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Chen, Guying

(Fujian 1935-) : Philosoph, Professor für Philosophie Universität Taiwan, Taipei ; Visiting Professor Beijing-Universität

Subjects

Index of Names : China / Philosophy : China

Chronology Entries (5)

# Year Text Linked Data
1 1965 Chen, Guying. Bei ju zhe xue jia Nicai [ID D18321].
Chen schreibt : Die Kulturbewegung vom 4. Mai, in der die Befreiung des Denkens, der Kampf gegen die feudale Ethik, die Entfaltung des Individualismus und die Befürwortung des romantischen Stils von Schriftstellern in den dreissiger Jahren beschworen wurden, war bestimmt von Friedrich Nietzsches Denken beeinflusst worden. Danach brach der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression aus. In diesem Zeitraum (1937-1945) war ganz China in grosses Unheil geraten. Um die nationale Krise zu beseitigen, war es notwendig, die Massen zusammenzubringen und alle Kräfte zu sammeln. So wurden Nietzsches Ansichten über Individualismus und dessen Stil von der Zeit in den Hintergund gerückt.
Innerhalb der nur sehr kurzen Entwicklungsgeschichte des Existentialismus besetzt Nietzsche eine zentrale Position. Über alle drei Grossmeister des Existentialismus – die Deutschen Jaspers und Heidegger sowie den Franzosen Sartre – lässt sich sagen, dass Nietzsche die Quelle ihres Denkens ist. Nietzsches Philosophie ist in der Tat ein schmerzvoller Aufschrei im Angesicht des Schicksals der gesamten Menschheit und des gesamten Zeitalters. Mit diesem Aufschrei bringt er einen tief verankerten Widerstand gegen und eine Kampfansage an die traditionelle Kultur des Westens zum Ausdruck. Von Nietzsche geht eine nach vorn gerichtete Triebkraft aus, seine Philosophie ist durchdrungen von einem aufwärts strebenden Geist.

