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Humboldt, Wilhelm von

(Potsdam 1767-1835 Tegel) : Gelehrter, Staatsmann, Mitbegründer der Humboldt-Universität zu Berlin, Diplomat, Sprachwissenschaftler

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Humboldt, Friedrich Wilhelm Christian Carl Ferdinand von

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Index of Names : Occident / Social History : Universites and Colleges

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1 1823 Humboldt, Wilhelm von. Lettre à M. M. Abel-Rémusat : sur la nature des formes grammaticales en général ; et sur le génie de la langue chinoise en particulier [ID D11720, ID D4193].
Wilhelm von Humboldt schreibt eine Studie über den Geist der chinesischen Sprache in Form eines Briefes an Jean-Pierre Abel-Rémusat. Er hat sich für diese Studie mit Jean-Pierre Abel-Rémusats Elemens de la grammaire chinoise... [ID 1961] und L'invariable milieu, ouvrage morale Tséu-ssê… [ID D1943] befasst. Diese beiden Werke müssen auch Wilhelm Schott vorgelegen haben, als er seine Dissertation De indole linguae sinicae [ID D11699] geschrieben hat.
  • Document: Schwarz, Rainer. Heinrich Heines "chinesische Prinzessin" und seine beiden "chinesischen Gelehrten" sowie deren Bedeutung für die Anfänge der deutschen Sinologie. In : Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens. 144 (1988). S. 84-85. (SR1, Publication)
  • Person: Abel-Rémusat, Jean-Pierre
  • Person: Schott, Wilhelm
2 1826 Humboldt, Wilhelm von. Ueber den grammatischen Bau der Chinesischen Sprache [ID D19333].
Bei der Untersuchung des Chinesischen nimmt gewöhnlich die Eigenthümlichkeit der Schrift und ihre Verbindung mit der Sprache die Aufmerksamkeit dergestalt in Anspruch, dass darüber der grammatische Bau der letzteren weniger beachtet wird. Dennoch gehört derselbe so sehr zu den merkwürdigsten, dass er gar nicht bloss eine Abart einer einzelnen Sprache bildet, sondern eine eigne Classe in den grammatischen Verschiedenheiten aller Sprachen ausfüllt.
Der erste Eindruck, welchen die Lesung einer Stelle eines Chinesischen Buchs hinterlässt, ist der, dass diese Sprache sich in ihrem grammatischen Bau so gut als von allen andren bekannten entfernt. Am meisten steht sie indess den gewöhnlich classisch genannten entgegen, und ich werde daher vorzugsweise diese im Sinne haben, wenn ich von ihrer Verschiedenheit von andren Sprachen rede.
Sollte ich diese auf Einen allen übrigen zum Grunde liegenden Punkt zurückführen, so würde ich dieselbe darin setzen, dass die Chinesische Sprache die Wortverbindung nicht nach den grammatischen Kategorien bestimmt, ihre Grammatik nicht auf die Classificirung der Wörter gründet, sondern die Gedankenverbindung auf eine andre Weise bezeichnet. Die Grammatik andrer Sprachen hat zwei abgesonderte Theile, einen etymologischen und einen syntaktischen, in der Chinesischen Grammatik findet sich bloss dieser letztere. In anderen Sprachen muss man, um einen Satz zu verstehen, mit der Untersuchung der grammatischen Beschaffenheit der Wörter anfangen, und dieselben nach dieser construiren, im Chinesischen ist dies unmöglich. Man muss unmittelbar das Wörterbuch zu Hülfe nehmen, und die Construction ergiebt sich bloss aus der Wortbedeutung, der Stellung und dem Sinne der Rede.
Die grammatische Classificirung der Wörter in Substantiva, Verba u.s.w. entsteht aus der Zergliederung des in Worte umzubildenden Gedanken, und ist ein Hülfsmittel des Ausdrucks der Gedankeneinheit durch auf einander folgende Wörter. Als inneres, sprachbestimmendes Gesetz, liegt sie unerkannt in der Seele jedes Menschen, allein inwieweit diese Classificirung Ausdruck in der Sprache erhält, hangt von der grammatischen Natur jeder Sprache ab. Ohne dieselbe würde es unmöglich seyn, verständlich zu reden und durch Sprache zu denken, allein in der Anwendung derselben giebt es verschiedene Grade der Allgemeinheit und Bestimmtheit, und zwar kommt dies auf die Form und Art des Periodenbaues an. Denn die grammatische Form bestimmt das Verhältniss des einzelnen Wortes zum Ganzen des Satzes. Giebt nun eine Sprache ihren Sätzen Länge und Verwicklung, so ist eine, viele und sogar alle Verzweigungen der grammatischen Formen verfolgende Classificirung der Wörter nothwendig, beschränkt sie sich dagegen auf möglichst einfache Sätze, so bedarf es nur der obersten allgemeinsten Kategorien. Der Unterschied dieser beiden Methoden wird so gleich deutlich, wenn man bemerkt, dass verschiedene Redetheile sowohl das Subject, als das Praedicat eines Satzes bilden, die Rede sich aber bei ganz einfachen Sätzen begnügen kann, mit Vernachlässigung dieser feineren Unterschiede, nur jene allgemeineren, mehr logischen, als grammatischen, anzudeuten.
