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“Heidegger und die Frage nach der abendländischen Moderne - ausgehend von einem Text Tschuang-tses” (Publication, 1989)

Year

1989

Text

Obashi, Ryôsuke. Heidegger und die Frage nach der abendländischen Moderne - ausgehend von einem Text Tschuang-tses. In : Destruktion und Übersetzung : zu den Aufgaben von Philosophiegeschichte nach Martin Heidegger. Hrsg. von Th. Buchheim. (Weinheim : VCH Acta Humaniova, 1989). (Heid12)

Type

Publication

Mentioned People (1)

Heidegger, Martin  (Messkirch 1889-1976 Freiburg i.B.) : Philosoph

Subjects

Philosophy : Europe : Germany / References / Sources

Chronology Entries (3)

# Year Text Linked Data
1 1930 Martin Heidegger hält sich nach einem Vortrag über das Wesen der Wahrheit in Bremen bei Herrn Keller auf. In einem Gespräch wurde die Frage gestellt, ob ein Mensch sich in den anderen versetzen könne. Als die Gefahr aufkam, dass das Gespräch zu einem psychologischen Zerreden wurde, liess sich Heidegger von Herrn Keller Tschuang-tse [Zhuangzi]. Reden und Gleichnisse des Tschuang-tse. Deutsche Auswahl von Martin Buber [ID D11978] geben. Er zitiert und interpretiert daraus die Geschichte Die Freude der Fische um die Frage nach der Intersubjektivität zu beantworten :
"Tschuang-tse und Hui-tse standen auf der Brücke, die über den Hao führt. Tschuang-tse sagte : 'Sieh, wie die Elritzen umherschnellen ! Das ist die Freude der Fische'. 'Du bist kein Fisch' sagte Hui-tse, ‚wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht ? 'Du bist nicht ich' antwortete Tschuang-tse, 'wie kannst du wissen, dass ich nicht wisse, worin die Freude der Fische besteht ?' 'Ich bin nicht du', bestätigte Hui-tse, 'und weiss dich nicht. Aber das weiss ich, dass du kein Fisch bist ; so kannst du die Fische nicht wissen'. Tschuang-tse antwortete : 'Kehren wir zu deiner Frage zurück. Du fragtest mich : 'Wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht ? Im Grunde wusstest du, dass ich weiss, und fragtest doch. Gleichviel. Ich weiss es aus meiner eignen Freude über dem Wasser'."

Otto Pöggeler : Zhuangzi kann aus seiner Freude am Wandern die Freude der Fische im Bach teilen. In der 'Mitteilung' und im 'Kampf' kann dann jenes 'Geschick' freigegeben weren, von dem her sich die übergreifende Gemeinschaft eines 'Volkes' im Wechsel der Generationen aufbaut. Man mag an dieser Bestimmung des Verhältnisses zum Anderen jene 'ethische' Dimension vermissen, in der der Andere mich in die Verantwortung nimmt, in der das 'mythische' Sicheingrenzen auf das Eigene und die Heimat durch die messianische Forderung des Friedens für alle durchbrochen werden. Die Behauptung ist aber kurzschlüssig, bei Heidegger falle das Verhältnis zum anderen aus. Es wird nur anders als in bestimmten Traditionen gesehen : als Freundschaft, in der die Freunde letztlich einander in ihre Eigenheit und Andersheit entlassen, so dass in jedem 'die Welt fertig dasteht' ; nicht als Nächstenliebe, in der der eine auf den andern angewiesen ist. Heidegger bezieht die Legende des Zhuangzi speziell auf die Frage des Mitseins. Hat diese Legende im Taoismus aber nicht den weitergehenden Sinn, an die universale Sympathie zu erinnern, die alles Natürliche – z.B. Fische und Menschen – miteinander verbindet ? Auch Sein und Zeit weist darauf hin, dass die Natur, die uns 'umfängt', also Natur 'etwa im Sinne des Naturbegriffes der Romantik', nicht die 'Naturdinglichkeit' des Vorhandenen oder Zuhandenen sei, damit nicht die Natur, die wissenschaftlich oder technisch von uns behersscht wird.

