Heidegger, Martin. Bild und Wort [Vortrag Bremen (1960)].
Otto Pöggeler : Es lag Heidegger fern, das Zurückgewinnen eines ursprünglich griechischen Bodens durch die frühe Erfahrung der Physis mit fernöstlichen Traditionen zu verbinden zu einer Sicht des Menschen, die im Menschen auch nur ein Stück Natur sieht. Er suchte mit Friedrich Hölderlin und damit aus dem Gespräch mit den Griechen oder der Unterscheidung von diesen eine andere Zukunft zu gewinnen ; anders aber als Hölderlin unterschied er nicht nur das Griechische vom Orientalischen, sondern bezog auch den Ursprung des Abendländischen auf den Ursprung, den die ostasiatische Welt im Taoismus hat. Er konnte in Bremen und München in der Sammlung von Emil Preetorius chinesische, japanische und koreanische Kunst sehen ; mit einem Maler wie Julius Bissier, der Fernöstliches aufnahm und mit dem der befreundet war und mit Mark Tobey, zu dem er Kontakt suchte. Für die Nô-Spiele und die Zen-Malerei zeigte er ein besonderes Interesse. So konnte er die taoistische Kunstauffassung bei seinem Vortrag einbeziehen. Er konzentrierte sich auf fünf Texte : Ein Zitat von Augustinus, ein Fragment von Heraklit, das Gleichnis vom Glockenspielständer von Zhuangzi, aus : Reden und Gleichnisse des Tschuang-tse. Deutsche Auswahl von Martin Buber [ID D11978] und die Rede Paul Klees Über die moderne Kunst.
Wenn Heidegger über Zhuangzi sprach, setzte er voraus, man habe in Bremen nicht vergessen, dass die alte Hansestadt am Ende des 19. Jahrhunderts mit ostasiatischer Kunst auch die schlichten Gedanken taoistischer Weisheit aufgenommen hatte. Wenn er gerade das Gleichnis vom Glockenspielständer auswählte, schien er zu bestätigen, dass das Denken, das er mit dem Taoismus wecken will, 'ästhetisch' sei. Aber schon das Gespräch mit dem Japaner in Unterwegs zur Sprache wehrte es ab, die ostasiatische Kunst und Welterfahrung unter den Titel des 'Ästhetischen' zu stellen. Das 'Ästhetische' der europäischen Tradition findet nach Heidegger in einem Sinnlichen ein Nichtsinnliches ; dieser Weg soll aber verlassen werden zugunsten der Erfahrung des Ineinanders von Weite und Stille. Heidegger konnte durch das Gleichnis des Zhuangzi eine Diskussion einbringen : Durch langes Fasten, durch Konzentration und Meditation wird der Holzschnitzer fähig, jenen Baum im Walde zu finden, der schon der anzufertigende Glockenspielständer ist, so dass Stoff und Form in diesem vollkommenen Kunstwerk ganz eins sein können.
Chung Chen-yu : Heidegger bestimmt in seinen Klee-Notizen das Wesen des Kunstwerkes als Zustände. Dieses Wesen des Kunstwerks bezeichnet ein Ding, das sich zwischen den Zuständen von Sein und Seiendem befindet. Dies Zustände sich auch das ursprüngliche 'Gehören' von Sein und Seiendem. In Zhuangzis Geschichte erfährt man, wie ein Mensch (Handwerker) und ein Ding (Gerät) das 'wuwei' durch einander und miteinander realisieren. Das in-spirierte Gerät ist ein Kunstwerk. Entsprechend der heideggerschen Betrachtung der Klee'schen Kunstwerke als Zustände, kann man das handwerkliche Kunstwerk im Zuangzi als den 'Zustand' des Himmels, d.h. des 'wuwei' bez. des dao, ansehen, dessen Wesenscharakter die In-spiration ist.
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