1977
Publication
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1898 |
Hofmannsthal, Hugo von. Der Kaiser von China spricht [ID D15087]. Hartmut Zelinsky : Der Mittelpunkt dieses Gedichtes ist die Figur eines chinesischen Kaisers und verrät genaue Kenntnisse der chinesischen Reichssymbolik, sogar der chinesischen Sprache und Schrift. Die ersten Verse lauten : "In der Mitte aller Dinge wohne ich der Sohn des Himmels". China, das Land der Mitte, sieht sich als Mittelpunkt der Welt. Der Himmelstempel in Beijing galt als Mittelpunkt des chinesischen Reiches und auf dem kreisrunden Altar des Himmels an der höchsten Stelle des Tempels, zu dem vier Treppen in drei konzentrischen Terrassen, die den vier Kardinalpunkten des Himmels entsprechen, hinaufführen, brachte der Kaiser zum Zeitpunkt des Wintersolstitiums jährlich das Weiheopfer dar. Hofmannsthal schildert nun nach dem Modell dieses Himmelstempels das chinesische Reich als ein Reich, das aus unzähligen aufeinanderfolgenden konzentrischen Mauern, zwischen denen die immer weiter vom Kaiser entfernten Völkerteile leben, besteht, "bis ans Meer, die letzte Mauer, die mein Reich und mich umgibt". Auch auf die Grabbeigaben chinesischer Kaisergräber geht Hofmannsthal ein. Er hat auch die Übersetzung der beiden Zeichen tian zi, die den Kaiser bezeichnen, übernommen. Das Bild der zeitenthobenen Mitte, das asiatischer Weltvorstellung so genau entspricht und das in diesem Gedicht, aber auch in dem Sinnbild der Pyramide, so genau zum Ausdruck kommt, blieb für Hofmannsthal von zentraler Bedeutung und er ist immer wieder, auch durch Verwendung des Kugel- und Kreissymbols, darauf zurückgekommen. Armin Schäfer : Das Kaisertum bei Hofmannsthal versammelt in sich die Merkmale ganz unterschiedlicher Herrschaftsgedanken. Erster und wichtigster ist der des chinesischen Gottkaisertums. Der zweite ist die Reichsidee des deutschen mittelalterlichen Kaisertums. Christiane Gabriel : Hofmannsthals Vorstellung von China und Indien bestimmt und gründet sich nur insofern auf Vertrautheit mit den wirklichen Gegebenheiten, als Hofmannsthal in dem Indologen Heinrich Zimmer einen hervorragenden Sachkenner fand, dem er manchen Einblick verdankte. Asien galt für Hofmannsthal als in sich ruhende, vergeistigte Gegenwelt zu der hektisch nach aussen gewandten Aktivität Europas, die ihn abstiess. Dies erscheint in dieser Bedeutung in vielen seiner Werke, denen oft Quellen östlicher Herkunft zugrundeliegen. Er leitete daraus aber auch kulturpolitische Aufgaben her in der erzieherischen Absicht, die geistige Welt Asiens dem Westen vertraut zu machen. |
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2 | 1901 |
Hofmannsthal, Hugo von. Briefe des Zurückgekehrten. (1901). Hartmut Zelinsky : Der Hintergrund dieser Briefe bildet die Absage an Europa, das repräsentiert wird durch das wilhelminische Deutschland, dessen Bewohner "von nichts geritten wurden als von dem Geld, das sie hatten, oder von dem Geld, das andere hatten" und dessen Häuser, Monumente, Strassen dem Zurückgekehrten nichts anderes waren, "als die tausendfache gespiegelte Fratze ihrer gespenstigen Nicht-Existenz", - und die Hinwendung zu aussereuropäischen Ländern vor allem Südamerikas und Asiens. Bei seinem jahrelangen Aufenthalt in diesen Ländern hatte der Zurückgekehrte sich Figuren "eines ganzen Daseins, des deutschen Daseins" erträumt, die er nun unter den realen Deutschen, denen er nicht anfühlen konnte, "auf was hin sie leben", nicht wiederzufinden vermochte : "[Die Deutschen] haben ein 'Einerseits' und ein 'Andrerseits', ihre Geschäfte und ihr Gemüt, ihren Fortschritt und ihre Treue, ihren Idealismus und ihren Realismus, ihre Standpunkte und ihren Standpunkt, ihre Bierhäuser und ihre Hermannsdenkmäler, und ihre Ehrfurcht und ihre Deutschheit und ihre Humanität... und treten halberschlagenen Chinesenweibern mit den Absätzen die Gesichter ein..." Diese Schlussbemerkung ist möglicherweise eine Anspielung auf den Boxeraufstand, ein verzweifelter Versuch, sich gegen den Imperialismus der westlichen Mächte zu wehren, d.h. auf die unbarmherzig vorgehende Strafexpedition europäischer Truppen, die der Aufstand auslöste. 