Chung Chen-yu : In diesem Zitat geht es um die Frage, ob sich der Mensch in ein Tier bzw. in einen anderen Menschen hineinversetzen kann. Für Zhuangzi ist ein solches Heineinversetzen möglich, weil sich der Mensch, wenn er sitzt und vergisst, mit allem Seienden vereint. Dann ist die Unterscheidung von Mensch und Mensch, von Mensch und Ding verschwunden. Heidegger hat zwar das Beispiel Zhuangzis übernommen, stellt aber eine andere Problematik dar. Ontologisch gesehen ist der Mensch immer das Mitsein mit Anderen und das Mitsein mit den Tieren. 'Welt' bedeutet, das Seiende als das Seiende anwesen zu lassen. Dieses Ansehen-Lassen ist aber nur dem Menschen als Dasein mgöich. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier zeigt sich bei Heidegger darin : 'Die Art, wie der Mensch ist, nennen wir das Verhalten ; die Art, wie das Tier ist, nennen wir das Benehmen. Das Benehmen des Tieres ist nicht ein Tun und Handeln, wie das Verhalten des Menschen, sondern Treiben, womit wir andeuten, dass gleichsam alles Treiben des Tieres die Getriebenheit durch das Triebhafte charakterisiert'.

Cho Kah Kyung : Als Beispiel eines nicht-sprachlichen Kommerzes steht diese Lehre Zhuangzis eigentlich im Gegensatz zu Heideggers ontologischer Voraussetzung, welche das Tierreich abgründig vom menschlichen Dasein trennt. Doch mit dieser Geste der didaktischen Übertreibung hatte er jene hermeneutische Pointe nicht verfehlt, dass Schweigen positiv zum Moment des Verstehens gehört.

Ohashi Ryôsuke : Die Erzählung des Zhuangzi gliedert sich so, dass die Diskussion zwischen Tschuang-tse und Hui-tse mit einem abschliessenden Wort Tchuang-tses um schlägt und zu Ende geht. Das Wort, das das ganze Gespräch wendet, lautet : 'Kehren wir zu deiner Frage zurück'. Wortgetreu übersetzt : 'Kehren wir zum Ursprung zurück'. Der gemeinte 'Ursprung' ist im Kontext dieser Erzählung der Ausgangspunkt der Diskussion Hui-tses. Aber das Wort 'Ursprung' bedeutet offensichtlich auch den 'ursprünglichen Anfang', in dem Tschuang-tse steht. Das 'Mitsein' Heideggers ist die Seinesweise des Menschen und gründet im menschlichen Dasein. Das 'Gleichstellen der Dinge' bei Zhuangzi dagegen ist die Haltung, alle 'Dinge' trotz all ihrer Unterschiede, wie etwa Grösse usw., als 'gleich' anzusehen. Das 'Mitsein' bei Heidegger gründet in der Entschlossenheit des Daseins des Menschen.
