1962
Publication
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1660 |
Spizel, Gottlieb. De re literaria Sinensium commentarius [ID D1706]. Spizel benutzt als Quellen die Werke von Michele Ruggieri und Martino Martini und versucht eine Verbindung zwischen chinesischer, griechischer, ägyptischer und indischer Philosophie herzustellen. Es ist eine Beschreibung der Geschichte, der chinesischen Schrift, der Naturphilosophie und Ethik Chinas. Als Besonderheiten der chinesischen Schrift hebt er folgende Punkte heraus : Es gibt kein Alphabet im Chinesischen, die Schrift ist nicht aus Buchstaben, sondern aus vielen Zeichen zusammengesetzt. Jedes Schriftzeichen bedeutet ein Wort. Man schreibt nicht unbedingt von links nach rechts oder von rechts nach links, die Schreibrichtung ist gleichgültig. Die Schriftzeichen sind Symbole aus Gegenständen der sichtbaren Welt, wie Blumen, Vögel, Tiere, Insekten, Fische. Die Linien, Striche und Punkte, aus welchen man diese Symbole aufbaut, sind bis zum heutigen Tag die gleichen geblieben. Vermehrung oder Auslassung von Strichen ändern den Sinn des Zeichens. Spizel behandelt ausführlich die chinesische Metaphysik, insbesondere die Kosmologie. Die Kosmologie der Chinesen stammt hauptsächlich aus der Theorie, die dem I-king [Yi jing] zugrunde liegt : Der Anfang des Kosmos war ein "Chaos". Aus dem Chaos entstanden die zwei Prinzipien Yin und Yang. Yin, das Dunkle, ist das Univollkommene, Yang, das Helle, das Vollkommene. Sie entfalten sich und lassen vier Zeichen entstehen, und diese entwickeln sich weiter und bilden acht Formen. Diese acht Trigramme verbinden sich miteinander und bilden so die 64 Symbole, die alle Phänomene der Natur und der menschlichen Gesellschaft erfassen : Himmel, Erde, Blitz, Berge, Feuer, Wasser, Wolken und Wind. Spizel berichtet über die mangelnden astronomischen Kenntnisse der Chinesen und erwähnt die Verehrung der Chinesen für Konfuzius. Der Glaube an die natürliche Erleuchtung des Menschen und an die Naturgesetze prägt die konfuzianische Ethik. Moral bedeutet : die Fähigkeit, sich in die Naturgesetze einzuordnen. Spizel lobt die chinesischen Akademien und ihre Leistungen. |
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2 | 1667 |
Kircher, Athanasius. China illustrata [ID D1712]. Das Buch enthält Schriften über das Wissen der Missionare über Geschichte, Geographie, Naturwissenschaften, Religion und Sprache in China. Seine Quellen sind Schriften von Jesuiten, Martino Martini, Michael Boym, Heinrich Roth, Johann Grueber, Giovanni Battista Ramusio. Das Werk enthält : Wiedergabe der nestorianischen Inschrift der Stele von Xi'an von 781, übersetzt von Michael Boym : Monumenti Sinico-Chaldaei ante mille circiter annos ab Evangelicis Christianae Legis propagatoribus in quodam Chinae Regno, quod Xemsi dicitur, erecti, et anno tandem 1625 primum insigni Christianae Legis emolument detecti. Bericht von Johann Grueber über seine Reise von Beijing nach Tibet und Mogul. Eine erste Abhandlung über die chinesischen Lacktechniken von Philip Buonanni. China-Karte mit Angabe der Reiserouten von Giovanni da Pian del Carpini, Benedikt der Pole, Marco Polo, Bento de Goes, Francis d'Orville und Johann Grueber. Martini, Marino. Auszüge aus Novus atlas sinensis [ID D1698]. Das Fragment Boym, Michael. De Sinensium literatura. Boym, Michael. Auszüge aus Flora sinensis [ID D1701]. Die französische Übersetzung enthält zusätzlich das erste chinesisch-französische Wörterbuch von Michael Boym. Kircher behauptet eine Abhängigkeit der chinesischen Kultur von Ägypten. Er erklärt, dass die chinesischen Schriftzeichen Symbole in Gestalt verschiedener Figuren haben. Die Schrift kenne kein Alphabet, auch keine Vokalbezeichnungen, sondern jedes Symbol habe seinen eigenen Aussprachewert. Die Symbole sind aber nicht nur vom Sinnlich-Bildlichen abgeleitet, sondern bezeichnen auch Abstrakta und Begriffe. Man bildet die Zeichen aus Punkten und Linien, die eng zusammengesetzt werden. |
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3 | 1672 | Gottlieb Spizel erwähnt in einem Brief an Gottfried Wilhelm Leibniz, dass Prospero Intorcetta einige chinesische Klassiker aus dem Chinesischen ins Lateinische übersetzt habe. Leibniz schreibt zurück, dass er sich dafür interessiere und erwähnt das Werk Histoire de la Chine sous la domination des Tartares [ID D1727] von Adrien Greslon, das bald erscheinen werde. | |
4 | 1679 |
Gottfried Wilhelm Leibniz schreibt an Johann Sigismund Elsholtz, dass er den Clavem von Andreas Müller eingesehen habe, dass er aber zweifle, ob dieser von Nutzen sei, um die chinesische Schrift und Sprache wirklich zu verstehen. Über die Analyse der chinesischen Schrift von Athanasius Kircher schreibt er : "La polygraphie du P. Kircher que V.A.S. a veu est si peu de chose, et si éloignée de mon dessein, qu’il n’y a pas la moindre apparence que j’en puisse avoir profité". |
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5 | 1687 |
Couplet, Philippe. Confucius sinarum philosophus [ID D1758]. Darin enthalten sind die ersten lateinischen Übersetzungen der drei konfuzianischen Klassiker : Intorcetta, Prospero. Lun yu und Zhong yong ; Costa, Inácio da. Da xue ; Couplet, Philippe. Tabula chronologica von 1686. Einleitung : Couplet schreibt über die chinesische Kosmologie, die konfuzianische Philosophie, die Religion und die Gottesidee der Chinesen. Er macht sich Gedanken über den Ursprung des I-king [Yi jing]. Das I-king ist das älteste der fünf klassisch-kanonischen Bücher der Chinesen. Sein Verfasser war Fohi [Fuxi]. Zuerst beschäftigte sich Fohi mit Himmel, Erde und den Menschen, dann entdeckte er die acht Triagramme. Im Denken Fohis waren alle Phänomene der Natur aus dem Religiösen abgeleitet, aus seinem Glauben an die Beziehung zwischen Menschen, Himmel und Erde. Vor allem hat Fohi das Grundprinzip des I-king gefunden. Die beiden Prinzipien des Kosmos Yin und Yang stammen aus dem Taiji und alle gingen aus dem Chaos, aus dem Nichts hervor. Das Zeichen für Yang ist eine einfache Linie, das Zeichen für Yin eine unterbrochene. Die einfache Linie bedeutet das Vollkommene, die andere das Unvollkommene. Das Vollkommene schliesst in sich ein grösseres Vollkommenes ein ein geringeres Unvollkommenes. Das Taiji ist schon vor der Welt entstanden, in ihm liegt das Urbild der Dinge. Dieses Urprinzip ist auch im Himmel, in der Erde, den Menschen und in den fünf Elementen Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde, verteilt. Wenn es sich bewegt, bringt es das Yang und wenn es ruht, das Yin. Diese Theorie hat Couplet von Zhou Dunyi übernommen. Couplet befasst sich mit der Ordnung und dem Aufbau der Trigramme und beschreibt seine Theorien mit Tafeln. Nach der Interpretation Couplets glaubten die alten Chinesen an die Existenz Gottes und an die Unsterblichkeit der Seele. Er beschreibt den Glauben der Chinesen an den Berggeist und den Wassergeist. In ihnen sieht er Seelen, die in den Bergen oder im Wasser leben. Coplets Auslegung des Konfuzianismus : Zur Zeit von Konfuzius sind die alten Sitten und Sozialordnungen völlig zerrüttet. Die chinesische traditionelle Tugend sowie der Gehorsam gegenüber den Eltern und die Treue zum Staat besitzen keine Kraft mehr. China verliert seine politische Einheit und spaltet sich in kleine Staaten auf. Konfuzius sucht deshalb die ideale Gesellschaft in Chinas Altertum und darin besteht der zentral Gedanke des Konfuzianismus, die Verwirklichung der idealen Wahrheit in der Gesellschaft. Die Einleitung enthält auch die ersten Worte aus dem Dao de jing von Laozi : Das Tao oder die höchste Vernunft hat keinen Namen, die ihm entsprechen würde. Es hat den Himmel und die Erde erschaffen, obwohl es keinen Körper hat. Es ist unbeweglich und setzt doch alle Sterne in Bewegung. Ich nenne es Tao, das heisst die höchste gestaltlose Vernunft, weil ich keinen andern Namen weiss. Das Gesetz oder die Ratio (Tao) bringt Eins hervor, Eins bringt Zwei hervor, Drei bringt alle Dinge hervor. Couplet schliesst daraus, dass Laozi von einem ersten und höchsten, doch körperlichen Wesen wusste, das anderen Numina gleichsam wie ein König vorstand. Virgile Pinot : Le P. Couplet écrit en effet sa préface à la traduction de Confucius à l'usage des jeunes missionnaires qui vont en Chine pour catéchiser les infidèles, mais surtout pour tâcher de convertir les Lettrés, les mandarins, et, s'il est possible, l'Empereur. Or, les Chinois cultivés ne veulent se rendre qu'à la raison, ce qui ne veut pas dire qu'ils soient rationalistes, c'est-à-dire prêts à renoncer aux principes de leurs raisonnements, si on leur démontre qu'ils sont faux ; mais ils veulent que les vérités qu'on leur apporte cadrent avec leurs principes immuables. Le P. Couplet essaie donc de montrer aux jeunes missionnaires qu'ils peuvent prêcher sans crainte le christianisme aux Lettrés de la Chine, et même avec des chances de succès, s'ils sont assez habiles pour faire apercevoir aux Chinois la concordance entre les témoignages des annales chinoises et les témoignages de la Bible sur les origines du monde et la religion des premiers hommes. Les concordances de temps, prouvées par le P. Couplet dans sa Chronologie mènent à des concordances de principes philosophiques et d'idées religieuses que le P. Couplet dégage et que le reviseur accentue, dans la préface du Confucius Sinarum philosophus. Par sa Chronologie, le P. Couplet s'efforçait de prouver qu'il y a dans l’histoire de la Chine deux périodes distinctes, une période fabuleuse et une période historique, mais que les Chinois ont souvent confondues, parce qu'ils ont perdu le souvenir du Déluge universel. Établis en Chine peu de temps après le Déluge, deux seuls ans à peine, sous la conduite de Noé ou de l'un de ses descendants. ils ont pu conserver dans leurs traditions des idées saines sur la formation du monde et la création du premier homme. Mais comme l'origine de ces idées leur a bien vite échappé, ils ont placé au début de leur histoire une période fabuleuse à laquelle ils ont rapporte ces traditions anté-diluviennes dont ils ne trouvaient pas l'explication. D'où nécessité de ramener le début de la période historique à une époque où suivant les données de la Genèse, Noé et ses descendants ont pu se trouver en Chine. Et c'est la raison pour laquelle le P. Couplet exclut de la période historique les deux premiers empereurs. Mais une fois l'origine de cette période historique fixée à une époque légèrement postérieure au Déluge, tout se suit dans l'histoire chinoise, et les Chinois, sans aucun commerce avec les autres peuples du monde, ont pu conserver inaltérées les idées philosophiques et religieuses qu'ils ont reçues de Noé ou de ses descendants. Si Fou-hi, premier empereur de la Chine a reçu des descendants de Noé la connaissance du vrai Dieu, Hoam-ti [Huangdi], troisième empereur, éleva un temple au Souverain Empereur du ciel, qui fut, probablement le premier temple du monde. Il régla les sacrifices que ses successeurs maintinrent inchangés pendant de nombreux siècles, persuadés que le Souverain Empereur du ciel ne les accepterait pas s'il n'y avait outre 'le culte pur de l’âme' l'exactitude des pratiques traditionnelles. Mais ce culte ne s'adressait pas à des idoles, car un auteur dont le livre a échappé à l'incendie de Ym Hoam Ti déclare qu'avant l'entrée en Chine de l'Idole Fo il n'y avait pas d'images de faux dieux, il n'y avait pas de statues en Chine. De cette affirmation on ne peut conclure que deux choses : ou que les Chinois étaient athées, ou qu'ils reconnaissaient le vrai Dieu. Athées, ils ne l'étaient pas, témoin ces sacrifices que les empereurs faisaient à des dates fixes, car 'si l'on avait vu Aristote ou un autre philosophe fléchir les genoux à des époques déterminées, adresser des prières en levant les yeux et les mains vers le ciel, ne penserait-on pas que ce philosophe a reconnu l'existence d'un dieu, même s'il n'en a jamais fait mention dans ses ouvrages ?. Or ce Dieu ne peut être que le vrai Dieu, comme le prouve l'antiquité de l'empire chinois et de sa religion, preuve que viennent corroborer encore toute sorte d’autres arguments : les Chinois en effet n'ont jamais eu dans leur religion de sacrifices sanglants tels que les Priapées et les Saturnales des Romains. Ils sont toujours restés étrangers aux superstitions ridicules que l'on trouve par exemple chez Homère et Hésiode, que pourtant on considère comme des sages. Ils ont toujours eu une morale très pure, où l'on retrouve même certains préceptes du christianisme, tel le précepte de Confucius : 'Ne fais pas aux autres ce que tu ne voudrais pas qu’on te fît à toi-même'. Donc les Chinois qui ne sont ni athées ni superstitieux et qui ont une morale pure ont certainement adressé leurs sacrifices au vrai Dieu, et l'on peut admirer la Providence 'qui a favorisé la nation chinoise plus que presque toutes les autres, qu'ils n'ont pas voulu désigner par elles autre chose que le vrai Dieu'. Le P. Couplet voulait en somme démontrer que les Chinois avaient participé à la révélation primitive, qu'ils avaient dès l'origine connu le vrai Dieu, qu'ils lui avaient élevé un temple et rendu un culte, que ce culte était demeuré inaltéré pendant une longue suite de siècles, qu'il exigeait non seulement la pureté du cœur, mais encore la modestie et l'humilité - la vertu essentielle du chrétien suivant Arnauld -, toutes conditions qui prouvent que les Chinois ont connu la véritable religion. Si l'on ajoute qu'ils ont eu de tout temps une morale très pure dont le principe est la charité et l'amour du prochain, ne peut-on proposer aux Chinois la religion et la morale chrétiennes, et les Chinois risquent-ils de trouver une contradiction entre leurs principes religieux et les principes du christianisme ? Claudia von Collani : Couplet was convinced that to succeed in China the missionaries had to go back to the original Chinese religion, as described in the canonical and classical books of China. The problem was to find the ancient pure teaching behind the falsified comments of later times. It was widely thought that religion hidden in the old books of China should be identical with the first belief of mankind, with the first monotheism. Already according to the ancient mythology there was a Golden Age at the beginning of mankind during which the human beings were virtuous and innocent. Repeatedly Couplet refers to this age, as there are many hints at it in the ancient Chinese books. In particular the figures of the wise rulers of ancient China described in the Shu jing or Shi jing. The Chinese people succeeded for nearly three thousand years to be free from idolatry andf atheism, this changed according to Couplet after the arrival of Buddhism in China and consequently the religious situation in China of the 17th century was not any more high. Couplet notes that in a petition to Ying Huangdi there was stated, that only after the arrival of Buddhism in the year 65 A.D. there are idolatry and pictures of idols in China. Buddhism, however, is the religion of the uneducated people. There is another fatal religion, Taoism. Taoism is full of superstitition and the Taoist teach immortality on Earth. Couplet refuses to describe other terrifying things like divination and magic there. The worst in the eyes of him are the Neo-Confucianists of the Song-dynasty. They are the true culprits of the deterioration and adulteration of the old and pure teachings. Accodring to Couplet the Chinese language was developed from the first original language independently of other languages. This happened after the confusion of tongues and dispersion of nations on the plain of Shinear. Because of the Chinese isolation, their language remained unadulterated. This is proved by the Great Age of the Chinese books. |