Die Vertheilung der Wörter in bestimmte, an ihnen selbst zu bezeichnende Classen entsteht aber, meines Erachtens, auch aus einem, dem Menschen, dessen Welt seine Sprache ist, natürlichen Hange, die Wörter, sie als wahre Individuen behandelnd, den Gegenständen der Wirklichkeit ähnlich zu machen. Eine gewisse Anzahl von Wörtern hat von Natur Substantiv- Adjectiv- oder Verbal-Bedeutung, indem sie selbständige Wesen, Eigenschaften oder Handlungen anzeigt. Dieselben Wörter aber können in der Sprache zugleich zu einer andren Categorie, ein Verbal-Wort substantivisch und umgekehrt, gebraucht werden, und eine grosse Menge von Wörtern sind von der Art, dass sie, nur Begriffe bezeichnend, sich auf verschiedene Weise auffassen lassen. Werden nun diese durch Bezeichnung oder auf andere Weise einer bestimmten Classe zugewiesen, so besitzt die Sprache wirkliche Wortclassen, denn diese sind von ihr und für sie gebildet. Lässt man aber diese, soviel es das verständliche Sprechen nur immer zulässt, unbestimmt, so bilden auch die zuerst erwähnten nicht eigentlich grammatische Wortclassen. Denn ihre Classificirung entspringt nur aus demjenigen, was sie darstellen. Der Unterschied beruht auf der Materie und der Form; ein Wort mit Verbal-Bedeutung ist darum auf keine Weise ein Verbum.
Auch da, wo eine Sprache nicht jedes Wort grammatisch einer bestimmten Classe zuweist, müssen die Wörter dennoch eine grammatische Geltung haben. Allein diese liegt dann entweder bloss in ihrer materiellen Bedeutung, oder wenn diese sie zwei Classen zugleich zuwiese, im Sprachgebrauch, wie so oft im Chinesischen, oder geht aus der Stellung im Satz, oder gar nur aus dem Sinn der Rede hervor. Das Wort wächst also, da es keine Bezeichnung hat, nicht äusserlich, und da es in ganz unveränderter Gestalt verschiedenen Classen angehören kann, gar nicht mit seiner Classeneigenthümlichkeit zusammen.
Die Grammatik ist mehr, als irgend ein anderer Theil der Sprache, unsichtbar in der Denkweise des Sprechenden vorhanden, und jeder bringt zu einer fremden Sprache seine grammatischen Ideen hinzu, und legt sie, wenn sie vollkommener und ausgeführter sind, in die fremde Sprache hinein. Denn in jeder Sprache lässt sich natürlich, wenn man alle Momente des Gebrauches erwägt, jedes Wort eines Satzes einer grammatischen Form zuweisen. Ganz etwas anders aber ist es, ob derjenige es so ansieht, der nur jene Sprache kennt, und die in eine Sprache also hineinerklärte Grammatik ist von der in ihr natürlich liegenden sorgfältig zu unterscheiden. Wirklich in der Sprache selbst liegt nur diejenige Grammatik, die durch Flexionen, grammatische Wörter oder gesetzmässige Stellung ausdrücklich bezeichnet ist, oder sich in dem Zuschnitt der Sätze und der Bildung der Rede, als nothwendig hinzugedacht, mit Bestimmtheit offenbart.
Alles hier Gesagte bezieht sich auf die Genauigkeit des grammatischen Ausdrucks. Der höchste Grad derselben geht aus der grammatischen Wörterclassificirung bis in ihre letzten Verzweigungen hervor; diese aber entsteht aus genauer Zergliederung des in Sprache zu verwandelnden Gedanken, und einer eignen BeHandlung der Sprache, als Organs. Man berührt also hier den unmittelbaren Uebergang des Gedanken in Worte.
Jedes logische Urtheil kann, als der Ausspruch der Uebereinstimmung oder Nicht-Uebereinstimmung zweier Begriffe, als eine mathematische Gleichung angesehen werden. Diese ursprüngliche Form des Gedanken bekleidet die Sprache mit der ihrigen, indem sie die beiden Begriffe synthetisch verbindet, den einen, als die Eigenschaft des andren, vermöge des flectirten Verbum, das dadurch zum Mittelpunkte der Sprache wird, wirklich setzt.
Dadurch liegt in der Sprache eine ursprüngliche, und sich von da aus weiter verbreitende Prosopopoee, indem ein ideales Wesen, das Wort, als Subject gedacht, handelnd oder leidend dargestellt, und eine im Innern der Seele vorgehende Handlung, die Aussage im Urtheil über einen Gegenstand, diesem Gegenstand äusserlich, als Eigenschaft, beigelegt wird. Dieser, gleichsam imaginative Theil der Sprachen befindet sich nothwendig und unabänderlich in allem Sprechen. Allein eine Nation macht einen ausgebreiteteren, eine andre einen geringeren Gebrauch davon. Die classischen Sprachen bilden denselben im höchsten Grade aus, die Chinesen nehmen nur dasjenige davon, was zum Sprechen und Verständniss unentbehrlich ist.
Die Sprachbildung kann daher bei verschiedenen Nationen zwei sehr verschiedene Wege einschlagen. Sie kann sich hauptsächlich an die Verhältnisse der Begriffe, als solcher, heften, sich im Ausdruck mit Nüchternheit nur an dasjenige halten, was dessen Klarheit und Bestimmtheit unvermeidlich erfordert, und so wenig, als möglich, von demjenigen nehmen, was der besondren Natur der Sprache, als Organs und Werkzeugs des Gedanken angehört, oder sie kann vorzugsweise die Sprache, als Werkzeug ausbilden, sich an ihre besondre Art, den Gedanken darzustellen, heften, und dieselbe, in allen Beziehungen, in welchen es thunlich ist, als eine ideale Welt der wirklichen gleich machen.
