemeinen. Er kommt auch auf die Contes chinois von Abel Rémusat zu sprechen, wobei er besonders La Dame du pays de Soung hervorhebt.
Die Unterschiede zwischen dem chinesischen Original und Histoire de la dame à l’éventail blanc von Anatole France [ID D12663] sind erheblich. Hofmannsthal hielt sich an die französiche Vorlage, viele Details, nicht nur der Titel, weisen Übereinstimmungen auf. Vor allem entspricht die Lösung des Problems im Weissen Fächer ganz dem Geist von France. Hofmannsthal machte sich nicht „die Position des chinesischen Weisen zu eigen“, wie sie im Original geschildert wird, denn dieser wendet sich ja am Ende höhnisch von der Welt ab, sondern er akzeptierte – wie Zhuangzi in der Geschichte von France – die Wirklichkeit des Lebens mit einem toleranten Lächeln. Andererseits ironisierte er – ebenfalls wie France – den chinesischen Philosophen selbst, indem er dessen weltabgewandte Einstellung in Forunio als nicht zu realisierenden Wunschtraum entlarvt.

France schreibt : La version chinoise, autant qu’il m’en souvient, est moins heureuse que la version rapportée dans le Satyricon. Elle est gâtée par des lourdeurs et des invraisemblances, poussée au tragique et défigurée par cet air grimaçant qui nous rend, en somme, toute la littérature chinoise à peu près insupportable. Mails il me reste un souvenir charmant d’un épisode qui y est intercalé, celui de l’éventail. Si madame Tian nous divertit médiocrement, la dame à l’éventail est tout à fait amusante... Je suis obligé de conter de mémoire... Ce ne sera peut-être pas tout à fait chinois... Tchouang-tsen [Zhuangzi], du pays de Soung, était un lettré qui poussait la sagesse jusqu’au détachement de toutes les choses éternelles, il en lui restait pour contenter son âme que la conscience d’échapper aux communes erreurs des hommes qui s’agitent pour acquérir d’inutiles richesses ou de vains honneurs. Mais il faut que cette satisfaction soit profonde, car il fu, après sa mort, proclamé heureux et digne d’envie.

1891 erscheinen die Contes chinois von General Tcheng Ki-tong in La vie littéraire, Bd. 3.
Hofmannsthal schreibt 1891 in seinem Tagebuch über dieses Buch : Anatole France : Typische Dilettantenbildung mit der Unausgeglichenheit der herangezogenen Beispiele je nach zufälliger Vorliebe.
Aus einem Brief von Hofmannsthal an Marie Herzfeld 1892 kann man entnehmen, dass er sich weiterhin mit France beschäftigt, den er 1900 persönlich aufsucht.

Luo Wei : Er verwertet des taoistische Motiv des „Grab-Fächelns“ nach Zhuangzi als Probe der Liebestreue, ohne aber zu versäumen, im gleichen Jahr das Gedicht „Der Kaiser von China spricht“ im Sinne des konfuzianischen Idealismus zu gestalten.
  • Document: Luo, Wei. "Fahrten bei geschlossener Tür" : Alfred Döblins Beschäftigung mit China und dem Konfuzianismus. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 2003). (Europäische Hochschulschriften ; Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 1896). Diss. Beijing-Univ., 2003. S. 48. (Döb2, Publication)
  • Document: Schuster, Ingrid. Faszination Ostasien : zur kulturellen Interaktion Europa-Japan-China : Aufsätze aus drei Jahrzehnten. (Bern : Lang, 2007). (Kanadische Studien zur deutschen Sprache und Literatur ; Bd. 51). S. 69-72. (Schu5, Publication)
  • Person: France, Anatole
  • Person: Hofmannsthal, Hugo von