Wolff, Christian. Oratio de Sinarum philosophica practica [ID D1812].
Sekundärliteratur
Voltaire. Dictionnaire philosophique, portatif [ID D16610]. Voltaire schreibt über Christian Wolff : Le célèbre Wolf, professeur de mathématiques dans l’université de Hall, prononça un jour un très bon discours à la louange de la philosophie chinoise; il loua cette ancienne espèce d’hommes, qui diffère de nous par la barbe, par les yeux, par le nez, par les oreilles, et par le raisonnement; il loua, dis-je, les Chinois d’adorer un Dieu suprême, et d’aimer la vertu; il rendait cette justice aux empereurs de la Chine, aux colaos, aux tribunaux, aux lettrés. La justice qu’on rend aux bonzes est d’une espèce différente. Il faut savoir que ce Wolf attirait à Hall un millier d’écoliers de toutes les nations. Il y avait dans la même université un professeur de théologie nommé Lange, qui n’attirait personne; cet homme, au désespoir de geler de froid seul dans son auditoire, voulut, comme de raison, perdre le professeur de mathématiques; il ne manqua pas, selon la coutume de ses semblables, de l’accuser de ne pas croire en Dieu. Quelques écrivains d’Europe, qui n’avaient jamais été à la Chine, avaient prétendu que le gouvernement de Pékin était athée. Wolf avait loué les philosophes de Pékin, donc Wolf était athée; l’envie et la haine ne font jamais de meilleurs syllogismes. Cet argument de Lange, soutenu d’une cabale et d’un protecteur, fut trouvé concluant par le roi du pays, qui envoya un dilemme en forme au mathématicien ce dilemme lui donnait le choix de sortir de Hall dans vingt-quatre heures, ou d’être pendu. Et comme Wolf raisonnait fort juste, il ne manqua pas de partir; Sa retraite ôta au roi deux ou trois cent mille écus par an, que ce philosophe faisait entrer dans le royaume par l’affluence de ses disciples. Cet exemple doit faire sentir aux souverains qu’il ne faut pas toujours écouter la calomnie, et sacrifier un grand homme à la fureur d’un sot.
Michael Albrecht : 1721 ist Christian Wolffs Amtszeit als Prorektor der Friedrichs-Universität zu Halle abgelaufen. Als er das Prorektorat seinem Nachfolger übergibt, wählt er für die Festrede in Lateinisch die Praktische Philosophie der Chinesen. Konfuzius war, so erklärt Wolff in der Einleitung, nicht der Erfinder der chinesischen Weisheit. Schon in alten Zeiten gab es vielmehr bedeutende Philosophen. Sie waren zugleich die Könige und regierten durch ihr Beispiel, das vom Volk nachgeahmt wurde, einen glücklichen Staat. Als China zu zerfallen drohte, wurde ihm von der göttlichen Vorsehung Konfuzius geschenkt, der es allein durch sein erfolgreiches Wirken als Lehrer wiederherzustellen vermochte. Deswegen ist er für die Chinesen das, was Moses für die Juden, Mohammed für die Türken und Christus für die Christen ist, sofern man die Genannten als Lehrer oder Propheten betrachtet. Konfuzius schöpfte seine Lehre aus den Berichten über die alten Philosophenkönige und erneuerte deren Philosophie. Damit ist auch klar, warum im Thema nicht von der praktischen Philosophie des Konfuzius, sondern von der Philosophie der Chinesen die Rede ist… Im Hauptteil handelt es sich um die Frage, ob diese Philosophie mit der Natur des menschlichen Geistes übereinstimme. Die Antwort ist einfach : Da die Chinesen selbst diesen Prüfstein auf ihr eigenes Denken anwendeten, kann man sicher sein, dass sie dieser Anforderung Genüge leisteten. Der Leitbegriff der eigentlichen Darstellung sind die 'Kräfte der