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“West-östliches Gespräch : Heidegger und Lao Tse” (Publication, 1992)

Year

1992

Text

Pöggeler, Otto. West-östliches Gespräch : Heidegger und Lao Tse. In : Pöggeler, Otto. Neue Wege mit Heidegger. (Fraiburg i.B. : Alber, 1992). = Pöggeler, Otto. West-East dialogue : Heidegger and Lao-tzu. In : Heidegger and Asian thought. Ed. by Graham Parkes. (Honolulu, Hawaii : University of Hawaii Press, 1987). (Heid14)

Type

Publication

Mentioned People (1)

Heidegger, Martin  (Messkirch 1889-1976 Freiburg i.B.) : Philosoph

Subjects

Philosophy : Europe : Germany / References / Sources

Chronology Entries (10)

# Year Text Linked Data
1 1922-1935 [Martin Heidegger und die Japaner].
Ohashi, Ryôsuke. Die frühe Heidegger-Rezeption in Japan. In : Japan und Heidegger. Ed. by Hartmut Buchner. (Signmaringen : Thorbecke, 1989).
Ohashi schreibt : Zwischen 1922-1935 waren einige bekannte japanische Philosophen z.B. Hajime Tanabe und Shuzo Kuki in Deutschland zum Studium, unter anderem auch bei Heidegger. In der Folgezeit kamen immer mehr Philosophen hinzu und der Einfluss von Sein und Zeit verstärkte sich in Japan. Das Denken Heideggers hat auf die Philosophie der Kyoto-Schule unleugbaren Einfluss. Die Heidegger-Rezeption in Japan ist ein grosses Thema, das für den modernen Philosophen im chinesischen Sprachkreis viel Bedeutung besitzt und ebenso oft diskutiert wurde. Denn der Gemeinsamkeiten zwischen der chinesischen und japanischen Kultur sind viele.

Otto Pöggeler : Heidegger konnte Anstösse aus den ostasiatischen Traditionen in sein eigenes Bemühen, Besinnung zu wecken, einbringen. Er hat über Jahrzehnte hinweg beobachtet, wie seine japanischen Schüler von seinem Denken aus die Überlieferungen, aus denen sie kamen, neu zu fassen suchten. Freilich hat er sich bis in sein hohes Alter hinein gefragt, ob diese Schüler das Gleiche meinen wie er, wenn von beiden Seiten, aber aus ganz anderen Traditionen und Sprachen heraus, z.B. vom 'Nichts' gesprochen wird. Heidegger hielt das Gespräch zwischen Europa und dem Fernen Osten für ebenso nötig wie schwierig ; er wollte die Fremdheit nicht übersehen, die in jeder Begegnung blieb. Die lebenslangen Gespräche mit den Schülern sind durch eine Welt getrennt von den kurzen Interviews der Besucher ; trotzdem kann die Aufzeichnung von einem solchen Besuch erste Hinweise darauf geben, warum er überhaupt solche Begegnungen suchte, wie er die Unterschiede der Traditionen, aber auch die Gemeinsamkeit im Fragen sah.
Heidegger hat überdies festgehalten, dass er von früh an mit Japanern zusammengearbeitet habe, 'von Chinesen habe er indessen mehr gelernt'.
2 1930 Martin Heidegger hält sich nach einem Vortrag über das Wesen der Wahrheit in Bremen bei Herrn Keller auf. In einem Gespräch wurde die Frage gestellt, ob ein Mensch sich in den anderen versetzen könne. Als die Gefahr aufkam, dass das Gespräch zu einem psychologischen Zerreden wurde, liess sich Heidegger von Herrn Keller Tschuang-tse [Zhuangzi]. Reden und Gleichnisse des Tschuang-tse. Deutsche Auswahl von Martin Buber [ID D11978] geben. Er zitiert und interpretiert daraus die Geschichte Die Freude der Fische um die Frage nach der Intersubjektivität zu beantworten :
"Tschuang-tse und Hui-tse standen auf der Brücke, die über den Hao führt. Tschuang-tse sagte : 'Sieh, wie die Elritzen umherschnellen ! Das ist die Freude der Fische'. 'Du bist kein Fisch' sagte Hui-tse, ‚wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht ? 'Du bist nicht ich' antwortete Tschuang-tse, 'wie kannst du wissen, dass ich nicht wisse, worin die Freude der Fische besteht ?' 'Ich bin nicht du', bestätigte Hui-tse, 'und weiss dich nicht. Aber das weiss ich, dass du kein Fisch bist ; so kannst du die Fische nicht wissen'. Tschuang-tse antwortete : 'Kehren wir zu deiner Frage zurück. Du fragtest mich : 'Wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht ? Im Grunde wusstest du, dass ich weiss, und fragtest doch. Gleichviel. Ich weiss es aus meiner eignen Freude über dem Wasser'."

Otto Pöggeler : Zhuangzi kann aus seiner Freude am Wandern die Freude der Fische im Bach teilen. In der 'Mitteilung' und im 'Kampf' kann dann jenes 'Geschick' freigegeben weren, von dem her sich die übergreifende Gemeinschaft eines 'Volkes' im Wechsel der Generationen aufbaut. Man mag an dieser Bestimmung des Verhältnisses zum Anderen jene 'ethische' Dimension vermissen, in der der Andere mich in die Verantwortung nimmt, in der das 'mythische' Sicheingrenzen auf das Eigene und die Heimat durch die messianische Forderung des Friedens für alle durchbrochen werden. Die Behauptung ist aber kurzschlüssig, bei Heidegger falle das Verhältnis zum anderen aus. Es wird nur anders als in bestimmten Traditionen gesehen : als Freundschaft, in der die Freunde letztlich einander in ihre Eigenheit und Andersheit entlassen, so dass in jedem 'die Welt fertig dasteht' ; nicht als Nächstenliebe, in der der eine auf den andern angewiesen ist. Heidegger bezieht die Legende des Zhuangzi speziell auf die Frage des Mitseins. Hat diese Legende im Taoismus aber nicht den weitergehenden Sinn, an die universale Sympathie zu erinnern, die alles Natürliche – z.B. Fische und Menschen – miteinander verbindet ? Auch Sein und Zeit weist darauf hin, dass die Natur, die uns 'umfängt', also Natur 'etwa im Sinne des Naturbegriffes der Romantik', nicht die 'Naturdinglichkeit' des Vorhandenen oder Zuhandenen sei, damit nicht die Natur, die wissenschaftlich oder technisch von uns behersscht wird.

Chung Chen-yu : In diesem Zitat geht es um die Frage, ob sich der Mensch in ein Tier bzw. in einen anderen Menschen hineinversetzen kann. Für Zhuangzi ist ein solches Heineinversetzen möglich, weil sich der Mensch, wenn er sitzt und vergisst, mit allem Seienden vereint. Dann ist die Unterscheidung von Mensch und Mensch, von Mensch und Ding verschwunden. Heidegger hat zwar das Beispiel Zhuangzis übernommen, stellt aber eine andere Problematik dar. Ontologisch gesehen ist der Mensch immer das Mitsein mit Anderen und das Mitsein mit den Tieren. 'Welt' bedeutet, das Seiende als das Seiende anwesen zu lassen. Dieses Ansehen-Lassen ist aber nur dem Menschen als Dasein mgöich. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier zeigt sich bei Heidegger darin : 'Die Art, wie der Mensch ist, nennen wir das Verhalten ; die Art, wie das Tier ist, nennen wir das Benehmen. Das Benehmen des Tieres ist nicht ein Tun und Handeln, wie das Verhalten des Menschen, sondern Treiben, womit wir andeuten, dass gleichsam alles Treiben des Tieres die Getriebenheit durch das Triebhafte charakterisiert'.

Cho Kah Kyung : Als Beispiel eines nicht-sprachlichen Kommerzes steht diese Lehre Zhuangzis eigentlich im Gegensatz zu Heideggers ontologischer Voraussetzung, welche das Tierreich abgründig vom menschlichen Dasein trennt. Doch mit dieser Geste der didaktischen Übertreibung hatte er jene hermeneutische Pointe nicht verfehlt, dass Schweigen positiv zum Moment des Verstehens gehört.

Ohashi Ryôsuke : Die Erzählung des Zhuangzi gliedert sich so, dass die Diskussion zwischen Tschuang-tse und Hui-tse mit einem abschliessenden Wort Tchuang-tses um schlägt und zu Ende geht. Das Wort, das das ganze Gespräch wendet, lautet : 'Kehren wir zu deiner Frage zurück'. Wortgetreu übersetzt : 'Kehren wir zum Ursprung zurück'. Der gemeinte 'Ursprung' ist im Kontext dieser Erzählung der Ausgangspunkt der Diskussion Hui-tses. Aber das Wort 'Ursprung' bedeutet offensichtlich auch den 'ursprünglichen Anfang', in dem Tschuang-tse steht. Das 'Mitsein' Heideggers ist die Seinesweise des Menschen und gründet im menschlichen Dasein. Das 'Gleichstellen der Dinge' bei Zhuangzi dagegen ist die Haltung, alle 'Dinge' trotz all ihrer Unterschiede, wie etwa Grösse usw., als 'gleich' anzusehen. Das 'Mitsein' bei Heidegger gründet in der Entschlossenheit des Daseins des Menschen.
Die 'Wandlung' bei Zhuangzi ist nicht nur der Grund der Fremderfahrung zwischen den Menschen, wie das Mitsein Heideggers, sondern der Grund der Fremderfahrung im Ganzen. In der Entwicklung des Gedankens dieser 'Wandlung' geht nun eine andere Dimension der Nähe und Ferne auf, nämlich die der 'Geschichte'. Im menschlichen Dasein ist als Da des Seins, wie es Heidegger in Sein und Zeit erörterte, schon der Charakter der Geschichtlichkeit enthalten. In der 'Wandlung' bei Zhuangzi dagegen wird die Sicht der Geschichte nicht geöffnet. In der Erzählung Herbst-Fluss wird gesagt : 'Der Weg kennt nicht Ende noch Anfang. Verfall und Ruhe, Fülle und Leere machen einen ewigen Kreislauf durch. Einfach der Wandlung ihren Lauf lassen !'
  • Document: Obashi, Ryôsuke. Heidegger und die Frage nach der abendländischen Moderne - ausgehend von einem Text Tschuang-tses. In : Destruktion und Übersetzung : zu den Aufgaben von Philosophiegeschichte nach Martin Heidegger. Hrsg. von Th. Buchheim. (Weinheim : VCH Acta Humaniova, 1989). S. 132-133, 137. (Heid12, Publication)
  • Document: Cho, Kah Kyung. Heidegger und die Rückkehr in den Ursprung : Nachforschungen über seine Begegnungsmotive mit Laotse. In : Im Spiegel der Welt : Sprache, Übersetzung, Auseinandersetzung. Hrsg. von Dietrich Papenfuss und Otto Pöggeler. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1992). S. 302. (Heid7, Publication)
  • Document: Lee, Yen-hui. Gelassenheit und Wu-wei : Nähe und Ferne zwischen dem späten Heidegger und dem Taoismus. Diss. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.B. (2000).
    http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/441/pdf/Dissertation.pdf. S. 14. (Heid5, Web)
  • Document: Chung, Chen-yu. Lebensweisheit und Weltoffenheit : ein Vergleich zwischen dem daoistischen wuwei und der heideggerschen Gelassenheit. (Nordhausen : T. Bautz, 2006). Diss. Bergische Univ. Wuppertal, 2005. S. 262-263. (Heid106, Publication)
  • Person: Heidegger, Martin
3 1933 Martin Heidegger genügte der Aufbau einer akademischen Philosophie von der Phänomenologie aus nicht mehr ; die Parteien und Kirchen schienen bei der Gestaltung des gemeinsamen Lebens zu versagen. So fordert er von der Universität aus eine Revolution, dann eine Besinnung auf den nötigen langsamen Wandel von Friedrich Hölderlin her. Nach dem Weg in die Katastrophe forderte er ein 'neues Denken', und für dieses Denken suchte er Anstösse aus jener Geistigkeit, die in Asien noch lebendig war, zu übernehmen.
4 1942-1947 [Martin Heidegger und Paul Shih-yi Hsiao. Übersetzung des Dao de jing].
Hsiao, Paul Shih-yi. Wir trafen uns am Holzmarktplatz [ID D19041].
Hsiao schreibt : Es erging mir wie manchen anderen Asiaten : Im Bemühen, Heideggers Gedanken zu verstehen, musste ich erst einmal lernen, warum sein Denken für viele seiner abendländischen Zeitgenossen so schwer verständlich oder so sensationell erschien. Vieles, was er 'zur Sprche gebracht' hat, ist, wie wir meinen, nicht selten so oder ähnlich auch im Denken des Fernen Osten gesagt worden. So ist die Zeitlichkeit des Daseins in China immer schon anders verstanden worden als im Abendland.
Persönlich habe ich Martin Heidegger 1942 kennenlernen dürfen. Als Gasthörer durfte ich an Heideggers Seminaren teilnehmen. Bei dieser Gelegenheit überreichte ich ihm ein Exemplar meiner Übertragung des Tao-te-king Lao-tses ins Italienische [ID D19030], zu deren Veröffentlichung mir Benedetto Croce verholfen hatte. Ich weiss nicht, ob diese Texte ein besonderes Interesse Heideggers an Lao-tse geweckt haben. Vermutlich hat er in meiner Übertragung irgend etwas entdeckt, was er in anderen nicht gefunden hatte, sonst hätte er mir wohl nicht vorgeschlagen, gemeinsam eine Übertragung ins Deutsche auszuarbeiten.
1946 : Wir trafen uns am Holzmakrtplatz… in Freiburg.
Heidegger fragt Hsiao : "Herr Hsiao, was sagen Sie dazu, wenn die Menschen zwei widersprechende Bahauptungen über die gleiche Schrift von Ihnen aufstellen ? Wie ist das möglich ? Einen Abschnitt meines Buches Sein und Zeit haben die Nazis mir damals schon gezeigt und gesagt : 'Herr Heidegger, Sie haben da etwas in Ihrem Buch geschrieben, woran man deutlich sieht, dass Sie nicht arisch sind !' Nun den gleichen Abschnitt haben Ihre Alliierten, die Franzosen auch hergenommen, mir vorgelegt und gesagt : 'Herr Heidegger, Sie haben da etwas in Ihrem Buch geschrieben, daran sieht man, dass Sie wirklich ein Nazi sind !'. Herr Hsiao, sehen Sie ! Der gleiche Abschnitt im gleichen Buch kann so grundverschiedene Wirkungen zur Folge haben. Was sagen Sie dazu ?"
In meiner Verlegenheit fielen mir die trostreichen Worte des Meng-tse [Mengzi] ein : "Herr Professor, Sie fragen mich, was ich zu Äusserungen von Nazis und Alliierten sage. Ich kann Ihnen nur eine chinesische Antwort geben. Ich finde, die mit Sicherheit falsche Hermeneutik der Nazis wie der Allierten bezeugt das gleiche : In Zukunft muss man eben Ihre Philosophie mit mehr Eifer und Sorgfalt studieren und erforschen. Wird sie verstanden, hat Ihre Philosophie noch eine grosse Mission für die Zukunft. Meng-tse sagte : 'Wenn der Himmel jemandem einen grossen Auftrag erteilen will, wird er zunächst sein Herz und seinen Willen mit Bitterkeit erfüllen, seine Sehnen und Knochen zermürben, seinen Körper aushungern, seinen Leib mit grosser Armut ausstatten, seine Unternehmungen verwirren, damit sein Herz angereizt, seine Natur gestärkt und seine Unzulänglichkeit zur Vollendung gebracht werde. Von all diesen Dingen lernen wir, dass das Leben aus Angst und Sorge, Elend und Entbehrung entspringt ; der Tod dagegen aus Bequemlichkeit und Vergnügen'." Von diesem Zitat schien Heidegger irgendwie bewegt zu sein. Danach haben wir nicht mehr über dieses Thema gesprochen.