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6 | 1687 | Gottfried Wilhelm Leibniz schreibt an Daniel Papebroch, dass er die Übersetzungen der konfuzianischen Bücher von Philippe Couplet kenne, aber hoffe, dass Couplet auch die chinesische Schrift auf Lateinisch erklären könne. | |
7 | 1697-1701 | Korrespondenz zwischen Joachim Bouvet und Gottfried Wilhelm Leibniz. | |
8 | 1701 |
Longobardo, Niccolò. Traité sur quelques points de la religion des Chinois [ID D1792]. Longobardo schreibt : "I say, first, that the Chinese regard the life of man to consist of the narrow union of the parts which are in him, which they call the entities of heaven and earth. The entity of heaven is an air very pure, very light and of the nature of fire, which forms the soul or the vital and animal spirits, which they call hun, that is, soul. The entity of the earth is a grosser air, heavy and of a terrestrial nature, in which it forms a body with all the humors. This is what they call po, that is, the human body or cadaver. I say, secondly, that the death of a man is only the separation of the parts of which he is composed, and after this separation they return to the places which are appropriate to them. It is necessary to note that the Chinese give the name of air to the soul in several books, so that they conceive it like a corporeal thing, although very subtle." John Ho : Longobardos Auslegungen sind von Zhu Xi beeinflusst. Er findet, dass die Kommentare stark von den klassischen Büchern abweichen : In den Vorstellungen der chinesischen Klassik existiert ein persönlicher Gott (Xangti = Shangdi), der im Himmel wohnt, die Erde beherrscht, die Guten belohnt und die Bösen bestraft. Die Kommentare aber schreiben dem Kosmos nur ein Urprinzip genannt Li, die Grundlage der Natur zu. Die Klassiker behaupten, es gäbe verschiedene Geister, die auf den Bergen und im Wasser wohnen. Die Kommentare erklären diese nur für die Ursachen der Naturphänomene. Für die Klassiker hat der Mensch eine Seele, die nach dem Verfall des Körpers weiterlebt, die Kommentare sehen in der sogenannten Seele nur einen Teil der kosmischen Substanz. Nach dem Tode verbindet sich die Seele wieder mit dem Kosmos. Li hat keinen Anfang und keine Ende und ist unzerstörbar. Li ist aus dem Nichts entstanden und wird am Ende zum Nichts zurückkehren. Der Kosmos wird aus zwei Prinzipien aufgebaut : das eine ist das Chaos infini und heisst li, das andere ji, die Luft. Das ji setzt Longobardo mit dem taiji gleich. Es ist für ihn das Prinzip des Wachsens und Vergehens und verkörpert das Sein und das Wesen. Das taiji ist der Ursprung des ganzen Kosmos, von Himmel, Erde und Menschen und zugleich ihre erhaltende Kraft. Das Kosmos wird von li und ji bebildet. Ji, die Luft hat Hitze und Kälte. Sie bringen Ruhe und Bewegung. Alle kosmischen Phänomene wie Himmel, Erde, Planeten werden von Hitze und Kälte, von Yin und Yang und den fünf Elementen hervorgebracht. Nach der Darstellung von Longobardo lehnen die Chinesen die Unsterblichkeit der Seele ab. Die Elemente, aus welchen der Mensch gebildet wird, gehören zum Teil dem Himmel und zum Teil der Erde an. Die Chinesen waren im Altertum atheistisch und sind es bis zum heutigen Tag geblieben. Sie haben überhaupt keine Religion, da man den Atheismus nicht als eine solche bezeichnen kann : "Pour prouver que les anciens ont été athéees, c'et assez de dire que les modernes le sont ; car ces derniers ne sont que l'écho des premiers, sur lesquels ils se fondent, et de l'autorité desquels ils se servent, pour donner du poids à ce qu'ils disent, soit en matière de science, soit en matière de religion". Willy Richard Berger : Longobardos Schrift erscheint mit der deutlich erkennbaren Absicht, im Ritenstreit gegen die Jesuiten Front zu machen. Er kommt zu seiner Erkenntnis aufgrund seiner Analyse des Begriffes Li : durch sie beweist er, dass die Chinesen eine von aller materiellen unterschiedene geistige Substanz des christlichen Gottesbegriffs gar nicht kennen, sondern allein eine materielle Substanz 'en différens degrez', und dass die von den Chinesen verehrten göttlichen Wesen von der gleichen, nämlich materiallen Beschaffenheit sind wie die Ding 'auxquelles ils sont unis'. Also ein absoluter Materialismus, ein Materialismus, 'qui sent furieusement son spinozisme, et qui exclut toutes les idées soutenues par les Jésuites sur le spiritualisme de la religion des anciens Chinois". |
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9 | 1701 |
Sainte-Marie, Antoine de. Traité sur quelques points importans de la mission de la Chine [ID D16444]. Die Ansichten von Sainte-Marie unterscheiden sich nicht viel von denen von Niccolò Longobardo. Nach seiner Auffassung ist Atheismus ein noch viel zu schwacher Ausdruck, um die chinesische Haltung und Gottesanschauung zu umschreiben. Die Chinesen kannten nicht nur nie den 'wahren Gott', sondern sind auch noch abergläubisch. Li ist für ihn keine persönliche Gottheit, sondern eine blinde Kraft ohne Bewusstsein, eine Naturkraft und ein Gesetz, welches die Natur lenkt. Deshalb können die chinesischen Vorstellungen des li, taiji oder Xangti = Shangdi nie dem Glauben an einen wahren Gott entsprechen. Seelen und Geister sind dem Xangti oder Li untergeordnet und da die Chinesen den Verstorbenen Opfer bringen, sieht er darin einen Aberglauben. Konfuzius ist für die Chinesen nicht nur ein bedeutender Mensch oder ein Halbgott, sondern fast eine Inkarnation Gottes selbst. Sainte-Marie ist der Ansicht, dass man keinen chinesischen Aberglauben dulden darf, wenn man das Christentum in China verbreiten will. |
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10 | 1703 | Gottfried Wilhelm Leibniz schreibt an Joachim Bouvet : "Je ne sais que dire des Hiéroglyphes des Egyptiens et j’ai de la peine à croire qu’ils aient quelque convenance avec ceux des Chinois. Car il me semble que les caractères égyptiens sont plus populaires et sont trop à la ressemblance des choses sensibles, comme animaux et autres ; et par consequent aux allegories, au lieu que les caractères chinois sont peut-être plus philosophiques et paraissent bâtis sur des considérations plus intellectuelles, telles que donnant les nombres, l’ordre et les relations ; ainsi il n’y a que des traits détachés qui ne butent à aucune ressemblance avec quelque espèce de corps". | |
11 | 1708.3 |
Malebranche, Nicolas. Entretien d'un philosophe chrétien et d'un philosophe chinois [ID D1799]. Sekundärliteratur Quellen : Artus de Lionne. Longobardo, Niccolò. Responsio brevis super controversias de Xamti [ID D1659]. Sainte-Marie, Antoine de. Traité sur quelques points importans de la mission de la Chine [ID D16444]. [Eventuelle Quelle]. Erwähnte Quellen : Testimony of several jesuits concerning the atheism of the Chinese. In : Note on the Conversation. Ricci, Matteo ; Trigault, Nicolas. De christiana expeditione apud sinas suscepta ab Societate Jesu [ID D1652]. Martini, Martino. De bello Tartarico historia [ID D1699]. Semedo, Alvaro. Relaçao da propagaçao da fé no regno da China [ID D1685]. Le Favre, Jacques. De sinensium ritibus politicis [ID D4595]. Le Comte, Louis. Nouveaux mémoires sur l'état de la Chine [ID D1771]. Virgile Pinot : Dans les Entretiens le philosophe chinois n'a pas le beau rôle et c'est lui qui doit être convaincu par les raisons du philosophe chrétien. Son Entretien est donc une sorte d'aide-mémoire métaphysique à l'égard des futurs Missionnaires en Chine, mais sous forme de dialogue pour qu'ils aient plus rapidement présentes à l'esprit les réponses à faire aux arguments ou aux objections des philosophes chinois. C'est en principe un traité d'apolégétique du christianisme d'après les idées métaphysiques de Malebranche. Malebranche fait exposer par le philosophe chinois certains principes de sa doctrine, pour avoir l'occasion de les réfuter, mais l'exposé de la philosophie chinoise n'est pas l'essentiel de son ouvrage ; ce qui lui importe avant tout c'est la démonstration de sa propre métaphysique. Sur la philosophie chinoise, il est peu renseigné ; il en connaît seulement certains principes qui lui ont été exposés par [Artus de Lionne] évêque de Rosalie ; il n'y a que deux genres d'êtres, le Ly, qui est la souveraine Raison, et la matière. Le Ly et la matière sont éternels. Le Ly ne subsiste point en lui-même et indépendamment de la matière, (les Chinois le considèrent sans doute comme une forme ou comme une qualité répandue dans la matière) le Ly n'est ni sage ni intelligent, quoiqu'il soit la sagesse et l'intelligence souveraines. Le Ly n'est point libre et n'agit que par la nécessité de sa nature. Il rend intelligentes, sages, justes, les portions de matière disposées à recevoir l'intelligence, la sagesse, la justice, car l'esprit de l'homme n'est que de la matière épurée ou disposée à être informée par le Ly et par là rendue intelligente ou capable de penser : "C’est apparemment pour cela qu'ils accordent que le Ly est la lumière qui éclaire tous les hommes et que c'est en lui que nous voyons toutes choses". Voilà un certain nombre d'erreurs et de paradoxes que Malebranche va essayer de réfuter dans son écrit. Malebranche l'estime être un athéisme ayant de grands rapports avec celui de Spinoza. Les Jésuites lui ayant en effet reproché de mettre l'athéisme au compte d'un philosophe chinois, il leur répond : "Ainsi puisqu'il n'y a pas un seul Chinois qui donne dans l'athéisme et qui sans blesser la vraisemblance puisse me servir d'interlocuteur pour réfuter l'impiété, il n'y a pour contenter la délicatesse de l'Auteur qu'à changer Chinois en Japonois ou Siamois ou plutôt en François ; car il convient que le Système de l'impie Spinoza fait icy de grands ravages ; et il me paroît qu'il y a beaucoup de rapport entre les impiétés de Spinoza et celles de notre philosophe chinois. Le changement de nom ne changeroit rien dans ce qui est essentiel à mon écrit." David E. Mungello : Malebranche did not have a compelling interest in China. Nevertheless, his concern with metaphysical demonstration of his faith drew him into the Chinese Rites Controversy, and he responded by composing, late in life, a hypothetical conversation between a Chinese philosopher and a Christian philosopher. He had little interest in China or Chinese philosophy until late in life. Artus de Lionne was not only the prime motivator of Malebranche's composition of the Conversation, he was also Malebranche's primary source of information on Chinese philosophy. The six points in Malebranche's summary are: 1st. That there are only two types of being to know-li (or supreme Reason, Order, Wisdom, Justice) and matter [ch'i]. 2nd. That li and matter are eternal beings. 3rd. That li does not subsist by itself and independently of matter. Apparently, they regard it as form or as a quality distributed in matter. 4th. That li is neither wise nor intelligent although it is supreme wisdom and intelligence. 5th. That li is not free and that it acts only by means of the necessity of its nature without knowing or wishing anything of what it makes. 6th. That it renders intelligent, wise, and just the portions of matter disposed to receive intelligence, wisdom, and justice. For according to the literati of whom I speak, the mind of man is only purified matter, or disposed to be informed by means of i/, and by it rendered intelligent or capable of thinking. This is apparently why they agree that the li is the light which illuminates all men and that it is in it that we see all things. Malebranche's reference in the first point to supreme Reason, Order, Wisdom, and Justice as synonyms for ii implies a possible allusion to the four cardinal virtues of Confucianism. They are jen (Benevolence or Goodness), ii (Propriety or Ritual Order), chih (Wis-dom) and i (Righteousness or Justice). The four cardinal virtues were very prominent in the school of Chinese philosophy transmitted to Malebranche. While he consistently transliterates ii, Malebranche refers to ch'i only in translated form as "matter." But speaking more precisely, ch'i means "matter-energy" or "material force." As used by the School of li, li means principle in the sense of an organizing element. Li is sometimes referred to as "infrastructure," in contrast to "superstructure" in order to highlight the contrast between inner organization versus surface manifestation. There are very strong organic connotations in li, as there are in many elements in Neo-Confucianism. With reference to Malebranche's second point, it is misleading to say that ch'i (material force) is eternal. Ch'i is permanently present in the world but is in constant flux. On the third point, it is oversimplified to say that li cannot exist independently of matter. In one sense this is true, but there are two aspects to the relationship between li and ch'i. In the chronological dimension li is co-temporal with ch'i and cannot exist apart from ch'i, but in a second dimension li has a logical priority over ch'i. The fourth point presents a superficial conception of li. While it is true that li is not regarded as wise or intelligent, the philosophy of Chu Hsi regards li as but one of three manifestations of Heaven. Chu Hsi states that in the Chinese classics, Heaven (t'ien) "... sometimes designates the blue sky (ts'angts'ang), sometimes it signifies the sovereign lord (chu-tsai) and sometimes it denotes principle (li) alone." Chu Hsi also states "Heaven is principle (li) but the blue sky is also Heaven, and the sovereign lord (chu-tsai) above is also Heaven." The criticism applied to the fourth point also applies to the fifth point. To say that ii is neither conscious nor wills anything of its creation is, in one sense, accurate. Chu Hsi himself says something similar. However, to refer to li as neither conscious nor willful in the