2003
Publication
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1944-1945 |
Heidegger, Martin. Aus einem Feldweggespräch über das Denken [ID D19794]. Heidegger schreibt : Der Weise : "Mit dem Wort 'Wille' meine ich in der Tat keine Vermögen der Seele, sondern dasjenige, worin das Wesen der Seele, des Geistes, der Vernunft, der Liebe, des Lebens gründet nach der einstimmigen, aber noch kaum durchdachten Lehre der abendländischen Denker. Verstehen wir unter 'Wollen' den menschlichen Vollzug jenes Willens, dann verbirgt sich in der noch völlig dunklen Beziehung zwischen Wille und Wollen din Verhältnis, zu dessen Benennung mir allerdings das Wort fehlt." Am Ende des Feldweggesprächs führt Heidegger eine Geschichte von Zhuangzi an : Der Eine sagte : "Ihr redet vom Unnötigen." Der Andere sprach : "Erst muss einer das Unnötige erkennen, ehe man mit ihm vom Nötigen reden kann. Die Erde ist ja weit und gross, und doch braucht der Mensch, um zu stehen, nur so viel Platz, dass er seinen Fuss darauf setzen kann. Wenn aber unmittelbar neben dem Fuss ein Riss entstände bis hinab zu der Unterwelt, wäre ihm dann der Platz, worauf er steht, noch zu etwas nütze ?" Der Eine sprach : "Er wäre ihm nicht mehr nütze." Der Andere sprach : "Daraus ergibt sich klar die Notwendigkeit des Unnötigen." Chung Chen-yu : Nach Heidegger ist die Philosophie oder das Denken, die Rückkehr zur Herkunft. Obwohl sich die menschliche Kultur ontisch vielfältig entwickelt, bleibt die ontologische Ebene die ewige Sehnsucht des Denkens. Das Nicht-Tun (wuwei) und die Gelassenheit eröffnen eine besondere ontologische Dimension, um den Sachverhalt zu erleuchten : Beide sind negatives 'ethos'. Diese negative Ethik sucht nicht nach einer moralischen Ethik, sondern nach einer ursprünglichen Ethik, welche die Moral sich erzeugen lässt im Sinne des Daoismus, oder erscheinen lässt im Sinne Heideggers. Diese urprüngliche Ethik kann man als eine Brücke ansehen zwischen der ostasiatischen Lebensweisheit des Daoismus und der europäischen Weltoffenheit bei Heidegger. Die Untersuchung der Gelassenheit bei Heidegger geschieht durch die Betrachtung weiterer zentraler Begriffe wie Nicht-Wollen, Lassen, Warten und Gegend, die im Aufsatz Aus einem Feldweggespräch über das Denken und im Aufsatz Gelassenheit von Heidegger verwendet werden. Das Lassen bzw. die Gelassenheit bedeutet dabei nicht Untätigkeit, sondern, genau wie das daoistische Nicht-Tun, ein höheres, oder vielleicht sogar das höchste Tun. Auch die Problematik der Zeitkritik gehört zum Thema Gelassenheit. Heidegger bestimmt das Wesen der modernen Technik durch das Ge-stell und versucht, ein passendes Verhalten zum Ge-stell zu finden. Das Nicht-Tun und die Gelassenheit bezüglich verschiedener Aspekte haben viele Gemeinsamkeiten, aber auch viele Differenzen. Das Nicht-Wollen bei Heidegger, durch ihn nicht befriedigend erklärt, wird durch die Erörterung mittels der daoistischen Nicht-Struktur deutlicher. Sein bedeutet bei Heidegger Anwesen-lassen und dao bedeutet im Daoismus Erzeugen-lassen. Das Ge-stell und das 'youwei', beide als Licht verstanden, bedeuten gleichermassen keine blosse Helle, sondern ein zur Herkunft gehörendes, dunkles Licht. 'Wuwei' und Gelassenheit beziehen sich nicht auf ein überweltliches oder hinterweltliches Verhalten. Sie müssen vielmehr in jedem Augenblick, in jedem Ding in Erscheinung treten. Der Weise, der in diesem Gespräch Heidegger repräsentiert, meint, dass das, was er mit der Besinnung über das Denken eigentlich wolle, das Nicht-Wollen sei. D.h., das Wesen des Denkens ist für ihn das Nicht-Wollen. Nach Heidegger ist das Wollen nicht nur ein Vermögen des Menschen, sondern vor allem auch eine Art des Willens. Er meint, dass das, was er wolle, das Nicht-Wollen sei. Wenn das Wollen oder der Wille die Wesensbestimmung der Metaphysik ist, enthält das Nicht-Wollen schon eine 'Negation', oder eine ‚Überwindung’ der Metaphysik. Den Weg, auf dem die Metaphysik zu ihrem Ursprung zurückkehren kann, bezeichnet Heidegger