In der gleichen Begegnung forderte mich Heidegger auf, mit ihm zusammen das Werk des Lao-tse ins Deutsche zu übertragen. Ich sagte freudig zu. Wir gingen bei der Übertragungsarbeit zunächst vom Text des Lao-tse nach Chiang Hsi-ch'ang aus [Chiang Hsi-ch'ang. Lao-tse chiao-ku. (Shanghai : Shang wu yin shu guan, 1937] = [Jiang, Xichang. Laozi jiao gu], der sich aus dem Vergleich von über vierundachtzig alten Texten ergeben hat und vorläufig als kritische Textausgabe betrachtet werden kann. Ausserchinesische Übertragungen und Kommentare liessen wir beiseite. Als erstes nahmen wir uns die Kapitel über Tao vor, die ersichtlich die schwierigsten und wichtigsten sind. Durch die gründliche Gangart des Heideggerschen Denkens hatten wir am Ende des Sommers 1946 von den einundachtzig erst acht Sprüche bearbeitet. In etwa zehn Jahren wären wir vermutlich fertig geworden, vielleicht auch etwas früher, denn andere Kapitel sind nicht gar so verhüllt.
Im folgenden Sommer wollten wir die Arbeit fortsetzen. In der Zwischenzeit wurde ich zu meinem ersten Vortrag in der Universität eingeladen. Das Thema : Die Begegnung zwischen Abendland und China. Ihm folgten viele Vortragswünsche aus dem Bundesgebiet, auch für die Sommerzeit. Ich musste mich entscheiden : Sollte ich die sinnvolle Zusammenarbeit mit Heidegger fortsetzen oder diesen Aufforderungen nachkommen. Heideggers Lao-tse würde in der Welt der Philosophie eine Sensation bedeuten… Andererseits – und ich will das nicht verschweigen – war ich bei der Zusammenarbeit von einer gewissen leisen Erregbarkeit nicht frei, dass Heideggers Notizen villeicht über das hinausgehen könnten, was eine Übertragung gemeinhin zu leisten vermag. Als Interpret und Vermittler beunruhigte mich dieser Vorgang.
Im wesentlichen hat Heidegger gefragt und unablässig, bohrend, unerbittlich weiter gefragt nach jedem im geheimnisvollen Wechselspiel der symbolischen Beziehungen nur denkbaren und auffindbaren Sinnzusammenhang. Erst die vollständige Konstellation der Bedeutungen genügte ihm, um die Bestimmung zu wagen, den Entwurf einer Denkform, die eben diesen vielschichtigen Sinn des chinesischen Textes in der abendländischen Sprache denkbar und deutlich werden liess. Er hat mir leider keinen dieser Übertragungsveruche überlassen. So bleibt nur die Hoffnung, dass seine Notizen aus dem Nachlass, wenn es sein darf, zu meinen Lebzeiten ans Tageslicht kommen.

Nach dem Sommer 1947 ist unsere Zusammenarbeit an dieser Lao-tse-Übertragung nicht fortgesetzt worden. Als ich in den sechziger Jahren einmal Heidegger mit einem Freund besuchte und Lao-tse erwähnt wurde, richtete er den Zeigefinger auf mich und lächelte : "Das war der, der nicht wollte !" Ich lächelte auch, aus Verlegenheit.
Die acht Kapitel des Lao-tse stellen zwar nur eine kleine Zahl dar, haben aber einen gewissen Einfluss ausgeübt. In seinem Vortrag über Kultur und Technik sagt Heidegger einmal, man müsse alte Dinge mit neuerem, weiteren Blick sehen. Versuchen wir z.B. Gott mit den herkömmlichen Gottesbeweisen, dem ontologischen, kosmologischen oder teleologischen zu 'begründen', dann verkleinern wir Gott, der mehr und unaussprechlich sei 'wie das Tao'.
Heideggers Neigung zu Lao-tse zeigte mir auch seine Bitte um zwei Verse des 15. Kapitels in chinesischen Schriftzeichen als Wandschmuck, die ich für ihn in Siegelschrift auf damals erreichbares Pergamentpapier geschrieben habe : "Wer kann das Trübe stillend allmählich klären ? Wer kann die Ruhe bewegend allmählich beleben ?"
Lao-tses Vorstellung vom 'Wu', dem Nichts, und seine Abneigung gegen jeden Rationalismus entsprachen Heideggers Gedanken. Einmal besuchte ich Heidegger mit einem Freund aus der Industrie, und dieser stellte die Frage : "Herr Professor und verehrter Meister, als Europäer kann ich Lao-tse vielfach nicht verstehen, z.B. 'Wird das grosse Tao verlassen, gibt es Humanität und Gerechtigkeit' (Kap. 18). 'Ist ein Kriegsheer stark, dann vernichtet es sich selbst. Ist ein Baum stark, dann bricht er von selbst' (Kap. 76). 'Der Heilige entäussert sich seines Selbst, und sein Selbst wird bewahrt. Ist es etwa so, weil er keine Eigensucht hat ? Darum kann er sein Eigentliches vollenden' (Kap. 7). Warum sprechen die Chinesen so ?" Ich wandte sogleich ein : "Weil wir Chinesen seiner Zeit die aristotelische Logik nicht kannten". "Gott sei Dank, dass die Chinesen sie nicht kannten", fuhr Heidegger spontan weiter. Schliesslich sei Lao-tses Spruch im 7. Kapitel auch von einem berkannten europäischen Sinologen missverstanden und verballhornt worden, also sei Lao-tse der grösste Egoist der Welt ; als habe der Heilige zwar keinen Egoismus, wolle aber gerade dadurch sein Ego vollenden ; oder als preise Lao-tse mit diesem Spruch die Schlaubergerei und Verschlagenheit des Heiligen. In Wirklichkeit komme der Satz Lao-tses dem Wort Augustins nahe : 'Liebe und tue was Du willst'.

Dies werde ich nie vergessen, diesen ungeheuren Ernst seines Fragens. Oft nur mit einem Blick – fragte er wortlos weiter. Fragend immer tiefer verstehend. Möchten doch abendländische Menschen dies von Martin Heidegger lernen : So aufrichtig, so offen und so rückhaltlos nach der Wahrheit zu fragen, die uns, den Meneschen Asiens, überliefert worden sind.
Martin Heidegger schreibt am 9.10. 1947 an Paul Hsiao und zitiert einen Vers aus Kap. 15 des Dao de jing :
Lieber Herr Hsiao ! Ich denke viel an Sie, und wünsche dass wir bald wieder unsere Gespräche aufnehmen können. Ich bedenke den Spruch, den Sie mir aufgeschrieben haben : "Wer kann still sein und aus der Stille durch sie auf den Weg bringen (be-wegen) etwas so, dass es zum Erscheinen kommt ?" Wer vermag es, stillend etwas so ins Sein zu bringen ? Des Himmels Tao. Ich grüsse Sie herzlich. Ihr, Martin Heidegger.

Otto Pöggeler : Heidegger hat schnell eingesehen, dass die Sprachbarriere auch mit Hilfe eines chinesischen Lektors nicht zu überwinden sei. Offenbar hat er seine Arbeitsnotizen vernichtet. Mag die Übersetzung des Dao de jing nicht weit gediehen sein, der Versuch, die Anfänge des abendländischen Denkens mit den Anfängen einer grossen ostasiatischen Tradition zu konfrontieren, verwandelte in einer kritischen Situation Heideggers Sprache und gab seinem Denken eine neue Ausrichtung. Wenn er Bertolt Brechts Laozi-Gedicht liebte, dann wohl auch deshalb, weil er damals selbst wie Laozi über die Berge ausgewandert ist und seiner Zeit trotz der neuen grossen Wirkung aus einer bleibenden Distanz gegenübertrat.