Ein Beispiel hiervon giebt die Bezeichnung des Geschlechts an den Wörtern. Sie kann an sich wohl unphilosophisch genannt werden; sie liegt aber in der Behandlung der Wörter als Individuen, und der Sprache als einer eignen Welt. Es entspringen nachher aus ihr grammatisch technische Vorzüge bei der Periodenbildung. Allein alles dies kann nur von einem Volke geschätzt werden, das vorzugsweise von demjenigen angesprochen wird, was die Sprache dem Gedanken, bei der Umwandlung desselben in Worte, hinzufügt.
Es würde unmöglich seyn zu sprechen, ohne wenigstens durch ein unbestimmtes Gefühl der grammatischen Wortformen geleitet zu werden. Man kann aber, wie ich dargethan zu haben glaube, bei einer grossen Beschränkung des Periodenbaus auf höchst einfache Sätze, auf einem Punkte stehen bleiben, wo eine genaue Unterscheidung derselben entbehrlich ist, man kann gänzlich auf das System Verzicht leisten, jedes Wort, an und für sich, und ausser der Redeverbindung, einer grammatischen Kategorie zuzuweisen, und diese an ihm zu bezeichnen, man kann endlich sich in seinen Sätzen so wenig, als möglich, von der Form mathematischer Gleichungen entfernen. Wo jedoch eine Nation nicht das vollständige System der grammatischen Formen verfolgt, da ist der Begriff keiner einzigen genau bestimmt, denn sonst würden sich, wie bei der Einsicht in jeden Organismus, aus dem Begriffe einer alle übrigen entwickeln.
Die Chinesen lassen sehr oft die genaue grammatische Form ihrer Wörter unbestimmt, sie sind aber auch nicht zu Bestimmungen derselben, welche der Begriff nicht fordert, gezwungen. So können sie das Verbum als blosse Copula gebrauchen, ohne Hinzufügung einer, bei allgemeinen Sätzen, immer widersinnigen Zeitbestimmung. Sie brauchen ebensowenig jedesmal anzudeuten, ob das Verbum activ oder passiv gebraucht wird, und können mithin diese beiden Formen desselben in Einer verbinden. Die classischen Sprachen bedürfen in allen diesen Fällen besondrer Mittel, um den Begriffen die ihnen durch die bestimmende Form entzogene Allgemeinheit wiederzugeben.
In unseren Sprachen erkennt man die Einheit des Satzes am flectirten Verbum; so viele flectirte Verba da sind, soviel sind Sätze vorhanden.
Die Chinesische Sprache braucht alle Wörter in dem Zustand, in dem dieselben, abgesehen von jeder grammatischen Beziehung, nur den Begriff ihrer Bedeutung ausdrücken, sie stehen, auch in der Redeverbindung, alle, gleich den Sanskritischen Wurzelwörtern, in statu absoluto.
Die Chinesische Sprache kennt, grammatisch zu reden, kein zugsweise von demjenigen angesprochen wird, was die Sprache dem Gedanken, bei der Umwandlung desselben in Worte, hinzufügt.
Es würde unmöglich seyn zu sprechen, ohne wenigstens durch ein unbestimmtes Gefühl der grammatischen Wortformen geleitet zu werden. Man kann aber, wie ich dargethan zu haben glaube, bei einer grossen Beschränkung des Periodenbaus auf höchst einfache Sätze, auf einem Punkte stehen bleiben, wo eine genaue Unterscheidung derselben entbehrlich ist, man kann gänzlich auf das System Verzicht leisten, jedes Wort, an und für sich, und ausser der Redeverbindung, einer grammatischen Kategorie zuzuweisen, und diese an ihm zu bezeichnen, man kann endlich sich in seinen Sätzen so wenig, als möglich, von der Form mathematischer Gleichungen entfernen. Wo jedoch eine Nation nicht das vollständige System der grammatischen Formen verfolgt, da ist der Begriff keiner einzigen genau bestimmt, denn sonst würden sich, wie bei der Einsicht in jeden Organismus, aus dem Begriffe einer alle übrigen entwickeln.
Die Chinesen lassen sehr oft die genaue grammatische Form ihrer Wörter unbestimmt, sie sind aber auch nicht zu Bestimmungen derselben, welche der Begriff nicht fordert, gezwungen. So können sie das Verbum als blosse Copula gebrauchen, ohne Hinzufügung einer, bei allgemeinen Sätzen, immer widersinnigen Zeitbestimmung. Sie brauchen ebensowenig jedesmal anzudeuten, ob das Verbum activ oder passiv gebraucht wird, und können mithin diese beiden Formen desselben in Einer verbinden. Die classischen Sprachen bedürfen in allen diesen Fällen besondrer Mittel, um den Begriffen die ihnen durch die bestimmende Form entzogene Allgemeinheit wiederzugeben.
In unseren Sprachen erkennt man die Einheit des Satzes am flectirten Verbum; so viele flectirte Verba da sind, soviel sind Sätze vorhanden.
Die Chinesische Sprache braucht alle Wörter in dem Zustand, in dem dieselben, abgesehen von jeder grammatischen Beziehung, nur den Begriff ihrer Bedeutung ausdrücken, sie stehen, auch in der Redeverbindung, alle, gleich den Sanskritischen Wurzelwörtern, in statu absoluto.