way that Malebranche does is meaningless if one realizes that Chu Hsi used li to designate specifically that part of Heaven which is neither conscious nor willful. Malebranche overextends this one as-pect because he fails to realize that there is another dimension of Heaven which Chu Hsi designated as chu-tsai (sovereign worker) and which is conscious and wills things. In the sixth point, to say that the mind consists only of purified matter is to overemphasize the material aspect in the School of li Neo-Confucianism. In the context of insular Eurocentrism, Malebranche may have been motivated to write the Conversation more because he recog-nized signs of the Spinozistic enemy in Chinese philosophy than be-cause of any great interest in China. In his letter of June 1713 to Fenelon, Malebranche complains that his composition of the Conversation was not based on any desire to participate in the Chinese Rites Controversy and in the debate between the Jesuits and the Society of Foreign Missions, but simply to satisfy the repeated requests of De Lionne. Malebranche states that he had permitted the Conversation to be published because he believed he could use it to make clear that he had written not against the Jesuits but against Spinozists in disguise. For the defenders of the faith, the Chinese Rites Controversy was important only as it related to their battles with Benedict Spinoz and certain followers of Descartes who carried Cartesian principles in freethinking directions. Spinoza, in particular, was regarded as a deadly enemy of the Christian faith. Malebranche probably wrote the Conversation in 1707 and con-sented, with some reluctance, to its publication in February, 1708. He is said to have been shocked and completely unprepared for the intensity of the response. The first published reaction came in a critical review in the July 1708 issue of the prominent Jesuit journal, Memoires de Trevoux pour servir a l'histoire des sciences et des beaux-arts. The review was unsigned but later identified as the work of Louis Marquet, S.J. (ca. 1650-1725), a professor of theology at Paris. Malebranche responded with a point-by-point rebuttal published in August 1708 as Avis touchant l'Entretien d'un Philosophe chretien avec un philosophe chinois (referred to herein as Note on the Conversation). The second response from the Memoires de Trevoux (December 1708) was less critical of Malebranche than the first response and, in fact, criticized the unnamed author of the first response (i.e. Marquet). There were further countercharges of Spinozism and atheism against Malebranche by the Jesuits Jean Hardouin (1646-1729) and Joseph Rene Tournemine, both of whom were closely associated with the Memoires de Trevoux. Nevertheless, the Christian responds to the Chinese's skepticism about the existence of infinity with the first of his proofs for the existence of God. It consists of a variation of the ontological argument, which happens to be the principal argument in Malebranche's philosophy for the proof of God's existence. The ontological argument originated with Anselm of Canterbury and was used by Descartes whose version of it was adapted by Malebranche. In Malebranche's formulation of this argument, the idea of a mere finite thing does not imply its exis-tence because finite things have ideas to represent them, i.e., the thing is separate from the idea. Malebranche adopts Descartes' separation of mind and extension. There is no interaction between thought and extension, except through God who contains the idea of extension which our minds perceive. Malebranche's philosophy, we can better understand the Christian philosopher of the Conversation when he says ". .. one cannot perceive all things in ii if it does not eminently contain all beings. If the ii is not the infinitely perfect Being, who is the God whom we adore?" Malebranche makes it quite clear that to be regarded as the equivalent of the Christian God, ii must be infinite in the extent of its being. After the Chinese philosopher has accepted the notion of infinity, he still expresses considerable difficulty with the abstractness of the Christian philosopher's argument. In response to the former's request for a demonstration of God's existence as a particular being, the Christian philosopher responds that a particular God is too limited and would contradict God's infinite nature. After the Chinese philosopher has accepted the notion of infinity, he still expresses considerable difficulty with the abstractness of the Christian philosopher's argument. In response to the former's request for a demonstration of God's existence as a particular being, the Christian philosopher responds that a particular God is too limited and would contradict God's infinite nature this interpretive extension. In Malebranchian philosophy, truth consists of the correspondences between our ideas and the truth. understanding of such correspondences by himself, but needs God as the source of his illumination. We see eternal truths in God indirectly by means of ideas which correspond to these truths. Malebranche concludes that ii can be supreme truth only because, being infinitely perfect, it contains in the simplicity of its essence, the ideas of all the things that it has created and that it can create. This, of course, represents a projection of Malebranche's def-inition of God onto the Chinese ii. We should not be surprised to find that ii fails to satisfy some of these criteria. Malebranche resolves the deficiency of ii being unable to subsist without matter when he claims that while the arrangements of matter may change and perish, ii itself is eternal and immutable; thus, the Chinese philosopher is able to conclude that ii really would subsist by itself. Malebranche resolves the deficiency of ii being unable to subsist without matter when he claims that while the arrangements of matter may change and perish, ii itself is eternal and immutable; thus, the Chinese philosopher is able to conclude that ii really would subsist by itself. The second deficiency proves to be more difficult to resolve, and an interesting debate ensues over whether ii manifests Wisdom and Justice as abstract qualities or whether ii is consciously wise and just. The Christian argues that ii should manifest both, whereas the Chinese, perhaps reflecting less of a tendency toward anthropomorphizing divine forces, argues that ii is Wisdom and Justice but not wise and just because the abstract qualities of Wisdom and Justice are greater than their human manifestation. Put somewhat differently, the Chinese argues that forms and qualities are different from subjects. This debate draws out further differences between the Christian and the Chinese on the power of their conceptions of deity. The Christian stresses that God as infinitely perfect being acts of his own volition and draws consequences from himself alone, that is, his power is unlimited. In contrast, the Chinese philosopher tends to see certain limitations on the power of li. It is interesting to note that Leibniz saw similarities between the Chinese limits on the power ofli and his own monadically-based limitations on God's power to intervene actively in the world. The remainder of the Conversation attempts to bring God and ii closer together. Malebranche has the Christian distinguish between material (i.e., finite) space and infinite space. To be equivalent to God, ii would have to contain infinite space. More specifically, ii would have to contain-Malebranche implies that the Chinese concedes it does-all the objects of our understanding as infinitely perfect and maintain a correspondence between the perfect simplicity of its essence and the reality of all finite beings. John Ho : Malebranche war nie in China und äussert sich von seiner christlichen Philosophie aus. Seine Abhandlung ist eine christliche Apologie gegen die chinesische Metaphysik. Das Prinzip li kann niemals dem Gott der christlichen Offenbarung verwandt sein, weil Gott ein absolutes Wesen ohne Anfang und Ende ist. Aber das li der Chinesen ist aus dem Nichts hervorgegangen und ist niemals die Vollkommenheit und Unendlichkeit selber. Li ist Materie und kann nicht aus sich selber existieren. Vielmehr erhält sie im Licht unserer Erkenntnis erst ihr Sein. Die Materie existiert, weil unsere Erkenntniskraft sie in Dienst nimmt. Lee Eun-jeung : Malebranche nimmt im Ritenstreit Partei gegen die Jesuiten und stellt seine Auseinandersetzung mit dem Konfuzianismus in Form eines Dialogs dar. Anstelle von Sokrates lässt er einen christlichen Philosophen als Gesprächspartner auftreten, der die theologische Waffe seiner Religion gegen den heidnischen Widerpart kraftvoll ins Felde führt. Am Schluss muss sich die chinesischen Philosophie gegenüber der europäischen geschlagen geben. Jacques Pereira : La forme dialoguée s'explique par une visée didactique qui rend peut-être comte du fait qu'il ne brille pas par son équité intellectuelle à l'endroit de la pensée chinoise. Peu renseigné, et de manière tendancieuse, par l'évêque de Rosalie qui avait eu à se plaindre de l'accueil des missionnaires jésuites là-bas, Malebranche, à la vérité, se soucie assez peu de l'exactitude de la pensée chinoise et la conception qu'il s'en fait est en réalité asservie à ses propres finalités polémiques ; comme il a plus en tête de combattre les systèmes métaphysiques européens déviants tels que l'athéisme ou le spinozisme, sa lecture de la philosophie chinoise va très nettement être tirée vers ceux-ci. C'est ainsi que par un réflexe philosophique strictement européen il va spontanément en comprendre les principes comme ceux d'un dualisme : deux principes éternels structurent la réalité, le 'Ly' et la matière ('K'y') ; cette dualité ne saurait cependant se ramener à l'antithèse Esprit / matière, dans la mesure où le 'Ly' n'est pas à proprement parler une substance. En d'autres termes, nous avons affaire à un dualisme bancal, hétérogène aux catégories logiques et métaphysiques élaborées par la philosophie antique reprises par la métaphysique chrétienne et, dans les aléas de la transposition, ce principe spirituel va devenir un être matériel d'une nature épurée qui vient se superposer exactement au schéma de la cosmologie matérialiste de l'Antiquité gréco-romaine. Ayant ravalé à son palier extrême le système métaphysique des lettrés chinois néo-confucéens, il a toute latitude pour en faire, au choix, un athéisme ou un spinozisme, ce qui dans son esprit, et celui de nombre de ses contemporains, n'est pas loin d'être la même chose. Malebranche se dégage de l'impasse dans laquelle s'enlisait la polémique du 'T'ien' ; mais ce faisant, lui qui n'est déjà guère versé dans la philologique et la philosophie chinoises, lorsqu'il finit, au terme de son parcours, par interroger le 'Ly' comme un synonyme recevable de ce dernier et l'examine en tant que représentation de Dieu, il ne fait que perpétuer un grossier abus de méthode, aux yeux de la philosophie occidentale elle-même, en rabattant und problématique métaphysique sur une problématique théologique. Malebranche trouva dans le traité de Longobardi une confirmation des opinions d'Artus de Lionne, et ne chercha pas plus loin. C'est que, comme le dit Etiemble avec une sévérité que nous ne pouvons qu'approuver, il ne tient pas pour essentiel de rendre justice à la pensée chinoise : sa première préoccupation étant de se disculper de l'accusation de spinozisme en le combattant, il n'aura pas fait autre chose que substituer dans son dialogue un spinozist au malheureux philosophe chinois. Willy Richard Berger : Malebranches christlicher Philosoph führt massiv die theologischen Waffen seiner Religion gegen den heidnischen Widerpart. Sein Dialog ist eine tehologisch tendenziöse, dezidiert antijesuitische Kampfschrift, in Form eines scholastischen Traktats über die wahre Gottesnatur, aber doch deutlich als vorbehaltlose Parteinahme im Ritenstreit erkennbar. Der Dialog verdankt sein Entstehen der freundschaftlichen Verbundenheit Malebranches mit Artus de Lionne, einem erklärten Jesuitenfeind. Dieser überzeugte Malebranche, dass allein seine Philosophie imstande wären, den Chinesen und ihren jesuitischen Fürsprechern die singulare Wahrheit und Überlegenheit der einen katholischen Lehre begreiflich zu machen. In der aufgeladenen Athmosphäre der Ritendiskussion fand die Schrift starke und unmittelbare Resonanz. Gleich nach dem Erscheinen erschien eine projesuitische Erwiderung : Mémoires de Trévoux (1708), die wiederum Malebranche zu einer unmittelbaren Entgegnung veranlasste : Avis touchant l'entretien (1708). Malebranche versucht sich am Vergleich zwischen der Idee des Li bei Zhu Xi und dem christlichen Gottesbegriff. Doch beschränkt sich die Parallele auf ganz äusserliche Gemeinsamkeit. Malebranches Schrift ist nicht nur eine Apologie orthodoxer katholischer Glaubensfrömmigkeit im Gewand eines cartesianischen Traktats, sondern zugleich eine Refutation des Spinozismus in der Verkleidung einer vergleichenden Auslegung eines chinesischen Philosophen. André Robinet : On peut dire que l'Entretien est une pièce de combat adaptée à une quadruple finalité : 1. prendre parti dans la lutte qui oppose la quasi-totalité du monde chrétien des Jésuites et qui se manifeste ici très particulièrement par le refus d'abaisser la vérité de la religion au profit d'un opportunisme de conquête : mission, oui, mais sans démission ; 2. reprendre une nouvelle fois, en les précisant, les points philosophiques élaborés aux dépens d'Arnauld, en réponse aux oeuvres publiées après la mort de cet adversaire et en annonce du Recueil massif qui se prépare ; 3. profiter de l'aspect métaphqsique de la dispute pour recenser les griefs contre Spinoza : dans cet Entretien, le tacite est peut-être 'l'essentiel', et le tacite, c'est l'ombre des Spizoza ; d'ailleurs les lettres au spinoziste Mairan s'appuieront sur cet Entretien ; 4. donner au malebranchisme missionnaire et militant sa chance dans le contact des idées qui s'instaure entre l'Orient et l'Occident. |
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12 | 1711-1714 |
Joachim Bouvet arbeitet mit Jean-François Foucquet, Joseph Henri-Marie de Prémare und anderen Missionaren an der Erforschung des Yi jing. Pierre Vincent de Tartre und Kilian Stumpf halten die Arbeiten am Yi jing für eine Gefahr für die Mission. Als ihr Druck auf Jean-François Foucquet und Joachim Bouvet zu gross wird, entschliesst sich Jean-François Foucquet China zu verlassen. Er tritt später aus dem Jesuitenorden aus. Bouvet erforscht die klassischen Bücher wie Yi jing und Shu jing. Er hält es für falsch, dass das Yi jing als ein Buch des Aberglaubens aufgefasst wird, es enthält für ihn die ganz reine Philosophie und Weisheit des Altertums und er sieht darin ein vollkommenes System der chinesischen Metaphysik. Er ist überzeugt, dass die Chinesen den Glauben an Jesus Christus annehmen würden und meint, die Chinesen hätten den wahren Glauben an Gott verloren, weil ihnen die originale Bedeutung ihrer Schriftzeichen verloren gegangen sei. Bouvet sieht eine Beziehung zwischen dem tieferen Sinn der chinesischen Schriftszeichen und den religiösen Vorstellungen. Die ursprünglichen metaphysischen Ideen und Prinzipien, die in den Schriftzeichen enthalten sind, seien vergessen worden. |