Kai Marchal : Martin Heidegger setzt sich mit Paul Shih-yi Hsiao zusammen um an einer Übersetzung des Dao de jing von Laozi zu arbeiten. Hsiao zog sich jedoch schon bald aus diesem Gemeinschaftsunternehmen zurück, da ihm Heideggers interpretatorische Eingriffe in den Originaltext zu weit gingen : Offenbar wollte Heidegger etwas thematisieren, was sich dem Chinesen nicht erschloss. Auch wenn seither immer wieder von unterschiedlichster Seite Heidegger ins Spiel gebracht wird, wenn Ostasien gewürdigt werden soll, gibt es Grund zu dem Verdacht, dass Heidegger grundsätzlich in die Irre führt, bzw. ob diese Stellung des philosophischen Gedankens wirklich trägt und den konsequenten Schritt in eine Philosophie jenseits der Kulturen, zwischen den Kulturen und Vergangenheiten wirklich antreiben kann. Zum ersten speist sich Heideggers Drang zur 'Überwindung' natürlich aus der von ihm konstruierten Seinsgeschichte, also einer ontologisierten Vernunftkritik. China bleibt hier immer das 'Ungedachte' des Westens, als Signum für die Hoffnung : Dass es 'ein Denken gibt, dass strenger ist als das Begriffliche'. Doch wird damit ein Verständnis von Sein und Seinsgeschichte auf die chinesischen Texte projiziert, das so den Texten nicht zueigen sein dürfte ; die chinesische Tradition als ganze wird unter den Bann der Fundamentalisierung der Seinsfrage gestellt, wie sie Heidegger auszeichnet, und die gerade jene Fragen zu verfehlen droht, die diese Tradition in sich trägt. Mit anderen Worten : Der 'negative Horizont', aus dem Heidegger spricht, bringt es mit sich, dass chinesische philosophische Gedanken einfach zu abstrakten Negationen der 'westlichen' Philosophie werden, ohne dass wirklich die Unterschiedlichkeit, sowie die Gemeinsamkeit zwischen beiden austariert und damit auch diskursiv eingeholt werden könnte. Darüber hinaus droht natürlich immer die Gefahr, dass die Brücken zu jeder methodisch betriebenen Forschung abgebrochen werden, dass philosophische Reflexion zurückgenommen wird in Sprachmystik, in eine 'Haltung' – womit kaum noch abwendbar scheint, dass chinesische Philosophie im Horizont der deutschsprachigen Tradition letztlich doch immer nur zu einem 'Sonderwissen' degradiert wird, das nicht mitteilbar ist und nicht gerechtfertigt werden kann gegenüber Zweifeln, die sich unzweideutig aus der europäischen Philosophie-Tradition ableiten. Wenn dann Heideggers Philosophie als 'Sonderwissen' eine bestimmte Rolle im Zusammenhang der europäischen Philosophie erfüllt, so wäre es bedauerlich, wenn sämtliche Schichten des chinesischsprachigen Philosophierens auf eben diese Rolle reduziert würden und der Zusammenstoss der beiden Traditionen in einem solchen 'Sonderwissen' enden sollte.

Cho Kyung Cho : Martin Heidegger sucht sich Rat beim chinesischen Sprachlehrer Paul Shih-yi Hsiao und lässt sich von ihm einige ausgesuchte Verse, einige Grundworte aus dem Dao de jing unter seinem 'unablässig, bohrend, unerbittlich' gestellten Fragen, erklären. Der von Laozi gegen Ende seines Lebens gewählte Stil des Eremitendaseins muss dem an sich schon bodenständigen, aber um diese Zeit innerlich noch mehr vom Weltbetrieb abgekehrten Heidegger im Schwarzwald besonders behagt haben. Es bedeutete auf dem Denkweg Heideggers weder die historische Entfernung noch die Schwierigkeit der Übersetzung ein an und für sich unüberwindbares Hindernis. Äusserlich gesehen, bestand zwar in einem 'unpersönlichen Gespräch' mit jemanden wie Laozi eine noch grössere Versuchung, das Vorgedachte auch vorzufinden und es zu vindizieren. Aber die Sachlage war im Grunde nicht viel anders als beim 'denkenden Gespräch', das Heidegger schon mit einer Anzahl von Denkern und Dichtern, besonders mit Parmenides, Anaximander und Heraklit führte. Paradoxerweise lag der Grund der Schwerverständlichkeit in der urtümlichen 'Einfachheit' des Sagens. Denn in dieser einfachen Sprache kam das anfänglich stiftende Verhältnis des menschlichen Daseins zum Seienden in all seiner Wesenhaftigkeit enthüllend und doch zugleich verhüllend zum Vorschein.

Walter Strolz : Heideggers Entsprechung zum Tao-te-king ist das Ergebnis der langmütigen Entfaltung seines einzigen Gedankens : es ist die Frage nach dem 'Sinn von Sein'. Durch den 'Schritt zurück' in den Anfang des abendländischen Denkens öffnet sich ein Weg zur Begegnung mit einem anderen, aussereuropäischen Anfang. Dazu führt nicht ein philosophiegeschichtlicher Vergleich zwischen europäischem und chinesischem Denken, sondern erst die radikale Exposition der Seinsfrage durch die Freilegung des unbedachten Ursprungs der Metaphysik.
  • Document: Hsiao, Paul Shih-yi. Wir trafen uns am Holzmarktplatz. In : Erinnerung an Martin Heidegger. Hrsg. von Günther Neske. (Pfullingen : Neske, 1977). = Hsiao, Paul Shih-yi. Heidegger and our translation of the Tao te ching. Transl. by Graham Parkes. In : Heidegger and Asian thought. Ed. by Graham Parkes. (Honolulu, Hawaii : University of Hawaii Press, 1987). S. 120-122, 124-129. (Heid9, Publication)
  • Document: Strolz, Walter. Heideggers Entsprechung zum Tao-te-king und zum Zen-Buddhismus. In : Sein und Nichts in der abendländischen Mystik. Hrsg. von Walter Stolz. (Freiburg i.B. : Herder, 1984). S. 89. (Heid13, Publication)
  • Document: Cho, Kah-kyung. Der Abstieg über den Humanismus : West-Östliche Wege im Denken Heideggers. In : Europa und die Philosophie. Hrsg. von Hans-Helmuth Gander. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1993). (Schriftenreihe / Martin-Heidegger-Gesellschaft ; Bd. 2). S. 153. (Heid4, Publication)
  • Document: Pöggeler, Otto. Noch einmal : Heidegger und Laotse. In : Phänomenologie der Natur. Beiträge von Kah Kyung Cho [et al.] ; hrsg. von Kah Kyung Cho [et al.]. (Freiburg i.B. : Alber, 1999). (Phänomenologische Forschungen. Sonderband). S. 112. (Heid15, Publication)
  • Document: Marchal, Kai. Annäherung an ein 'Anti-Europa' : Anmerkungen zur Möglichkeit und Notwendigkeit chinesischer Philosophie in Deutschland :
    http://209.85.135.104/search?q=cache:55_a1sYYEQYJ:https://nscnt12
    .nsc.gov.tw/APPLYFORM/WRITINGS/19740507MA/20080718124948
    .pdf+kai+marchal+ann%C3%A4herung+an+ein&hl=de&ct=clnk&cd=
    1&gl=ch&client=firefox-a. (Heid8, Web)
  • Person: Heidegger, Martin
5 1950 Heidegger, Martin. Das Ding [ID D19797].
Laozi schreibt in Kap. 11 des Dao de jing übersetzt von Richard Wilhelm : 'Dreissig Speichen umgeben eine Nabe. In ihrem Nichts besteht des Wagens Werk. Man höhlet Ton und bildet ihn zu Töpfen : In ihrem Nichts besteht der Töpfe Werk. Man gräbt Türen und Fenster, damit die Kammer werde : In ihrem Nichts besteht der Kammer Werk. Darum : was ist, dient zum Besitz, Was nicht ist, dient zum Werk'. Victor von Strauss übersetzt : 'Gemäss seinem Nicht-sein ist des Gefässes Gebrauch'.

Heideger sagt : 'Wand und Boden, woraus der Krug besteht und wodurch er steht, sind nicht das eigentlich Fassende. Wenn dies aber in der Leere des Kruges beruht, dann verfertigt der Töpfer, der auf der Drehscheibe Wand und Boden bildet, nicht eigentlich den Krug. Er gestaltet nur den Ton. Nein – er gestaltet die Leere. Für sie, in sie und aus ihr bildet er den Ton ins Gebild. Der Töpfer fasst zuerst und stets das Unfassliche der Leere und stellt sie als das Fassende in die Gestalt des Gefässes her. Die Leere des Kruges bestimmt jeden Griff des Herstellens. Das Dinghafte des Gefässes beruht keineswegs im Stoff, daraus es besteht, sondern in der Leere, die fasst.'

Otto Pöggeler : Der Vortrag wurde im Kreise von Werner Heisenberg und den Brüdern Jünger gehalten. Eine längere Diskussion mit Studenten führte hin zu Laozi, obwohl dessen Name nicht mit dem Beispiel des Kruges verbunden worden war.
Heidegger zeigte nun, dass bei einem Krug nicht ein 'Sein' das Entscheidende ist, das man etwa als 'Form' vom Krug abnimmt, sondern die 'Leere', mit der der Krug fasst, für die alle Form brauchbar sein muss. Mit dieser Leere, diesem Nichts, fasst der Krug und schenkt der Krug : das Wasser, den Wein. Wasser und Wein sind dem Leben notwendig ; der Opferguss kann die Welt in eine heilige verwandeln. So gehört die Erde mit dem Himmel zusammen, der die Weintraube aus der Erde herauslockt ; die Sterblichen verstehen sich vom Heiligen und von den Göttlichen her. Ein Ding, wie der Krug eines ist, versammelt Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen in ihr 'Geviert'. Gerade diese Sicht des Kruges von seiner Leere und nicht vom ‚Sein’ her wird durch den 11. Spruch des Laozi gestützt, der die Brauchbarkeit des Kruges in der Angemessenheit seiner fassenden Leere findet.

Walter Strolz : In einer Besinnung auf das Wesen des Dings gibt Heidegger eine Phänomenologie des Kruges als Gefäss. Es ist weder eine ästhetische noch eine Betrachtung mit kunstphilosophischer Absicht. Der Text steht im geschichtlichen Zusammenhang des Geschehens, das mit dem Abwurf der ersten Atombombe eingeleitet wurde und nach Heidegger als die bisher gefährlichste Auswirkung der wissenschaftlich-technischen Objektivierung der Natur zu verstehen ist. Diese Denkweise gehört in ihrer eigenen Möglichkeit und neuzeitlichen Machtentfaltung zur Geschichte der 'Seinsvergesenheit', die mit der fortschreitenden Entmachtung der Physis zusammenfällt. Für Heidegger ist die Notwendigkeit der Rückkehr zu einem anderen Anfang die denkerische Antwort auf diese geschichtliche Lage. Die Ding-Besinnung ist ein Teil dieser Blickbahn. Am Beispiel des Kruges vergegenwärtigt Heidegger, was es bedeutet, das Ding als Ding zu verstehen, das heisst aber, es aus seinem Gegenstandsbezug für ein erkennendes Subjekt zu befreien, das Ding es selbst sein zu lassen, anstatt in ihm immer nur den Gegenstand eines vorstellenden Selbstbewusstseins zu sehen. Der Krug ist im landläufigen Verständnis ein hergestellter Gegenstand und sonst nichts. Wie aber steht es mit der Möglichkeitsbedingung dieses Herstellens ? Beruht sie nur im Vorhandensein des Tons und in der Fähigkeit des Töpfers, ihn zu formen ? Ist der Krug nur ein Gegenstand des Kunsthandwerks ? Wird dieses Ding also nur durch die den vorhandenen Ton gestaltende Hand des Menschen zu einem festen Gebilde aus Wand und Boden ? Erhält es nur durch sie Stand und Fassungskraft ?