Die Chinesische Sprache kennt, grammatisch zu reden, kein flectirtes Verbum, sie hat eigentlich gar kein Verbum, als grammatische Form, sondern nur Ausdrücke von Verbal-Begriffen, und diese stehen beständig in der unbestimmten Form des Infinitivs, einem wahren Mittelzustande zwischen Verbum und Substantivum. Man bleibt durchaus zweifelhaft, ob man das, was man nun Verbum nennt, wirklich soll als flectirtes Verbum, als Copula des Satzes, ansehen, oder als Praedikat desselben, bei welchem das Verbum substantivum ausgelassen ist. Dem Geiste der Chinesischen Sprache scheint sogar das letztere angemessener. Andre, selbst wenig ausgebildete Sprachen, die Amerikanischen, Vaskische, Coptische, die der Südsee-Inseln u.s.f. bezeichnen das den Satz verbindende Verbum durch Bestimmung der Person, oft auch des Gegenstandes, der Zeit, der transitiven, intransitiven, factitiven Form an ihm, und machen es dadurch zum flectirten, vom blossen Verbal-Begriff verschiedenen. Im Chinesischen trägt es keine dieser Modificationen an sich, sein Subject, sein Complement sind abgesonderte Wörter, die Zeit ist gar nicht, oder doch nicht als das Verbum grammatisch bezeichnende Nebenbestimmung, sondern weil es der Sinn der Rede fordert, angedeutet. Der ganze Satz entfernt sich, so wenig als möglich, von der Form einer mathematischen Gleichung.
Man könnte zwar hier die Einwendung machen, daß in fóu táo, Vater sagt, ebensowohl ein flectirtes Verbum liegt, als in dem Englischen they like. In der That giebt es in fast allen Sprachen, vorzüglich aber im Englischen, einzelne ganz Chinesische Phrasen. Allein der Unterschied ist dennoch in die Augen fallend, da like in anderen Stellungen flectirt wird, und der Bau der ganzen Sprache an die grammatische Classificirung der Wörter gewöhnt.
Man ist auch durchaus nicht immer sicher, wo im Chinesischen ein Satz endigt und ein neuer beginnt, und in den Uebersetzungen wird gewiss oft als Ein Satz angesehen, was aus zweien und mehreren besteht. Won Wou tchi tching pou tsai fang kann übersetzt werden Die Verfassung des Won und Wou steht geordnet in Büchern, oder ist geordnet und steht in Büchern. Fast alle Wörter, die man Praepositionen im Chinesischen zu nennen pflegt, sind Verba, und bilden in ihrer Construction zwei abgesonderte Sätze. I thian hia iu jin wird von Rémusat übersetzt: ex imperio donare hominem, donner l'empire à un homme.
Aber es ist da weder von einer Praeposition, noch einem Dativ (einem geradezu im Chinesischen sehr schwer auszudrückenden Casus) die Rede. Wörtlich heisst der Satz: verfügen über das Reich, beschenken den Mann.
Dass Substantivum und Verbum nicht rein geschieden seyn können, geht schon aus dem oben über das letztere Gesagten hervor. Aber noch mehr trägt es zur Vermischung beider Begriffe bei, dass dieselbe Partikel tchi, zwischen zwei Substantiva gestellt, andeutet, dass das erste im Genitiv steht, und zwischen ein Substantivum und ein Verbum, dass das erste, als Subject, das letzte regiert. In der That kann, wenn man die Schärfe der grammatischen Bestimmung verlässt, das Verbum, im Infinitiv, als Substantivum angesehen werden, und alsdann verwandelt sich der Nominativus des Subjects in einen Genitiv, und es giebt Sprachen, in welchen das Verbum vermittelst des Besitzpronomens (mein Essen für ich esse) conjugirt wird. Zwar ist es merkwürdig, daß die Chinesischen nomina, als Verba gebraucht, oft einen verschiedenen Accent annehmen, gerade wie die zweisilbigen Englischen Nomina im gleichen Fall (the conduct, to condtuct. Allein die Wörter werden darum nicht zu Verben, sondern nur zu Ausdrücken von Verbalbegriffen.
Dass man im Chinesischen gar nicht nach grammatischen Formen fragen muss, beweist z. B. der Titel eines der sogenannten Vier Bücher des Confucius, die aber nur von seinen Schülern herrühren, tchoung young. Rémusat übersetzt denselben medium co-stans, l'invariable milieu. Man darf aber darum young (constans) nicht für ein Adjectivum halten, da es sonst, der Chinesischen Wortordnung nach, vor seinem Substantiv stehen müsste. Was diese beiden Worte Chinesisch mit Klarheit und Bestimmtheit anzeigen, ist das Ausharren in der Mitte, und dass die allgemeine Idee des Ausharrens auf die Idee der Mitte beschränkt ist. Ob man aber young lateinisch als perseveratio (als Verbal-Substantiv) oder durch perseverantia, oder durch perseverare, oder gar durch perseverant übersetzen soll, bleibt durchaus unbestimmt. Denn in einer andren Stelle übersetzt Rémusat es wirklich als flectirtes Verbum: siao jin tchi tchoung young, parvi homines medio constant. In diesem Satz sind im Chinesischen bloss die Begriffe klein, Mensch, Mitte, Beharren nebeneinandergestellt, die Partikel tchi zeigt an, dass die ersten, für sich zusammengenommen, sollen mit den letzten verbunden werden; aus der Abwesenheit einer Verneinung geht die Uebereinstimmung des Verglichenen hervor. Mehr liegt im Chinesischen nicht, dies reicht aber auch zum Ausdruck des Gedanken hin. Ob aber young wirklich das flectirte Verbum ist, wie Rémusat es übersetzt, oder ob man vor den letzten Worten das Verbum substantivum, oder, wie Rémusat bei einer andern ganz gleichen Stelle behauptet, ein anderes Verbum ergänzen muss, so dass young zum Participium oder Infinitiv wird, davon weiss die Chinesische Grammatik nicht, und fragt danach nicht.
Das Chinesische ta ko tao, sehr weinen reden, kann valde ploravit, dixit, valde plorans dixit, valde plorando dixit, cum magno ploratu dixit, übersetzt werden, das Chinesische zeigt bloss an, dass der, von dem die Rede ist, geweint und gesprochen hat.