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13 | 1711 | Gottfried Wilhelm Leibniz schreibt an Maturin Veyssière la La Croze : "Je crois avec vous, que les anciens caractères chinois étaient Hiéroglyphes. Apparement c'étaient au commencement les peintures des choses : mais enfin pour abréger et pour étendre cette écriture, ils ont conservé seulement quelques traits de figures et ils en ont fait des combinaisons, pour exprimer les autres choses dont une bonne partie ne saurait être peinte ; d'où sont venus insensiblement leurs caractères d'à present". | |
14 | 1711 |
Noël, François. Sinensis imperii libri classici sex [ID D1801]. John Ho : Noël sieht zunächst in der Religiosität der Chinesen die Grundlage der chinesischen politischen Philosophie und ist überzeugt, dass die Chinesen den wahren Gott gefunden haben. Er ist wie Philippe Couplet der Meinung, dass die Chinesen dem wahren Glauben, dem Glauben an den Himmel (tian) folgen. Da sie den Himmel verehren, wird die Gesellschaft vom Herrscher der Natur 'tian' bestimmt und nach himmlischen Gesetzen geformt. Diese Gesetze sollen die Menschen belohnen, die ihren sozialen Verpflichtungen nachkommen, und die bestrafen, die sich der Verantwortung entziehen. Die andere Grundlage der chinesischen Gesellschaft ist das Naturprinzip. In dieser Naturordnung steht die Gesellschaft in einer Wechselbeziehung mit der Familie. Die Beziehung zwischen Herrscher und Bürgern steht in Analogie zu der zwischen Vater und Kindern. Die Bürger übernehmen die Gedanken und Tugenden des Herrschers, genau so wie die Kindier die des Vaters. Die Beziehung zum Herrscher ist getragen von Verehrung, Achtung, Liebe, Freundschaft und Dankbarkeit und darin wurzelt das gesellschaftliche Glück. Ein chinesischer Kaiser missbraucht niemals seine Macht und will zum Wohle der Gesellschaft herrschen. Nach Noëls Interpretation ist das Prinzip der chinesischen Gesetzgebung ein vernünftiges Naturrecht. Dieses Gesetz soll die menschliche Gesellschaft mit der vorgegebenen natürlichen und idealen Gesellschaftsform in Einklang bringen. Der Geist des chinesischen Gesetzes soll den Charakter des Menschen prägen und verinnerlichen. Noël erkennt zwar, dass das chinesische politische System nicht demokratisch ist, aber in sich doch einen demokratischen Geist besitzt. Zum chinesischen Unterrichtswesen schreibt Noël, dass der Unterricht in der Schule der Kinder im Dienst der ethischen Ausbildung besteht. Die Bildung der Schule der Erwachsenen ist mehr theoretisch. Hier geht es darum, Intelligenz und Denken zu schulen. Hauptsächlich werden die moralischen Prinzipien vermittelt, um dadurch das Verständnis der praktischen Tugenden zu vertiefen. Dabei lernt man die menschliche Natur und die Moral der Gesellschaft besser verstehen, um das Wahre vom Falschen und die Guten von den Bösen besser unterscheiden zu können. Noël sagt, dass die ganze chinesische Gesellschaft nur ein Zentrum hat : Moral, Politik, Gesellschaft und Pädagogik. Christian Wolff schreibt : Da der Übersetzer der vornehmsten Bücher des Sinesischen Reiches, ein Mann von einem sehr scharffen Verstand und grosser Beurtheilungskrafft, mehr als zwanzig Jahre mit der Durchlesung derselben zugebracht, und seinen möglichsten Fleis angewendet hatte, dass er den richtigen Verstand, welcher, wie er selbsten beknnet, an manchen Orten sehr schwer und dunkel ist, deutlich genug erkennen möchte ; so hat er endlich in der Vorrede der Übersetzung dieses Urteil gefället, dass er in denselben nicht eine verborgene und hohe Wissenschafft, sondern nur eine gemein Tugend und Sittenlehre, eine Einrichtung des Hauswesens, und eine Staatsklugheit enthalten seye, so dass ihn nicht sowol die Vortrefflichkeit des Innhatls und der Sache selbst, als die vielen Leute, welche damit beschäfftiget sind, zu dieser Übersetzung angetrieben haben, welche von so vielen unternommen, aber in mehr als hundert Jahren, seit dem die Sinesische Mission ihren Anfang genommen hatte, nicht zu Stande gebracht worden ist. Ich aber, da ich diese Bücher kauf so beyläuffig betrachtete, habe alsobald wahrgenommen, dass eine höhere Weisheit darinnen verborgen liege, ob es schon Kunst braucht, dieselbe heraus zu suchen. Noëls Übersetzung zufolge lehre Konfuzius, und dies sei der Inbegriff seiner 'philosoophia pratica', dass der Verstand durch die Untersuchung der Gründe der Dinge den genauen Begriff des guten und Bösen erschliessen könne. Auf dieser Verstandesleistung aufbauend, könne der Wille derart gefestigt werden, dass er das Gute liebe und das Böse hasse. Das Ziel, auf das alle Handlungen auszurichten seien, sei die Vollkommenheit, und zwar die eigene und die Vollkommenheit der anderen ; die höchste Vollkommenheit sei das letzte Ziel alles Handelns. |
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15 | 1721 |
Wolff, Christian. Oratio de Sinarum philosophica practica [ID D1812]. Rede zum 28-jährigen Jubiläum der Hochschule zu Halle. Quellen : Noël, François. Sinensis imperii libri classici sex [ID D1801]. Noël, François. Observationes mathematicae, et physicae in India et China [ID D5595]. Quelle für die Anmerkungen von 1726 : Couplet, Philippe. Confucius sinarum philosophus [ID D1758]. Wolff schreibt : Nach Stand und Würden allerseits hochgeehrteste Zuhörer! Obgleich die Weisheit der Sineser von den ältesten Zeiten her sehr berühmt gewesen, und ihre ganz besondere Klugheit in Verwaltung des Staats von jederman in Bewunderung gezogen worden ist: so scheinet doch alles dasjenige, was von beyden insgemein pfleget gesaget zu werden, so wenig seltsames als vortreffliches in sich zu fassen. Der Confuz wird gemeiniglich für den Urheber einer so grosen Weisheit von uns angesehen: diejenigen aber, welche dieser Meynung beypflichten, bezeugen dadurch nichts anderst, als ihre Unerfahrenheit in den Sinesischen Nachrichten. Der Sinesische Staat hat sich lange vor den Zeiten des Confuz der vortrefflichsten Geseze zu erfreuen gehabt, indem die Fürsten ihren Unterthanen so wohl mit Worten als auch mit ihrem eigenen Beyspiel eine Richtschnur der grösten Vollkommenheit zur Nachfolge vor Augen gestellet, und die Lehrer und Hofmeister, so wohl Käyserliche und Königliche Prinzen, als auch anderer vornehmer und geringer Leute Kinder von der zartesten Jugend an zu wohlanständigen Sitten angewiesen, die Erwachsenen aber in der Erkenntniß des Guten und Bösen gestärket haben, also daß die Fürsten und Unterthanen den Preis der Tugend einander strittig machten. Denn die alten Käyser und Könige der Sineser waren selbst auch Weltweise: dahero hat man sich nicht zu wundern, daß ihr Staat nach dem Ausspruch, welchen Plato gethan hat, glükseelig gewesen seye, da Weltweise herrscheten, und die Könige Weltweise waren. Fo hi ist der erste, welchen die Sineser als den Stifter der Wissenschafften und des Reiches in China verehrten. Diesem aber haben Xin num Hoam ti, Yao und Xun in der Regierung nachgefolget, welche diejenige Einrichtung, welche Fo hi bereits gemachet hatte, mehr und mehr verbesserten, biß endlich die Käyser aus den Geschlechtern Hia, Xam und Cheü so wohl die Regierung als auch die Geseze zur grösten Vollkommenheit gebracht haben. Auf Erden aber ist nichts beständigers als der Unbestand. Kaum hatte die Weisheit und Staatsklugheit der Sineser einen so hohen Grad erreichet, so fingen sie auch schon wieder nach und nach an in Verfall zu gerathen, und wären fast gänzlich untergegangen, weil die Fürsten den Weg der Tugend verliesen, und die Vornehmsten sich nicht mehr nach den so sorgfältig gegebenen Gesezen, richteten, die Lehrer ihres Eydes und Pflicht vergasen, und die Unterthanen, die ohnedem übel geartet waren, nur Schandthaten und Laster verübten. Damals war ein recht bejammernswürdiger Zustand in dem Sinesischen Reiche! Denn wer sollte sich wohl, wertheste Zuhörer! nicht darüber betrüben, daß die Obrigkeit das ansehnlichste, nehmlich Tugend und Klugheit verlohren habe; daß die Geseze, worauf sich die allgemeine Wohlfarth gründete, schändlicher Weise unterdrüket worden sind; daß die Schulen, in welchen zarte Gemüther zu wohlanständigen Sitten angeführet, die Erwachsenen aber auf den rechten Weg der Ehrbarkeit bestätiget wurden, fast gänzlich eingegangen; und daß endlich das ganze Volk, das dem Müßiggang und den Wohllüsten ergeben gewesen, ganz und gar ins Verderben gerathen sind. Da es aber nun so verwirrt in dem Staat der Sineser aussahe; so hat Confuz, der ein sehr tugendhafter und gelehrter Mann, und von der göttlichen Vorsehung besonders darzu bestimmet war, dem Verfall derselben wieder aufzuhelffen sich bemühet. Er hatte zwar nicht selbsten das Glük, als ein König dem Staat heilsame Geseze vorzuschreiben, dieselben öffentlich einzuführen, und andere zu denselben hinzuzuthun; sondern er war nur darauf bedacht, die Pflichten eines Lehrers auf das genaueste und möglichste zu beobachten. Dahero, ob er schon nicht thun konnte, was er wollte, so hat er doch dasjenige bewerkstelliget, was in seinem Vermögen war, und nicht das geringste unterlassen, was zur Verrichtung und Zierde seines Lehramtes in Ansehung seines Verstandes nur von ihm hat gefordert werden können. Dazumahl war den Sinesern die Regel noch wohl bekannt, welche ihnen von den alten Weltweisen, welche auch zugleich ihre Käyser und Könige waren, sehr nüzlich eingepräget worden ist, daß die Beyspiele der Käyser und Könige den Unterthanen zur Richtschnur ihrer Handlungen dienen sollten. Da nun ihre ersten Käyser und Könige also gelebet und regieret hatten, daß sie auch andern zu einem Beyspiel dienen konnten: so werden sie so wohl wegen ihrer wohlanständigen und vortrefflichen Sitten als auch wegen ihrer grosen Staatsklugheit, von allen und jeden noch heut zu Tag gebührend verehret. Dahero hat Confuz mit besonderer Mühe die Jahrbücher der alten Käyser und Könige durchgelesen, was darinnen als eine Richtschnur recht zu leben und zu regieren angenommen, und durch ihre Beyspiele bekräfftiget worden war, herausgelesen, was er sich besonders daraus bemerket hatte, öffters in eine reiffe Betrachtung gezogen, und endlich nach genügsamer Ueberlegung und Erfahrung an sich selbsten, es seinen Untergebenen, um es auf die späte Nachwelt fortzupflanzen, anvertrauet. Confuz ist also zwar nicht als der Stiffter aber doch als der Wiederbringer der Sinesischen Weltweisheit billig anzusehen. Ob nun schon dieser Weltweise keine neue Richtschnur zu leben und zu regieren gemachet hat, wiewohl es ihm an Verstande nicht fehlete, indem er nicht aus eitler Ehrbegierde, sondern aus Liebe zu dem Wohlstand und der Glükseeligkeit seines Volkes darzu getrieben wurde: so ist er doch damahls in so grosem Ansehen, als heut zu Tag gestanden, also, daß er, da er ehemahls lehrete, drey tausend in seiner Schule, die seinen Unterricht genossen hatten, zehlen konnte, nun aber ihn auch die Sineser noch so hoch halten, als die Juden den Moses, die Türken den Mohammed, ja wir selbsten den Heyland achten, in so fern wir ihn als einen Propheten und Lehrer, der uns von GOtt gegeben worden ist, verehren. Nun hat es zwar Confuz nicht so weit gebracht, daß beständig ein löbliches Regiment und gute Sitten in China geblühet hätten: dann China hat schon vor dem Confuz und auch nach demselben viele Veränderung erfahren, da so wohl die Lehrer, die die Scharffsinnigkeit und den Verstand nicht besasen, welchen der Confuz gehabt hatte, und also die Höhe und Tieffe der Lehren dieses so grosen Weltweisen keinesweges erreichten: als auch da die Käyser und Könige von den Beyspielen der alten Helden, die Confuz so deutlich vor Augen gemahlet hat, abgiengen, und das ganze Volk sich nicht also bezeigte, wie ihr so vorsichtiger und behutsamer Führer Confuz sie gelehret hatte: so habe ich doch hier die Absicht nicht die so grosen Veränderungen der Dinge zu untersuchen, sondern etwas weit wichtigers, und das ihre Aufmerksamkeit, meine geneigte Zuhörer, mehr verdienet vorzutragen. Wir wollen die Sinesische Weltweisheit etwas genauer betrachten, und aus derselben die geheime und verborgene Grundwahrheiten der Sitten und des Regiments, aus derjenigen Tiefe, in die vielleicht nicht ein jeder sich hinein wagen kan, heraus hohlen, was heraus gehohlet ist an das Licht bringen, und das an das Licht gebrachte behutsam von einander unterscheiden. Wohlan demnach, meine wertheste Zuhörer! Vergönnen sie dem Redner ihre Wohlgewogenheit, und ein geneigtes Gehöre; wo aber meine Einsicht in dieser so wichtigen Unternehmung ihnen nicht hinreichend zu seyn scheinen solte, so belieben sie die Proben von ihrer besonderen Gütigkeit abzulegen, wofür ich ihnen wiederum in allen möglichen Fällen, zu dienen, mich verbindlich mache. Die Sache, von der ich zu reden beschlossen habe, hat eine gewisse natürliche Schönheit, dadurch sie die nach hohen Dingen begierige Gemüther vergnügen kan, und sie hat nicht nöthig einen fremden Pracht von den Worten erst zu entlehnen, um dem Gehöre derer, so dem Gemüthe nach abwesend sind, ein Vergnügen zu machen. Sie erlauben also, daß ich mir dabey einer niedrigen Art zu reden, bediene, und mich hierinnen nach den Bildhauern richte, die, wenn sie eine schöne Weibsperson auf einem Stein vorstellen wollen, dieselbe nakend abbilden, damit die Bemühungen der Weisheit, welche die Natur in der Bildung, und die Bemühungen des Fleisses, welche die Kunst, die mit der Natur eifert, bey der Nachahmung zum Zwek gehabt hat, zugleich miteinander in das Gesicht fallen, und so endlich die unverwandten Augen geweidet, und die Gemüther mit einem angenehmen Vergnügen gesättiget werden. Da wir, meine wertheste Zuhörer! die Gründe der Sinesischen Weltweisheit, welche von jedermann durch so viele Jahrhunderte hindurch bewundert worden sind, in etwas genauer untersuchen wollen, so haben wir einen Prüfestein vonnöthen, damit wir das Wahre von dem Falschen unterscheiden, und ein jegliches nach seinem rechten Werth beurtheilen können. Wir wissen, daß die Weisheit nichts anderst als eine Wissenschafft der Glükseeligkeit seye, welcher niemand theilhafftig seyn kan, als der sich in einem wohl eingerichteten Staat der guten Sitten befleissiget. Es wird demnach niemand unter uns läugnen, daß diejenige für ächte Gründe der Weisheit zu achten seyen, welche mit der Natur des menschlichen Verstandes überein kommen, und