Graham Parkes : In response to 'the annihilation of things as things' that scientific knowledge has promoted, Heidegger undertakes an extended consideration of what a particular thing, a jug, is in its thingness, as a thing. The jug comes from the 11th chapter of the Laozi, where together with two other things hat require emptiness in order to function (a cartwheel and a room) it works as an image of 'dao'. What is for Heidegger essential to the jug, the emptiness it encloses, is a phenomenon that science, which always focuses on something rather than nothing, is unable to explain. Science only tells us, unhelpfully, that the apparent emptiness is actually full of air. But Heidegger pursues his discussion of the jug's emptiness further, delineating its relations to its context, to the point where the thing is deen to 'gather the fourfold' of heaven and earth, gods and mortals. In bringing about the fourfold, moreover, 'the thing things world'. Here we arrive at a perfectly daoist undertstanding of the thing in the world as 'de' in the context of dao, a particular focus of energies in the larger force-field of the universe, in and through which the whole can be sidcerned.
  • Document: Strolz, Walter. Heideggers Entsprechung zum Tao-te-king und zum Zen-Buddhismus. In : Sein und Nichts in der abendländischen Mystik. Hrsg. von Walter Stolz. (Freiburg i.B. : Herder, 1984). S. 91-92. (Heid13, Publication)
  • Document: Pöggeler, Otto. Noch einmal : Heidegger und Laotse. In : Phänomenologie der Natur. Beiträge von Kah Kyung Cho [et al.] ; hrsg. von Kah Kyung Cho [et al.]. (Freiburg i.B. : Alber, 1999). (Phänomenologische Forschungen. Sonderband). S. 110. (Heid15, Publication)
  • Document: Parkes, Graham. Lao-zhuang and Heidegger on nature and technology. In : Journal of Chinese philosophy ; vol. 30, no 1 (2003). S. 33. (HeidM15, Publication)
  • Person: Heidegger, Martin
6 1954 Heidegger, Martin. Die Frage nach der Technik [ID D19800].
Otto Pöggeler : Werner Heisenberg hat in seinem Vortrag Das Naturbild der heutigen Physik [In : Universitas 9 (1954)] an Zhuangzis Gleichnis vom Ziehbrunnen errinnert : der Ziehbrunnen wird vom alten Gärtner abgelehnt ; wer nämlich Maschinen benutzt, arbeitet maschinenmässig, und wer maschinenmässig arbeitet, bekommt ein Maschinenherz, so dass die Einfalt verloren geht, die einverstanden ist mit dem Tao. Heisenberg selber meinte, die heutige Gefahr liege darin, dass wir in der naturwissenschaftlich-technischen Welt nur noch uns selbst begegneten oder den Dingen nur so, wie wir sie hingenommen hätten in die von uns aufgebaute Welt. Diese These hat Heidegger in seinem Vortrag korrigiert : Wir begegnen in der nur noch technischen Welt gerade nicht mehr uns selbst, nämlich nicht mehr der Herausforderung, die in der technischen Welt liegt. Die Begegnung mit dieser Herausforderung aber sollte dazu führen, das technische Verfügen über die Dinge in seinen Grenzen als einen geschichtlichen Auftrag und so als eine Möglichkeit unter anderen anzunehmen. Wir können nicht zurück zu einer unberührten Natur ; auch die Atomkraft ist ja etwas Natürliches : würde sie einmal eine kurze Zeitlang nicht in der Sonne tätig sein, dann würde alles Leben auf der Erde erlöschen. Der Ziehbrunnen, den der Gärtner als eine tote Maschine abtat, ist für Heidegger in einer anderen geschichtlichen Situation gerade nicht tote Maschine. Selbst von den Halbautomaten der Windmühlen sagt er, sie seien den Winden noch unmittelbar anheimgegeben, fügten sich also der Natur und 'stellten' die Natur nicht nur für die Ausbeutung.
7 1957-1959 1957-1959 Heidegger, Martin. Unterwegs zur Sprache (1959) [ID D19028].
Heidegger, Martin. Das Wesen der Sprache. [Drei Vorträge Freiburg 1957-1958].
Heidegger, Martin. Der Weg zur Sprache. [Vortrag München, Berlin 1959].
Quellen :
Lao-tse. Tao te king. Aus dem Chinesischen ins Deutsche übersetzt von Victor von Strauss [ID D4587].
Ular, Alexander. Die Bahn und der rechte Weg des Lao-tse der chinesischen Urschrift nachgedacht [ID D11974].
Laotse. Tao te king : das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Aus dem Chinesischen… von Richard Wilhelm [ID D4445].

Heidegger schreibt : "Das erbringende Eigen, das die Sage als die Zeige in ihrem Zeigen regt, heisse das Ereignen. Es er-gibt das Freie der Lichtung, in die Anwesendes anwähren, aus der Abwesendes entgehen und im Entzug sein Währen behalten kann. Was das Ereignen durch die Sage [Weg, Tao] ergibt, ist nie die Wirkung einer Ursache, nicht die Folge eines Grundes. Das erbringende Eignen, das Ereignen, ist gewährender als jedes Wirken, Machen und Gründen. Das Ereignende ist das Ereignis selbst – und nichts ausserdem. Das Ereignis, im Zeigen der Sage [Tao] erblickt, lässt sich weder als ein Vorkommnis noch als ein Geschehen vorstellen, sondern nur im Zeigen der Sage als das Gewährende erfahren. Es gibt nichts anderes, worauf das Ereignis noch zurückführt, woraus es gar erklärt werden könnte. Das Ereignen ist kein Ergebnis aus anderem, aber die Ergebnisse, deren reichendes Geben erst dergleichen wie ein 'Es gibt' gewährt, dessen auch noch 'das Sein' bedarf, um als Anwesen in sein Eigenes zu gelangen. Das Ereignis versammelt den Aufriss der Sage [Tao] und entfaltet ihn zum Gefüge des vielfältigen Zeigens. Das Ereignis ist das Unscheinbarste des Unscheinbaren, das Einfachste des Einfachen, das Nächste des Nahen und das Fernste des Fernen, darin wir Sterblichen uns zeitlebens aufhalten. Das in der Sage [Tao] Waltende, das Ereignis, können wir nur so nennen, dass wir sagen : Es – das Ereignis – eignet."

"Für das sinnende Denken gehört der Weg in das, was wir die Gegend nennen. Andeutend gesagt, ist die Gegend als das Gegnende die freigebende Lichtung, in der das Gelichtete zugleich mit dem Sichverbergenden in das Frei gelangt. Das Freigebend-Bergende der Gegend ist jene Be-wëgung, in der sich die Wege ergeben, die der Gegend gehören.
Der Weg ist, hinreichend gedacht, solches, was uns gelangen lässt, und zwar in das, was nach uns langt, indem es uns be-langt… Die Gegend ergibt als Gegend erst Wege. Sie be-wëgt. Wir hören das Wort Be-wëgung im Sinne von : Wege allererst ergeben und stiften. Sonst verstehen wir bewegen im Sinne von : bewirken, dass etwas seinen Ort wechselt, zu- oder abnimmt, überhaupt sich ändert. Be-wëgen aber heisst : die Gegend mit Wegen versehen… Wëgen und Be-wëgen als Weg-bereiten und Weg als das Gelangenlassen gehören in denselben Quell- und Strombereich wie die Zeitwörter : wiegen und wagen und wogen. Vermutlich ist das Wort ‚Weg’ ein Urwort der Sprache, das sich dem sinnenden Menschen zuspricht. Das Leitwort im dichtenden Denken des Laotse lautet Tao und bedeutet ‚eigentlich’ Weg. Weil man jedoch den Weg leicht nur äusserlich vorstellt als die Verbindungsstrecke zwischen zwei Orten, hat man in der Übereilung unser Wort ‚Weg’ für ungeeignet befunden, das zu nennen, was Tao sagt. Man übersetzt Tao deshalb durch Vernunft, Geist, Raison, Sinn, Logos.
Indes könnte der Tao der alles be-wëgende Weg sein, dasjenige, woraus wir erst zu denken vermögen, was Vernunft, Geist, Sinn, Logos eigentlich, d.h. aus ihrem eigenen Wesen her sagen möchten. Vielleicht vebirgt sich im Wort 'Weg', Tao, das Geheimnis aller Geheimnisse des denkenden Sagens, falls wir diese Namen in ihr Ungesprochenes zurückkehren lassen und dieses Lassen vermögen. Vielleicht stammt auch noch und gerade die rätselhafte Gewalt der heutigen Herrschaft der Methode daher, dass die Methoden, unbeschadet ihrer Leisungskraft, doch nur die Abwässer sind eines grossen verborgenen Stromes, des alles be-wëgenden, allem seine Bahn reissenden Weges. Alles ist Weg."

Sekundärliteratur :

1984
Walter Strolz. Heideggers Entsprechung zum Tao-te-king. [ID D19046].
Heidegger spricht unmittelbar vom Tao. Die Entsprechung stammt aus dem Nach-denken der Sprachbewegung im Ganzen. Die Frage ist : Wohin führt der Weg der Sprache den Menschen ? In welche Gegend gelangt er durch sie, nachdem sich durch die Exposition der Frage nach dem vielfältig bleibenden Sinn von Sein gezeigt hat, dass Gründe und Ursachen, dass sich die unerschütterliche Verankerung des Seienden durch den begründenden Rückschluss auf ein höchstes Seiendes und eine letzte Ursache, werde sie nun Geist, das Absolute oder Gott genannt, als unmöglich erweist. Inwiefern entspricht bei Heidegger gedachtes Ureigenes dem Anderen auf der Spur des Selben ? Auch bei der nun legung des Tao ist es wichtig, ihren streng sachlichen Zusammenhang mit den Stufen der Seinsbesinnung aus den Jahren 1940-1945 zu erkennen und mitzuvollziehen.

1989
Reinhard May. Ex oriente lux [ID D18272].
Der Topos 'Sage' wird für Heidegger zu einem integralen Leiwort. Das Wesen der Sprache, das 'Sprachwesen im Ganzen' nennt er 'die Sage'. Das 'Eigentümliche der Sprache' aber, also das 'Sprachwesen', 'verbirgt sich im Weg' : 'In diesem Weg, der zum Sprachwesen gehört, verbirgt sich das Eigentümliche der Sprache'.
Die Gleichsetzung von 'Weg' und 'Sage' beziehungsweise die Zuordnung von 'Sagen' zu 'Weg' ist aus ostasiatischer Sicht zwar nicht alltäglich, sie ist auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar, keinesfalls aber ist sie willkürlich. Das chinesische Wort 'Tao', das Heidegger im Wortlaut mehrfach erwähnt, kann lexikalisch auch durch das deutsche Wort 'sagen' erfasst und kontextbedingt übersetzt werden. Richard Wilhelm zieht in seiner Übersetzung des Dao de jing diesen Zusammenhang in Betracht. Auch gibt es Übereinstimmungen mit Martin Bubers Übersetzung des Zhuangzi, von Tao als Weg und Rede [Sage] : "Das Wort Tao bedeutet den Weg, die Bahn ; da es aber auch den Sinn von 'Rede' hat, ist es zuweilen mit 'Logos' wiedergegeben worden". "Das Wesen des vollkommenen Tao ist tief verborgen ; seine Weite verliert sich ins Dunkel". "Solcherart ist das vollkommene Tao. Und solcherart ist auch das urbildliche Wort [Sage]".
Das Sagen, das 'kein Sein' verbindet Heidegger mit einem 'lichtend-verbergend frei-geben' von Welt oder einem 'lichtend-verhüllenden Reichen von Welt'. Impliziet assoziiert er demnach Weg [tao] mit Gegend als freigebender 'Lichtung [Nichts], in der das Gelichtete zugleich mit dem Sichverbergenden [Sein] in das Freie [Nichts] gelangt'. Die Formel 'Sein : Nichts : Selbes' mit allen weiteren charakteristischen Identifikationen wie zum Beispiel Lichtung, das Offene, das Freie 'für Nichts' und Verborgenheit, Verhülltheit, Vergessenheit 'für Sein', werden alle weiteren möglichen Identifikationen am Raster von 'tao' (Weg / Sage), wu (Nichts) und yu (Sein) verständlich, ganz im Sinne Heideggers, der sie daran erarbeitet haben dürfte. Das Sagen oder die Sage (tao) hat dann natürlich kein Sein.