Natur'. Es gibt nämlich drei Grade der Tugend. Diese kann entweder bloss auf den Kräften der Natur beruhen, oder sie kann durch die natürliche Religion (die mit Hilfe der Vernunft die Eigenschaften Gottes und das Walten der Vorsehung erkennt) oder schliesslich sogar aus den Wahrheiten der Offenbarung heraus motiviert werden. Die Chinesen kannten die Offenbarung nicht, sie verfügten nicht einmal über die natürliche Religion. Also blieb ihnen nur der unterste Grad der Tugend… Drei historische Beweise schliessen sich an. Der erste ist das chinesische Erziehungssystem. In ihm wurde die Erkenntnis, dass sich eine durch Furcht oder Hoffnung erzeugte Tugend grundsätzlich von einer durch die Vernunft und frei beschlossenen Tugend unterscheidet, auf glänzende Weise in die Praxis umgesetzt wird und damit die Tugend in China höchst erfolgreich fördert. Die Schule der Kleineren wird duch die Ehrfurcht gegenüber Eltern, Alten und Vorgesetzte an gute Sitten gewöhnt. Die Schule der Erwachsenen lehrt dagegen, die Gründe der Dinge zu erforschen, und vermittelt die selbständige, auf Selbstbeherrschung beruhende Tugend. Dieses Schulwesen ist nützlich für die staatliche Ordnung. Der zweite Beweis stammt aus dem Ta hsio [Da xue] : Vervollkommnung der Vernunft ist die Voraussetzung der moralischen Einsicht und damit der tugendhaften Handlung. Der dritte Beweis behandelt den scheinbar überflüssigen chinesischen Brauch, einer Schwangeren durch Musik und Erzählung tugendhafte Gedanken zu vermitteln. Er verwirklicht die vernünftige vorgeburtliche Erziehung zur Tugend… Die Ablehnung einer theologisch fundierten Moralphilosophie gewinnt erst dadurch ihre besondere Schärfe, dass Wolff sich nicht nur auf die chinesische Philosophie, sondern auch auf die Verwirklichung dieser Lehre in China bezieht. Er betrachtet die Praxis der chinesischen Sittlichkeit und Staatsverfassung als Experiment für die Richtigkeit der zugrundeliegenden Theorie, denn er ist der Ansicht, dass das experimentelle Verfahren auf allen Gebieten der Philosophie anwendbar sei. Er versucht die allgemeine praktische Philosophie experimentell zu erproben, weil China, das sich bloss auf die 'Kräfte der Natur' stützt, dafür das geeignete Feld der Untersuchung ist. Das Ergebnis ist : Die Wahrheit der allgemeinen praktischen Philosophie Wolffs, die gleichermassen, in undeutlicher Form, in China die theoretischen Grundlagen des Handelns enthält, wird durch die Erprobung bestätigt… Das tugendhafte Leben der nicht-religiösen Chinesen und die Harmonie in der Ordnung ihres Staates gewinnen hier Beweischarakter ; sie zeigen, dass gerade eine blosse philosophische, nicht-religiöse Tugend geeignet ist, die wünschenswertesten Früchte zu tragen. Wolff zieht es zwar vor, die Chinesen trotz der mangelnden 'natrürlichen Religion' nicht als Atheisten zu bezeichnen… Er sagt nicht, dass eine Mission in China überflüssig ist, aber auch nicht, dass sie notwendig ist. Die Chinesen erscheinen nicht bedauernswert, sondern vielmehr bewundernswert. Sie befinden sich durch ihr Heidentum nicht in einem 'elenden Zustand', sondern können, was ihre privaten und öffentlichen Tugenden betrifft, als Muster für das christliche Europa dienen… Die Chinesen befürfen keiner 'Umkehr' durch die Bekehrung ; das Christentum würde in China vielmehr ein Mittel zur weiteren Kräftigung der tugendhaften Gesinnung sein. Das Heidentum der Chinesen ist nicht die Quelle von Irrtümern, sondern von vernunftgemässen Einsichten.