Man kann hier einwenden, dass Sätze dieser Art, wenn sie auch scheinbar verschieden aufgefasst werden können, in dem Kopfe der Eingebornen doch nur immer einer und derselben dieser verschiedenen Arten angehören, und dass ein geübtes Gefühl des Sprachgebrauchs diese Art erkennt und festhält. Es bleibt aber immer eine Thatsache, dass die Chinesischen Worte selbst nichts enthalten, was eine dieser verschiedenen Uebersetzungen vor der andren begünstigte, und man kann mit Sicherheit annehmen, dass, wenn irgend ein grammatisches Verhältniss den Geist eines Volks lebendig anspricht, dasselbe auch einen Ausdruck in seiner Sprache findet, so wie umgekehrt es ein untrügliches Zeichen ist, dass ein solches Verhältniss die Nation nicht lebendig getroffen hat, wenn es ihrer Sprache an einem Ausdruck dafür mangelt. Denn da alles Sprechen darin besteht, die schweifende Unbestimmtheit des blossen Vorstellens durch die Schärfe des articulirten Lautes zu heften, so muss, was sich in der Seele zur Klarheit und Bestimmtheit der Sprache erheben will, auf irgend eine Weise in ihr ein dasselbe vorstellendes Zeichen finden.
Die Chinesische Sprache besitzt nichts, was auf irgend eine Weise eine Flexion genannt werden könnte. Ihre einzigen syntaktischen Hülfsmittel sind Partikeln (grammatische Wörter) und die Wortstellung. Allein auch diese beiden scheinen nicht auf die Bezeichnung der grammatischen Formen zu gehen, sondern bestimmt zu seyn, das Verständniss auf andere Weise zu leiten.
Das schon im Vorigen erwähnte tchi ist diejenige Chinesische Partikel, welche sich am meisten dem Begriff eines Casuszeichens, um nicht Flexion zu sagen, nähert. In den Worten thian tchi ming, die Satzung des Himmels, scheint tchi nichts als ausdrückliche Andeutung des Genitivs, oder doch eine den Praepositionen von, de und of ähnliche Partikel. Allein dem Subject vor dem Verbum nachgesetzt, deutet es den Nominativ, und auf das Verbum folgend, den Accusativ an. Diese Genitive stehen sehr häufig ohne diese Partikel, und sie findet sich in einer Menge von Fällen, wo an keinen Genitiv zu denken ist. So verbindet sie das Subject mit dem Verbum, das Verbum substantivum und andre intransitive Verba mit ihrem Praedikat, das Subject mit seinem Attribut, indem sie die Stelle des Verbum substantivum vertritt, bildet Adjectiva, dient statt eines bestimmenden Artikels, deutet den vom Verbum regierten Gegenstand, wenn er selbst nicht ausgedrückt ist, als Pronomen an, und steht als Beziehungspronomen. In allen diesen verschiedenen Geltungen hat tchi zugleich eine trennende und verbindende Kraft, die aber eng mit einander vereinigt gedacht werden müssen. Indem sie sich zwischen den Genitiv und das ihn regierende Wort stellt, zeigt sie an, dass beide Wörter, als nicht in Apposition stehend, getrennt, aber als von einander abhängig zusammen verbunden werden müssen. Ebenso vereinigt sie Subject und Verbum, trennt aber vorher beide, da, ohne sie, das dem Verbum vorausgehende Wort, den Regeln der Chinesischen Wortstellung nach, in die allgemeine Kategorie des Adverbium fallen würde. In allen diesen Fällen wird sie gebraucht, wo der Sinn der Rede eine verschiedene, aber mit dem unmittelbar Folgenden auf das engste verbundene Richtung zu nehmen beginnt. Zugleich ist diese Partikel Pronomen: wang tching tchi, der König unterwirft ihn, tchi wii, dies heisst. Diese Bedeutung ist ihre ursprüngliche, und ich sehe keine andre auch da in ihr, wo sie (als angebliches Genitivzeichen oder sonst) jene verbindende Kraft hat. Der Redende, statt in Einem Flusse zu reden, hält, wo die Construction eine andere Wendung nimmt, inne, und heftet, ehe er zum Folgenden übergeht, die Aufmerksamkeit des Hörers durch den Ausruf: das noch einmal vorher auf das schon Gesagte. Daher wird tchi gewöhnlich auch nur gebraucht, wo, ohne seine Dazwischenkunft, Unklarheit oder Zweideutigkeit zu besorgen wäre. Man kann bei dem Gebrauche von tchi oft zweifelhaft bleiben, ob das Wort, welches ihm vorausgeht, der Nominativ oder der Genitiv ist. 'Ou pou yu jin tchi kia tchou o yl übersetzt man ego non cupio, homines addant ad me. Nichts verbietet aber zu übersetzen: non cupio hominum additionem s. addere ad me. Hio sing sai kiwu tchi fou übersetzt man Studio natus (eine gewöhnliche Art der Chinesischen Gelehrten sich selbst zu bezeichnen) de-bilis, marcidus sum homo; es kann aber ebensowohl heissen studio natus debilium, marcidus sum homo. Thian ti tchi ta heisst eben so wohl, und nur nach Verschiedenheit des Zusammenhanges Himmel und Erde sind gross als des Himmels und der Erde Grosse. Auch sind diese verschiedenen Uebersetzungen derselben Sätze nur in den darin gebrauchten grammatischen Formen von einander abweichend, kommen aber alle darin mit einander überein, dass die der Partikel tchi nachfolgenden Worte in ihrem Begriff von den vor ihr vorausgehenden bestimmt werden. Da nun die Sprache sie als gleich ansieht, was der Gebrauch derselben Partikel in allen beweist, so ist klar, dass ihre grammatische Ansicht nur auf die Begriffsbestimmung, in der sie Übereinkommen, und nicht auf die Formenbezeichnung, in der sie verschieden sind, gerichtet ist.
