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Chronology Entry

Year

1772

Text

Wieland, Christoph Martin. Der goldene Spiegel [ID D11894].
Quelle : Du Halde, Jean-Baptiste. Description géographique, historique, chronologique, politique et physique de l'empire de Chine [ID D1819]. [Ji, Junxiang. Zhao shi gu er].

Zhu Yanbing : Wieland bezieht sich folgendermassen auf China : In der Einleitung macht er eine fiktive Bemerkung, dass der Roman ursprünglich eine scheschianische Handschrift war, über chinesische und lateinische Übersetzung zu ihm gelangte und von ihm ins Deutsche übersetzt wurde. Um die Authentizität seiner fiktiven Bemerkung zu bekräftigen, eröffnet er seinen Roman mit einer Zueignungsschrift des fiktiven chinesischen Übersetzers an den Kaiser Tai-Tsu, "den glorwürdigsten Sohn des Himmels", in der Autor seine Forderungen an die deutschen Fürsten dem chinesischen Übersetzer in den Mund legt : "Ihrer Majestät lebhaftestes Verlangen ist, Ihre Völker glücklich zu sehen“. Im Anschluss schreibt er, dass sein Buch "eine Art Auszug aus der Geschichte der Könige von Scheschian" sei, die den Prinzen aus dem Hause des Kaisers Tai-Tsu Begriffe und Maximen einflössen könnte, von deren Gebrauch oder Nichtgebrauch das Glück der sinensischen Provinzen grossenteils abhängen dürfte.
Wieland zeigt den deutschen Fürsten ein "raum- und zeitloses Idealbild". Es wird geschildert, wie dumme Könige das Land Scheschian ruinieren und wie ein weiser und tugendhafter Herrscher es wieder "von der untersten Stufe des Elends bis zum Gipfel der Nationalglückseligkeit" führt. Er verherrlicht die Thronbesteigung Tifans, der von einem Lehrer nach chinesischem Vorbild erzogen worden ist. Schun, "der beste unter allen sinensichen Grosskönigen" war ein sagenhafter König, den Konfuzius und seine Nachfolger hochpriesen und idealisierten und ihren jeweiligen Herrschern als nachahmenswertes Vorbild vorhalten und der Autor führt dieses Vorbild den deutschen Fürsten vor. Der König ist "Statthalter der Gottheit" und vollzieht auf Erden die gesetzgebende und ausübende Macht. Der Adel bildet den ersten Stand und hat "ein angeborenes Recht auf alle obersten Staats- und Kriegsbedienungen" inne. Aber sein Mitspracherecht bei der Staatsregierung wird beschränkt. Die Kinder aller Klassen geniessen eine den "Bedürfnissen einer jeden Klasse" entsprechende Erziehung.

Liu Weijian : Christoph Martin Wieland kritisiert den Missbrauch des Menschenverstandes durch die Verkehrung der "Natur der sittlichen Dinge" und die Beschönigung "lasterhafter, unmenschlicher Handlungen" : Diejenigen, die sich solcher Vergehen schuldig gemacht hätten, wären von Konfuzius als Betrüger verschrieen worden, wohingegen sie bei Laozi aber "Weise" genannt würden.

Adrian Hsia : Das oberste Gebot im Zeitalter der Aufklärung ist die vernünftige Natur. Der chinesische Sagenkönig Shun ist, nach Wieland, der idealste aller Herrsscher, weil er nach dem konfuzianischen Ideal erzogen worden ist : nämlich zur Selbstvervollkommnung und dann als Patriarch der Familie und zuletzt als Landesvater. Dabei ist das Massgebende die 'Güte der Sitten'... Wieland sieht auch Nutzen in der geregelten zeremoniellen Höflichkeit der Chinesen... und will lediglich den Aberglauben beseitigen und einen vernünftigen Gottesdienst eingeführt sehen, um das höchste Wesen zu verehren.