diejenigen als Falsche verworffen werden müssen, welche der Natur des menschlichen Verstandes zuwider sind. Dann gleichwie der Grund von allem demjenigen, welches entweder in den Dingen, oder von ihnen nur einigermasen herkommen, von dem Wesen und der Natur derselben hergeleitet werden muß; also kan man auch den Grund von Dingen, die von unserm Verstande abhangen, nirgends anders, als aus der Beschaffenheit unseres Verstandes herleiten. Ja wenn einer einem andern etwas zu thun befehlen wollte, welches in dem menschlichen Verstande nicht gegründet wäre; so würde man von ihm sagen, daß er einen Menschen zu etwas verbinde, welches unmöglich ist. Es ist mir zwar nicht unbekannt daß Männer, die mehr als menschliche Weisheit besizen, und welche wir als Gottesgelahrte verehren, mit gutem Grunde behaupten, daß man durch die Gnade GOttes auch Dinge verrichten könne, welche die Kräffte der Natur weit übersteigen. Ob nun aber schon das, was die von oben mit Göttlichem Lichte erleuchtete einsehen, auch allerdings mit der Wahrheit der Sache übereinstimmen muß: so streitet dieses doch keinesweges wider dasjenige, was ich behaupte. Denn da die Seele des Menschen der Göttlichen Gnade fähig ist, da sie sonsten derselben, wann sie ihr angeboten würde, nicht theilhafftig werden könnte: so muß in ihrem Wesen und in ihrer Natur Selbsten ein Grund enthalten seyn, warum sie dasselbige an sich nehmen kan, es mag auch für einer seyn, was es für einer immer seyn will. Es ist also der menschlichen Natur gemäs daß die Kräffte der Natur durch die Krafft der Gnade erweitert, und zu einem höhern Grad getrieben werden. Sie mögen dahero den Prüfestein zu den Gründen der Weisheit entweder selbsten abgeben oder nur einrichten: so kan ich dem ohngeachtet die Uebereinstimmung derselben mit der Natur des menschlichen Verstandes behaupten, daß wir nehmlich dasjenige als wahr annehmen, dessen Grund daher geleitet werden kan, und dasjenige als falsch verwerffen, davon kein Grund in demselben enthalten ist. Nach diesem Prüfestein sind die Gründe der Sinesischen Weisheit nicht zu verachten. Dan erstlich ist vor allem zu merken, daß die Sineser keine menschliche Handlungen zu unternehmen befohlen, und von den Uebungen in den Tugenden und Sitten nichts ausgemachet haben, als was ihrem Einsehen nach, mit der menschlichen Vernunfft auf das genaueste überein kam. Wir haben uns dahero nicht zu wundern, daß alle ihre Unternehmungen so glüklich von statten gegangen sind, da sie nichts unternommen haben, als was in der Natur gegründet gewesen war. Diejenigen, welche die sittlichen Dinge tiefer einsehen, erkennen sehr wohl und deutlich, daß die menschliche Handlungen, ob sie schon dem Geseze gemäs sind, dennoch verschiedene Bewegungsgründe haben. Dann entweder stellet sich das Gemüth die Veränderung des menschlichen Zustandes, sowol des innern, als des äusern vor, welche aus der Handlung erfolget; oder es bedienet sich zu Bewegungsgründen, der Eigenschafften und Vorsehung ja auch der Hoheit und Majestät GOttes; oder es geben ihm die Wahrheiten, die von GOtt geoffenbahret worden, und von Natur unbegreifflich sind, als diejenige, welche wir von dem Heylande und Erlöser des menschlichen Geschlechtes, als den Grund unseres Gottesdienstes annehmen, Bewegungsgründe ab. Wer die Handlungen nach dem Erfolg beurtheilet, richtet seine Handlungen nur blos nach der Vernunfft ein, und die Tugenden, die er liebet, sind blos den Kräfften der Natur zuzuschreiben. Wer durch eine nur nach dem Lichte der Vernunfft angestellte Betrachtung der Göttlichen Eigenschafften und Vorsehung GOttes zu einer Handlung geleitet wird, desselben Tugenden entspringen aus einem natürlichen GOttesdienst. Wer endlich durch die göttlich geoffenbahrten und von Natur unbegreifflichen Wahrheiten, etwas zu thun angetrieben wird, desselben Tugenden sind nur den Kräfften der Gnade zuzuschreiben. Die alten Sineser, von welchen ich rede, die, da sie nichts von dem Urheber aller Dinge wusten, auch einen natürlichen Gottesdienst, noch vielweniger einige Spuren der göttlichen Offenbahrung hatten, konnten also keine andere, als nur natürliche Kräffte, welche sich auf keinen Gottesdienst gründen, zur Beförderung der Ausübung der Tugend gebrauchen. Daß sie aber derselben sich mit grosem Nuzen bedienet haben; wird so gleich mit mehrern dargethan werden. Sie haben also nicht auf die Unvollkommenheiten des menschlichen Verstandes, aus welchem als aus einer Quelle, Laster, Schand- und Uebelthaten herzurühren pflegen, gesehen: sondern nur auf dessen Vollkommenheit ihr Augenmerk gerichtet, damit sie ihre natürlichen Kräffte erkennen, und was ihnen nur nach denselben möglich wäre, erlangen möchten. Es werden zwar einige die Sineser tadeln, daß sie die menschliche Unvollkommenheit nicht genau erwogen haben, und daß sie nicht darum bekümmert gewesen sind, um der Krankheit ihres Gemüths abzuhelffen, die Laster zu fliehen. Es ist aber das Gemüth ganz anders als der Leib beschaffen, und man kan nicht allezeit von den Krankheiten dieses auf die Schwachheiten von jenem einen sichern Schluß machen. Wer die Tugend lernet, der wird durch eben diese Bemühung sich die Laster abgewöhnen, denn die Tugenden sind den Lastern zuwieder, und können nicht beyde zugleich statt finden. Wo eine Tugend zugegen ist; da ist das ihr entgegengesezte Laster nicht vorhanden. Und gleichwie die Erkänntniß der Tugend allezeit sehr vortheilhafft ist, also gereichet die Unwissenheit derselben mehrentheils zum Schaden. Daher bringet im Gegentheil die Unwissenheit der Laster einen beständigen Nuzen, und ihre Erkänntniß ist offtermahls schädlich. Demnach haben die Sineser nicht allzugroses Unrecht, daß da sie sich wenig um die Schändlichkeit der Laster bekümmert, sie vornehmlich dahin getrachtet haben, daß die Ausübung der Tugend mehr und mehr empor kommen, allen aber gänzlich verborgen bleiben möchte, was ein Laster sey. Und hierinnen haben sie den verständigen Vernunfftlehrern nachgefolget, welche wenig um die Vermeidung der Vorurtheile bekümmert sind, sondern vielmehr auf die Kräffte des Verstandes dringen, und zu untersuchen pflegen, wie sie dieselben zur Erforschung der Wahrheit anwenden können, da sie versichert sind, daß so dann keine Vorurtheile herrschen, wo man das Wahre von dem Falschen deutlich unterscheidet; daß man aber vergebens die Vorurtheile zu fliehen gebiete, wo die Kräfte das Wahre zu erkennen, annoch fehlen. Daß die menschliche Seele einige Kräffte so wohl gute Handlungen zu verrichten, als Böse zu unterlassen besize; wird, wie ich dafür halte, niemand leugnen. Denn es ist ohnedem bekannt, daß dieses die natürliche Beschaffenheit desselben seye, daß sie nichts verlanget, als was sie für gut erkennet, und hingegen nichts verabscheuet, als was sie für böse angesehen hat: dahero andere schon längstens angemerket haben, daß wenn es sich zuweilen zutragen sollte, (welches leyder offt zu geschehen pfleget), wenn man etwas Böses erwehlet, welches gut zu seyn scheinet; das verworffen werde, welches das Ansehen hat, als wäre es böse. Denn die Erfahrung lehret uns, daß Menschen, die nach ihren Empfindungen gehen, das Gute, nach den Vergnügen, welches sie darnach geniesen, und das Böse nach den Schmerzen und Verdruß, womit sie belästiget werden, beurtheilen. Da also die Empfindungen nur das Gegenwärtige fürstellen, das Zukünfftige aber weit von ihnen entfernet bleibet; so vermischen sie das Vergängliche mit dem Unvergänglichen, und ziehen die Scheingüter den wahren Gütern vor, ja sie tragen öffters vor wahren Gütern einen Abscheu, weil sie erst in der zukünfftigen Zeit ihnen ein Vergnügen erweken, welches sie noch nicht voraus empfinden. Wer also diese gefährliche und unglükseelige Wege vermeiden will, der muß auf das Zukünfftige sehen, und nach denselben den Befehl der menschlichen Handlungen und Verrichtungen beurtheilen. Der Verstand hat ein Vermögen das Gute von dem Bösen, und das Böse von dem Guten zu unterscheiden, desgleichen auch die Finsterniß, welche die Empfindungen im Verstande verursachen, zu vertreiben. Die Handlungen sind nehmlich entweder gut oder böse, in so fern sie diese oder jene Veränderung in unserm Zustand zuwege bringen: Eine geübte Vernunfft aber siehet die Veränderungen zum Voraus, welche aus den Handlungen, die man entweder vorgenommen oder unterlassen hat, entstehen. Da dasjenige, was gut ist, unsern Zustand keinesweges unglüklich machet, sondern denselben vielmehr in Ruhe und Friede versezet; das Böse aber, alles verwirret, das Oberste mit dem Untersten vermischet, ja beständige Unruhen zu erweken pfleget: so wird das Gemüthe, welches beydes zum Voraus siehet, durch den Erfolg der guten Handlungen vergnüget; die Bösen aber bringen in ihnen einen Ekel und Mißfallen hervor, so lange es nach seiner Vernunfft urtheilet. Dahero haben wir einen Antrieb in uns, nach dem Guten, das wir erkennen, zu streben, und das Böse, dessen Schändlichkeit wir wahrnehmen, zu fliehen. Damit wir nun des Vorsazes eingedenk seyn, und dabey beständig verharren können, so erstreket sich solches niemahls über die Kräffte des Gedächtnisses und der Vernunfft, welche auf das genaueste mit einander verbunden sind: wie ich an einem andern Ort weitläufftiger erkläret habe. Da also ein Mensch nach dem Gebrauch seiner natürlichen Kräffte das Gute und Böse unterscheiden, durch jenes vergnügt, und durch dieses mißvergnügt werden, und seines Vorsazes eingedenk seyn kan: so sehe ich nicht, Wie einer läugnen wolte, daß einige Kräffte der Natur, zur Ausübung der Tugend und Vermeidung der Laster hinlänglich wären. Und weil die Sineser, welche ihre Kräffte auf keine andere Art gebrauchen konnten, einen vortrefflichen Ruhm der Tugend und Klugheit sich erworben haben; so haben sie mit ihrem Beyspiel hinlänglich gezeiget, daß der Gebrauch dieser Kräffte nicht vergebens gewesen seye. Gleichwie es aber höchst unbedachtsam, verwegen und gefährlich gehandelt ist, wenn man den Verstand in Untersuchung der Wahrheit Gränzen sezen wollte: Also würde auch derjenige sehr kühn und unbesonnen verfahren, welcher die Kräffte der Natur Gutes auszuüben, einzuschrenken suchte. Dann ob man schon, wann man vornehmlich zu einer nähern Erkänntniß des menschlichen Verstandes gelanget ist, darthun kan, wie weit es die Sineser gebracht haben, indem man ihre Jahrbücher, darinnen das Leben und die Thaten ihrer ersten Kayser und Könige beschrieben worden sind genau durchgehen kan: so ist doch gewiß, daß sie es keinesweges zu der grösten Vollkommenheit gebracht haben, und wird dahero niemand behaupten, daß man nicht weiter gehen solle, als sie gekommen sind. Wir gehen dahero zur gegenwärtigen Sache selbst, und bekümmern uns nicht darum, wie weit wir fortgehen sollen, sondern wollen vielmehr sehen, wie weit es zu kommen möglich ist. Es stimmet dieses mit der Gewohnheit der alten Sineser ganz genau überein, welche sich sowol in ähnlichen als unähnlichen Fällen nach dem Beyspiel ihrer Vorfahren gerichtet und gelehret haben, daß man nur bey der grösten Vollkommenheit, das ist, niemahls bey etwas stehen bleiben solle. Hier sehen sie also, hochzuehrende Zuhörer! die Quelle, aus welcher die Sineser ehedem ihre Weisheit und Klugheit hergeleitet haben. Wir müssen aber auch, (welches vornehmlich unser Vorhaben ist) den Ausfluß aus derselben betrachten, damit wir die Reinlichkeit und Lauterkeit des Wassers, auch in seinem Strom, darinnen es fortläuffet, um desto besser erkennen können. Es träget der Unterscheid zwischen dem obern und untern Vermögen der Seele zur Tugend ein groses bey, welches auch einigen Alten bekannt, aber nicht faßlich u. deutlich genug gewesen ist. Zu den untern Vermögen rechnet man die Empfindung, die Einbildung und die Begierde, das ist, alles was in den Vorstellungen undeutl. vorkommt, und von diesen, in soferne sie undeutlich sind, abhanget: zu dem obern Theil aber gehöret der Verstand, (welcher um die zweyfache Bedeutung des Worts, die durch die verschiedene Art zu reden entstanden ist, aufzuheben bisweilen der reine Verstand (intellectus purus) genennet zu werden pfleget), die Vernunfft und der freye Wille, oder mit einem Worte, alles was in den Vorstellungen deutliches gefunden, und aus denselben in so fern sie deutlich sind, hergeleitet wird. Wer nur bey einer undeutlichen Erkänntniß der Dinge stehen bleibet, und durch keine andere, als die von den Weltweisen so genannte sinnliche Begierde, und durch die daraus entstandenen Gemüthsbewegungen, zu Handlungen angetrieben wird; der bringt sich eine Gewohnheit Gutes zu thun zu wege, aus welcher die Furcht vor einen Oberherrn meistentheils erhalten werden muß, damit sie nicht bey Gelegenheit durch das Gegentheil aufgehoben wird. Und in diesem Zustande ist der Mensch von dem Vieh nicht unterschieden, welches zwar die Vernunfft keinesweges gebrauchen kan, aber doch eine Empfindung und die daraus entstehende sinnliche Begierde hat. Wie man also unvernünfftige Thiere zu gewissen Handlungen anzugewöhnen pfleget, also gewöhnen sich auch Menschen in eben solchem Zustande, Handlungen, die in unserer Willkühr stehen, vorzunehmen. Diejenigen aber, welche sich eine deutliche Erkänntniß der Dinge zuwege zu bringen suchen, und durch diejenige Begierde, welche die Weltweisen die vernünfftige nennen (appetitum rationalem) zu etwas gutes angetrieben werden, die lenket ihr freyer Wille zu guten Handlungen, und die haben nicht nöthig aus Furcht eines Obern in dem Guten zu beharren, weil sie den innern Unterschied des Guten und Bösen erkennen, und andern, wenn es die Noth erfordert, hinlänglich erklären können. Die Wahrheit zu sagen, so weis ich niemand, der dieses bey der Einrichtung der menschlichen Sitten so genau beobachtet hätte, als die Sineser. Als die Sineser unter den Kaysern, welche anfangs angeführet worden sind, so glükseelige Zeiten genossen; so hatten sie an allen Orten des Reiches in China zwey Schulen angerichtet. Die eine nenneten sie die Schule der Kleinern, welche sich auf den untern Theil der Seele gleichsam gründete: die andere aber wurde die Schule der Gröseren (schola adultorum) genannt, welche mit dem obern Theil der Seele gänzlich beschäfftiget war. Und dieses war der Grund, warum die Knaben von acht biß funffzehn Jahren alt, in die Schule der Kleineren giengen, weil sie ihren Verstand noch nicht gebrauchen konnten, und also nur durch sinnliche Vorstellungen musten gelenket und regieret werden; keiner aber vor dem funffzehenden Jahr in die Schule der Grösern angenommen wurde, damit wenn sie ihre Vernunfft gebrauchen lerneten, auf höhere Dinge denken möchten. Und das war eben auch die Ursache, warum alle und jede ohne Unterschied, sowol Kayserliche und Königliche Prinzen, als auch anderer vornehmen und geringen Leute Kinder in die Schule der Kleinern kommen konnten. In der Schule der Gröseren aber keiner angenommen wurde, als der aus