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Chronology Entry

Year

1898

Text

Hofmannsthal, Hugo von. Der Kaiser von China spricht [ID D15087].
Hartmut Zelinsky : Der Mittelpunkt dieses Gedichtes ist die Figur eines chinesischen Kaisers und verrät genaue Kenntnisse der chinesischen Reichssymbolik, sogar der chinesischen Sprache und Schrift. Die ersten Verse lauten : "In der Mitte aller Dinge wohne ich der Sohn des Himmels".
China, das Land der Mitte, sieht sich als Mittelpunkt der Welt. Der Himmelstempel in Beijing galt als Mittelpunkt des chinesischen Reiches und auf dem kreisrunden Altar des Himmels an der höchsten Stelle des Tempels, zu dem vier Treppen in drei konzentrischen Terrassen, die den vier Kardinalpunkten des Himmels entsprechen, hinaufführen, brachte der Kaiser zum Zeitpunkt des Wintersolstitiums jährlich das Weiheopfer dar. Hofmannsthal schildert nun nach dem Modell dieses Himmelstempels das chinesische Reich als ein Reich, das aus unzähligen aufeinanderfolgenden konzentrischen Mauern, zwischen denen die immer weiter vom Kaiser entfernten Völkerteile leben, besteht, "bis ans Meer, die letzte Mauer, die mein Reich und mich umgibt". Auch auf die Grabbeigaben chinesischer Kaisergräber geht Hofmannsthal ein. Er hat auch die Übersetzung der beiden Zeichen tian zi, die den Kaiser bezeichnen, übernommen. Das Bild der zeitenthobenen Mitte, das asiatischer Weltvorstellung so genau entspricht und das in diesem Gedicht, aber auch in dem Sinnbild der Pyramide, so genau zum Ausdruck kommt, blieb für Hofmannsthal von zentraler Bedeutung und er ist immer wieder, auch durch Verwendung des Kugel- und Kreissymbols, darauf zurückgekommen.

Armin Schäfer : Das Kaisertum bei Hofmannsthal versammelt in sich die Merkmale ganz unterschiedlicher Herrschaftsgedanken. Erster und wichtigster ist der des chinesischen Gottkaisertums. Der zweite ist die Reichsidee des deutschen mittelalterlichen Kaisertums.

Christiane Gabriel : Hofmannsthals Vorstellung von China und Indien bestimmt und gründet sich nur insofern auf Vertrautheit mit den wirklichen Gegebenheiten, als Hofmannsthal in dem Indologen Heinrich Zimmer einen hervorragenden Sachkenner fand, dem er manchen Einblick verdankte. Asien galt für Hofmannsthal als in sich ruhende, vergeistigte Gegenwelt zu der hektisch nach aussen gewandten Aktivität Europas, die ihn abstiess. Dies erscheint in dieser Bedeutung in vielen seiner Werke, denen oft Quellen östlicher Herkunft zugrundeliegen. Er leitete daraus aber auch kulturpolitische Aufgaben her in der erzieherischen Absicht, die geistige Welt Asiens dem Westen vertraut zu machen.

Mentioned People (1)

Hofmannsthal, Hugo von  (Wien 1874-1929 Rodaun = Wien) : Schriftsteller, Dramatiker

Subjects

Literature : Occident : Austria

Documents (3)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1977 Zelinsky, Hartmut. Hugo von Hofmannsthal und Asien. In : Fin de siècle : zu Literatur und Kunst der Jahrhundertwende. Hrsg. von Roger Bauer [et al.]. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1977). S. 522. Publication / ZelH1
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
2 1990 Gabriel, Christiane. Heimat der Seele : Osten, Orient und Asien bei Thomas Mann. (Rheinbach-Merzbach : CMZ-Verlag, 1990). (Bonner Untersuchungen zur Vergleichenden Literaturwissenschaft ; Bd. 6). S. 55. Publication / Gab
  • Source: Däubler, Theodor. Im Kampf um die moderne Kunst. (Berlin : E. Reiss, 1919). Darin kritisiert Däubler die europäisierte Chinoiserie des Rokoko. (Däub1, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Gabriel, Christiane
  • Person: Mann, Thomas
3 2003 Ostasienrezeption im Schatten der Weltkriege : Universalismus und Nationalismus. Hrsg. von Walter Gebhard. (München : Iudicium, 2003). S. 136-137. Publication / Geb2
  • Source: Hofmannsthal, Hugo von. Der Kaiser von China spricht. In : Wiener Allgemeine Zeitung (1898). [Entstanden 1897]. (Hofm1, Publication)
  • Source: Asiaticus [Grzcyb, Heinz]. Von Kanton bis Schanghai 1926-1927. (Wien : Agis-Verlag, 1928). [Shanghai]. (Grz1, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)