1911 notiert sich Hofmannsthal in seinem Tagebuch eine Episode von einem Chinesen, der in taoistischer Ruhe in einem Buch lesend, in einer Reihe von Männern steht, die geköpft werden, bis ein Offizier, der an dieser Strafexpedition nach dem Boxeraufstand teilnahm, seine Begnadigung durchsetzen kann. Auch wenn Hofmannsthal mehr an den chinesischen klassischen philosophischen Texten und der durch sie geprägten geistigen und seelischen Haltung interessiert war - ein Interesse, das, vor allem was den Taoismus anbetrifft, die zentrale Rolle des Brahman in seinem Denken noch zu unterstreichen scheint -, bestätigen auch die oben erwähnten aktuellen Anspielungen, seine Parteinahme für Asien, hier vertreten durch China, und die gesamte europäische Welt. |
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3 | 1917-1918 |
Hofmannsthal, Hugo von. Semiramis : die beiden Götter. (München : Rupprecht-Presse, 1933). (Buch der Rupprecht-Presse ; 56). [Entstanden 1917-1918]. Hofmannsthal schreibt : Ninyas ist Geist und Liebe... Ninyas : der Kosmos, der unzerstörbar, wo auch eingekerkert... Ninyas immer unterm Bogen (eigentlich weiblich), Semiramis immer herauszielend (eigentlich männlich)... Semiramis : das Heroische will die Verewigung der Tat und der Person, aber nicht den Umschwung des Kosmos. - Ninyas gegen alles Heroische... Ninyas selbst, als reine Weltpotenz, wäre das Tao des Laotse [Laozi], wie Semiramis Stern... In einer Notiz schreibt er : Der unbewegte Allbewegende, das ist Tao ; sein Tun, das ist sein Nicht-nichttun, ist, dass er seinen Willen in den Dingen und Ereignissen durch dieselben zur Tat werden lässt... Hartmut Zelinsky : Ninyas, der "als reine Weltpotenz das Tao wäre", ist gegen das Heroische, während Semiramis als das Heroische "die Verewigung der Tat und der Person" will, und er wird, "als er einmal die Beschaffenheit der Welt erkannt hat, zu handeln unfähig" und verharrt im Nicht-tun. Und wenn es von Semiramis heisst, sie sei "immer in Angst, von Ninyas verschlungen zu werden, aufgehoben zu werden : gerade von dem Nicht-tuenden", dann erweist sich das taoistische Nicht-tun als die auszeichnende Eigenschaft des Ninyas, zu dessen Sterbeszene Hofmannsthal sich notiert : "nun richtet er sich auf wie ein Gesunder, spricht zu ihr (Semiramis) lange und klar, den grossen Tao preisend". Ingrid Schuster : Hofmannsthal stützt sich weitgehend auf das Tao-te-king in der Übersetzung von Victor von Strauss. Der Gott Semiramis verkörpert das männliche yang, das aktive Prinzip der Macht und der Gott Ninyas das weibliche yin, das passive Prinzip des Nicht-Handelns. Im 28. Spruch des Dao de jing, den Hofmannsthal ebenfalls anrührt, heisst es : Wer seine Mannheit kennt, an seiner Weibheit hält, der ist das Strombett aller Welt. Hofmannsthal deutet einen Sieg des passiven Prinzips, des Nicht-Handelns, an. Liu Weijian : Im dichterischen Entwurf Die beiden Götter, der 1917 und 1918 entstand, behandelt Hofmannsthal die Problematik von Handeln und Nicht-Handeln, von Macht und Ohnmacht. Explizite Bezüge zur taoistischen Philosophie treten zutage. Semiramis, die das Prinzip der Tat verkörpert, steht dem Tao-Zustand fern, während Ninyas das Prinzip des Nicht-Handelns darstellt und der reinen Weltpotenz, dem Tao des Laotse [Laozi] gleicht. Ninyas redet von sich wie von dem Fisch, dessen Element, das weiche Wasser, für ihn der harten Erde überlegen sei. Wie das unbewegte Allbewegende vereinigt er auf geheimnisvolle Weise Nicht-Handeln und Handeln, indem er einerseits durch stummes Dasitzen und Einfachheit wirkt, andrerseits seinen Willen in den Dingen und Ereignissen und durch dieselben zur Tat werden lässt. |