einem Kayserlichen, Königlichen und sonst einem vornehmen Geschlecht herstammte, oder auch einer vom gemeinen Volke, der aber mehr Verstand, Urtheilungskrafft und Fleis als die andern bey sich verspüren lies. Weil die Kinder in der Schule der Kleinern zu guten Sitten angewiesen wurden, die darinnen erlangte Gewohnheit Gutes zu thun aber nicht anderst als durch Furcht vor einen Obern erhalten werden konnte; so war dasjenige, was sie daselbst gelernet hatten, keinesweges hinlänglich, dermaleinsten einem Reich vorzustehen, oder ein ungehorsames Volk regieren zu können: denn die Regenten in China erkennen keinen vor ihren Oberherrn, der ihnen Geseze vorschreiben könnte; die Sineser aber selbsten wollten lieber in Freyheit leben, als sich von sndern beherrschen lassen. Weil sie nun also in der Schule der Grösern unterwiesen wurden, wie sich ein jeder selbsten regieren müsse, damit er freywillig dasjenige unternähme, wodurch er sich Lob erwerben könnte, dasjenige aber ohne Zwang unterlasse, was ihm zur Schande gereichen mögte: so wurden in dieser Schule solche Personen erzogen, welche entweder ohne einem andern unterthänig zu seyn, dermahleinstens andere beherrschen, oder wenn sie auch noch einen Höhern über sich erkennen musten, sich dessen Gesez aus eignem freyen Triebe gemäs verhalten sollten. Diejenigen aber im Gegentheil, welche die Geburth schon zur Dienstbarkeit bestimmet hatte, wurden von dieser Schule zurük gehalten, sowol weil sie nach ihrer Einfalt dasjenige nicht verstanden, was zur Beherrschung seiner selbst erfordert wurde, als auch weil sie als Unterthanen eines andern, sich selbsten zu regieren nicht nöthig hätten, weil sie ohnedem zum Gehorsam geneigt wären. Alle Unternehmungen der Sineser hatten zu ihrem Ziel und Endzwek eine gute Regierung, damit nehmlich alle und jede, die sich in diesem wohl eingerichteten gemeinen Wesen befänden, glükseelig seyn möchten. Dahero wurden sie in der Schule der Kleinern zur Unterthänigkeit, in der Schule der Grösern aber zur Regierung zubereitet, so daß nehmlich, wie erst gedacht wurde, diejenigen, die zur Knechtschafft gebohren waren, ihren Vorgesezten Gehorsam leisten, die Regenten aber nur heilsame Dinge zu verrichten anbefehlen, und andern mit ihrem Exempel fürgehen, die aber welche von der Regierung ausgeschlossen und zu den Unterthanen gerechnet worden sind, alles was ihre Oberherren befehlen würden, aus eigenem Trieb verrichten sollten. In der Schule der Kleinern wurde also besonders auf die Hochachtung gegen Eltern, alte Leute und Vorgesezte gedrungen, und ihnen in ihrer zarten Jugend die Geseze der Bescheidenheit und Unterthänigkeit eingeschärffet. In der Schule der Grösern aber wurden die Gründe der Dinge entdeket, und heilsame Regeln so wol sich als andere zu beherrschen vorgeleget. In beyden Schulen aber wurde von den Lernenden nicht mehr gefordert, als was sie in ihrem Leben gebrauchen könnten. In beyden Schulen bemüheten sich auch nicht nur die Lernenden, daß sie dasjenige, was sie selbsten zu thun hatten, wohl einsehen mochten, sondern sie wendeten auch alle ihre Kräffte des Leibes und des Verstandes dazu an, daß sie dasjenige, was sie erkannt hatten, auch würklich bewerkstelligen möchten. Dieses war die Beschaffenheit dieser beyden Schulen, da das gemeine Wesen der Sineser in seiner goldnen Zeit blühete, und sowol die Regenten als auch Eltern ihrem Amt und Pflichten sich gemäs bezeigten. Und nach meinem Urtheil sind die Sineser auch hierinnen besonders zu loben gewesen, daß sie bey Erlernung der Wissenschafften jederzeit eine gewisse Absicht sich zum Grunde gesezet, und nichts verabsäumet haben, was zur Erlangung derselben beförderlich hat seyn können. Nicht geringeres Lob scheinen sie auch dadurch sich erworben zu haben, daß sie ihre erlernte Wissenschafften auch sich zu Nuze zu machen suchten, und dabey weiter auf nichts ihr Absehen richteten, als was zur Erlangung ihrer Glükseeligkeit etwas beytragen konnte; welches die Ursache war, daß niemand in dieser so geseegneten Zeit in ganz China anzutreffen war, der sich nicht, so weit es sein Verstand zulies, und es die übrige Beschaffenheit seines Lebens erforderte, auf die Erlernung der Wissenschafften geleget hätte. Ja auch hierinnen verdienen die Sineser gelobet zu werden, daß sie nicht allein Sittenlehren vorgeschrieben, sondern ihre Schüler auch in der Tugend geübet, und ihre Sitten eingerichtet haben. Wir wollen aber noch deutlicher wahrnehmen, wie weit es die Sineser in der Erkänntniß und Ausübung des Guten gebracht haben. Der Jesuit Franz Noel, der eine sehr weitläufftige Gelehrsamkeit besessen und das Lob eines sehr ehrbaren Lebens sich erworben hatte, hat, nachdem er mehr als zwanzig Jahre mit der Besserung der vornehmsten Bücher des Sinesischen Reiches ganz besonders beschäfftiget gewesen, dieselben endlich in das Lateinische übersezet, und vor ohngefehr zehn Jahren zu Praag herausgegeben. Unter diesen erscheinet zum ersten das unschäzbare Büchlein, welches Confuz verfertiget hat, darinn die Lehre enthalten ist, welche die Erwachsenen zu erlernen haben, und die Schule der Grösern oder Erwachsenen genennet wird. Ich habe oben gesagt, daß Confuz nicht etwas Neues erfunden, sondern das Alte nur verneuert habe: dahero kan man in diesem Buch die ächten Gründe der Sinesischen Weisheit finden. Die Sineser drungen also darauf, daß die Vernunfft vor allen Dingen geübet werden möchte, indem einer zu einer deutlichen Erkänntniß des Guten und Bösen gelangen müsse, der sich ohne Furcht vor den Obern und ohne Hoffnung von denselben eine Belohnung zu erhalten, der Tugend widmen wollte, man aber keinesweges zur vollkommenen Erkänntniß des Guten und Bösen gelangen könne, wo man die Beschaffenheit und Gründe der Dinge nicht genau untersuchet habe. Und ein Schüler von dem Confuz, Tsem tsu, der für andern sich herfür gethan hat, beweiset aus den Kayserlichen Jahrbüchern, daß die vornehmsten Weisen vornehmlich dahin gesehen hätten, daß die Vernunfft von Tag zu Tag möchte vollkommener gemachet werden. Und dieses behaupteten sie mit gutem Grunde. Denn sie erkannten, daß ein Mensch der freywillig etwas thut, er mag nun entweder keines andern Botmäsigkeit unterworffen seyn, oder wenn er wieder Willen unterthänig ist, sich lieber in die Freyheit wünschen, das Gute nicht ausübe, und das Böse nicht vermeide, wo nicht vorhero die Begierden in der Seele, und die Bewegungen des Herzens so mit denselben in dem Leibe übereinstimmen, in Ordnung gebracht worden sind; und daß ferner die Begierden in der Seele und die Bewegungen des Herzens in dem Leibe nicht können in Ordnung gebracht werden, wo nicht der Mensch in der Liebe zum Guten und in dem Haß gegen das Böse bestärket werde; daß die Liebe zum Guten, und der Haß gegen das Böse nicht statt finden könne, woferne einer nicht eine vollkommene Erkänntniß des Guten und Bösen, und zwar durch einen Vernunfftschluß in der Seele erlanget hätte; und daß endlich keine vollkommene Erkänntniß des Guten und Bösen durch einen Vernunftschluß erlanget werde, wo man nicht die Beschaffenheit u. Gründe der Dinge genau untersuchte. Sie bewiesen zwar dieses nicht mit vielen zusammenhangenden Gründen, indem sie keine deutliche Erkänntniß der Dinge hatten, welche auch heut zu Tag noch den meisten fehlet. Sie gründeten sich aber auf eine lange Erfahrung in Behauptung dessen, was sie in der Jugend durch die scharffsinnige Betrachtung der Beyspiele so vortrefflicher Helden erlanget, und was sie selbsten bey der Ausübung der Tugend an sich wahrgenommen hatten. Wer wird aber dasjenige in Zweiffel ziehen, was durch eine so vielfache Erfahrung ist bestättiget worden, da ich vornehmlich oben schon gezeiget habe, daß man bey keinem Volk in dieser Sache seine Versuche besser anstellen könne, als bey den alten Sinesern, welche weder einen natürlichen noch geoffenbahrten Gottesdienst gehabt, und niemals auf äuserliche Gründe gesehen haben. Dann weil nur die innern Bewegungsgründe, welche aus der Beschaffenheit der menschlichen Handlungen selbst hergeleitet worden sind, bey ihnen statt hatten; so konnte man aus ihrem Beyspiel deutlich wahrnehmen, wie weit es jene bringen können. Da ich von der Sinesischen Weisheit noch gänzlich nichts wüste, sondern von Natur auf die Beförderung der menschlichen Glükseeligkeit bedacht war, habe, da ich noch sehr jung war, und zwar mit gutem Fortgang (ohne Ruhm zu gedenken,) schon angefangen dem Thun und Lassen der Menschen weiter nachzudenken, welches diejenige Schrifft bezeugen kan, welche ich vor vielen Jahren auf einer benachbahrten und vortrefflichen hohen Schule statt einer Probe, von der allgemeinen ausübenden Weltweisheit der öffentlichen Prüfung der Gelehrten mit geziemender Bescheidenheit unterworfen habe. Wie ich zu mehrern Jahren gekommen bin, und meine Beurtheilungskrafft und Scharffsinnigkeit reiffer und gröser worden ist, habe ich eben dieses tieffer eingesehen, und aus den innersten des menschlichen Verstandes hergeleitet, was zu einer weisen Regierung der menschlichen Handlungen gehöret. Ob nun aber schon die Sinesischen Erfindungen nichts zu den meinigen haben beytragen können, indem sie mir meistens unbekannt waren; so dienten mir doch meine Erfindungen, welche ich durch eignes Nachdenken herausgebracht hatte, darzu, daß die Erfindungen der Sineser desto genauer einsehen lernete. Denn da der bereits oben erwehnte Uebersezer der vornehmsten Bücher des Sinesischen Reiches, ein Mann von einem sehr scharffen Verstand und groser Beurtheilungskrafft, mehr als zwanzig Jahre mit der Durchlesung derselben zugebracht, und seinen möglichsten Fleis angewendet hatte, daß er den richtigen Verstand, welcher, wie er selbsten bekennet, an manchen Orten sehr schwer und dunkel ist, deutlich genug erkennen möchte; so hat er endlich in der Vorrede der Uebersezung dieses Urtheil gefället, daß in denselben nicht eine verborgene und hohe Wissenschafft, sondern nur eine gemeine Tugend- u. Sittenlehre, eine Einrichtung des Hauswesens, und eine Staatsklugheit enthalten seye, so daß ihn nicht sowol die Vortrefflichkeit des Innhalts und der Sache selbst, als die vielen Leute, welche damit beschäfftiget sind, zu dieser Uebersezung angetrieben haben, welche von so vielen unternommen, aber in mehr als hundert Jahren, seit dem die Sinesische Mißion ihren Anfang genommen hatte, nicht zu Stande gebracht worden ist. Ich aber, da ich diese Bücher kaum so beyläuffig betrachtete, habe alsobald wahrgenommen, daß eine höhere Weisheit darinnen verborgen liege, ob es schon Kunst braucht, dieselbe heraus zu suchen: denn ich habe wahrgenomen, daß diejenigen Dinge, welche dort in sehr groser Unordnung erscheinen, in dem allerschönsten Zusammenhang mit einander verbunden seyen, in so ferne man sie genauer erweget, und daß dasjenige, was ohne einigen beygefügten Grund behauptet worden ist, mit der Vernunfft auf das genaueste überein komme wo man es gehörig prüfen würde. Ich hatte auch gefunden, daß dasjenige wahr seye, was von den Alten behauptet wird, daß wenn einer blos aus natürlichen Kräfften, nicht aus Gewohnheit, noch Furcht vor einem Obern, sondern nach seinem freyen Willen und mit Vergnügen sich der Tugend befleisigen soll, er von der Verbesserung seines Verstandes anfangen müsse, und daß derjenige auf diese Wahrheit komme, welcher die Beschaffenheit des menschlichen Verstandes genau erweget. Hievon habe ich, wo ich nicht irre, bewiesen, daß es der Probierstein der sittlichen Wahrheiten sey. Denn die Tugend ist im Verstande nicht im Leibe zu finden, ob schon die tugendhaften Handlungen sich darinn äusern. Die äuserliche Verrichtungen müssen mit den Begierden der Seele überein kommen, die Begierden aber entstehen aus den Bewegungsgründen, die Bewegungsgründe eines gegenwärtigen Falles bestehen in der Erkänntniß des Guten und Bösen; das Gute und Böse wird aus der Vollkommenheit und Unvollkommenheit unseres Zustandes erkannt; die Empfindung der Vollkommenheit bringet Vergnügen, die Empfindung der Unvollkommenheit Verdrus; Wer ein Vergnügen aus dem Guten empfindet, der liebet das Gute. Wer durch etwas Böses misvergnüget wird, der hasset das Böse. Ein jeder siehet also, daß alle Dinge aus einer deutlichen Erkänntniß des Guten und Bösen herrühren, und daß durch die Schärffe des Verstandes der Wille gebessert werde. Dieses ist der Natur des Verstandes gemäs, stimmet mit den Gründen der Sineser überein, und ist durch so viel herrliche Versuche von den Sinesern bestättiget, ob gleich nicht von allen gebilliget worden, da man den obern Theil der Seele von dem untern Theil derselben insgemein nicht genug unterscheidet, welchen Unterschied die Sineser doch auf das genaueste beobachtet haben. Es erforderten aber die Sineser, daß einer erst sein Thun und Leben recht einrichten müsse, ehe er einen Hausvater abgeben wolle; daß er erst sein Haus wohl regierte, ehe er zum obersten Regimente angenommen werden könnte. Und nach meiner Meynung hatten sie hierinnen nicht unrecht gethan. Denn wie kan einer ein Hauswesen führen, der sich selbst nicht genug zähmen kan. Wie will einer viele regieren können, der nicht einmahl sein Hauswesen, das ist, die wenigen recht zu beherrschen im Stande ist, welche er doch auf das genaueste kennet? Es kommet noch dieses hinzu, daß wenn einer andere beherrschen will, er mit seinem Beyspiel auch lehren müsse, daß dasjenige geschehen könne, was er zu thun befiehlet, und daß es zu dem Ende befohlen werde, weil es als ein Mittel zur Erlangung der Glükseeligkeit anzusehen ist. Es war aber den Sinesern nicht genug, daß man sich nur selbsten bemühen solle, tugendhafft zu leben, und die Laster zu fliehen; sondern man sollte sich auch die äuserste Mühe geben, es dahin zu bringen, daß auch andere die Laster vermeiden, und der Tugend sich ergeben möchten. Dahero war dieses auch einer von den vornehmsten Gründen der Weisheit der Sineser mit, daß, wenn sie im Guten einen glüklichen Fortgang verspürten, sie sich auch andere ihnen gleich zu machen höchstens angelegen seyn liesen. Diejenige Scharffsinnigkeit, welche sie erlanget hatten, waren sie bemühet auch andern beyzubringen: die Erkänntniß des Guten und Bösen, die bey ihnen anzutreffen war, suchten sie auch andern zu verschaffen: dasjenige Vergnügen, dessen sie theilhafftig worden, sollten auch andere geniesen: was ihnen angenehm und unangenehm vorkam, sollten auch andere lieben und hassen: und sie gaben sich endlich alle ersinnliche Mühe, daß andere auch denjenigen Ruhm erlangen möchten, dessen sie sich selbsten bereits in Ansehung ihrer Tugend zu erfreuen hatten. Dahero giengen die Kayser und Könige dem Volk, die Hausväter ihrem Haus, und die Eltern ihren Kindern mit guten Beyspielen vor, und waren denen zu grosem Nuzen, welche man nicht, nach der Vernunfft regieren konnte. Dieses aber schärfften die Sineser vornehmlich ein, daß man, wo man entweder