Ich übergehe, der Kürze wegen, die Zergliederung andrer Chinesischer grammatischer Wörter, sie würde aber zu dem gleichen Resultat führen, dass diese Wörter nicht Bezeichnungen grammatischer Formen sind, sondern mehr den Uebergang eines Theils des Gedanken zum andern anzeigen. Von denen, welche diese Bestimmung nicht haben, wie z.B. die sogenannten Praepositionen sind lässt sich fast allgemein behaupten, dass man ihren Gebrauch besser begreift, wenn man auf ihre ursprüngliche materielle Bedeutung zurückgeht, als wenn man sie als grammatische Bezeichnungen nimmt.
Die Chinesische Sprache weicht daher in dem hier betrachteten Punkt wesentlich von allen übrigen mir bekannten flexionslosen Sprachen ab. In diesen begleiten die grammatischen Wörter diejenigen, zu denen sie gehören, so beständig und auf eine solche Weise, dass sie Ausdrücke grammatischer Formen werden, und ein sichtbares Bestreben zeigen, mit den Hauptwörtern, als Nebenlaute, zusammenzuschmelzen. Viele von ihnen können daher als wirkliche Prae- und Suffixa, manche beinahe als wahre Flexionen angesehen werden. Dass dies im Chinesischen durchaus nicht der Fall ist, beweisen am deutlichsten die zur Bezeichnung der Tempora bestimmten Wörter. Sie fehlen weit häufiger, als sie das Verbum begleiten, sind eigentlich nichts, als Adverbia der Zeit, und schliessen sich so wenig eng an das Verbum an, dass einige bald vor, bald hinter demselben, bald durch mehrere Worte von ihm getrennt stehen. |
Die Wortstellung ist, ohne in einer Sprache mit andren Hülfsmitteln der grammatischen Bezeichnung verbunden zu werden, ausser Stande, anzudeuten, in welcher bestimmten grammatischen Form jedes Wort eines Satzes genommen werden muss, ja nur überhaupt alle Theile des Gedanken unverkennbar zu bezeichnen. Es fehlt ihr sogar unter diesen Umständen oft an einem festen Punkt, von dem das Verständniss durch sie ausgehen kann. Denn wie auch z.B. feststehen möge, dass das Subject dem Verbum vorausgehen, der regierte Gegenstand ihm nachfolgen muss, so giebt es kein Mittel, der Satz müsste denn bloss aus drei Worten bestehen, durch die Stellung allein, das Verbum selbst, dies erste Glied der Kette, zu erkennen. So fest daher auch die Wortstellung im Chinesischen ist, so reicht sie nie allein aus, sondern man muss immer zugleich auf die Bedeutung der Wörter und den Zusammenhang der Rede zurückgehn. Am wenigsten kann sie die grammatischen Formen angeben, da z. B. mehr als Eine das Subject bilden, dem Verbum nicht bloss dieses, sondern auch eine adverbialische Bestimmung vorausgehen kann u.s.f.
Genau genommen, zeigt die Wortstellung im Chinesischen bloss an, welches Wort das andre bestimmt. Dies wird von zwei verschiedenen Seiten aus betrachtet, von der Beschränkung des Umfangs eines Begriffs durch einen andren, und von der Richtung eines Begriffs auf einen andren. Die Wörter nun, welche andere beschränkend bestimmen, gehen den letzteren vor, die Wörter, auf welche andere gerichtet sind, folgen diesen nach. Auf diesen beiden Grundgesetzen der Construction beruht die ganze Chinesische Grammatik. Es steht also, nach unsrer Art zu reden, das Adverbium vor dem Nomen oder Verbum, das Adjectivum nach dem Adverbium, aber vor dem Substantivum, das Subject, welchen Redetheil es ausmachen möge, vor dem Verbum, das Verbum vor dem Worte, welches dasselbe, als seinen Gegenstand, regiert.
In der Grammatik jeder Sprache giebt es einen ausdrücklich bezeichneten und einen stillschweigend hinzugedachten Theil. In der Chinesischen steht der erstere in einem unendlich kleinen Verhältniss gegen den letzteren.
In jeder Sprache muss der Zusammenhang der Rede der Grammatik zu Hülfe kommen. In der Chinesischen ist er die Grundlage des Verständnisses, und die Construction kann oft nur von ihm abgeleitet werden. Das Verbum selbst ist nur am Verbalbegriff kenntlich.
Dass die Chinesische Sprache sich mit einer solchen Grammatik begnügen kann, macht der Zuschnitt ihrer Sätze. Diese sind meistentheils sehr kurz, selbst die lang scheinenden lassen sich auf kurze zurückführen, und dies scheint die dem Geiste der Sprache angemessenste Methode. Der Periodenbau ist aber sichtbar nur deswegen so einfach geblieben, weil der grammatische keinen andern erlaubt.
Eine Chinesische Redensart lässt sich bei weitem nicht immer bloss in dem Sinne nehmen, welchen sie für sich darbietet. Sehr häufig muss man die Bestimmung hinzufügen, die aus der vor ihr vorhergehenden hinzukommt. So bedeutet die verbindende Partikel eul höchst selten bloss und. Ob sie aber und dennoch oder und deshalb übersetzt werden muss, hangt von dem Verhältniss der mit einander verbundenen Sätze ab. Auf dieselbe Weise werden von einander abhangende Sätze meistentheils ohne Conjunctionen gebraucht, so dass die Art ihrer Abhängigkeit nur aus ihrem Sinn und ihrem darin liegenden gegenseitigen Verhältniss hervorgeht.
