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Chronology Entry

Year

1901

Text

Hofmannsthal, Hugo von. Briefe des Zurückgekehrten. (1901).
Hartmut Zelinsky : Der Hintergrund dieser Briefe bildet die Absage an Europa, das repräsentiert wird durch das wilhelminische Deutschland, dessen Bewohner "von nichts geritten wurden als von dem Geld, das sie hatten, oder von dem Geld, das andere hatten" und dessen Häuser, Monumente, Strassen dem Zurückgekehrten nichts anderes waren, "als die tausendfache gespiegelte Fratze ihrer gespenstigen Nicht-Existenz", - und die Hinwendung zu aussereuropäischen Ländern vor allem Südamerikas und Asiens. Bei seinem jahrelangen Aufenthalt in diesen Ländern hatte der Zurückgekehrte sich Figuren "eines ganzen Daseins, des deutschen Daseins" erträumt, die er nun unter den realen Deutschen, denen er nicht anfühlen konnte, "auf was hin sie leben", nicht wiederzufinden vermochte : "[Die Deutschen] haben ein 'Einerseits' und ein 'Andrerseits', ihre Geschäfte und ihr Gemüt, ihren Fortschritt und ihre Treue, ihren Idealismus und ihren Realismus, ihre Standpunkte und ihren Standpunkt, ihre Bierhäuser und ihre Hermannsdenkmäler, und ihre Ehrfurcht und ihre Deutschheit und ihre Humanität... und treten halberschlagenen Chinesenweibern mit den Absätzen die Gesichter ein..."
Diese Schlussbemerkung ist möglicherweise eine Anspielung auf den Boxeraufstand, ein verzweifelter Versuch, sich gegen den Imperialismus der westlichen Mächte zu wehren, d.h. auf die unbarmherzig vorgehende Strafexpedition europäischer Truppen, die der Aufstand auslöste. 1911 notiert sich Hofmannsthal in seinem Tagebuch eine Episode von einem Chinesen, der in taoistischer Ruhe in einem Buch lesend, in einer Reihe von Männern steht, die geköpft werden, bis ein Offizier, der an dieser Strafexpedition nach dem Boxeraufstand teilnahm, seine Begnadigung durchsetzen kann.
Auch wenn Hofmannsthal mehr an den chinesischen klassischen philosophischen Texten und der durch sie geprägten geistigen und seelischen Haltung interessiert war - ein Interesse, das, vor allem was den Taoismus anbetrifft, die zentrale Rolle des Brahman in seinem Denken noch zu unterstreichen scheint -, bestätigen auch die oben erwähnten aktuellen Anspielungen, seine Parteinahme für Asien, hier vertreten durch China, und die gesamte europäische Welt.

Mentioned People (1)

Hofmannsthal, Hugo von  (Wien 1874-1929 Rodaun = Wien) : Schriftsteller, Dramatiker

Subjects

Literature : Occident : Austria

Documents (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1977 Zelinsky, Hartmut. Hugo von Hofmannsthal und Asien. In : Fin de siècle : zu Literatur und Kunst der Jahrhundertwende. Hrsg. von Roger Bauer [et al.]. (Frankfurt a.M. : Klostermann, 1977). S. 536-537. Publication / ZelH1
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)