Die 'Wandlung' bei Zhuangzi ist nicht nur der Grund der Fremderfahrung zwischen den Menschen, wie das Mitsein Heideggers, sondern der Grund der Fremderfahrung im Ganzen. In der Entwicklung des Gedankens dieser 'Wandlung' geht nun eine andere Dimension der Nähe und Ferne auf, nämlich die der 'Geschichte'. Im menschlichen Dasein ist als Da des Seins, wie es Heidegger in Sein und Zeit erörterte, schon der Charakter der Geschichtlichkeit enthalten. In der 'Wandlung' bei Zhuangzi dagegen wird die Sicht der Geschichte nicht geöffnet. In der Erzählung Herbst-Fluss wird gesagt : 'Der Weg kennt nicht Ende noch Anfang. Verfall und Ruhe, Fülle und Leere machen einen ewigen Kreislauf durch. Einfach der Wandlung ihren Lauf lassen !'
  • Document: Pöggeler, Otto. West-östliches Gespräch : Heidegger und Lao Tse. In : Pöggeler, Otto. Neue Wege mit Heidegger. (Fraiburg i.B. : Alber, 1992). = Pöggeler, Otto. West-East dialogue : Heidegger and Lao-tzu. In : Heidegger and Asian thought. Ed. by Graham Parkes. (Honolulu, Hawaii : University of Hawaii Press, 1987). S. 395. (Heid14, Publication)
  • Document: Cho, Kah Kyung. Heidegger und die Rückkehr in den Ursprung : Nachforschungen über seine Begegnungsmotive mit Laotse. In : Im Spiegel der Welt : Sprache, Übersetzung, Auseinandersetzung. Hrsg. von Dietrich Papenfuss und Otto Pöggeler. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1992). S. 302. (Heid7, Publication)
  • Document: Lee, Yen-hui. Gelassenheit und Wu-wei : Nähe und Ferne zwischen dem späten Heidegger und dem Taoismus. Diss. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.B. (2000).
    http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/441/pdf/Dissertation.pdf. S. 14. (Heid5, Web)
  • Document: Chung, Chen-yu. Lebensweisheit und Weltoffenheit : ein Vergleich zwischen dem daoistischen wuwei und der heideggerschen Gelassenheit. (Nordhausen : T. Bautz, 2006). Diss. Bergische Univ. Wuppertal, 2005. S. 262-263. (Heid106, Publication)
  • Person: Heidegger, Martin
2 1953-1954 Heidegger, Martin. Aus einem Gespräch von der Sprache : zwischen einem Japaner und einem Fragenden [ID D19799].
Heidegger schreibt : "Der Ausblick für das Denken, das dem Wesen der Sprache zu entsprechen sich abmüht, bleibt in seiner ganzen Weite noch verhüllt. Darum sehe ich noch nicht, ob, was ich als Wesen der Sprache zu denken versuche, auch dem Wesen der ostasiatischen Sprache genügt, ob am Ende gar, was zugleich der Anfang würe, ein Wesen der Sprache zur denkenden Erfahrung gelangen kann, das die Gewähr schenkte, dass europäisch-abendländisches und ostasiatisches Sagen auf eine Weise ins Gespräch kämen, in der solches singt, das einer einzigen Quelle entströmt ?"