Die Chinesische Sprache stellt meistentheils vereinzelt hin, was in andren verbunden ist. Dadurch erhalten ihre Ausdrücke mehr Gewicht, und zwingen, bis zur Auffassung aller ihrer Beziehungen bei ihnen zu verweilen. Die Sprache überlässt es dem Hörer, eine Menge von Mittelbegriffen hinzuzufügen, und legt daher dem Geiste eine grössere Arbeit auf, welche einen Theil der Grammatik ergänzen muss. Im Volksgebrauch helfen vermuthlich die ein für allemal in einem Sinn, den man kennen muss, ohne ihn immer aus buchstäblicher Uebersetzung finden zu können, ausgeprägten Redensarten, von denen es, nach Rémusats (sur les lan-gues Tartares) Zeugniss, eine sehr grosse Anzahl giebt. Die Anzeige der Gedankenverbindung ist bisweilen dergestalt, man muss mehr sagen, verschmäht, als vernachlässigt, dass ein einzelnes Substantivum, für sich gleichsam einen Satz ausfüllend, vorangeschickt ist, bloss um aus ihm eine in einem nachher kommenden ausgedrückte Schlussfolge zu ziehen. So bilden die Worte kiun tsiu eul chi tetuung, der Weise, und (deshalb) immer Mitte, für sich zwei verbundene Sätze, denen nun bloss folgt, dass der grosse Haufe sich anders verhält. Remusat übersetzt hier sapiens et semper medio stat. Aber meine Uebersetzung enthält genau die Chinesischen Worte.
Vergleicht man das Chinesische mit andren Sprachen von dem hier gefassten Gesichtspunkte aus, so giebt es Sprachen dreifacher Gattung.
Die Chinesische überhebt sich einer genauen, ja im Grunde aller Bezeichnung der grammatischen Formen.
Die Indo-Germanischen und vielleicht noch andre machen diese Bezeichnung zur Grundlage ihrer Grammatik, und ertheilen derselben die sorgsamste Ausführung.
Die Sprachen, die nach jenen beiden Classen übrigbleiben, streben nach grammatischen Formen und bezeichnen dieselben, erreichen aber nicht eine vollständige und angemessene Bezeichnung, haben bald eine mangelhafte, bald eine überflüssige und fehlerhafte. Die Chinesische Sprache unterscheidet sich von diesen Sprachen durch die Reinheit, Regelmässigkeit und Consequenz ihres grammatischen Baues; durch diese Vorzüge stellt sie sich unbedingt den vollkommensten Sprachen an die Seite, unterscheidet sich aber von ihnen wieder dadurch, dass sie, soweit es nur immer die allgemeine Natur der Sprache zulässt, ein dem ihrigen entgegengesetztes System befolgt. Sie darf um so weniger mit den ungebildeten Sprachen roher Volksstämme verwechselt werden, als diese meistentheils, wie schon Remusat bemerkt hat, gerade von grammatischen Bezeichnungen, ja mitunter von grammatischen Spitzfindigkeiten wimmeln.
Die Chinesische Sprache bietet die sonderbare Erscheinung dar, sich durch die blosse Verzichtleistung auf einen allen Sprachen gemeinsamen Vorzug einen anzueignen, der in keiner anderen angetroffen wird. Indem sie Vielem entsagt, was der Ausdruck hinzufügt, hebt sie gerade den Gedanken stärker hervor, und besitzt eine in dem Grade nur ihr eigenthümliche Kunst, die Begriffe so unmittelbar an einander zu reihen, dass ihre Uebereinstimmungen und Gegensätze nicht bloss, wie in andren Sprachen, wahrgenommen werden, sondern den Geist, ihn mit einer ihm neuen Kraft berührend, gleichsam zwingen, sich der reinen Betrachtung ihrer Beziehungen zu überlassen. Es entsteht daraus, noch selbst unabhängig vom Inhalt der Rede, ein, in anderen Sprachen in dem Grade unbekanntes, bloss aus der Form und der Anordnung der Begriffe hervorgehendes, rein intellectuellcs Vergnügen, das vorzüglich durch die Kühnheit bewirkt wird, lauter, gehaltvolle, selbständige Begriffe bezeichnende Ausdrücke in überraschender Vereinzelung neben einander hinzustellen, und Alles für sich Gehaltlose, und nur Fügung und Verknüpfung Bezeichnende zu entfernen.
Da die Chinesische Sprache sich von den mit vollkommener Formenbezeichnung versehenen dadurch unterscheidet, dass diese den in der Rede verbundenen Wörtern eine bestimmte Gestalt geben, die für sie aus dieser entspringenden Eigenschaften auf den Gedankenausdruck mitwirken lassen, und dadurch dem blossen Gedankengehalte in ihm allein nicht liegende Bestimmungen hinzufügen, das Chinesische aber dies alles nicht thut, aus den Wörtern keine, durch ihre eigenthümliche Natur auf den Gedankengehalt zurückwirkenden Wesen macht, sondern sich bloss an den letzteren hält, und um ihn in Worte einzukleiden, so wenig, als möglich, von der besondren Eigenthümlichkeit der Sprache leiht; so fragt es sich, um den Gegenstand zu erschöpfen, was nun eigentlich in der Seele dieser Zurückwirkung der Sprache durch vollständige Formenbczeichnung auf den Gedankcngehalt entspricht, und was mithin, da wo, wie im Chinesischen, eine solche Wirksamkeit fehlt oder schwach ist, deshalb in dem Geiste der Sprechenden vermisst werden muss?
