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Year

1925

Text

Klabund. Der Kreidekreis [ID D12520].
Uraufführung im Stadttheater Meissen, dann in Frankfurt.
Quellen : Julien, Stanislas. Hoei-lan-ki [ID D4646] ; Fonsecas, Wollheim da. Der Kreidekreis [ID D12699] ; Wilhelm Grube bespricht das Stück in Geschichte der chinesischen Literatur [ID D798] und macht auszugsweise Übersetzungen ins Deutsche.

Klabund schreibt : Es ist drei Jahre her, dass eines Abends in der „Wilden Bühne“ Elisabeth Bergner auf mich zu kam : „Wir haben ein Schauspielertheater gegründet : wollen Sie ein Stück für uns, für mich schreiben?... Kennen Sie den Kreidekreis?“. Natürlich kannte ich (alter Chinese) den Kreidekreis : In der (ausgezeichneten) Übersetzung Stanislav Juliens, in der (weniger guten) Reclamschen Ausgabe (Fonsecas). Dass die Figur der Haitang eine Rolle für Elisabeth Bergner ergeben könnte wie kaum eine zweite, leuchtete mir blitzartig ein.
Es galt, ein chinesisches Märchenspiel zu ersinnen. Keine strenge Chinoiserie. Es sollte sein, wie wenn jemand von China träumt.

Dscheng Fang-hsiung : Max Reinhardt macht die Inszenierung. Klabund habe zwar die Fabel weitgehend beibehalten, ebenfalls die Spielform, jedoch einige Figuren ausgewechselt, Ortsnamen und Personen und Einzelheiten erfunden.

Klabund schreibt in Die literarische Welt vom 13.11.1925 den Artikel Klabund gegen die Berliner Kritik seines Kreidekreises : Der Kreidekreis ist bereits an etwa 100 Bühnen gespielt worden. Ich habe etwa 1000 (uff) Kritiken gelesen. Vielleicht darf ich mir einmal gestatten, meine Herren Kritiker zu kritisieren – selbstverständlich mit der mir gebührenden Zurückhaltung und der mir als Chinesen innewohnenden Höflichkeit des Herzens. Sie reden soviel davon, dass wir kein Drama haben – haben wir eine Kritik ?

Herbert Ihering schreibt in seiner Theaterkritik : Klabund ging zum chinesischen Drama, um abgenutzte europäische Sentiments, um Kastengegensätze, um politische Aktualitäten zu finden und noch einmal zu betonen. Der Publikumserfolg des Stückes liegt in der bourgeoisen Gefühlsüberschwemmung und in der exotischen Formgebung. Ein Literatenstück, was den Stil, ein Spiesserstück, was den Kern betrifft.

Chen Chuan : Die Bearbeitung des Kreidekreis enthält zwar noch vieles Unchinesische, aber der Dichter hat uns doch die Möglichkeit aufgewiesen, ein echt chinesisches Drama bei einigen Veränderungen dem deutschen Theater zugänglich zu machen. Auch ihm ist noch nicht Vollendetes gelungen, auch bei ihm vermischen sich noch deutlich chinesische Elemente mit europäischen, auch bei ihm überschneiden sich noch chinesische Weltanschauung mit europäischem Lebensgefühl.

Ma Jia : Auf der Realitätsflucht macht Klabund seine geistige Pilgerfahrt zu Lao Zi [Laozi] in dem Glauben, mit dessen Lehre der Dekandenz der westlichen Kultur entgegenwirken zu können. Für den "Revolutionär der Seele" ist China, ähnlich wie für [Hermann] Hesse, in erster Linie eine geistige Gegenwelt. Der gesellschaftlichen Situation Chinas und der sozialen Wirkung der daoistischen Lehre schenkt er wenig Beachtung. Begeistert entdeckt er in der daoistischen Weisheit ein Heilrezept für die erkrankte Seele seiner Landsleute und hofft, durch Veränderung der Menschen eine Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Zustände herbeizuführen. Dass Klabund China von der realen gesellschaftlichen Situation löst und die daoistische Botschaft als Möglichkeit, den realen politischen, gesellschaftlichen Konflikten auszuweichen, betrachtet, zeigt sich in seinem erfolgreichen Theaterstück Der Kreidekreis.