Tezuka Tomio : Die Darstellung dieses Dialogs zeigt eine Gangart, in der der Besucher aus dem Osten das vom Hausherrn schon lange Durchgedachte (was von uns als östlich zu bezeichnen wäre) im grossen und ganzen bestätigt und infolgedessen sich keine neuen Gedanken mehr im Verlauf des Gesprächs entfalten. Es ist eine erneute Darlegung des vom Hausherrn bereits zu Ende Gedachten, an der vielfach die Züge einer Apologie fühlbar werden.

Cho Kah Kyung : Die Unterhaltung drehte sich u.a. um die Wesensbestimmung der Sprache. Heidegger fragte nach der Wortbedeutung des 'Kota ba', 'Sprache' auf Japanisch. Das ganze Gespräch mit einem Ostasiaten ist deswegen bedeutsam, weil Heidegger bisher als einziger Philosoph im Westen es gewagt hat, nicht historisch, sondern sachlich seine Hauptgedanken zu denen der östlichen Welterfahrung in ein Verhältnis zu setzen, aber jenseits der etwas übertrieben mystifiziert wirkenden Begegnungsmotive krankt es im allgemeinen daran, dass die beiden Parteien sich bereits auf das Sprechen der selbigen Sprache eingelassen, haben, mit dem mageren Ergebnis, dass der Fragende im Grunde nur des Gegners Hellhörigkeit für seine eigene Sprache bestätigt hat. Heidegger wählte das Gespräch als Format und Voraussetzung seines Denkens, um im Miteinanderdenken mit einem Partner über eine 'gemeinsame Sache' nachzudenken.
Tatsächlich legte er selbst an Ort und Stelle als er als 'Fragender' dem japanischen Besucher gegenübersass, die gleichlautenden Worte 'unausweichlich gewordene Begegnung' seinem Gast in den Mund. Dagegen fehlte, selbst für die vereinzelnten Passagen, in denen Heidegger auf das wichtige chinesische Wort Tao zu sprechen kam, jede Auskunft über den etwaigen personalen oder sachlichen Behelf, woraus man vorläufig geschlossen hätte, welcher Art die 'Belehrung' gewesen ist, die er den Chinesen verdankt haben soll. Eine Zeit lang wusste man daher nur aus zweiter Hand, wie sehr Heidegger doch das sprachliche Problem des Chinesischen ernst nahm, und wie er bei seinem Versuch, sich in die Texte Laozis hineinzuarbeiten, sich nicht immer nur auf europäische Übersetzungen des Dao de jing und Sekundärliteratur stützte.
Während so die publik gewordenen Belegstellen des west-östlichen Gesprächs bei Heidegger fast ausschliesslich die japanische Signatur trugen, war es am Ende nicht irgendein zen-buddhistischer Gedanke aus der 'ästhetischen' Überlieferung Japans, was nachhaltig Heideggers Besinnung begleitete und so seinen Denkweg zu dem werden liess, an dessen Rande wir die Fragen stellen : Wie und auf welchem Wege sonst, wenn überhaupt, ist das 'Geheimnisvolle' der Bezüge zum Osten als ein solches bewahrt und auf welchem Weg sonst und inwieweit ist der 'Unausweichlichtkeit' der Bewegung mit der osatsiatischen Welt mit einer ihr gemässen 'Ent-schlossenheit' und Offenheit zum gemeinesamen Gespräch entgegnet worden ? Sollte es sich schliesslich nicht für ein sich stets unterwegs wissendes Denken geziemt haben, dass bei jenem 'Gespräch von der Sprache' mit einem Japaner bloss 'einige Schritte auf einem Gang versucht' worden sind ?. Sollte es aber nicht, mehr noch für ein über 'die geheimnisvollen Bezüge zum Osten' sinnendes Denken, sich geziemt haben, dass ihm am Ende ein einfaches chinesisches Wort, nämlich Tao, zum Leitwort geworden ist auf dem Wege der west-östlichen egegnung, die ein anderer Gang und ein anderer Versuch genannt zu werden verdient, weil dadurch das 'Gespräch' einige Schritte näher dem Ziel gebracht worden ist, und weil man daraus 'mehr gelernt' hat ? Was ist die Form des Gesprächs, wenn von keinem Zwiegespräch Heideggers die Rede ist, weder mit Laozi noch mit einem zeitgenössischen Chinesen ? Das bekannte Frage-und-Antwort-Schema, das Heidegger anhand der philosophischen Texte anderer zur Explikation seiner eigenen Gedanken und zur Befragung der 'gemeinsamen' Sachen angewandt hat, erklärt die Form des Gesprächs, das wir auch seiner 'Begegnung' mit Laozi zugrunde legen dürfen. Aber vielleicht war ihm der regionale Unterschied von Japan und China von untergeordneter Bedeutung. Überhaupt ist die Gegenüberstellung von Osten und Westen, von Morgenland und Abendland, nicht geographisch, sondern ‚seinesgeschichtlich’ gedacht, d.h. je nach der Nähe und Ferne zum Ursprung. Der so gedachte Ursprung wäre kaum der Ort, aus dem etwas, wie die Geburt eines Individuums zu einem chronologisch festlegbaren Zeitpunkt, entstanden ist. Er ist vielmehr der metaphorische Sinn des gründenden Geschehens der Wahrheit selbst.