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4 | 1921 |
Hofmannsthal, Hugo von. Karl Eugen Neumanns Übertragung der buddhistischen Heiligen Schriften. (1921) . Hartmut Zelinsky : Der Aufsatz enthält nicht nur eine Würdigung der Person und des Lebenswerkes Neumanns, sondern auch eine grundsätzliche Erörterung des seit Goethe veränderten Blickes auf Asien. Hofmannsthal schreibt : Laotse [Laozi] und Kungfutse [Konfuzius], auf deren Ergänzung der Sittengeist der Chinesen ruht ; diese beiden wieder und Buddho ; mit ihnen aber zugleich der grösste der hebräischen Propheten, Jesaias, und wieder der gewaltigste der griechischen Weisen, Heraklit. Es muss über dem allen eine Gewalt sein, die wir nur kaum ahnen, die in der Zeit auswirkt, was ausserhalb der Zeiten sein Gesetz hat. Das aber geht bis in unsere Zeit fort... Er erkannte noch nicht, dass Asien ein Ganzes ist und dass es im geistigen und auch im sinnlichen Verstande wie ein Becken ist, in das die einzelnen Völker beständig heineinfliessen und es speisen, sich aber wieder beständig aus ihm ernähren ; und vor der Gestaltung, die der indische Geist den Bauwerken und Standbildern gibt, schrak sein Blick zurück ; hier fand er keinen Hinweis mehr auf den Menschen. China wieder ahnte er zwar als das Land der Weisheit, aber wer möchte nicht dies alles als eins zu erkennen... Bevor aber das Gewahrwerden des ganzen Asien geschah, konnte auch die Gestalt des Buddho nicht gewahrt werden, die in der Mitte dieses Ganzen ruht... |
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5 | 1924 | Hugo von Hofmannsthal schreibt in sein Tagebuch : Chinesische Gedichte. Das Höhere, niemals Zeitgebundene. Dies in der Kunst nur gespiegelt - darum kann solche Kunst auch in Übertragung zu uns sprechen. Die Kunstmittel, welche aufgezählt werden, zum Teil bei uns auch vorhanden. Anklang, Obertöne ; soziale Bedingtheit in der Wortwahl. - Über chinesische Gedichte und die Möglichkeit einer Umbildung der deutschen Poesie durch die Berührung. |
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6 | 1928 |
Hofmannsthal, Hugo von. Andenken Eberhard von Bodenhausens. (1928). Hartmut Zelinsky : In seinen Notizen, die vermutlich 1918, dem Todesjahr Bodenhausens geschrieben wurden, kommt Hofmannsthal an einer zentralen Stelle auf seinen Begriff eines "höheren Europa" zu sprechen. Er schreibt : "sein Blick hätte China erfasst... Bodenhausen gehörte einem anderen Europa an : neues Verhältnis zu Amerika, zu China, zu Afrika. Er kannte noch The ideals of the East. Schwierigkeiten einer substantiellen Haltung diesen Phänomenen gegenüber - hier alles über Goethe hinaus - trotzdem die Anmerkungen zum "Westöstlichen Divan" höchst adäquat... Der Begriff des Edlen... Seine Haltung manchmal gleich der des Kungtse [Konfuzius], der sich gegen Angreifer durch Gesang rettet... Lieblinge : Goethe, Stifter, Tschuangtse [Zhuangzi]..." Der "Begriff des Edlen", aber auch der Name Kungtse und ein angeführtes Gespräche zwichen Gung-du Dsi und Mong Dsi [Mengzi] weisen darauf hin, dass Hofmannsthal sich die wichtige konfuzianische Unterscheidung zwischen dem 'jun zi', dem Edlen, und dem 'xiao ren', dem Kleingeist, dem Niedrigen, zu eigen gemacht hat, weshalb er dann auch ein davon handelndes Wort von Konfuzius in sein Buch der Freunde aufnimmt. |
# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 2000- | Asien-Orient-Institut Universität Zürich | Organisation / AOI |
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