Kuei-fan Pan-hsu : Die Fabel des Originals ist bei Klabund unverändert erhalten. Doch ist sein Stück im Grunde genommen nicht chinesisch. Dabei liegt die Abweichung des Dramas von der chinesischen Welt nicht nur darin, dass sich Klabund weitgehend vom Original löst, sondern vor allem darin, dass er seine eigene Kenntnis über China entsprechend seiner Konzeption in das Stück einarbeitet… Er vermittelt chinesisches Selbstverständnis, konfuzianische Verhaltensweisen und Elemente der chinesischen Volksreligion ; er bemüht sich im Stück um eine Widerspiegelung des Lebens in China, indem er chinesische Lyrik einflicht und mit Sprichwörtern chinesische Vorstellungswelt nahebringt. Allerdings ist die von Klabund gezeichnete chinesische Welt zum grossen Teil eine Illusion, die wenig mit den tatsächlichen Gegebenheiten gemein hat… Was das Stück anziehend macht, ist die lyrische Sprache. Klabund verwendet chinesische Bilder, Vergleiche und Symbole… Die Abweichung des Stückes liegt darin, dass Klabund die Personencharaktere umgestaltet : Haitang, der Richter Bao, Herr Ma und Zhang Lin… Ein weiterer einflussreicher Faktor, der die Gestaltung des Kreidekreis bestimmt, ist der Publikumsgeschmack. Das Publikum empfindet die "Zartheit" des Stückes als den "lang erwarteten Kontrast zu den extremen Texten der neuen Autoren".

Ye Fang-xian : Anders als im chinesischen Drama zeigt der Kreidekreis nicht eine menschliche Weisheit, sondern eine mystische Kraft, derer Quelle die Liebe ist. Der konkrete historische Hintergrund ist total verschwunden. Was vom chinesischen Original übrig bleibt, sind nur einzelne Szenen und das Muttermotiv. Alfred Forke hat Klabunds Abweichung vom chinesischen Original kritisiert.

Mentioned People (1)

Klabund  (Crossen, Oder 1890-1928 Davos) : Schriftsteller

Subjects

Literature : Occident : China as Topic / Literature : Occident : Germany : Theatre