John Ho : Wolff beschreibt die chinesische Tradition als die älteste geschichtliche Tradition der Welt. In der Zeit Fohis [Fuxi] hat die chinesische Moraltradition angefangen. Fohi richtet sich in seiner Politik nur nach dem Himmlischen Gesetz. Weil dieses Gesetz der Natur oder des Himmels allgemein und unwandelbar ist, hofft Fohi, dass seine Gesetze sich im Herzen des Menschen einprägen und bewähren müssen. Die erste niedergelegte Sprache Chinas sind die Hexagramme von Fohi. Wolff hat eine hohe Verehrung für Konfuzius und den Konfuzianismus. Zur Zeit des Konfuzius sind die chinesischen Sozialordnungen zerrüttet. Die alten Sitten und Tugenden wie Ehrfurcht und Gehorsam haben keine Geltung mehr. Deshalb erstrebt Konfuzius mit Hilfe der alten Kaiser eine Wiederherstellung der alten sittlichen Tradition und Sozialordnung. Statt eine völlige Wiederherstellung der alten Moral wäre eine Verbesserung der beste Weg zur sittlichen Vollkommenheit. Wolff ist überzeugt, dass die Lehre des Konfuzius mit den andern Lehren wie Judentum, Islam und Christentum nicht vergleichbar ist. Er hofft, dass die Europäer vermehrt Konfuzius verstehen lernen und von ihm profitieren. Wolff analysiert die chinesische Ethik, in dem er versucht, die menschliche Vernunft mit der göttlichen Offenbarung zu verbinden, daher unterscheidet er die Sitten in zwei Arten : die Sitten, die aus der Natur des menschlichen Verstandes hervorgehen und die, die von der göttlichen Offenbarung inspiriert sind. Die Chinesen handeln nach dem natürlichen Verstand und die Christen handeln nach der göttlichen Offenbarung, aber ob einer Christ oder Konfuzianer ist, handelt er tugendhaft. Weil die Chinesen nach der Vernunft handeln, tun sie das, was naturgemäss ist. Nach chinesischer Auffassung wird eine Übereinstimmung zwischen der äusseren Handlung und den inneren moralischen Gesetzen gefordert. Das Prinzip moralischer Bewerung ist, alles Handeln am Masstab der Tugend der alten Kaiser zu messen. Das Ziel der chinesischen Ethik ist das Ideal der Vollkommenheit. Nur moralisches Handeln kann Ruhe und Frieden des Herzens erhalten, weil es immer das Gute erstrebt. So hat die Tugend auch dort, wo sie ins Unglück führt, trotzdem ihren Zweck erfüllt, weil sie ja nicht das Glück, sondern die ethische Vollkommenheit erstrebt. Wolff gibt über das Unterrichtswesen die Darstellung von François Noël wieder. So müssen die Kinder Unterwerfung, Gehorsam und sittliches Handeln lernen, damit sie zu guten Bürgern der Gemeinschaft heranwachsen. Die Schüler der Schule der Erwachsenen, meistens Kinder aus kaiserlichen oder königlichen Familien, lernen die sittlichen Regeln beherrschen und die Tugend üben. Die Ordnung eines vollkommenen Staates hängt von der sittlichen Vollkommenheit einer einzelnen Person ab. Das Ziel der Vervollkommnung kann nur in einer Staatsgemeinschaft erreicht werden, und dieses Ziel bedeutet zugleich das höchste Glück.
Li Wenchao : Dass China ein grosses Reich mit ungeheur vielen, aber friedlich lebenden Einwohnern sei und ein Gegenbild des zersplitterten Europa darstelle, steht für Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff fest. Wolff sieht jedoch in diesem China-Bild keinerlei Ausdruck irgendeiner religiösen Motivation, weder in Form einer 'theologia naturalis' noch in Form der Offenbarung. Sein Zauberwort lautet 'philosophia practica' aufgrund der 'naturae viribus' und will damit deutlich machen, dass die Chinesen sozusagen Jahrtausende lang gerade das praktiziert hätten, was Wolff seit Jahrzehnten lehre. In dieser Lehre steht an der ersten Stelle die Vernunft, welche ihre Aufgabe in der Untersuchung der Gründe der Dinge