als das Nicht-Wollen. Das Nicht-Wollen kann aber nicht ausserhalb des Willens sein. Nur der erste Weg ist zugänglich. Heideggers Erklärung des Nicht-Wollens reicht nicht aus. In der abendländischen philosophischen Tradition findet er nicht genügend Inspiration, mit der er das Nicht-Wollen besser erörtern könnte. Andererseits will er aber auch die daoistischen Ideen nicht verwenden, weshalb in seinem Denken das Wesen des Nicht-Wollens im Dunkeln bleibt. Das Wesen des Denkens, das uns nur durch das Nicht-Wollen zugänglich wird, nennt Heidegger Gelassenheit. Der Wesenscharakter der Gelassenheit ist das Lassen. Das Lassen wird in einen Gegensatz gestellt zum Wirken. Denken und Lassen gehören zusammen. Etymologisch bedeutet Lassen 'Abstandnehmen von etwas' oder 'Raumgeben für etwas'. Wir geben den Dingen den Raum, in dem sie selbst erwachsen können oder in dem sie erscheinen können. Die Gelassenheit als die Urhandlung ist dem Nicht-Handeln, Nicht-Tun (wuwei) im Daoismus sehr ähnlich. Sie bedeutet das Sein-lassen des Seienden. Sie ist die Urhandlung des Daseins. Was sollen wir tun, wenn wir das Lassen oder die Gelassenheit verwirklichen möchten ? Heidegger schreibt : "Wir sollen nichts tun, sondern warten". Graham Parkes : Heidegger explicate the 'lassen' in 'Gelassensheit' along the lines of 'wuwei'. He may have been influenced here by the translation of Buber, who writes in the afterword or 'true doing' (das wahre Tun) as a 'not-doing' [Nichttun]. Corresponding to the distinction between 'wuwei' and 'youwei' activity is the distinction Heidegger makes between attitutdes and behavior based on 'Stellen' und 'Lassen'. 'Stellen' refers to the assertive activity of 'setting, putting, placing', while 'Lassen' connotes more harmony-inducing activities such as 'letting' and 'allowing', and is even said to be 'the relation to Being'. He characterizes the Western metaphysical tradition as being based on 'Stellen', and especially on the 'representing thinking' (vorstellendes Denken) of the subject of consciousness, by contrast with his own, open-to-the-call-of-Being thinking. As the talk of 'the way' suggests, the solution is daoist in the way it 'lets both alternatives proceed'. The idea is to use technology but not let it claim us exclusively and thus distort, confuse, and ultimately devastate our nature. The 'simultaneous Yes and Not to the world of technology' Heidegger calls 'releasement toward things'. Along with ghis goes 'opennesss to the mystery', where the mystery refers to the uncanny way in which the meaning of the world of technology both announces itself and withdraws into concealment at the same time. |
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2 | 1950 |
Heidegger, Martin. Das Ding [ID D19797]. Laozi schreibt in Kap. 11 des Dao de jing übersetzt von Richard Wilhelm : 'Dreissig Speichen umgeben eine Nabe. In ihrem Nichts besteht des Wagens Werk. Man höhlet Ton und bildet ihn zu Töpfen : In ihrem Nichts besteht der Töpfe Werk. Man gräbt Türen und Fenster, damit die Kammer werde : In ihrem Nichts besteht der Kammer Werk. Darum : was ist, dient zum Besitz, Was nicht ist, dient zum Werk'. Victor von Strauss übersetzt : 'Gemäss seinem Nicht-sein ist des Gefässes Gebrauch'. Heideger sagt : 'Wand und Boden, woraus der Krug besteht und wodurch er steht, sind nicht das eigentlich Fassende. Wenn dies aber in der Leere des Kruges beruht, dann verfertigt der Töpfer, der auf der Drehscheibe Wand und Boden bildet, nicht eigentlich den Krug. Er gestaltet nur den Ton. Nein – er gestaltet die Leere. Für sie, in sie und aus ihr bildet er den Ton ins Gebild. Der Töpfer fasst zuerst und stets das Unfassliche der Leere und stellt sie als das Fassende in die Gestalt des Gefässes her. Die Leere des Kruges bestimmt jeden Griff des Herstellens. Das Dinghafte des Gefässes beruht keineswegs im Stoff, daraus es besteht, sondern in der Leere, die fasst.' Otto Pöggeler : Der Vortrag wurde im Kreise von Werner Heisenberg und den Brüdern Jünger gehalten. Eine