Documents (7)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1933 Chen, Chuan. Die chinesische schöne Literatur im deutschen Schrifttum. (Kiel : Christian-Albrecht-Universität, 1933). Diss. Christian-Albrecht-Univ. Kiel, 1933. = Zhong de wen xue yan jiu. (Shanghai : Shang wu yin shu guan, 1936). S. 53. Publication / Che2
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
2 1990 Pan-Hsu, Kuei-fen. Die Bedeutung der chinesischen Literatur in den Werken Klabunds : eine Untersuchung zur Entstehung der Nachdichtungen und deren Stellung im Gesamtwerk. (Frankfurt a.M. : P. Lang,, 1990). (Europäische Hochschulschriften ; Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 1179). Diss. Univ. Hamburg, 1988. S. 150-161. Publication / Pan2
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Klabund
  • Person: Pan-hsu, Kuei-fen
3 1992 Fang, Weigui. Das Chinabild in der deutschen Literatur, 1871-1933 : ein Beitrag zur komparatistischen Imagologie. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1992). (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 1356). Diss. Technische Hochschule Aachen, 1992. S. 282-283, 287. Publication / FanW1
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
4 1992 Epkes, Gerwig. "Der Sohn hat die Mutter gefunden..." : die Wahrnehmung des Fremden in der Literatur des 20. Jahrhunderts am Beispiel Chinas. (Würzburg : Königshausen und Neumann, 1992). (Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft ; Bd. 79). Diss. Univ. Freiburg i.B., 1990. S. 66-67. Publication / Epk
  • Source: Klabund. Tao : eine Auswahl aus den Sprüchen des Lao Tse. In : Vivoc voco ; (1919). [Laozi]. [Später publiziert in Laotse. Sprüche [ID D11984]. (Klab22, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
5 1993 Ma, Jia. Döblin und China : Untersuchung zu Döblins Rezeption des chinesischen Denkens und seiner literarischen Darstellung Chinas in "Drei Sprünge des Wang-lun". (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1993). (Europäische Hochschulschriften ; Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur : Bd. 1394). Diss. Univ. Karlsruhe, 1992. S. 24. Publication / Döb1
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Döblin, Alfred
  • Person: Ma, Jia (2)
6 1993 Han, Ruixin. Die China-Rezeption bei expressionistischen Autoren. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1993). (Europäische Hochschulschriften ; Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 1421). Diss. Univ. München, 1993. S. 97. Publication / HanR1
  • Source: France, Anatole. Histoire de la dame à l’éventail blanc. In : Le Temps ; juillet 28 (1889). [Geschichte von Zhuangzi und der Dame mit dem weissen Fächer]. (Fra2, Publication)
  • Source: Hofmannsthal, Hugo von. Der weisse Fächer : ein Zwischenspiel. In : Die Zeit ; 29.1. und 5.2. (1898). = Mit vier Holzschnitten von Edward Gordon Craig. (Leipzig : Insel-Verlag, 1907). (Hof2, Publication)
  • Source: Jürgens, Hans. Die Dame mit dem weissen Fächer. In : Jugend ; Nr. 1 (1898). Gekürzte Übersetzung von Histoire de la dame à l'éventail blanc von Anatole France. [ID D12663]. (Jür1, Publication)
  • Source: Lieder aus dem Rinnstein. Hrsg. von Hans Ostwald. (Leipzig : Karl Henckell, 1903). [Darin enthalten ist das Gedicht Chinesisches Vagabundenlied von Li Bo]. (Ost10, Publication)
  • Source: Chinesische Volksmärchen. Übersetzt und eingeleitet von Richard Wilhelm. (Jena : Diederichs, 1914). ]Darin enthalten sind Texte aus Liao zhai zhi yi, Jin gu qi guan, San guo yan yi, Dong Zhou lie guo zhi, Feng shen yan yi, Xi you ji und Sou shen ji].
    http://gutenberg.spiegel.de/buch/6252/1. (WIR5, Publication)
  • Source: Blei, Franz. Liebesgeschichten des Orients : mit einleitender Prosa. (Hannover : P. Steegemann, 1922). Nachdichtung von Die Dame mit dem weissen Fächer von Hans Jürgens. [ID D12665]. (Blei1, Publication)
  • Source: Brecht, Bertolt. Im Dickicht der Städte : der Kampf zweier Männer in der Riesenstadt Chicago : Schauspiel. (Berlin : Propyläen-Verlag, 1927). [Uraufführung 1923 in München ; geschrieben 1921-1923]. (Bre7, Publication)
  • Source: Brecht, Bertolt. Die höflichen Chinesen. In : Brecht, Bertolt. Werke ; Bd. 19. Prosa ; 4 (1925). Richard Wilhelms Übersetzung von Laotse. Tao te king [ID D4445] hat Einfluss auf diese Erzählung. (Bre5, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Ehrenstein, Albert
  • Person: Han, Ruixin
  • Person: Klabund
  • Person: Schiebelhuth, Hans
  • Person: Stolzenburg, Wilhelm
7 1994 Ye, Fang-xian. China-Rezeption bei Hermann Hesse und Bertolt Brecht. (Irvine : University of California, 1994). Diss. Univ. of California, Irvine, 1994). S. 190-191. Publication / Hes80
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Brecht, Bertolt
  • Person: Hesse, Hermann