1992
Otto Pöggeler : Wenn Heidegger sich 'unterwegs zur Sprache' sieht, dann schiebt er im Vortrag Der Weg zur Sprache die Versuche der abendländischen Philosophie und Wissenschaft beiseite, sich auf die Sprache einzulassen. Gebrochen wird mit Aristoteles, der die Sprache vom Zeichen her betrachtet : die stimmliche Verlautbarung wurde als Ausdruck des Seelischen benommen, die Schrift als Zeichen für das Zeichen des Lauts ; in der Bewegung des Seelischen zeigen sich die Sachen, die vom Gedanken in ihrem 'Sein' erfasst werden. Die Zuordnung von Physis und Logos, wie Heidegger sie bei Haraklit glaubt finden zu können, dann die Zuordnung von Tao und Krug unterstützen den Versuch, 'Sprache' im weitesten Sinn dieses Wortes als ein Sichzeigen der Dinge zu nehmen, das jeweils aus dem sich in sich zurückbergenden Geheimnis kommt. Der Sinn von Sein als der transzendentale Horizont der Zeit, die Wahrheit des Seins als der Zeitspielraum des Ereignisses, die Lichtung für das Sichverbergen als Ort im Unterwegs : sie sind für Heidegger im Geringen eines Anderen Anfangs nur das als 'Spur'.
Heidegger nimmt auf, was vor mehr als 2000 Jahren in China gedacht wurde, als in einer Zeit politischer Wirren und dem Aufstand menschlicher Eigenmächtigkeit die Natur und das menschliche Leben in ihr in ihrem eigenen 'Weg' gewahrt werden mussten. Wenn er das genannte Bewegen und den Weg zusammen sieht, dann vermischt er von der deutschen Sprache her, was im Chinesischen nicht zusammengehört. Er folgt einer Interpretationsweise, die in der langen Tradition der Kommentierung von Laozi neu ist : er trägt seinen eigenen Versuch, die abendländische Tradition von ihren Grundworten und von deren Zusammenspiel her aufzunehmen, in Laozi hinein. So fügt er Laozis Rede von Trübwasser und Qirlwasser in ein Wortfeld ein, dem er selber folgt, nämlich in den Zusammenhang von Stille, Bewegung, Weg, Erscheinen, Ins-Sein-bringen. Im Text Laozis ist die angesprochene Bewegung durchaus nicht unmittelbar auf den Weg zu beziehen, die gestillte Ruhe nicht auf Heideggers Rede von der Stille.
Nach dem abrupten Abbruch der Bemühungen um Laozi hat Heidegger gefordert, dass die Zwiesprache mit den Griechen und damit die Verständigung der abendländischen Tradition über sich selbst 'Vorbedingung für das unausweichliche Gespräch mit der ostasiatischen Welt' werde. Damals sah Heidegger seine eigene Erörterung des Wesens der Sprache begrenzt durch die Unkenntnis der ostasiatischen Sprachen ; so hoffte er auf ein künftiges west-östliches Gespräch, in dem sich die 'einzige Quelle' für die unterschiedlichen grossen Ströme der Sprachen melden könne.
Heidgger ging nicht von der zen-buddhistisch geprägten Philosophie oder Meditation aus ; er hat überhaupt immer wieder sich selbst und andere gefragt, ob in der Rede vom Nichts in seinem Vortrag Was ist Metaphysik ? und bei den japanischen Philosophen aus den Unterschiedlichen Traditionen und Wegen heraus nicht sehr Verschiedenes gedacfht werde. Im Gespräch suchte er in einem Rückblick auf den eigenen Weg, auf dem schliesslich Sein und Sprache verknüpft wurden, sein eigenes Anliegen auch in Grundworten der japanischen Sprache wiederzufinden.

1992
Hempel, Hans-Peter. Heidegger und Zen [ID 19010].
Wenn sich Heideggers vermutendes Denken als richtig erweisen sollte, dann hätte das ungeheure Konsequenzen nicht nur für das gegenwärtige abendländisch-europäische, sondern auch für das gegenwärtige ostasiatische Denken, das nicht anders als das derzeitig europäisch-abendländische Denken vom 'Gestell' im Heideggerschen Sinne bedroht ist. Dann aber würde auch Heideggers geradezu penetrante Forderung verständlich : sich endlich vom rechnenden Vorstellen alles dessen, was ist, zu lösen bzw. diese Art des Denkens in seiner vorherrschenden Aussschliesslichkeit endlich fahren zu lassen.
Es ist folgerichtig, dass Heidegger das Eigentliche der Sprache, sprich : die Sage, aus dem Bewëgenden, dem Tao, heraushört, da sie nun schliesslich einmal 'dem alles Be-wëgenden als dessen Eigenstes' eignet.
Was im Dao de jing unter Ansprechung des 'toten Winkels' gesagt wird, entspricht dem, was Heidegger das 'Geringe' nennt und bedeutet 'das mit Ankunft der Welt der modernen Technik sich zurückzieht, aber nicht verlöscht'. Analog zum 'dunkeln Winkel' von dem im Dao de jing die Rede ist, weist Heidegger darauf hin, dass sobald wir die Wahrheit des Seins, das in das unverfügbare Ereignis, unter die uns allen hier in Europa mehr oder weniger vertraute Urteils-Wahrheit zwingen, wir 'Sein und Zeit' in seinem 'Ur-Sprung' bzw. In seiner 'Unverborgenheit', in seiner Wahrheit und Offenheit, total verfehlen.
Tao erwies sich als der Weg aller Wege ; er 'bewëgt' alle Wege, Linien, Adern und Ströme, die ihrerseits wieder alle Dinge, Tiere und Menschen 'bewëgen' und ihnen ihre individuellen Eigenschaften und ihre Geschichte 'geben', wobei es das wirbelnde Wasser ist, das – aus Myriaden von Strömen oder fliessenden Linien bestehend, das Geschehen ereignent – zeitigt, ereignet, vergegenwärtigt. Diese Einsicht hatte im alten China durchaus praktische Folgen, da seit alters her die fernen Energieströme des Tao die Landschaften Chinas mit ihren Hügeln, Felsen, Bäumen und Flussen bewahrten.