sich, oder andere zu bessern hat, nur bey der grösten Vollkommenheit, und da man dieselbe nicht erreichen kan, gar niemahls stehen bleiben sollte: sondern vielmehr je mehr und mehr weiter fortzugehen trachten, damit wir sowol als auch andere zu einem grösern Grad der Vollkommenheit gelangen möchten. Die Sineser richteten also alle ihre Handlungen zu ihrer und anderer grösesten Vollkommenheit als dem Hauptendzwek ein: In welcher Einrichtung, wie ich längstens schon erwiesen habe, das ganze natürliche Recht, ja was sonst nur in unsern Handlungen einiger masen lobenswürdig zu seyn scheinen mag, enthalten ist. Sie mögen zwar so viel man siehet, keinen deutlichen Begriff von der Vollkommenheit gehabt haben, da sie vielmehr das genaue Band, durch welches die Handlungen die zu der Vollkommenheit des menschlichen Zustandes abzielen, mit einander vereiniget werden, und welches von mir an das Licht gebracht worden ist, keinesweges einsehen, und die Vollkommenheit nur als einen Grad der Tugend einig und allein beurtheilet zu haben, scheinen; wenn man aber doch so wol die Regeln als Beyspiele welche in ihren vornehmsten Büchern hier und dar von ihrem Thun und Lassen vorkommen, genau untersuchet, so scheinet es, daß sie doch davon einen undeutlichen Begriff gehabt haben. Und was wollen wir uns darüber wundern, da sie auch in den übrigen Dingen, die ich deutlicher erkläret habe, keine deutliche Begriffe hatten. Dieses war auch die Ursache, warum der Uebersezer nach so viel angewandter Zeit und Mühe nicht hat erkennen lernen, was die Sinesischen Weltweisen haben sagen wollen. Man kan nicht allezeit sogleich aus den blosen Worten abnehmen, was für undeutliche Begriffe mit den Worten verbunden werden müssen: aber diejenigen, welche sie aus der Undeutlichkeit heraus gebracht haben, müssen es durch Muthmasungen meistentheils herausbringen, welche undeutliche Begriffe mit den deutlichen einerley seyen. Daß das höchste Gut der Menschen in einem ungehinderten Fortgang täglich zu grösern Vollkommenheiten bestehe habe ich an einem andern Ort, dargethan. Weil nun die Sineser dieses so sehr einschärften, daß man auf dem Wege der Tugend beständig weiter fortgehen und bey keinem Grad der Vollkommenheit stehen bleiben müsse, als bey dem höchsten, welchen doch wohl keiner erreichen kan; also haben nach meiner Einsicht, auch ihre Weltweisen diese Meynung gehabt, daß der Mensch nicht könne glükseeliger werden, als wenn er von Tag zu Tag zu mehrern Vollkommenheiten zu gelangen suchet. Damit sie aber mit desto gröserer Begierde nach diesem Ziel streben möchten, so wurden sie eben dadurch, wodurch die Gelehrten insgemein zu herrlichen Unternehmungen in einer jeden Art der Gelehrsamkeit gereizet werden, auch angetrieben, nehmlich durch den Ruhm der Wohlthaten, welcher, ob er schon sehr schwer zu erlangen ist, doch diejenigen, welche sich darum bemüheten, stärkte. Wir sehen also, daß die Sineser die so herrliche Beyspiele ihrer Kayser und Weltweisen zu Regeln angenommen haben, damit sie auch andere zu gleichen herrlichen Uebungen antreiben möchten. Denn diejenigen, welche sich durch die Ruhmbegierde treiben lassen, bemühen sich möglichst es andern, die sich durch ihre Verdienste berühmt gemacht haben, gleich zu thun, oder dieselben gar zu übertreffen. Ich habe aber eine ganz besondere Art wahrgenommen, deren sich die Sinesischen Weltweisen bedienet haben, wenn sie ihre Schüler zur Nachfolge solcher herrlichen Thaten haben anfrischen wollen. Von Personen, deren Verdienste sehr hoch gehalten wurden, erzehleten sie ihren Schülern ganz seltsame Dinge, daß sie mit einer erstaunenden Bewunderung nachdachten, was dieselben doch zu einer solchen Unternehmung müsse bewogen haben: wenn sie nun lange genug nach dem Grunde geforschet, denselben aber doch nicht eingesehen hatten, so erkläreten sie ihnen endlich auch diesen, und reizten sie also zur Nachfolge in ähnlichen Fällen an. Mich dünket, ich höre einige strenge Sittenlehrer mit einem Murren einwenden, daß die Sineser nur aus Ehrgeiz etwas verrichtet hätten, was dem äuserlichen Ansehen nach den Schein der Tugend hätte, von der wahren Tugend aber so weit entfernet gewesen wären, daß man mit Recht behaupten könne, ihre Handlungen seyen mit Lastern befleket gewesen. Aber diese guten Leute mögen es mir nicht übel nehmen, daß ich ihnen keinen Beyfall geben kan. Mit dem Ehrgeiz muß man die Ruhmbegierde nicht vermengen, als welche die Dinge, wie ich an einem andern Ort gezeigt habe, sehr weit von einander unterschieden sind. Wer wird wohl an einem, der etwas Gutes thut, mit Recht tadeln, daß er sich über den Genuß dessen, da er sich seiner guten Handlungen bewust ist, erfreuet? Wer mißbilliget es, daß man sich alle ersinnliche Mühe in Einrichtung seiner Handlungen gebe, damit die Abgünstigen nichts daran auszusezen finden mögen, andere aber dieselbigen loben, und ihnen nachfolgen können? Wer kan das als etwas Unrechtes tadeln, daß die Tugend durch ihre Vortrefflichkeit sich andern gefällig gemachet hat, so daß wir es für lobenswürdig halten, mit derselbigen geschmüket zu seyn, aber es für schimpflich erachten, wenn es an derselbigen mangelt? Wer weis dann auch ferner nicht, daß die Handlungen an sich gut sind? Wem ist es wohl unbekannt, daß die Handlungen keinen Fehler an sich haben, in so fern sie wegen ihrer innern Güte geliebet, hoch gehalten und verrichtet werden? da ich also in dem vorhergehenden gezeiget habe, daß die Sineser deswegen sich guter Handlungen beflissen hätten, weil sie die innere Güte derselben auf das genaueste erkannten; So können wir mit Recht an ihnen nichts tadeln: denn ich habe Anfangs gezeiget, daß sie keine andere Bewegungsgründe gehabt haben, als die aus den Handlungen erfolgende Veränderung ihres Zustandes. Wer wird aber daran zweiffeln, daß GOtt, da er etliche Handlungen verboten, andere geboten hat, eben darauf gesehen habe? Wer wird in Betrachtung dessen, sich wohl noch zu behaupten unterfangen, daß derjenige zu schelten seye, welcher aus eben demjenigen Grunde einige Handlungen vornimmt, andere aber unterlasset, aus welchen der allerweiseste und allergütigste GOtt dieselben zu thun befohlen oder verboten hat? Es ist noch ein besonderer Grund der Sinesischen Weisheit übrig, dessen ich auch Krafft meines Vorhabens Erwehnung thun muß. Die Sineser hielten ehedem sehr vieles von Gebräuchen, welche sie in grosser Anzahl hatten, und in der Schule der Kleinern, in welche alle Einwohner des ganzen Reiches giengen, lehreten. Dahero auch heut zu Tag unter den vornehmsten Büchern der fünff erstern Weisen, welche von denen unterschieden sind, welche der Noel übersezet hat, ein Buch von den Gebräuchen angetroffen wird, welches in der lateinischen Uebersezung offt angeführet worden ist. Es scheinet, daß der Uebersezer der Sinesischen Bücher dieses für allzu gering angesehen, und es deswegen nicht habe übersezen wollen: Aber ich wollte wünschen, daß auch die Uebersezung davon vorhanden seyn möchte, indem ich versichert bin, daß man mehr darinnen finden würde, als man suchen sollte. Denn wie nüzlich die Gebräuche bey Ausübung der Tugend seyen, habe ich an einem andern Ort auf das deutlichste erwiesen, welches denjenigen nicht unbekannt ist, welche dasjenige genau geprüfet haben, was in dieser Sache von mir geschrieben worden ist. Es bezeugen aber die Proben, welche in der lateinischen Uebersezung dieser Bücher hier und dort angetroffen werden, daß die Gebräuche der Sineser solche Gründe haben, welche ihrer Weisheit höchst anständig sind. Damit ich mein Versprechen halte, so will ich nur ein einziges Beyspiel anführen. Es durffte ehedem, da nehmlich das Sinesche Reich noch im Flor stunde, keine schwangere Frau etwas Schändliches ansehen, oder ärgerliche Redensarten zu Ohren fassen. Des Abends sang der Vorgesezte in der Music, welcher blind war, damit er die Thöne desto besser unterscheiden konnte, zwey Lieder aus einem Gesangbuch, von der wahren Hauszucht in ihrer Gegenwart vor, und redete von ehrbaren Dingen. Dieses geschähe zu dem Ende, damit ein Kind von einem guten Verstand möchte gebohren werden. Davon der Lien Hiam in dem Buch, welches er von der Unterweisung der Weiber geschrieben zurük gelassen hat, behauptet, daß es auch würklich eingetroffen habe. Ich will diesen Gebrauch etwas deutlicher erklären, damit man sehe, wie genau er mit einer gesunden Vernunfft überein komme. Es ist ihnen, meine wertheste Zuhörer! ohnedem bekannt, wie genau Seele und Leib mit einander vereiniget sind, und daß, indem eine Geburt in Mutterleibe gebildet wird, in der Bildung der Gliedmasen, welche sich ganz genau nach der Seele richten, nichts könne verändert werden, wo nicht auch zugleich eine Veränderung in der Seele vorgehet, welche mit der Veränderung, die im Leibe geschehen ist, übereinstimmet. Und es ist bekannt, daß wegen des gemeinschafftlichen Umlauffs des Geblüts in der Geburt und in der Mutter, die Bewegungen der flüssigen Theile in der Geburt mit den Bewegungen der flüssigen Theile in der Mutter überein kommen müssen. Ja es ist auser allem Zweifel, daß mit den unmateriellen Begriffen in dem Gehirne einige materielle Begriffe überein kommen, welche in einer Bewegung des Nervensafftes der durch die Nervengänge des Gehirnes, mit einer gewissen Geschwindigkeit gehet, bestehen, und daß, gleichwie aus den Vorstellungen die Begierden in der Seele entstehen, also auch aus den materiellen Begriffen, Bewegungen der Gliedmasen, welche mit diesen Begierden übereinstimmen, in dem Cörper entspringen. Hieraus siehet man nun, daß die zur Zeit der Schwangerschafft, die den materiellen Begriffen, in dem Gehirn der Mutter erregten Begriffe, in dem Gehirn des Kindes einigermasen ähnliche verursachen, und daß auch in demselben ähnliche Bewegungen erfolgten, dergleichen sich davon in der Mutter ereignen. Da nun die einmahl eingedrukten Begriffe dem Gehirn eine gewisse Geschiklichkeit ertheilen, dieselbige hinwiederum, folglich auch die darauf erfolgenden Bewegungen zu erregen; so siehet ja jedermann, daß ebenermasen das Gehirn des Kindes eine gewisse Geschiklichkeit bekommt, Begriffe von einer gewissen Art, und die in dem Cörper darauf beruhende Bewegungen, in der Seele aber darauf erfolgende Begierden hervor zu bringen. Ferner ist bekannt, daß die Begriffe in dem Gehirn durch die Singekunst, und den Gesang einen stärkern Eindruk, als durch die Rede überkommen. Wer sollte nun zweiffeln, daß die von den Sinesern ehedem den schwangern Weibern vorgeschriebene Gewohnheiten der Vernunfft gemäs gewesen seyen. Also habe ich ihnen nun, meine werthgeschäzte Zuhörer! die Gründe der Weisheit der alten Sineser vor Augen geleget, von welchen ich sowol sonsten öffentlich, als auch nun in dieser ansehnlichen Versammlung einiger masen gezeiget habe, daß sie mit den Gründen meiner Weltweisheit genau überein kommen . . . |
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16 | 1721 |
Wolff, Christian. Oratio de Sinarum philosophica practica [ID D1812]. Sekundärliteratur Voltaire. Dictionnaire philosophique, portatif [ID D16610]. Voltaire schreibt über Christian Wolff : Le célèbre Wolf, professeur de mathématiques dans l’université de Hall, prononça un jour un très bon discours à la louange de la philosophie chinoise; il loua cette ancienne espèce d’hommes, qui diffère de nous par la barbe, par les yeux, par le nez, par les oreilles, et par le raisonnement; il loua, dis-je, les Chinois d’adorer un Dieu suprême, et d’aimer la vertu; il rendait cette justice aux empereurs de la Chine, aux colaos, aux tribunaux, aux lettrés. La justice qu’on rend aux bonzes est d’une espèce différente. Il faut savoir que ce Wolf attirait à Hall un millier d’écoliers de toutes les nations. Il y avait dans la même université un professeur de théologie nommé Lange, qui n’attirait personne; cet homme, au désespoir de geler de froid seul dans son auditoire, voulut, comme de raison, perdre le professeur de mathématiques; il ne manqua pas, selon la coutume de ses semblables, de l’accuser de ne pas croire en Dieu. Quelques écrivains d’Europe, qui n’avaient jamais été à la Chine, avaient prétendu que le gouvernement de Pékin était athée. Wolf avait loué les philosophes de Pékin, donc Wolf était athée; l’envie et la haine ne font jamais de meilleurs syllogismes. Cet argument de Lange, soutenu d’une cabale et d’un protecteur, fut trouvé concluant par le roi du pays, qui envoya un dilemme en forme au mathématicien ce dilemme lui donnait le choix de sortir de Hall dans vingt-quatre heures, ou d’être pendu. Et comme Wolf raisonnait fort juste, il ne manqua pas de partir; Sa retraite ôta au roi deux ou trois cent mille écus par an, que ce philosophe faisait entrer dans le royaume par l’affluence de ses disciples. Cet exemple doit faire sentir aux souverains qu’il ne faut pas toujours écouter la calomnie, et sacrifier un grand homme à la fureur d’un sot. Michael Albrecht : 1721 ist Christian Wolffs Amtszeit als Prorektor der Friedrichs-Universität zu Halle abgelaufen. Als er das Prorektorat seinem Nachfolger übergibt, wählt er für die Festrede in Lateinisch die Praktische Philosophie der Chinesen. Konfuzius war, so erklärt Wolff in der Einleitung, nicht der Erfinder der chinesischen Weisheit. Schon in alten Zeiten gab es vielmehr bedeutende Philosophen. Sie waren zugleich die Könige und regierten durch ihr Beispiel, das vom Volk nachgeahmt wurde, einen glücklichen Staat. Als China zu zerfallen drohte, wurde ihm von der göttlichen Vorsehung Konfuzius geschenkt, der es allein durch sein erfolgreiches Wirken als Lehrer wiederherzustellen vermochte. Deswegen ist er für die Chinesen das, was Moses für die Juden, Mohammed für die Türken und Christus für die Christen ist, sofern man die Genannten als Lehrer oder Propheten betrachtet. Konfuzius schöpfte seine Lehre aus den Berichten über die alten Philosophenkönige und erneuerte deren Philosophie. Damit ist auch klar, warum im Thema nicht von der praktischen Philosophie des Konfuzius, sondern von der Philosophie der Chinesen die Rede ist… Im Hauptteil handelt es sich um die Frage, ob diese Philosophie mit der Natur des menschlichen Geistes übereinstimme. Die Antwort ist einfach : Da die Chinesen selbst diesen Prüfstein auf ihr eigenes Denken anwendeten, kann man sicher sein, dass sie dieser Anforderung Genüge leisteten. Der Leitbegriff der eigentlichen Darstellung sind die 'Kräfte der Natur'. Es gibt nämlich drei Grade der Tugend. Diese kann entweder bloss auf den Kräften der Natur beruhen, oder sie kann durch die natürliche Religion (die mit Hilfe der Vernunft die Eigenschaften Gottes und das Walten der Vorsehung erkennt) oder schliesslich sogar aus den Wahrheiten der Offenbarung heraus motiviert werden. Die Chinesen kannten die Offenbarung nicht, sie verfügten nicht einmal über die natürliche Religion. Also blieb ihnen nur der unterste Grad