Reinhard May : Der Bericht vermittelt uns den Eindruck eines sachlich auf hohem Niveau geführten Gesprächs, das aber keineswegs mit dem identisch ist, was Heidegger im Sammelband Unterwegs zur Sprache der Öffentlichkeit präsentiert hat. Vermutlich hat er das konzentriert geführte Gespräch als eine günstige Gelegenheit betrachtet, seinem japanischen Gast, der die deutsche Sprache erwiesenermassen ungewöhnlich gut beherrschte, wohlüberlegte Sachfragen zu stellen. Tezukas Antworten hat er dann auf der Stelle notiert, möglicherweise zwecks geplanter späterer Ausarbeitung eines eigenen Textes. Unter Berücksichtigung von Tezukas Darlegungen im Nachwort wird klar, dass Heidegger unter Verwendung einer Vielzahl einschlägiger Informationen und geeigneter Textvorlagen einen stofflich anspruchsvollen Dialog erfunden hat. Denn bis auf ganz wenige Passagen handelt es sich nicht einmal um eine annähernd grosszügige Wiedergabe des tatsächlich geführten Gesprächs mit Tezuka. Es mangelt jegliche Authentizität. Das Gespräch mit Tezuka scheint für Heidegger vielfach eine Inspirationsquelle gewesen zu sein. Das Ergebnis ist insoweit eine ungewöhnliche Präsentation des Heideggerschen Denkens.
Heidegger schreibt : "Der bislang ungedruckte Text entstand aus einem Gepräch… veranlasst durch einen Besuch von Professor Tezuka". Dieser Besuch fand erst 1954 statt, so dass wir uns fragen können, was Heidegger zu der so ungenauen Zeitangabe bewogen haben mag. Fest steht : Er hat einen Dialog erfunden.
Heidegger behandelt zwei Themenkreise : Erstens 'iki' in Verbindung mit Fragen zur Ästhetik und Eigenart der ostasiatischen Kunst. Zweitens : Das Wesen der Sprache im Zusammenhang mit dem japanischen Wort für Sprache 'kotoba'.
Heidegger spricht von einem Geständnis, nachdem er, d.h. sein Japaner, gesagt hat : 'Soweit ich dem, was Sie sagen, zu folgen vermag, ahne ich eine tiefverborgene Verwandtschaft mit unserem Denken, gerade weil ihr Denkweg und seine Sprache so ganz anders sind'. Worauf Heidegger in der Rolle des Fragenden den fingierten Dialog pointiert mit den Worten fortsetzt : 'Ihr Geständnis erregt mich in einer Weise, dass ich ihrer nur dadurch Herr werde, dass wir im Gespräch bleiben'. Alles Vorausgehende und das Folgende ergibt materiell in ausgewählten Passagen 'sein' Geständnis. Dabei muss man natürlich in Betracht ziehen, dass zu solchen Aussagen nur jemand in der Lage ist, der sich bereits gut und gründlichen im ostasiatischen Denken auskennt.

Walter Strolz : Gibt es einen Weg, eine Denkmöglichkeit, sich diesem Quell, dem Ursprungsort der verschiedenen Sprachwelten, zu nähern ? Eine Antwort ist nicht nur deshalb schwierig, weil die Übermacht europäisch bestimmter Vorstellungsweisen das kaum erst begonnene Gespräch mit dem Zen-Buddhismus belastet, sondern weil nach Heidegger der Prozess der 'vollständigen Europäisierung der Erde und des Menschen' durch das wissenschaftlich-technische Weltverständnis den Einblick in das alles Seiende in seiner Seiendheit durchwaltende Verhältnis von Sprache und Sein, Sprache und Stille, Botschaft und Botengang verstellt.
Was ergibt sich aus der fundamentalen Einsicht, dass 'erblickendes Vernehmen' und nicht vorstellendes Begreifen der Urakt der Erkenntnis ist, für die west-östliche Begegnung ? Erst aus der Abkehr vom setzenden, vorstellenden, begrifflich festgefahrenen Danken, ergibt sich die Möglichkeit, seiner Sprach- und Seinsvergessenheit inne zu werden und von hier aus in ein Entsprechungsverhältnis zum Tao oder zum Zen zu gelangen.