sieht. Durch diese Untersuchung erschliesst die Vernunft den genauen Begriff des Guten und des Bösen. Darauf aufbauend kann der Wille dann derart gefestigt werden, dass er das Gute liebe und das Böse hasse. Das Kriterium für das Gute ist die Übereinstimmung mit der Natur des menschlichen Geistes, der das Böse nicht mehr tun wird, sofern er es als ein solches erkennt. Das Ziel aller Handlungen liege in der Vollkommenheit des Einzelnen zum einen und der Allgemeinheit zum anderen. Das Streben nach dieser Vollkommenheit wird Glückseligkeit genannt. Wolff gibt drei Kriterien : Die Erkenntnis Gottes meint den 'deutlichen Begriff' des 'wahren Gottes'. Diese wahren Erkenntnisse werden durch Gottes Eigenschaften und Werke hergeleitet. Sie dienen in der Tugendlehre und in der Ethik als alleinige Beweggründe allter Handlungen. Walter Demel : In folgenreicher Weise entwickelt Christian Wolff die Einsicht von Leibniz in das Verhältnis von christlicher Theologie und chinesischer Philosophie weiter. Faszniert von der praktisch-pädagogischen – wenngleich seiner Ansicht nach zu unsystematischen – Ausrichtung des chinesischen Denkens glaubte er, die Grundaussagen seiner eigenen 'Weltweisheit' darin wiederzuentdecken. Gleichzeitig liefert ihm das älteste Reich der Welt den historischen Beweis dafür, dass es nicht utopisch sei, beispielsweise an die Möglichkeit eines 'Philosophen auf dem Thron' oder zumindest eines von Philosophen geleiteten Fürsten zu glauben. Ausdrücklich erklärt er, er ziehe das chinesische Beispiel in diesem Zusammenhang heran, "damit es nicht das Ansehen habe, als lehrete ich etwas, welches von der Ausübung abgienge, und welches nur unter die Platonischen Begriffe zu rechnen, und mit dem Sonnenreich zu verwerffen seye". Wolff betont bei seiner Rede, dass die Chinesen – in Ermangelung einer biblischen Offenbarung und eines Kontakts mit der übrigen Welt – nur ihre natürlichen Kräfte für die Erkenntnis der menschlichen Natur und der natürlichen Moral hätten einsetzen können, "so haben wir gewiss auser ihnen kein vortrefflichers Beyspiel, dadurch man zeigen könnte, wie viel die natürliche Kräffte vermögen". Was Wolffs pietistische Gegenspieler daran so empörte, war wohl die Behauptung, dass ein Staatswesen allein aufgrund einer erhabenen, rein weltlich gedachten Moral ein hohes Mass an Vollkommenheit erreichen könnte. Die offenbarte christliche Religion wurde damit aus dem Bereich des Staatsdenkens völlig hinausverwiesen. In Wolffs Rede manifestierte sich in aufsehenerregender Weise die Emanzipation der Naturrechtslehre von der Theologie.
Liu Weijian : Wolff bekundet seine Achtung vor der konfuzianischen Sittenlehre. Der chinesische alte Lehrsatz, dass nämlich die Beispiele der Kaiser und Könige den Untergebenen als Richtschnur ihrer Handlung dienten, schien ihm als ideelles Vorbild für eine aufgeklärte Verwaltung und Staatsordnung zu sein ; gerade weil die chinesischen Kaiser mit ihren Untergebenen gemeinsam nach dem Ruf der Tugend strebten und gute Sitten zum Masstab ihres Lebens machten, würden sie immer wieder wegen der Liebenswürdigkeit und Anständigkeit ihrer Sitten und wegen ihrer äusserst grossen Klugheit in der Regierung gerühmt. Er weist insbesondere darauf hin, dass Konfuzius die Annalen der alten chinesischen Kaiser und Könige mit grösster Sorgfalt studiert und daraus die rechte Richtschnur, wie man leben und regieren solle, ausgearbeitet habe. Was das Ansehen des Konfuzius für Chinesen betrifft, bezeichnet Wolff ihn als Propheten und Lehrer, der den Menschen von Gott gegeben worden sei, und verglich ihn mit Moses für Juden, Mohammed für Türken und Christus für Europäer.