der Tugend… Drei historische Beweise schliessen sich an. Der erste ist das chinesische Erziehungssystem. In ihm wurde die Erkenntnis, dass sich eine durch Furcht oder Hoffnung erzeugte Tugend grundsätzlich von einer durch die Vernunft und frei beschlossenen Tugend unterscheidet, auf glänzende Weise in die Praxis umgesetzt wird und damit die Tugend in China höchst erfolgreich fördert. Die Schule der Kleineren wird duch die Ehrfurcht gegenüber Eltern, Alten und Vorgesetzte an gute Sitten gewöhnt. Die Schule der Erwachsenen lehrt dagegen, die Gründe der Dinge zu erforschen, und vermittelt die selbständige, auf Selbstbeherrschung beruhende Tugend. Dieses Schulwesen ist nützlich für die staatliche Ordnung. Der zweite Beweis stammt aus dem Ta hsio [Da xue] : Vervollkommnung der Vernunft ist die Voraussetzung der moralischen Einsicht und damit der tugendhaften Handlung. Der dritte Beweis behandelt den scheinbar überflüssigen chinesischen Brauch, einer Schwangeren durch Musik und Erzählung tugendhafte Gedanken zu vermitteln. Er verwirklicht die vernünftige vorgeburtliche Erziehung zur Tugend… Die Ablehnung einer theologisch fundierten Moralphilosophie gewinnt erst dadurch ihre besondere Schärfe, dass Wolff sich nicht nur auf die chinesische Philosophie, sondern auch auf die Verwirklichung dieser Lehre in China bezieht. Er betrachtet die Praxis der chinesischen Sittlichkeit und Staatsverfassung als Experiment für die Richtigkeit der zugrundeliegenden Theorie, denn er ist der Ansicht, dass das experimentelle Verfahren auf allen Gebieten der Philosophie anwendbar sei. Er versucht die allgemeine praktische Philosophie experimentell zu erproben, weil China, das sich bloss auf die 'Kräfte der Natur' stützt, dafür das geeignete Feld der Untersuchung ist. Das Ergebnis ist : Die Wahrheit der allgemeinen praktischen Philosophie Wolffs, die gleichermassen, in undeutlicher Form, in China die theoretischen Grundlagen des Handelns enthält, wird durch die Erprobung bestätigt… Das tugendhafte Leben der nicht-religiösen Chinesen und die Harmonie in der Ordnung ihres Staates gewinnen hier Beweischarakter ; sie zeigen, dass gerade eine blosse philosophische, nicht-religiöse Tugend geeignet ist, die wünschenswertesten Früchte zu tragen. Wolff zieht es zwar vor, die Chinesen trotz der mangelnden 'natrürlichen Religion' nicht als Atheisten zu bezeichnen… Er sagt nicht, dass eine Mission in China überflüssig ist, aber auch nicht, dass sie notwendig ist. Die Chinesen erscheinen nicht bedauernswert, sondern vielmehr bewundernswert. Sie befinden sich durch ihr Heidentum nicht in einem 'elenden Zustand', sondern können, was ihre privaten und öffentlichen Tugenden betrifft, als Muster für das christliche Europa dienen… Die Chinesen befürfen keiner 'Umkehr' durch die Bekehrung ; das Christentum würde in China vielmehr ein Mittel zur weiteren Kräftigung der tugendhaften Gesinnung sein. Das Heidentum der Chinesen ist nicht die Quelle von Irrtümern, sondern von vernunftgemässen Einsichten. John Ho : Wolff beschreibt die chinesische Tradition als die älteste geschichtliche Tradition der Welt. In der Zeit Fohis [Fuxi] hat die chinesische Moraltradition angefangen. Fohi richtet sich in seiner Politik nur nach dem Himmlischen Gesetz. Weil dieses Gesetz der Natur oder des Himmels allgemein und unwandelbar ist, hofft Fohi, dass seine Gesetze sich im Herzen des Menschen einprägen und bewähren müssen. Die erste niedergelegte Sprache Chinas sind die Hexagramme von Fohi. Wolff hat eine hohe Verehrung für Konfuzius und den Konfuzianismus. Zur Zeit des Konfuzius sind die chinesischen Sozialordnungen zerrüttet. Die alten Sitten und Tugenden wie Ehrfurcht und Gehorsam haben keine Geltung mehr. Deshalb erstrebt Konfuzius mit Hilfe der alten Kaiser eine Wiederherstellung der alten sittlichen Tradition und Sozialordnung. Statt eine völlige Wiederherstellung der alten Moral wäre eine Verbesserung der beste Weg zur sittlichen Vollkommenheit. Wolff ist überzeugt, dass die Lehre des Konfuzius mit den andern Lehren wie Judentum, Islam und Christentum nicht vergleichbar ist. Er hofft, dass die Europäer vermehrt Konfuzius verstehen lernen und von ihm profitieren. Wolff analysiert die chinesische Ethik, in dem er versucht, die menschliche Vernunft mit der göttlichen Offenbarung zu verbinden, daher unterscheidet er die Sitten in zwei Arten : die Sitten, die aus der Natur des menschlichen Verstandes hervorgehen und die, die von der göttlichen Offenbarung inspiriert sind. Die Chinesen handeln nach dem natürlichen Verstand und die Christen handeln nach der göttlichen Offenbarung, aber ob einer Christ oder Konfuzianer ist, handelt er tugendhaft. Weil die Chinesen nach der Vernunft handeln, tun sie das, was naturgemäss ist. Nach chinesischer Auffassung wird eine Übereinstimmung zwischen der äusseren Handlung und den inneren moralischen Gesetzen gefordert. Das Prinzip moralischer Bewerung ist, alles Handeln am Masstab der Tugend der alten Kaiser zu messen. Das Ziel der chinesischen Ethik ist das Ideal der Vollkommenheit. Nur moralisches Handeln kann Ruhe und Frieden des Herzens erhalten, weil es immer das Gute erstrebt. So hat die Tugend auch dort, wo sie ins Unglück führt, trotzdem ihren Zweck erfüllt, weil sie ja nicht das Glück, sondern die ethische Vollkommenheit erstrebt. Wolff gibt über das Unterrichtswesen die Darstellung von François Noël wieder. So müssen die Kinder Unterwerfung, Gehorsam und sittliches Handeln lernen, damit sie zu guten Bürgern der Gemeinschaft heranwachsen. Die Schüler der Schule der Erwachsenen, meistens Kinder aus kaiserlichen oder königlichen Familien, lernen die sittlichen Regeln beherrschen und die Tugend üben. Die Ordnung eines vollkommenen Staates hängt von der sittlichen Vollkommenheit einer einzelnen Person ab. Das Ziel der Vervollkommnung kann nur in einer Staatsgemeinschaft erreicht werden, und dieses Ziel bedeutet zugleich das höchste Glück. Li Wenchao : Dass China ein grosses Reich mit ungeheur vielen, aber friedlich lebenden Einwohnern sei und ein Gegenbild des zersplitterten Europa darstelle, steht für Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff fest. Wolff sieht jedoch in diesem China-Bild keinerlei Ausdruck irgendeiner religiösen Motivation, weder in Form einer 'theologia naturalis' noch in Form der Offenbarung. Sein Zauberwort lautet 'philosophia practica' aufgrund der 'naturae viribus' und will damit deutlich machen, dass die Chinesen sozusagen Jahrtausende lang gerade das praktiziert hätten, was Wolff seit Jahrzehnten lehre. In dieser Lehre steht an der ersten Stelle die Vernunft, welche ihre Aufgabe in der Untersuchung der Gründe der Dinge sieht. Durch diese Untersuchung erschliesst die Vernunft den genauen Begriff des Guten und des Bösen. Darauf aufbauend kann der Wille dann derart gefestigt werden, dass er das Gute liebe und das Böse hasse. Das Kriterium für das Gute ist die Übereinstimmung mit der Natur des menschlichen Geistes, der das Böse nicht mehr tun wird, sofern er es als ein solches erkennt. Das Ziel aller Handlungen liege in der Vollkommenheit des Einzelnen zum einen und der Allgemeinheit zum anderen. Das Streben nach dieser Vollkommenheit wird Glückseligkeit genannt. Wolff gibt drei Kriterien : Die Erkenntnis Gottes meint den 'deutlichen Begriff' des 'wahren Gottes'. Diese wahren Erkenntnisse werden durch Gottes Eigenschaften und Werke hergeleitet. Sie dienen in der Tugendlehre und in der Ethik als alleinige Beweggründe allter Handlungen. Walter Demel : In folgenreicher Weise entwickelt Christian Wolff die Einsicht von Leibniz in das Verhältnis von christlicher Theologie und chinesischer Philosophie weiter. Faszniert von der praktisch-pädagogischen – wenngleich seiner Ansicht nach zu unsystematischen – Ausrichtung des chinesischen Denkens glaubte er, die Grundaussagen seiner eigenen 'Weltweisheit' darin wiederzuentdecken. Gleichzeitig liefert ihm das älteste Reich der Welt den historischen Beweis dafür, dass es nicht utopisch sei, beispielsweise an die Möglichkeit eines 'Philosophen auf dem Thron' oder zumindest eines von Philosophen geleiteten Fürsten zu glauben. Ausdrücklich erklärt er, er ziehe das chinesische Beispiel in diesem Zusammenhang heran, "damit es nicht das Ansehen habe, als lehrete ich etwas, welches von der Ausübung abgienge, und welches nur unter die Platonischen Begriffe zu rechnen, und mit dem Sonnenreich zu verwerffen seye". Wolff betont bei seiner Rede, dass die Chinesen – in Ermangelung einer biblischen Offenbarung und eines Kontakts mit der übrigen Welt – nur ihre natürlichen Kräfte für die Erkenntnis der menschlichen Natur und der natürlichen Moral hätten einsetzen können, "so haben wir gewiss auser ihnen kein vortrefflichers Beyspiel, dadurch man zeigen könnte, wie viel die natürliche Kräffte vermögen". Was Wolffs pietistische Gegenspieler daran so empörte, war wohl die Behauptung, dass ein Staatswesen allein aufgrund einer erhabenen, rein weltlich gedachten Moral ein hohes Mass an Vollkommenheit erreichen könnte. Die offenbarte christliche Religion wurde damit aus dem Bereich des Staatsdenkens völlig hinausverwiesen. In Wolffs Rede manifestierte sich in aufsehenerregender Weise die Emanzipation der Naturrechtslehre von der Theologie. Liu Weijian : Wolff bekundet seine Achtung vor der konfuzianischen Sittenlehre. Der chinesische alte Lehrsatz, dass nämlich die Beispiele der Kaiser und Könige den Untergebenen als Richtschnur ihrer Handlung dienten, schien ihm als ideelles Vorbild für eine aufgeklärte Verwaltung und Staatsordnung zu sein ; gerade weil die chinesischen Kaiser mit ihren Untergebenen gemeinsam nach dem Ruf der Tugend strebten und gute Sitten zum Masstab ihres Lebens machten, würden sie immer wieder wegen der Liebenswürdigkeit und Anständigkeit ihrer Sitten und wegen ihrer äusserst grossen Klugheit in der Regierung gerühmt. Er weist insbesondere darauf hin, dass Konfuzius die Annalen der alten chinesischen Kaiser und Könige mit grösster Sorgfalt studiert und daraus die rechte Richtschnur, wie man leben und regieren solle, ausgearbeitet habe. Was das Ansehen des Konfuzius für Chinesen betrifft, bezeichnet Wolff ihn als Propheten und Lehrer, der den Menschen von Gott gegeben worden sei, und verglich ihn mit Moses für Juden, Mohammed für Türken und Christus für Europäer. Hans-George Kemper : Gott ist für Wolff der höchste Verstand, aus dessen Vorstellung die beste aller Welten hervorgegangen ist. Insofern ist der Verstand (und nicht mehr nur die Offenbarung und der Glaube) des Menschen auch das adäquateste Organ, die göttliche Schöpfung zu erfassen, sich in der Welterkenntnis dem Göttlichen anzunähern sowie im gesellschaftlichen Streben nach Glückseligkeit zu vervollkommnen. In seiner Rede entwickelt er, mit nur implizitem Verweis auf die Hermetik der chinesischen Weisheit, weil er deren Rationalität herausstellen will, das Bild eines schon in den ersten Anfängen seit dem Kaiser und Weltweisen Fo Hi [Fuxi] vollkommenen Gemeinwesens, das dessen Gesetze in der Nachahmung seiner vorbildlichen Regenten zur 'höchsten Vollkommenheit' gebracht habe. Nach einer Periode des Verfalls wird Konfuzius als 'ein Mann, der sich durch Tugend und ausserordentliche Gelehrsamkeit auszeichnet', von der 'göttlichen Vorsehung China geschenkt', um 'den verfallenen Zustand wieder herzustellen'. Deswegen gelte er den Chinesen mit Recht seit damals und noch heutzutage genausoviel wie Moses den Juden, Mohammed den Türken, ja sogar genausoviel wie Christus uns gilt, sofern wir ihn als Propheten oder Lehrer, der uns von Gott gegeben worden ist, verehren. Diese implizite Gleichstellung des christlichen Erlösers, der damit vom Gottessohn zu einem Propheten herabgestuft wird, mit den vom Christentum verteufelten heidnischen Religionsstifter wird bereits eine schwere Beleidigung des Christentums für die Theologen. Doch Wolff provoziert sie noch stärker. Denn um die Richtigkeit seiner Theorie von der ausreichenden Gültigkeit einer natürlichen Religion und Gotteskenntnis nur durch die richtige Einsicht des Verstandes zu belegen, charakterisiert er die Chinesen als Atheisten, die gleichwohl eine völlig zureichende Erkenntnis von der Sittenlehre hätten. Die alten Chinesen haben in ihren Sitten nur das auszuüben befohlen, von dem sie einsehen, dass es mit dem menschlichen Geist übereinstimmt. Darüber hinaus demonstrieren sie auch die Existenz einer Art von 'moral sense', einer 'Naturanlage der Seele', nur das zu begehren, was sie für gut hält, und nur das zu verabscheuen, was sie für böse hält. Wolff vertritt sogar einen Determinismus im Bereich seiner Ethik, insofern am Ende alles aus der deutlichen Erkenntnis des Guten und Bösen entspringt und dass deswegen der Wille durch die Schärfe des Verstandes vervollkommnet wird. Auf dieser Basis zielen alle Anstrengungen der Chinesen auf eine gute Regierung, damit nämlich in dem wohlgeordneten Staat alle, die in ihm leben, glücklich würden. Im ganzen liege sogar, wie Wolff herausgefunden zu haben behauptet, in den scheinbar konfusen Büchern der alten Sineser eine geheime Weisheit verborgen. Wolff findet nichts, wofür man die Chinesen zu Recht tadeln könne und bekräftig zum Schluss, dass die Grundsätze der Weisheit der ältesten Chinesen mit den seinigen übereinstimmen. Eine solche mit der Nobilitierung atheistischer Heiden verbundene säkulare Selbstaufwertung der Philosophie wollen sich die Theologen in Halle nicht bieten lassen. Lee Eun-jeung : Für Wolff steht ausser Frage, dass Konfuzius ein Lehrer war, der sich unermüdlich um die Tugend bemühte. Als er sich mit Moral und Staatslehre beschäftigte, studierte er zunächst mit viel Fleiss und Anstrengung die alten Annalen, die Geschichtswerke, die mit aller Sorgfalt verfasst sind und der Moral und Staatslehre dienen, "weil daraus die Verknüpfung der Taten mit ihren Ergebnissen auf glänzende Weise erkannt werden kann, während man diese Verknüpfung in einem üblichen Geschichtswerk höchstens durch Vermutungen begreifen kann"... Er fordert, man solle die Aussprüche und Taten von Konfuzius auf ihre allgemeinen Bestimmungsgründe bringen, dann würde man erkennen können, wie tief die Lehre von Konfuzius selbst sei. Konfuzius habe den Chinesen gelehrt, dass man im Streben nach der Tugend so weit fortschreiten müsse, bis das sinnliche mit dem vernünftigen Streben wie von selbst übereinstimme. Es steht für Wolff fest : Konfuzius konnte sich ohne jede Kenntnisse vom Schöpfer der Welt und seiner Offenbarung lediglich der Kräfte der Natur bedienen. Dennoch sei er vom Weg der Wahrheit nicht abgekommen, da er sich unermüdlich um die Tugend bemüht und Laster vermieden habe. |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 2000- | Asien-Orient-Institut Universität Zürich | Organisation / AOI |
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