längere Diskussion mit Studenten führte hin zu Laozi, obwohl dessen Name nicht mit dem Beispiel des Kruges verbunden worden war. Heidegger zeigte nun, dass bei einem Krug nicht ein 'Sein' das Entscheidende ist, das man etwa als 'Form' vom Krug abnimmt, sondern die 'Leere', mit der der Krug fasst, für die alle Form brauchbar sein muss. Mit dieser Leere, diesem Nichts, fasst der Krug und schenkt der Krug : das Wasser, den Wein. Wasser und Wein sind dem Leben notwendig ; der Opferguss kann die Welt in eine heilige verwandeln. So gehört die Erde mit dem Himmel zusammen, der die Weintraube aus der Erde herauslockt ; die Sterblichen verstehen sich vom Heiligen und von den Göttlichen her. Ein Ding, wie der Krug eines ist, versammelt Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen in ihr 'Geviert'. Gerade diese Sicht des Kruges von seiner Leere und nicht vom ‚Sein’ her wird durch den 11. Spruch des Laozi gestützt, der die Brauchbarkeit des Kruges in der Angemessenheit seiner fassenden Leere findet. Walter Strolz : In einer Besinnung auf das Wesen des Dings gibt Heidegger eine Phänomenologie des Kruges als Gefäss. Es ist weder eine ästhetische noch eine Betrachtung mit kunstphilosophischer Absicht. Der Text steht im geschichtlichen Zusammenhang des Geschehens, das mit dem Abwurf der ersten Atombombe eingeleitet wurde und nach Heidegger als die bisher gefährlichste Auswirkung der wissenschaftlich-technischen Objektivierung der Natur zu verstehen ist. Diese Denkweise gehört in ihrer eigenen Möglichkeit und neuzeitlichen Machtentfaltung zur Geschichte der 'Seinsvergesenheit', die mit der fortschreitenden Entmachtung der Physis zusammenfällt. Für Heidegger ist die Notwendigkeit der Rückkehr zu einem anderen Anfang die denkerische Antwort auf diese geschichtliche Lage. Die Ding-Besinnung ist ein Teil dieser Blickbahn. Am Beispiel des Kruges vergegenwärtigt Heidegger, was es bedeutet, das Ding als Ding zu verstehen, das heisst aber, es aus seinem Gegenstandsbezug für ein erkennendes Subjekt zu befreien, das Ding es selbst sein zu lassen, anstatt in ihm immer nur den Gegenstand eines vorstellenden Selbstbewusstseins zu sehen. Der Krug ist im landläufigen Verständnis ein hergestellter Gegenstand und sonst nichts. Wie aber steht es mit der Möglichkeitsbedingung dieses Herstellens ? Beruht sie nur im Vorhandensein des Tons und in der Fähigkeit des Töpfers, ihn zu formen ? Ist der Krug nur ein Gegenstand des Kunsthandwerks ? Wird dieses Ding also nur durch die den vorhandenen Ton gestaltende Hand des Menschen zu einem festen Gebilde aus Wand und Boden ? Erhält es nur durch sie Stand und Fassungskraft ? Graham Parkes : In response to 'the annihilation of things as things' that scientific knowledge has promoted, Heidegger undertakes an extended consideration of what a particular thing, a jug, is in its thingness, as a thing. The jug comes from the 11th chapter of the Laozi, where together with two other things hat require emptiness in order to function (a cartwheel and a room) it works as an image of 'dao'. What is for Heidegger essential to the jug, the emptiness it encloses, is a phenomenon that science, which always focuses on something rather than nothing, is unable to explain. Science only tells us, unhelpfully, that the apparent emptiness is actually full of air. But Heidegger pursues his discussion of the jug's emptiness further, delineating its relations to its context, to the point where the thing is deen to 'gather the fourfold' of heaven and earth, gods and mortals. In bringing about the fourfold, moreover, 'the thing things world'. Here we arrive at a perfectly daoist undertstanding of the thing in the world as 'de' in the context of dao, a particular focus of energies in the larger force-field of the universe, in and through which the whole can be sidcerned. |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 2000- | Asien-Orient-Institut Universität Zürich | Organisation / AOI |
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