So schwierig die Beantwortung dieser Frage ist, so möchte ich sagen, dass die Seelenkraft, der diese Wirksamkeit angehört, die Art der Einbildungskraft ist, welche überhaupt zur Bezeichnung der Gedanken durch Laute antreibt. Die mit vollkommener Formenbezeichnung versehenen Sprachen verdanken ihr Daseyn der erhöheten Thätigkeit dieser Kraft, und wirken wiederum stärker auf dieselbe zurück. Die Chinesische befindet sich für beides in dem entgegengesetzten Fall.
Von da aus verbreitet sich aber der wohlthätige Einfluss eines reichen grammatischen Formenbaues über das ganze Denksystem. Diese so unbedeutend erscheinenden Formen erlauben, indem sie Mittel darbieten, die Sätze zu erweitern und zu verschlingen, dem Geiste einen freieren Schwung. Der Gedanke, der in dem Kopfe eine ununterbrochene Einheit bildet, findet in einer, alle Wörter organisch verknüpfenden Sprache dieselbe Stetigkeit wieder. Durch beides verbindet ein vollendeter grammatischer Formenbau den zwiefachen Vorthcil, dem Gedanken mehr Umfang, Feinheit und Farbe zu geben und ihn genaue und treuer darzustellen. Ausserdem aber begleitet er ihn noch mit symmetrischer Stellung der Sprachformcn und harmonischer Lautverknüpfung, beides den Gedanken und Empfindungen der Seele entsprechend. Einer viele Vortheile der Sprache unbenutzt lassenden Grammatik sind diese Vorzüge wenigsten nie in gleichem Grade erreichbar.
In dem hier Geschilderten erscheinen Gedanke und Sprache als untrennbar in einander verwachsen. Setzt man dagegen beide einander entgegen, so bietet der von der Einkleidung in Sprache geschiedene Gedanke eine höhere Freiheit und Reinheit dar, da der Ausdruck nothwendig einengt und verändert. Nun ist es zwar unmöglich, ohne Sprache zu denken. Allein der Mensch unterscheidet doch den Gedanken vom Wort, und geht, woraus alle innere Spracherweiterung entspringt, häufig über die Begränzung der in jedem Augenblick gegebenen Sprache hinaus. Wo daher die zwiefache Geistesthätigkeit, die ihn auf den Gedanken und das Wort treibt, einmal ungleich ist, schwächt sich die eine, indem die andere zunimmt. Hierin suche ich den tieferen Grund der Verschiedenheit der Chinesischen und der vollkommensten unter den Indo-Germanischen Sprachen.
Indem die erstere dem Verstande eine viel grössere Arbeit zumuthet, als irgend eine andere von ihm fordert, ihn bloss auf die Verhältnisse der Begriffe hinweist, ihn fast jeder maschinenmassigen Hülfe zum Verständniss beraubt, und selbst die Construction der Worte fast nur auf die Gedankenfolge und die gegenseitige Bestimmbarkeit der Begriffe gründet, weckt und unterhalt sie die auf das blosse Denken gerichtete Geistesthätigkeit, und entfernt von Allem, was nur dem Ausdruck und der Sprache angehört. Diesen Vorzug können Sprachen, deren Grundsatz es ist, m der Construction Alles zu verbinden, und bei denen die grammatische Form der Wörter nicht ohne bedeutenden Einfluss auf die Darstellung der Gedanken ist, nur in einem gewissen Grade und m emzel nen Wortstellungen erreichen.
Dieses Vorzuges ungeachtet, steht aber, meiner innersten Ueberzeugung nach, das Chinesische den Sprachen, mit welchen es hier verglichen wird, bei weitem nach.
Der Gedanke erhält einmal bloss durch die Sprache Deutlichkeit und Bestimmtheit, und diese Wirkung ist nur vollständig, wenn alles auf ihn Einwirkende auch in der Sprache einen analogen Ausdruck antrifft. Jede Sprache, die darin zu ergänzen übriglässt befindet sich in dieser Rücksicht im Nachtheil.
Je mehr der Gedanke nach allen Beziehungen hin individualisirt ist, desto mehr begeistert und bewegt er; und je mehr alle Seelenkräfte bei seinem Ausdruck mitwirken, desto mehr wird er individualisirt. Das letztere ist aber offenbar mehr bei den, der Chinesischen in ihrem Bau entgegengesetzten Sprachen der Fall. Der Chinesische Styl fesselt durch Wirkungen, die Erstaunen erregen, die Sprachen eines entgegengesetzten Baues flössen uns Bewunderung durch eine Vollkommenheit ein, die wir gerade für diejenige erkennen, nach welcher die Sprache zu streben bestimmt ist.
Die Möglichkeit der Chinesischen Grammatik beruht einzig auf der Kürze und Einfachheit ihrer Redesätze. Nun giebt es in dieser Einfachheit einen Punkt, auf welchem die blosse Unterscheidung des Subjects, der Copula und des Praedikats nicht mehr ausreicht, wo diese noch bloss logischen Begriffe durch eigentlich grammatische, aus der eigenthümlichen Natur der Sprache geschöpfte, näher bestimmt werden müssen. Auf dieser schmalen Gränzlinie scheint sich mir die Chinesische Sprache zu halten.
Sie überschreitet sie zwar unläugbar, und darin besteht die Kunst ihrer Grammatik, allein der Umfang und der Zuschnitt ihrer Perioden ist immer dem Mass ihrer Mittel angepasst. Sie bleibt also stehen, wo es den Sprachen gegeben ist, ihre Bahn weiter zu verfolgen.
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