Ohashi Ryôsuke : Der Ort, an dem sich die Bedeutung der ostasiatischen Welt für Heidegger noch dringender zeigt, ist die Frage nach der Sprache. Seine Formulierung, die Sprache sei das 'Haus des Seins', ist sehr bekannt geworden, aber man bemerkt nicht immer, dass er selbst diese Formulierung auf die abendländische Sprache beschränkt und ihre Gültigkeit für die ostasiatische Sprache offen lässt. Heidegger schreibt : 'darum sehe ich noch nicht, ob, was ich als Wesen der Sprache zu denken versuche, auch dem Westen der ostasiatischen Sprache genügt'. Der Vorbehalt Heideggers bezüglich der ostasiatischen Sprache betrifft auch die Tragweite seines Denkens überhaupt. Denn wenn das von ihm gefasste Wesen der Sprache, das Haus des Seins, nicht von der ostasiatischen Sprache gilt, oder zumindest die letztere ein 'ganz anderes Haus ist', dann muss es sich mit der 'Seinsgeschichte' und der Technik als Vollendung der Metaphysik in der ostasiatischen Welt anders als im Abendland verhalten. Auch wenn die Technik über den ganzen Erdball herrscht, besteht die Möglichkeit, dass sie in der ostasiatischen Welt eine vordergründige Welt bleibt. Dann müsste, wenn von einem 'andern Anfang' die Rede ist, nicht nur das 'Andere' zum ersten Anfgang, sondern auch das 'Andere' zur abendländischen Welt überhaupt mitgedacht werden.
  • Document: Strolz, Walter. Heideggers Entsprechung zum Tao-te-king und zum Zen-Buddhismus. In : Sein und Nichts in der abendländischen Mystik. Hrsg. von Walter Stolz. (Freiburg i.B. : Herder, 1984). S. 92-93, 97-99. (Heid13, Publication)
  • Document: Cho, Kah Kyung. Heidegger und die Rückkehr in den Ursprung : Nachforschungen über seine Begegnungsmotive mit Laotse. In : Im Spiegel der Welt : Sprache, Übersetzung, Auseinandersetzung. Hrsg. von Dietrich Papenfuss und Otto Pöggeler. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1992). S. 302-304. (Heid7, Publication)
  • Document: Cho, Kah-kyung. Der Abstieg über den Humanismus : West-Östliche Wege im Denken Heideggers. In : Europa und die Philosophie. Hrsg. von Hans-Helmuth Gander. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1993). (Schriftenreihe / Martin-Heidegger-Gesellschaft ; Bd. 2). S. 147-151. (Heid4, Publication)
  • Document: May, Reinhard. Ex oriente lux : Heideggers Werk unter ostasiatischem Einfluss : Im Anhang : Tomio Tezuka, eine Stunde bei Heidegger, Japanisch-Deutsch. (Stuttgart : F. Steiner, 1989). = May, Reinhard. Heidegger's hidden sources : East Asian influences on his work. Transl., with a complementary essay by Graham Parkes. (London : Routledge, 1996). = Tezuka, Tomio. Haidegâ tono ichijikan. In : Kotoba ni tsuite no taiwa. (Tokyo : Risô-sha, 1968). S. 27-28, 66. (Heid10, Publication)
  • Document: Pöggeler, Otto. Noch einmal : Heidegger und Laotse. In : Phänomenologie der Natur. Beiträge von Kah Kyung Cho [et al.] ; hrsg. von Kah Kyung Cho [et al.]. (Freiburg i.B. : Alber, 1999). (Phänomenologische Forschungen. Sonderband). S. 113. (Heid15, Publication)
  • Person: Heidegger, Martin
3 1955 Heidegger, Martin. Zur Seinsfrage [ID D19801].
Heidegger schreibt : "Es bedarf auch hier keiner prophetischen Gaben und Gebärden, um daran zu denken, dass dem planetarischen Bauen Begegnungen bevorstehen, denen die Begegnenden heute auf keiner Seite gewachsen sind. Dies gilt für die europäische Sprache und für die ostasiatische in gleicher Weise, gilt vor allem für den Bereich ihrer möglichen Zwiesprache. Keine von beiden vermag von sich aus diesen Bereich zu öffnen und zu stiften."

Eckard Wolz-Gottwald : Martin Heidegger schreibt, dass weder das europäische, noch das ostasiatischen Deken, 'keine von beiden' den Bereich ursprünglicher Bewusstheit‚ von sich aus’ eröffnen könnten. Weder dem Eigenen, noch dem Fremden ist der Weg des entscheidenden Wandels alleine möglich. Es ist das Gespräch, die Zusammenkunft von Ost und West, dem das Potential zugeschrieben wird, die Impulse für die Transformation [Tao] geben zu können. Ist mit dieser weiteren Möglichkeit nur ein Kompromiss gefunden oder ist eine mögliche Aussöhnung von Asiazentrismus oder Eurozentrismus aufgezeigt ? Es gilt hier zu zeigen, dass ein neuer Weg gewiesen ist, der Weg einer schöpferischen interkulturellen Philosophie. Es geht um eine Philosophie des 'dritten Weges', die über alle Zentrismen, sei es asiatischer oder europäischer nationalistischer Provenienz, aber auch über alle Relativismen, hinausweist.
  • Document: Wolz-Gottwald, Eckard. Die Wendung nach Asien : Heideggers Ansatz interkultureller Philosophie. In : Prima philosophia ; Bd. 10 (1997). S. 98. (Heid6, Publication)
  • Person: Heidegger, Martin

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)