Ulrich Faust : Die Feindschaft gegen den kontemplativen Stand der Ya-faous ist die literarische Spiegelung der Polemik, die der Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 und der 1782 erfolgten Unterdrückung von 700 österreichischen Klöstern vorausging. Die Aversion gegen das "Monchsunwesen" wird auf einem asiatischen Schauplatz gezeigt.

Mentioned People (1)

Wieland, Christoph Martin  (Oberholzheim = Achstetten bei Biberach 1733-1813 Weimar) : Schriftsteller

Subjects

Literature : Occident : Germany : Prose / Philosophy : China : Confucianism and Neoconfucianism / Philosophy : China : Daoism

Documents (4)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1977 Faus, Ulrich. Mythologien und Religionen des Ostens bei Johann Gottfried Herder. (Münster : Aschendorff, 1977). (Aevum Christianum ; 12). S. 24. Publication / FauU1
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Faust, Ulrich
  • Person: Herder, Johann Gottfried
2 1990 Hsia, Adrian. Chinesien - Zur Typologie des anderen China in der deutschen Literatur mit besonderer Berücksichtigung des 20. Jahrhunderts. In : Arcadia ; Bd. 25, H. 1 (1990). S. 47. Publication / Hsia12
3 1991 Liu, Weijian. Die daoistische Philosophie im Werk von Hesse, Döblin und Brecht. (Bochum : Brockmeyer, 1991). (Chinathemen ; Bd. 59). Diss. Freie Univ. Berlin, 1990. [Hermann Hesse, Alfred Döblin, Bertolt Brecht]. S. 20-21. Publication / LiuW1
  • Source: Lohenstein, Daniel Casper von. Grossmüthiger Feldherr Arminius, oder, Hermann : als ein tapfferer Beschirmer der deutschen Freyheit nebst seiner durchlauchtigen Thussnelda, in einer sinnreichen Staats-, Liebes- und Helden-Geschichte dem Vaterlande zu Liebe, dem deutschen Adel aber zu Ehren und rühmlichen Nachfolge in zwey Theilen vorgestellet, und mit annehmlichen Kupffern bezieret. (Leipzig : Johann Friedrich Gleditsch, 1689-1690). Der fünfte Teil des ersten Bandes des Romans ist China gewidmet. Lohenstein hat seine Kenntnisse aus Berichten von jesuitischen Missionaren. (Loh1, Publication)
  • Source: Seckendorff, Karl Siegmund von. Das Rad des Schicksals. In : Das Journal von Tiefurt ; Bd. 1 (1781). = Seckendorff, Karl Siegmund von. Das Rad des Schicksals, oder Die Geschichte Tchoan-gsees. (Dessau : Buchhandlung der Gelehrten, 1783). [Zhuangzi]. (Sec1, Publication)
  • Source: Schopenhauer, Arthur. Ueber den Willen in der Natur : eine Erörterung der Bestätigungen welche die Philosophie des Verfassers, seit ihrem Auftreten, durch die empirischen Wissenschaften erhalten hat. (Frankfurt a.M. : Schmerber, 1836). [2. verb. und verm. Aufl. (Frankfurt a.M. : Joh. Christ. Hermann, 1854). 3., verb. und verm. Aufl. (Leipzig : F.A. Brockhaus, 1867)]. Darin enthalten ist das 7. Kapitel "Sinologie". (Schop2, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Cited by: Zentralbibliothek Zürich (ZB, Organisation)
  • Person: Brecht, Bertolt
  • Person: Döblin, Alfred
  • Person: Hesse, Hermann
  • Person: Liu, Weijian
4 1991 Zhu, Yanbing. Die konfuzianischen staatsphilosophischen Ideen in den Staatsromanen von Albrecht von Haller und Christoph Martin Wieland. In : Deutsche Literatur und Sprache aus ostasiatischer Perspektive. Symposium, 26.-30.8.1991. In : Veröffentlichungen des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin ; Bd. 12 (1991). Publication / ZhuY2
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Haller, Albrecht von
  • Person: Wieland, Christoph Martin
  • Person: Zhu, Yanbing