1992-1993
Cho, Kah Kyung. Der Abstieg über den Humanismus [ID D19029] / Heidegger und die Rückkehr in den Ursprung [ID D19039].
Martin Heidegger, im Vergleich zu Leibniz und Hegel zweifellos der Geringere, was mengenmässige Verarbeitung der östlichen Gedanken und insbesondere die belegbare Bezugnahme auf kritische Textstellen betrifft, ist gleichwohl derjenige, der nicht nur offen gestand, bei der östlichen Philosophie in die Lehre gegangen zu sein, sondern über den Belang des denkenden West-Ost-Gesprächs am ehesten etwas 'Wagenderes' zu sagen hatte gegenüber den anderen Denkern.
Bekanntlich pflegten nahmhafte Sinologen und Missionare das Wort 'Tao' angesichts seiner unterschwelligen Tiefsinnigkeit nicht einfach mit 'Weg', sondern nach Analogie von theologisch-philosophischen Hauptbegriffen des Westens zu übersetzen. Heidegger bemerkte dazu : "Das Leitwort im chinesischen Denken des Laotse lautet Tao und bedeutet 'eigentlich' Weg. Weil man sich jedoch den Weg leicht nur äusserlich vorstellt als die Verbindungsstrecke zwischen zwei Orten, hat man in der Übereilung unser Wort 'Weg' für ungeeignet befunden, das zu nennen, was Tao sagt. Man übersetzt Tao deshalb durch Vernunft, Geist, Raison, Sinn, Logos."
Folglich suchte er, gemäss dem hermeneutischen Diktum 'Verstehen heisst anders verstehen', 'einen anderen Anfgang' an den griechischen Anfang anzuknüpfen. Nur aus diesem Zusammenhang lässt sich auch seine Hinwendung zur anfänglichen Seinserfahrung der östlichen Welt und sein unterschwellig anhaltendes Interesse an taoistischen Grundworten erklären, denen er eine ähnliche oder sogar noch ursprünglichere Nennkraft beimisst als gewissen Stammbegriffen der abendländischen Metaphysik.
Laozi besingt im Dao de jing das Walten im Unscheinbaren, das Bezwingen im Nachgeben und die Selbsterhaltung im Sich-Verlieren. Nichts, Nicht-sein, Nicht-tun, Lassen, Abwesenheit, Verborgenheit, Vergessenheit, Schweigen, Stille, die Lehre, das Geringe, der Mangel usw. werden geradezu zu moralischen Vorzügen stilisiert. Dies sind aber die Seinsweisen der Dinge, wie sie am subtilsten und im Verborenen wirken und sich dabei nach dem unabänderlichen Mass der Natur richten. Laozi nimmt das Negative oder Passive aus dem starren Gegensatz zum Positiven oder Aktiven heraus ; es (das Negative) wird vielmehr zu einem das Positive und somit allen Sein ermöglichenden Grund. Am trefflichsten zeigt er am Beispiel der 'Leere' am Gefäss oder des 'Nichts' an der Nabe des Rades, was es mit seiner Rede von der 'Nützlichkeit des Nutzlosen' auf sich hat. Es wäre müssig, darauf hinzuweisen, wie Heidegger fast wortwörtlich solche Sprüche Laozis in Das Ding sich zu eigen gemacht hat. Ebensowenig scheint es sinnvoll, analoge Bestimmungen, parallele Gedankengänge und sonstige Zeugnisse von tiefgreifender Gesinnungsverwandtschaft aneinanderzureihen und darüber hinaus spezifisch die Spuren von Laozis Einfluss auf Heidegger nachzuzeichnen.
Aktenkundig sind seine zahlreichen Kontakte mit japanischen Gelehrten und sein Gespräch mit dem japanischen Germanisten Tezuka Tomio aus Tokyo nimmt, als ernsthafter Versuch zum west-östlichen Dialog über das Wesen der Sprache, eine besondere Stelle in. Im Gegensatz dazu befindet sich in seinen Arbeiten weder eine geschlossene Besprechung des Laozi noch ein Gespräch mit einem chinesischen Gelehrten. So liegt der Schluss nahe, dass das 'unausweichliche Gespräch mit der ostasiatischen Welt', das Heidegger in seinem 1953 gehaltenen Vortrag Wissenschaft und Besinnung in Aussicht gestellt hat, nach allen Regeln der Kunst durch jenen Dialog mit dem Japaner in Erfüllung gegangen sei.
Heidegger entschliesst sich, entgegen der gewohnten Übersetzung des Tao als 'Vernunft', 'Geist', 'Raison' usw. für das etymologisch und alltagssprachlich eindeutige, einfache Wort 'Weg'. Aber er lässt das Wort nicht lange bei dieser Bedeutung stehen. Denn zweitens 'entwickelt' er aus dem Hauptwort 'Weg' ein Zeitwort, das in dieser neuen Bedeutung im Chinesischen etymologisch und lexikalisch unbekannt ist. Doch kann er sich auf einen Sprachgebrauch der schwäbisch-alemannischen Mundart abberufen, wenn er mit dem Wort 'be-wëgen' so etwas verstanden wissen will, wie einen 'Weg bahnen', 'Wege stiften' und 'Wege allererst ergeben'. Um dieses Wort von 'bewegen' im Sinne von 'bewirken' und 'Ortswechsel' zu unterscheiden, wurden ein Bindestrich und ein Umlauf auf 'e' hinzugefügt. Er sagt nicht ohne gebührende Vorsicht, dass Tao als 'Urwort der Sprache' in sich 'das Geheimnis aller Geheimnisse des denkenden Sagens' verbergen könnte. In dieser Eigenschaft steht Tao dann älter und einsamer als alle Grundworte. In allen Punkten erkennen wir indessen Übersetzungsversuche, die zu denen der Anaximander-Abhandlung parallel laufen.
Als Heidegger sagen konnte, jeglichem Seidenden sei sein Weg allererst angebahnt, hat er, zwar in deutscher Übersetzung, das chinesisch Gedachte des Laozi noch chinesischer gemacht. Dasjenige, das jeweils so die Weile aushändigt, ist Sein selbst. Dasjenige, das jeweils so den Weg anbahnt, ist auch Sein selbst.
Das denkende Gespräch Heideggers mit Anaximander und Laozi erschien wie ein phantastisches Wagnis, wenn der Weg zurück in die ferne Vergangenheit oder der Weg über Länder und Meere hinweg zum Fernen Osten nur noch nach der die toten Abstände berechnenden Vorstellung abgemessen würde. Tao als 'Be-wëgung' bedeutet aber in jene Nähe gelangen lassen, die ein 'Gespräch' ermöglicht, dass 'Dasein wesenhaft ent-fernend' sei und 'je Seiendes in die Nähe begegnen' lasse. Das 'Händigen' bei Anaximander und das 'Be-wëgen' bei Laozi deuten auf Personifizierung hing. Nur wer von der Vorstellung des Personengottes her kommt, deutet sein Vorurteil in diese und ähnliche Sprüche hinein, während wir es als eine Stilfrage ansehen müssen, dass sich die Wirkungsweise des Tao nur personifiziert beschreiben lässt, während eine Anthropomorphie eine ganz andere Denkweise ist, die Laozi entschieden, klar und unzweideutig von sich weist.
Heidegger zerlegt das Wort 'Weg' von dessen Zeitwort her, als 'Be-wëgung'. Der 'hinreichend' gedachte Wortsinn der 'Be-wëgung' ist alles andere als 'Bewegung' im Sinne von 'Bewirken' oder 'Ortswechsel'. Um sicherzustellen, dass das eine Wort mit dem anderen nicht verwechselt wird, schob Heidegger einen Bindestrich hinter 'Be' ein und versah das 'e' mit einem Umlaut. 'Weg' als 'Be-wëgung' meint also 'Wege allererst ergeben und stiften'. Unversehens wurde aus Laozis Tao 'der alles be-wëgende Weg', und zwar dasjenige, 'woraus wir erst zu denken vermögen, was Vernunft, Geist, Sinn, Logos eigentlich, d.h. aus ihrem eigenen Wesen her sagen möchten'. Man kann an dieser vielfach gestelzt wirkenden Auslegung Anstoss nehmen, unbezweifelbar ist jedoch die Tatsache, dass Heidegger in diesem 'chinesischer' als chinesisch gedachten Wort Tao einstweilig jene 'einzige Quelle' gefunden zu haben glaubte, wovon bei seinem Gespräch mit einem Japaner die Rede war. Als Urwort des dichtenden Denkens erschien ihm Tao älter als die angeführten Grundworte der westlichen Metaphysik, das selbst der Begriff 'Logos' seinem eigentlichen Sinn nach erst aus Tao als 'Be-wëgung' her gedacht werden soll. Und es ist eben dasselbe Seinsdenken, das Heidegger wiederum angetrieben hat, Tao nicht einfach als 'Weg', sondern als ein Grundgeschehen zu erfahren, in dem die Wege allererst gestiftet werden. Man könnte schliesslich auch von Heideggers Angleichung seines Seinsdenkens an Laozis Auffassung des Tao oder umgekehrt von seiner Anpassung des Tao an die ursprüngliche Bedeutung des Seins sprechen, aber keineswegs davon, dass er in dem historischen Wortsinn des Tao die 'Be-wëgung' entdeckt hätte. Trotzdem ist es bezeichnend, dass sich das chinesische Wort dermassen bildhaft in den Rahmen der Heideggerschen Interpretation einfügt, dass nun die gewagte Bahauptung, erst aus Tao vermöge man zu denken, was Vernunft, Geist oder Logos aus ihrem Wesen her sagen möchten, durchaus plausibel erscheint.
Was aber meint Heidegger im einzelnen, wenn er sagt, dass sich das Wesen von Logos oder Vernunft erst von Tao her denken lasse ? Tao im Sinne der 'Be-wëgung' mag der rein sprachlichen und textkritischen Feuerprobe des Dao de jing schwerlich standhalten. Worauf es ankommt, ist, bei Heidegger Spuren der inwendigen Aneignung der Gedanken Laozis nachzuweisen. In Abgrenzung gegen eine einseitige Anleihe verstehen wir unter einer inwendigen Aneignung die Möglichkeit zu einer produktiven Assimilation fremder Gedanken, sofern die geglückte gedankliche Begruchtung aus einer vorgängigen Verwandtschaft der Dispositionen zweier Denker resultiert. Solche prä-existierende Verwandschaft kann zunächst im Zusammenhang des Heideggerschen Anliegens der 'Überwindung' der Metaphysik dahingehend charakterisiert werden, dass dabei sowohl das Potential des zeitkritisch-diagnostischen Motivs, als auch die Suggestion des praktisch-therapeutischen Korrektivs im Vorgang von Laozis Denken exemplarisch vorgefunden wurde. Weder das Bild des sich selbst genügenden, kontemplativen Denkens, noch die Idylle des weltentrückt auf Gebirgen und Feldern sich ergehenden Lebens trifft das wahre Motiv des taoistischen Meisters, so sehr auch sein Stil aus einiger Entfernung danach aussehen mag. Desgleichen erschöpft sich der Sinn der von Heidegger gesuchten Nähe zu Laozi nicht im Sichvertrösten in der Abgeschiedenheit von der Welt. Für eine Weile in seiner vereinsamten Nachkriegssituation mochte es der Fall gewesen sein. Der innige Anteil, den Heidegger an Laozis kritischer Distanz von der geschäftigen Mitwelt genommen hat, betrifft aber nur die Hälfte seiner Hinwendung zu ihm. Die andere Hälfte, die an Bedeutung weitaus grösser ist, bezieht sich auf das Motiv der handelnden Einwirkung auf die Welt, die Laozi mit dem bekannten, paradox klingenden Rezept des 'Nichts-Tuns' (Wu wei) zum Ausdruck gebracht hat.
Heidegger hat ‚Be-wëgung’ die alltägliche Bedeutung des Tao als 'Weg' beibehalten und seit geraumer Zeit von diesem Wort einen ausgiebigen Gebrauch gemacht. Auch wenn er in der Lesart des Tao im Sinne von 'ege bereiten' bleibt, so geschieht dies nicht auf Kosten der historisch-textkritischen Zusammenhänge des Dao de jing. Die Beziehung von 'Wege bahnen' zu faktisch gehbaren Wegen, besonders zu den von Menschen selber erschlossenen Wegen, ist vergleichbar mit jenem Verhältnis zwischen 'Erteilen des Anteils' und der jeweiligen Weile, die dem Seienden zuteil wird. Es handelt sich um ein Verhältnis vom Ursprung zur Abkunft, vom unerschöpflich-unbegrenzten Seinesgrund zum einzelnen Seienden, das dem ersteren sein Sein verdankt, das aber ein begrenztes ist und dem Verfall anheimgestellt.
Auf der einen Seite behauptet Heidegger, dass das Denken auch ein 'Tun' sei. Dieses ist aber 'ein tun', das zugleich alle Praxis übertrifft. Nicht dass das Denken 'durch die Grösse eines Leistens' oder 'durch die Folgen eines Wirkens' das Handeln und Herstellen durchragt. Das Denken hat vielmehr 'kein Ergebnis' und 'keine Wirkung'. Aber es 'lässt das Sein – sein'.
Trotz der unübersehbaren Differenz, die zwischen Heideggers Denken und Sagen einerseits und Laozis förmlicher Abweisung aller bewusstseinsmässigen und sprachlichen Regungen andererseits besteht, bleibt den beiden Denkern gemeinsam, dass Tun und Nicht-Tun, Denken und Nicht-Denken sowie Sagen und Schweigen als menschliches Verhalten nicht die letzte Instanz ist, sondern seinen Sinn jeweils von etwas Anderem, vom Sein oder Tao her empfängt, je nach dem, wie das Verhalten diesem gemäss ist oder nicht. Laozi beschreibt die inneren Bezüge des Menschen zu Tao in einem Spruch von unscheinbarer Einfachheit, die aber eine profunde Zweideutigkeit in sich birgt : 'Ist Rohholz gespalten, entsteht daraus Gefäss' (Kap. 28). Rohholz ist das bekannteste Symbol des Tao und nimmt unter den von menschlichen Zugriffen unbehelligten Dingen der Urnatur den vordersten Platz ein. Rohholz ist 'das unmittelbare Anderssein' des Tao, oder es ist die zum Stoff gewordene Gestalt des an sich form- und stofflosen Tao. Deshalb kann die Spaltung des Rohholzes ohne weiteres mit Verletzung oder Verlustiggehen des Tao gleichgesetzt werden. Victor von Strauss, den Heidegger besonders zu schätzen wusste, hat denselben Spruch folgendermassen übersetzt : 'Die Einfalt wird zerstört und dann wird man brauchbar'.
Genau so wie bei Laozi, der das grosse Tao durch das 'menschliche Tao' der Sittlichkeit, Menschenherzlichkeit und Klugheit verdrängt sah, finden wir in Heideggers seinsgeschichtlicher Rekonstruktion den Aufstieg der lediglich auf die Gegenstände der Subjektivität bezogenen Denkweise. Und obwohl die Nützlichkeit des Gefässes und die Leistungsfähigkeit der Methode mit unbeirrbarer Konsequenz aus Rohholz (Tao) beziehungsweise aus Logos hervorgehen, können wir unterstellen, dass den beiden Denkern, trotz ihrer radikalen Kritik dieser Entwicklungen, nicht der Fehler unterlaufen ist, zu glauben, dass sich diese Lage durch erhöhte Willensanstrengung des Menschen wenden liesse. Einerseits scheinen sie den Tiefstand der gegenwärtigen Wirklichkeit als Wirklichkeit hinzunehmen, wenn sie auch andererseits unleugbar die Vision einer anderen, gehobenen Wirklichkeit mit sich tragen. Für Laozi ist das Nicht-Tun die Antwort, die den zweifachen Sinn hat, keinen beflissentlichen Anteil mehr an der herrschenden Wirklichkeit zu haben und dennoch, in sublimer Anpassung an die Wirkungsweise des Tao, diesem seinen 'natürlichen Lauf' zu lassen, d.h. Tao sein eigenes Werk verrichten zu lassen.
Inwieweit können wir auf dem Denkweg Heideggers die Spuren dieses Nicht-Tuns wiedererkennen, zwar nicht als Zeichen der gedanklichen Anleihe, aber doch im Sinne der inneren und inwendigen Entsprechung, auf die Heideggers 'geheimnisvolle Bezüge' hindeuten ? Da ist an seine Besinnung über das Wesen der Technik anzuknüpfen. Denn Heidegger versteht unter Technik kein Teilphänomen der modernen Zivilisation, sondern den Grundzug der abendländischen Metaphysik, die die gesamten Phasen des menschlichen Verhältnisses zum Seienden als solchem bestimmt. Sofern der durch die Technik bis in die letzte Selbstgewissheit gesteigerte Wille den Menschen blind macht gegenüber einer Wirklichkeit, die in ihrem Sein nur auf dem Weg des dichtenden Sagens und der Kunst erfahren werden könnte, stellt die Technik die Krise im menschlichen Verhältnis zur Wirklichkeit dar. Aber Heidegger tritt an diese Krise keineswegs mit der Allüre eines Krisenfürsorgers heran. Analog dem im Kap. 28 des Dao de jing bezeugten Geist der Offenheit zu nützlichen Gebrauchsdingen ist er vielmehr willens, Technik einmal als etwas Unumgängliches hinzunehmen. Doch darüber hinaus und wiederum analog der ebenfalls in demselben Spruch von Laozi angedeuteten Einsicht in den an sich haltenden Charakter des Tao lässt Heidegger die Möglichkeit offen, dass hinter dem was wir heute die Technik kennen, ein uns noch unbekanntes Wesen des Technischen sich verborgen halten könnte. Besonders hinsichtlich seines Motivs der Begegnung mit Laozi drängt sich der Sinn der Herkunft der Technik als ein denkwürdiges Geheimnis auf, weil Heidegger das berechnende und 'methodisch' verfahrende Denken, in dessen Bahn schliesslich 'Geist', 'Vernunft' und 'Logos' in ihrer geschichtlichen Erscheinung getreten sind, in der ursprünglichen Wesensmöglichkeit des Tao angelegt sieht.
Es gilt, trotz aller abweisenden Rede von Heidegger, die innersten Bestrebungen seines Denkens in einer Weise zu artikulieren, die dem Geiste des Nicht-Tuns gerecht wird. Denken, so hörten wir, sei ein Tun, das alle Praxis übertrifft. Heidegger erhofft unzweifelbar eine Art 'Bewirken' von seinem Denken. Aber wir sehen dieses Bewirken sinngemäss explizierbar nur im Lichte der 'nicht-tuenden' Handlungslehre des Taoismus. Zwar nennt Heidegger keine ethisch-moralischen Prinzipien, die das menschliche Verhalten regulieren sollen. Aber im Nennen des 'denkenden Sagens' weist er auf die Bedeutung des 'Lassens'. Heideggers 'Gelassenheit' teilt mit Laozis Idee des Nicht-Tuns ein solches Mass der Übereinkunft, dass wir die Ansicht vertreten können, das Kernstück der von ihm zugestandenen Belehrung 'bei den Chinesen' bestünde in dem Verwindungsgedanken, der die gegensätzlichen Momente des aktiven Einwirkens und der passiven Verhaltenheit in sich vereinigt. Heidegger erörterte den Begriff der Gelassenheit speziell mit Bezug auf technische Gegenstände, zu denen unser 'besinnliches Denken' ein Verhältnis des gleichzeigen 'Ja' und 'Nein' anzunehmen hat. Obwohl mit dieser Charakterisierung die innere Freiheit des an sich haltenden, besinnlichen Denkens schlecht und recht zum Ausdruck kommt, bleibt es fraglich, ob dabei wirklich die Quintessenz des taoistischen Nicht-Tuns getroffen worden ist. Einen Schritt näher dazu zeigt Heideggers Gebrauch des Wortes 'Verwindung'. Wenn Überwindung von etwas einen dagegen erichteten Willensentschluss voraussetzt, so unterscheidet sich Verwindung von jener dadurch, dass Sie, als vom 'inständigen Denken' genährt, eine notwendig von der Sache her gereifte Überwindung ist.
Will man von Heidegger Prädisposition für das Einfache sprechen, so müsste man sie mit der Suche nach der ursprünglichen Verfassung der Dinge in einen Zusammenhang bringen. Herkunftsmässig so mit dem Ursprünglichen verbunden, erweist sich das Einfache keineswegs als etwas in sich unterschiedslos Erstarrtes, sondern als etwas, aus dessen Grund noch der tiefere Sinn herauszuholen ist. Es ist schon in diesem Unterwegssein, in der Suche nach ursprünglicher Erfahrung, dass Heidegger bald in Laozis Dao de jing einem verwandten Geist begegnete. Er war gewiss ein Fund und reiner Zufall für den, der sich über das Unmass der historischen und kulturellen Entfernung in Gedanken verliert, aber es war eine Zugabe für einen tüchtig Suchenden, ein geheimer Wink für einen tief Ahnenden.
Man sollte annehmen, dass Heideggers Verhältnis zu Laozi eine sehr vorsichtige, wenn schon keine verübergehende oder flüchtige, Beziehung gewesen sein muss. Tatsächlich hatte er sich davor gehütet, sein 'Gespräch' mit Laozi, wenn es eines gab, an die grosse Glocke zu hängen. Weder im Humanismusbrief noch in Wissenschaft und Besinnung, wo er das unausweichliche Gespräch mit der ostasiatischen Welt in Aussicht stellte, wurde Laozi eigentlich beim Namen genannt. Mag die Zusammenarbeit mit Japanern zu einem bedeutsamen Dialog gediehen sein : der eigentliche 'Glücksfall', wo der 'auctor' ein 'augere', ein wirkliches 'Gedeihenlassen' auslöst, ereignete sich dennoch in der Stille der anderen Begegnung, in Heideggers verhaltenem Hörenkönnen auf die weisenden Worte des Laozi.
Im Falle seiner Belehrung durch Laozi dürfte Heidegger jedoch keine halbe oder ironisch versteckte Wahrheit gemeint haben. Er war seinerseits schon der Fürsprecher der 'Umkehrung' der abendländischen Metaphysik, deren brüchig gewordene Grundlagen (Geist, Logos, Vernunft) abgetragen werden sollten. Aber er war dadurch auch in die Sprachnot geraten.
Trotz der verwandten, zeitkritischen Motive hätte Heidegger keinen zwingenden Grund, die 'geheimnisvollen Bezüge' zur östlichen Welt eigens in Verbindung mit Laozis Namen herauszustellen und sogar sich für seine Belehrung spontan erkenntlich zu zeigen. Aber die Kraft von Laozis Lehre war nicht nur so gross wie ihre Äusserung, sondern ihre Tiefe war auch so tief, wie sie das noch Ungedachte zur Sprache zu bringen und ferner das Unaussprechliche im Ungesprochenen zu lassen bereit war. In den dichtenden Sprüchen Laozis entdeckte Heidegger ein seinem Sinnen und Trachten ebenbürtiges, ursprungsnahes Sagen, das in berückender Einfachheit zugleich das Sagbare zu treffen und das Unsagbare zu hüllen vermochte. Wie alle grossen philosophischen Erneuerer brachte Laozi also die seinem denkerischen Auftrag gemässe Sprache auf den Weg. Und dass diese Erneuerung auf ein Altes wies und die Überwindung des Bestehenden in Wahrheit die Zurücklegung des Weges zum Anfang besagen sollte, muss Heidegger tatsächlich wie eine 'geheimnisvolle' Entsprechung erschienen sein, die sowohl in Form als auch in Inhalt eine tiefgreifende Verwandtschaft zwischen den beiden Denkern ahnen lässt. Dabei war Heidgger sich dessen peinlichst bewusst, dass er die chinesische Sprache nicht kannte und seine Quellenkenntnis des Taoismus aus zweiter Hand geholt werden musste. Nicht zuletzt aus diesem Grunde blieb sein öffentliches Verhalten gegenüber der östlichen Überlieferung spröde und gehemmt, obwohl in privaten Kreisen merklich freier und vertraulicher. Aber in rein sachlicher Hinsicht kam ihm die epigrammatische Bündigkeit des Chinesischen und insbesondere deren Steigerung in Laozis eigenem Stil der Sinngedichte sehr zugute.