Hans-George Kemper : Gott ist für Wolff der höchste Verstand, aus dessen Vorstellung die beste aller Welten hervorgegangen ist. Insofern ist der Verstand (und nicht mehr nur die Offenbarung und der Glaube) des Menschen auch das adäquateste Organ, die göttliche Schöpfung zu erfassen, sich in der Welterkenntnis dem Göttlichen anzunähern sowie im gesellschaftlichen Streben nach Glückseligkeit zu vervollkommnen. In seiner Rede entwickelt er, mit nur implizitem Verweis auf die Hermetik der chinesischen Weisheit, weil er deren Rationalität herausstellen will, das Bild eines schon in den ersten Anfängen seit dem Kaiser und Weltweisen Fo Hi [Fuxi] vollkommenen Gemeinwesens, das dessen Gesetze in der Nachahmung seiner vorbildlichen Regenten zur 'höchsten Vollkommenheit' gebracht habe. Nach einer Periode des Verfalls wird Konfuzius als 'ein Mann, der sich durch Tugend und ausserordentliche Gelehrsamkeit auszeichnet', von der 'göttlichen Vorsehung China geschenkt', um 'den verfallenen Zustand wieder herzustellen'. Deswegen gelte er den Chinesen mit Recht seit damals und noch heutzutage genausoviel wie Moses den Juden, Mohammed den Türken, ja sogar genausoviel wie Christus uns gilt, sofern wir ihn als Propheten oder Lehrer, der uns von Gott gegeben worden ist, verehren. Diese implizite Gleichstellung des christlichen Erlösers, der damit vom Gottessohn zu einem Propheten herabgestuft wird, mit den vom Christentum verteufelten heidnischen Religionsstifter wird bereits eine schwere Beleidigung des Christentums für die Theologen. Doch Wolff provoziert sie noch stärker. Denn um die Richtigkeit seiner Theorie von der ausreichenden Gültigkeit einer natürlichen Religion und Gotteskenntnis nur durch die richtige Einsicht des Verstandes zu belegen, charakterisiert er die Chinesen als Atheisten, die gleichwohl eine völlig zureichende Erkenntnis von der Sittenlehre hätten. Die alten Chinesen haben in ihren Sitten nur das auszuüben befohlen, von dem sie einsehen, dass es mit dem menschlichen Geist übereinstimmt. Darüber hinaus demonstrieren sie auch die Existenz einer Art von 'moral sense', einer 'Naturanlage der Seele', nur das zu begehren, was sie für gut hält, und nur das zu verabscheuen, was sie für böse hält. Wolff vertritt sogar einen Determinismus im Bereich seiner Ethik, insofern am Ende alles aus der deutlichen Erkenntnis des Guten und Bösen entspringt und dass deswegen der Wille durch die Schärfe des Verstandes vervollkommnet wird. Auf dieser Basis zielen alle Anstrengungen der Chinesen auf eine gute Regierung, damit nämlich in dem wohlgeordneten Staat alle, die in ihm leben, glücklich würden. Im ganzen liege sogar, wie Wolff herausgefunden zu haben behauptet, in den scheinbar konfusen Büchern der alten Sineser eine geheime Weisheit verborgen. Wolff findet nichts, wofür man die Chinesen zu Recht tadeln könne und bekräftig zum Schluss, dass die Grundsätze der Weisheit der ältesten Chinesen mit den seinigen übereinstimmen. Eine solche mit der Nobilitierung atheistischer Heiden verbundene säkulare Selbstaufwertung der Philosophie wollen sich die Theologen in Halle nicht bieten lassen.
Lee Eun-jeung : Für Wolff steht ausser Frage, dass Konfuzius ein Lehrer war, der sich unermüdlich um die Tugend bemühte. Als er sich mit Moral und Staatslehre beschäftigte, studierte er zunächst mit viel Fleiss und Anstrengung die alten Annalen, die Geschichtswerke, die mit aller Sorgfalt verfasst sind und der Moral und Staatslehre dienen, "weil daraus die Verknüpfung der Taten mit ihren Ergebnissen auf glänzende Weise erkannt werden kann, während man diese Verknüpfung in einem üblichen Geschichtswerk höchstens durch Vermutungen begreifen kann"... Er fordert, man solle die Aussprüche und Taten von Konfuzius auf ihre allgemeinen Bestimmungsgründe bringen, dann würde man erkennen können, wie tief die Lehre von Konfuzius selbst sei. Konfuzius habe den Chinesen gelehrt, dass man im Streben nach der Tugend so weit fortschreiten müsse, bis das sinnliche mit dem vernünftigen Streben wie von selbst übereinstimme. Es steht für Wolff fest : Konfuzius konnte sich ohne jede Kenntnisse vom Schöpfer der Welt und seiner Offenbarung lediglich der Kräfte der Natur bedienen. Dennoch sei er vom Weg der Wahrheit nicht abgekommen, da er sich unermüdlich um die Tugend bemüht und Laster vermieden habe.
Philosophy : Europe : Germany