2000
Lee Yen-hui : Für Laozi ist das wu-wei der Weg zum Tao, welches der Ursprung von allen Wesen und allen Menschen ist. Der Weg des wu-wei beginnt mit der Befreiung aus der vielfältigen Verfangenheit, welche den Menschen in ein verengtes und erstarrtes Bewusstsein einsperrt. Laozi öffnet diesen Weg aus der Verstrickung durch die radikale Infragestellung der politisch-wirtschaftlichen Systeme, des Konfuzianismus und aller menschlichen Besitzgier. Der Weg des wu-wei ist ein Weg zum ursprünglichen Leben, in welchem sich der Mensch mit dem Tao vereinen kann.
Ähnlich wie Laozi sieht Heidegger die Gelassenheit als Weg zur Wahrheit des Seins. Die 'Gegnet' bzw. die Wahrheit des Seins ist das Zuhausesein des Menschen, wo er wie er selbst sein kann. Die 'Gegnet' ist das Sein-lassende : Sie lässt den Mensch wie er selbst ist. Der moderne Mensch wird aber in eine geschichtliche Verfangenheit hineingeboren, so dass er durch das überkommene metaphysisch-technische Denken sein Zuhausesein von vornherein auf der Erde verloren hat. Heidegger stellt deshalb die Tradition der Metaphysik bzw. das technisch-wollende Denken radikal in Frage und versucht ein anderes Denken zu entwickeln, das eine Wiedergewinnung der Bodenständigkeit zukünftig ermöglicht. Das ist der Weg der Gelassenheit, auf dem sich das Denken der Menschen je und je in die Wahrheit des Seins einlassen und als wahrhaft Sterblicher das Geviert der Welt mitschöpferisch bewohnen kann.

Ma Lin : Victor von Stauss leaves 'dao' untranslated, but adds in a note that 'dao' should not be translated as 'Weg', 'Wort' or 'Vernunft'. Alexander Ular translates 'dao' as 'Bahn'. Richard Wilhelm renders 'dao' as 'Sinn'. Jan Ulrenbrook translated 'dao' as 'Weg'.
Heidegger suggests that 'dao' could be the 'Weg' that gives all ways, as that which makes possible for humans to think through what reason, mind, meaning, and 'logos' may say out of their nature. In the second sentence, Heidegger seems to take 'Weg' and 'dao' as synonyms in saying that perhaps the mystery of mysteries of thoughtful saying conceals itself in the word 'Weg, Tao'. However he is not suggesting that these two words are completely identical, because he immediately refers back to them in the plural, in terms of 'these names'. The final remark, 'All is way' follows up what is asserted in the preceding. Methods are the drainage of 'Weg' that moves all things. 'Weg' is that from which all the variety of methods arise in various forms. It is in this sens that Heidegger says, 'All is way'.
The ambiguous relation between 'Weg' and 'dao' provides possibilities of both universalist and relativist readings of Heidegger's thought. On the one hand, a universalist reading would consider that 'Weg' and 'da' share the same reference, but have different senses. That is the basis on which 'Weg' and 'dao' could enter into dialogue.
Both universalist and relativist readings neglect the fact that Heidegger does not treat 'Weg' as merely a linguistic sign that refers to an object through the meditation of a certain sense. As the proper 'Urwort, Weg' itself is a special entity. 'Weg' has a kind of giveness or grantedness in spite of its appearance as a word. In other words, its sense and reference are not external, but internal. Both universalist and relativist readings fail to recognize the uniqueness of 'Weg', whose reference and sense are not on the same part as that of other words. 'Weg' is what makes possible the expereince of the nature of language ; it is that in which the thoughtful Saying of language conceals itself. In this light, it would be more appropriate to describe 'Weg' as the primary and grounding 'word-thing', rather than as a word among other words.
In fact, with Heidegger, 'Weg' is thought in a similar fashion as 'Ereignis' is. Like 'Ereignis', 'Weg' is associated with a sense of movement. Heidegger coins a word 'be-wëgen' on the basis of 'bewegen', and speaks of 'Weg' as that which moves all things.
  • Document: Heidegger, Martin. Unterwegs zur Sprache. (Pfullingen : Neske, 1959). S. 197-198. (Heid2, Publication)
  • Document: Strolz, Walter. Heideggers Entsprechung zum Tao-te-king und zum Zen-Buddhismus. In : Sein und Nichts in der abendländischen Mystik. Hrsg. von Walter Stolz. (Freiburg i.B. : Herder, 1984). S. 92-93. (Heid13, Publication)
  • Document: Hempel, Hans-Peter. Heidegger and Zen. 2. Aufl. (Frankfurt a.M. : Hain, 1992). (Athenäums Taschenbuch ; Bd. 168). S. 129, 131, 155, 161. (Hemp1, Publication)
  • Document: Cho, Kah Kyung. Heidegger und die Rückkehr in den Ursprung : Nachforschungen über seine Begegnungsmotive mit Laotse. In : Im Spiegel der Welt : Sprache, Übersetzung, Auseinandersetzung. Hrsg. von Dietrich Papenfuss und Otto Pöggeler. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1992). S. 305-308, 310-319. (Heid7, Publication)
  • Document: Cho, Kah-kyung. Der Abstieg über den Humanismus : West-Östliche Wege im Denken Heideggers. In : Europa und die Philosophie. Hrsg. von Hans-Helmuth Gander. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1993). (Schriftenreihe / Martin-Heidegger-Gesellschaft ; Bd. 2). S. 145-146, 148, 158, 165-169. (Heid4, Publication)
  • Document: May, Reinhard. Ex oriente lux : Heideggers Werk unter ostasiatischem Einfluss : Im Anhang : Tomio Tezuka, eine Stunde bei Heidegger, Japanisch-Deutsch. (Stuttgart : F. Steiner, 1989). = May, Reinhard. Heidegger's hidden sources : East Asian influences on his work. Transl., with a complementary essay by Graham Parkes. (London : Routledge, 1996). = Tezuka, Tomio. Haidegâ tono ichijikan. In : Kotoba ni tsuite no taiwa. (Tokyo : Risô-sha, 1968). S. 55-62. (Heid10, Publication)
  • Document: Lee, Yen-hui. Gelassenheit und Wu-wei : Nähe und Ferne zwischen dem späten Heidegger und dem Taoismus. Diss. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.B. (2000).
    http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/441/pdf/Dissertation.pdf. S. 134. (Heid5, Web)
  • Document: Ma, Lin. Deciphering Heidegger's connection with the Daodejing. In : Asian philosophy ; vol. 16, no 3 (2006). S. 151-153. (Heid108, Publication)
  • Person: Heidegger, Martin
8 1957 Heidegger, Martin. Grundsätze des Denkens [Vorträge Freiburg i.B. ID D19796].
Heidegger sagt : "Sterbliches Denken muss in das Dunkel der Brunnentiefe sich hinablassen, um bei Tag den Stern zu sehen. Schwerer bleibt es, die Lauterkeit des Dunklen zu wahren, als eine Helle herbeizuschaffen, die nur als solche scheinen will. Was nur scheinen will, leuchtet nicht. Die schulmässige Darstellung der Lehre von den Denkgesetzen will jedoch so scheinen, als seien der Inhalt dieser Gesetze und ihre absolute Geltung unmittelbar für jedermann einleuchtend."

Walter Strolz : Heidegger bezieht sich, indem er an die undurchdachte Herkunft der Denkgesetze aus dem fragwürdigen Logikverständnis der Metaphysik erinnert, auf den 28. Spruch aus dem Dao de jing : 'Wer seine Helle kennt, sich in sein Dunkel verhüllt'. Seine Denkbewegung mündet in die schon 1941 formulierte Einsicht, dass die menschliche Entsprechung zum Sein als Sein den Sprung in das Bodenlose ernötigt.

Otto Pöggeler : Laozi spricht im 28. Spruch von der Einfalt, der sich Männliches und Weibliches, Hell und Dunkel, Ruhm und Schmach fügen. Mit der Atombombe dagegen holen die Menschen im wissenden Verfügen der Technik Energien aus der Erde, ohne sie aus der Dankbarkeit für das Gewährte in die begrenzte Offenheit einer lebbaren Welt sinnvoll einfügen zu können. Die Helle wie Wissenschaft und Technik sie über die Erde bringen, ist in ihrer masslosen Entfesselung selbstzerstörerisch. Heidegger will aber nicht in eine vortechnische und vormoderne Welt zurück, wenn er Friedrich Hölderlins spätes Gedicht und Laozis Spruch miteinander verknüft ; er will vielmehr diese unsere heutige Welt auf einen begehbaren Weg bringen.

Ma Lin : Heidegger cites from chapter 28 of the Daodejing, translated by Victor von Strauss : "Wer seine Helle kennt, sich in sein Dunkel hüllt".
According to Heidegger, Western philosophical tradition has been searching for inappropriate brightness. For him, this kind of light is not 'Lichtung'. It is pure brightness without proper sophistication. One needs to keep away from this simplistic notion of brightness and look for the appropriate brightness that goes well with darkness. True light lies concealed in the darkness that is both the origin of the basic principles of thinking and the place of thinking these principles. Similarly, true darkness is not complete darkness without any light at all. It is pregnant with profound light. In this framework of thinking, Heidegger may have dound Laozi’s verse concerning the dialectic relation between white (light) and black (darkness) well-serving his purpose of delineating an other kind of light, a deeper and more concealed origin of thinking. He adapts the literally ambiguous verse to what he is trying to say in the relevant context.
Heidegger's charcterization of the origin of the basic principles of thinking in terms of true light concealed in true darkness resembles his description of truth (and of Being). Truth lies in the movement towards unconcealment which is continuously challenged or thwarted by the power of concealment. With Heidegger, the dynamic relation between the unconcealment and concealment, between light and darkness, is one in which each member of a relevant pair of contraries is indispensable. This appears to be similar to Laozi's idea about contraries as reflected in chapter 28.
However, there are two points of difference that set Heidegger away from Laozi. First, according to Heidegger's characterization of unconcealment and concealment, of light and darkness, neither member of the pair of contraries has a determinate external reference. They represent internal mediation achieved by a movement calles 'a-lethia'. 'A-lethia' is not a neutral, arbitrary movement. What can be unconcealed presumably is already unconcealed partially in the first beginning of Western historicality. Unconcealment is a movement that possesses historic necessity. With Laozi, the opposites are externally recognizable and determinable. The distinction between the opposites is not logical, but concrete. The white and the black in the verse 'know the white, yet safeguard the black' do not constitute two internal sides of a certain logical or historic unity. They refer to concrete whiteness and blackness, or to concrete light and darkness.
Second, sometimes Heidegger speaks of Being in terms of 'the single source', the 'origin'. This lend itself to the interpretation that he privileges a kind of metaphysical reservedness, a source that is inexhaustible, a super-concealment that makes possible any movement of unconcealment with concealment. In the last analysis, Heidegger's most original contribution to contemporary continental philosophy is his emphasis on a kind of dynamic movement named 'Ereignis', which features truth (and Being). No determinate way of being is taken as primordial and fundamental. What is primordial is none other than this momentary movement, or occurrence, or anticipation for this movement, which makes possible both unconcealment and concealment, both Being and man in each of their ownmost nature, both accomplishment and thwartedness, both authenticity and inauthenticity. The nature of 'single source' and of 'origin' rests upon this mode of founding act or movement. In contrast, Laozi does not seem to presuppose a singular movement in which opposites are enacted at the same time. His key word 'dao' can be interpreted in terms of movement. However, there are different kinds of 'dao' and thus different kinds of movement, for example, 'tiandao' (Heaven's dao), and rendao (humans' dao). Different kinds of things in the world also have their own 'dao'.
  • Document: Strolz, Walter. Heideggers Entsprechung zum Tao-te-king und zum Zen-Buddhismus. In : Sein und Nichts in der abendländischen Mystik. Hrsg. von Walter Stolz. (Freiburg i.B. : Herder, 1984). S. 93-94. (Heid13, Publication)
  • Document: Ma, Lin. Deciphering Heidegger's connection with the Daodejing. In : Asian philosophy ; vol. 16, no 3 (2006). S. 154-156. (Heid108, Publication)
  • Person: Heidegger, Martin
9 1960 Heidegger, Martin. Bild und Wort [Vortrag Bremen (1960)].
Otto Pöggeler : Es lag Heidegger fern, das Zurückgewinnen eines ursprünglich griechischen Bodens durch die frühe Erfahrung der Physis mit fernöstlichen Traditionen zu verbinden zu einer Sicht des Menschen, die im Menschen auch nur ein Stück Natur sieht. Er suchte mit Friedrich Hölderlin und damit aus dem Gespräch mit den Griechen oder der Unterscheidung von diesen eine andere Zukunft zu gewinnen ; anders aber als Hölderlin unterschied er nicht nur das Griechische vom Orientalischen, sondern bezog auch den Ursprung des Abendländischen auf den Ursprung, den die ostasiatische Welt im Taoismus hat. Er konnte in Bremen und München in der Sammlung von Emil Preetorius chinesische, japanische und koreanische Kunst sehen ; mit einem Maler wie Julius Bissier, der Fernöstliches aufnahm und mit dem der befreundet war und mit Mark Tobey, zu dem er Kontakt suchte. Für die Nô-Spiele und die Zen-Malerei zeigte er ein besonderes Interesse. So konnte er die taoistische Kunstauffassung bei seinem Vortrag einbeziehen. Er konzentrierte sich auf fünf Texte : Ein Zitat von Augustinus, ein Fragment von Heraklit, das Gleichnis vom Glockenspielständer von Zhuangzi, aus : Reden und Gleichnisse des Tschuang-tse. Deutsche Auswahl von Martin Buber [ID D11978] und die Rede Paul Klees Über die moderne Kunst.
Wenn Heidegger über Zhuangzi sprach, setzte er voraus, man habe in Bremen nicht vergessen, dass die alte Hansestadt am Ende des 19. Jahrhunderts mit ostasiatischer Kunst auch die schlichten Gedanken taoistischer Weisheit aufgenommen hatte. Wenn er gerade das Gleichnis vom Glockenspielständer auswählte, schien er zu bestätigen, dass das Denken, das er mit dem Taoismus wecken will, 'ästhetisch' sei. Aber schon das Gespräch mit dem Japaner in Unterwegs zur Sprache wehrte es ab, die ostasiatische Kunst und Welterfahrung unter den Titel des 'Ästhetischen' zu stellen. Das 'Ästhetische' der europäischen Tradition findet nach Heidegger in einem Sinnlichen ein Nichtsinnliches ; dieser Weg soll aber verlassen werden zugunsten der Erfahrung des Ineinanders von Weite und Stille. Heidegger konnte durch das Gleichnis des Zhuangzi eine Diskussion einbringen : Durch langes Fasten, durch Konzentration und Meditation wird der Holzschnitzer fähig, jenen Baum im Walde zu finden, der schon der anzufertigende Glockenspielständer ist, so dass Stoff und Form in diesem vollkommenen Kunstwerk ganz eins sein können.

Chung Chen-yu : Heidegger bestimmt in seinen Klee-Notizen das Wesen des Kunstwerkes als Zustände. Dieses Wesen des Kunstwerks bezeichnet ein Ding, das sich zwischen den Zuständen von Sein und Seiendem befindet. Dies Zustände sich auch das ursprüngliche 'Gehören' von Sein und Seiendem. In Zhuangzis Geschichte erfährt man, wie ein Mensch (Handwerker) und ein Ding (Gerät) das 'wuwei' durch einander und miteinander realisieren. Das in-spirierte Gerät ist ein Kunstwerk. Entsprechend der heideggerschen Betrachtung der Klee'schen Kunstwerke als Zustände, kann man das handwerkliche Kunstwerk im Zuangzi als den 'Zustand' des Himmels, d.h. des 'wuwei' bez. des dao, ansehen, dessen Wesenscharakter die In-spiration ist.
  • Document: Chung, Chen-yu. Lebensweisheit und Weltoffenheit : ein Vergleich zwischen dem daoistischen wuwei und der heideggerschen Gelassenheit. (Nordhausen : T. Bautz, 2006). Diss. Bergische Univ. Wuppertal, 2005. S. 236-239. (Heid106, Publication)
10 1964 Gespräch Martin Heidegger mit Bikkhu Maha Mani.
Heinrich Petzet : Heidegger sagt im Gespräch mit dem buddhistischen Mönch Bikkhu Maha Mani aus Bangkok, 'er selbst halte es oft mit Laotse – aber diesen kenne er nur durch die deutschen Vermittler, z.B. Richard Wilhelm'. Auf die Feststellung des Mönchs, nämlich "das Nichts sei nicht 'nichts', sondern geradezu das ganz andere : Die Fülle. Nennen könne das keiner. Aber es sei – Nichts und Alles – die Erfüllung", antwortet Heidegger : "Das ist es, was ich immer, mein Leben lang, gesagt habe".

Otto Pöggeler : Heidegger stellt im Gespräch heraus, dass seine Lebensarbeit der Befreiung aus jenem Gefängnis gegolten habe, das wir zeitlebens mit uns herumtragen : aus der Übermacht der zwei Jahrtausende seit Platon, die jedes Gepräch durch die Vorentscheidungen aus den philosophischen Systemen und Doktrinen, den konfessionellen Festlegungen und den religiösen Abgrenzungen, den Erziehungssystemen entstellen. 'Wir haben zuviel Kultur'. Die Europäer hätten kein eindeutiges, gemeinsames, einfaches Verhältnis zur Wirklichkeit und zu sich selbst. Dieser grosse Mangel der westlichen Welt sei der Grund der Verwirrung der Meinungen in den verschiedenen Bereichen ; er ist offenbar auch der Grund für den Blick nach Asien.
  • Document: Petzet, Heinrich Wiegand. Auf einen Stern zugehen : Begegnungen und Gespräche mit Martin Heidegger 1929-1976. (Frankfurt a.M. : Societäts-Verlag, 1983). S. 183, 190. (Heid11, Publication)
  • Person: Heidegger, Martin

Sources (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1954 Heidegger, Martin. Die Frage nach der Technik. In: Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schöne Künste ; Bd. 3 (1954). [Vortrag München 1954]. Publication / HeidM10

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)