Hans-Georg Möller : Chens Arbeit über Nietzsche als tragischen Philosophen stellt den deutschen Denker dem chinesischen Publikum einführend vor. Auf eine kurze Übersicht über Biographie und Werke folgen Darstellungen über einige Leitmotive wie den Tod Gottes, den Übermenschen und den Willen zur Macht. Dabei stützt sich Chen vorwiegend auf englischsprachige Übersetzungen und Sekundärliteratur. Aus der Sicht Chens begehrt Nietzsche gegen den seit dem Altertum in der westlichen Kultur verwurzelten ‚Dualismus’ auf und vertritt eine radikal auf den Menschen bezogene Lebensphilosophie.
Nietzsche wird als Erneuerer der westlichen Kultur zum Pendant der geistigen Erneuerer Chinas zu Beginn des Jahrhunderts. Zudem wird er auch als ein Vertreter einer am Menschen orientierten Lebensphilosophie ausgegeben. Über eine solche Lebensphilosophie hoffte man in den 1920er Jahren im Anschluss an die Beweung von 4. Mai traditionelles chinesisches Denken mit neuem westlichen Gedankengut verknüpfen zu können. Auch wird der Optimismus Nietzsches hervorgehoben, der ihn dann doch von den späteren Existentialisten grundsätzlich unterscheiden soll.
  • Document: Yu, Longfa. Begegnungen mit Nietzsche : ein Beitrag zu Nietzsche-Rezeptionstendenzen im chinesischen Leben und Denken von 1919 bis heute. Diss. Univ. Wuppertal, 2000.
    http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=959811869. S. 105-106. (Yu1, Publication)
  • Document: Möller, Hans-Georg. Sino-Nietzscheanismus : eine geistesgeschichtliche Analyse und ein Plädoyer für eine negative Dialektik in der philosophischen Komparatistik. In : Minima sinica ; 2 (2000). (Möl11, Publication)
  • Person: Nietzsche, Friedrich
2 1967 Cun zai zhu yi. Chen Guying yi [ID D24377].
Wu Hsi-deh : Grâce à la lecture d'Albert Camus que les jeunes Chinois à Taiwan trouvèrent le goût de l'existentialisme. Le premier recueil sur ce thème de Chen Guying, l'existentialisme a rencontré un succès considérable ; il fut tiré à plusieurs reprises et remis à jour plusieurs fois.
  • Document: Wu, Hsi-deh. La traduction d'Albert Camus et son influence à Taiwan. In : La modernité française dans l'Asie littéraitre : (Chine, Corée, Japon). Sous la direction de Haruhisa Kato. (Paris : Presses universitaires de France, 2004). (CamA2, Publication)
  • Person: Camus, Albert
3 1970 Chen, Guying. Laozi jin zhu jin yi ji ping jie [ID D18322].
Hans-Georg Möller : Chen weist zu Beginn dieser komparatistischen Studie im Einklang mit methodischen Axiomen des historischen Materialismus zunächst ausdrücklich auf die unterschiedlichen sozialen und geschichtlichen Hintergründe der beiden Philosophen hin. Nietzsche wird nun nicht mehr in Bezug auf seine Wirkungsgeschichte vorwiegend als Existentialist verstanden, sondern in Bezug auf seine Zeitbedingtheit als 'Romantiker'. Chen anerkennt dabei Nietzsches zwiespältiges Verhältnis zur Romantik. Er legt seiner Kategorisierung eine mehr oder wenige eigene Definition von ‚Romantik’ zugrunde : Ausdruck innerer Gefühle und angestrebter idealer Welten vermittels einer poetischen, bilderreichen Sprache, Lobpreis der Natur und der Einheit von Mensch und Natur bei gleichzeitiger Kritik einer urbanen Lebensweise und schliesslich : Streben nach individueller Befreiung.
  • Document: Möller, Hans-Georg. Sino-Nietzscheanismus : eine geistesgeschichtliche Analyse und ein Plädoyer für eine negative Dialektik in der philosophischen Komparatistik. In : Minima sinica ; 2 (2000). (Möl11, Publication)
  • Person: Nietzsche, Friedrich
4 1984-1986 Chen Guying hält einen Vortrag über Nietzsche und Zhuangzi an der Beijing-Universität. Damit setzt eine umfassende Wiederbelebung der Nietzsche-Rezeption ein.
Er sagt : Im Herbst 1984 kehrte ich nach 35 Jahren in mein Land zurück. Ich hielt an der Beijing-Universität zum ersten Mal einen Vortrag über die Philosophie von Nietzsche und Zhuangzi. Auf Vorschlag von Professor Tang Zijie an der Fakultät für Philosophie gab ich zugleich an der chinesischen Kulturakademie Vorlesungen über östliche und westliche Philosophie. Seit Herbst 1986 gab ich an der Beijing-Universität Veranstaltungen mit dem Thema Die Philosophien von Nietzsche und Zhuangzi. Es war gerade die Zeit, wo sich auf dem Festland eine Kulturwelle entwickelte. Intellektuelle Kreise begannen begeistert über die Einflüsse der traditionellen Kultur auf das moderne Leben zu sidkutieren, die westlichen Lehren zu erforschung und unterschiedliche geistige Strömungen in umfassender Weise vorzustellen. Wie Pilze aus dem Boden geschossen, fanden landesweit Seminare und Diskussionen statt. Seit über 30 Jahren war eine solch rege akademische Situation kaum zu sehen.
5 1996 Chen, Guying. Bei ju zhe xue jia Nicai [Neuaufl.] [ID D18321].
Chen Guying schreibt : Das Lebensgefühl im Werk von Friedrich Nietzsche hat mich vom Schopenhauerischen Pessimismus entfernt. Die begeisternde Einstellung des Einstiegs ins Leben und der Geist der Unnachgiebigkeit ermutigten mich immerfort. Durch den Vergleich zwischen Nietzsche und Zhuangzi habe ich die Tragödie und deren Geist der Kunst hoch eingeschätzt. Was das grossartige Denken Nietzsches betrifft, so wird die Kraft des Menschen als Quelle für Schöpfungen angesehen. So pries Nietzsche das Leben, das Emporkommen und das Überwinden. Nietzsches Geist ist wie ein Appell zum Bewusstwerden des dominierenden Rationalismus, der als überkommene Philosophie angesehen wird. Besonders in der heutigen Zeit, wo der Hegemonismus wütet und die Konkurrenz des Daseins gross ist, scheint eine neue Erkenntnis des Denkens von Nietzsche notwendig. Dies ist auch mein grösstes Anliegen für das Schreiben dieses Werkes.
Ausdrücke, die den Sinn der Philosophie von Nietzsche verdreht haben, wirken dem wahren Sinn entgegen. Das Missverständnis führte zur leidenschaftlichen Favorisierung gegenüber dem postumen Philosophen Nietzsche. Jetzt sollten wir nüchtern sein, um seinem Werk nachzugehen und nach dem eigentlichen Sinn seiner Philosophie zu suchen. Nietzsche hat sich als wahrer Lebensphilosoph erwiesen. Das Leben ist eine Dynamik, ist reich im Sinne des Kampfes. Gegenstand des Kampfes ist das 'Selbst' – dies ist das stagnierende und 'passive' Dasein. Will man zum Übermenschen werden, so soll man ständig vorwärts kommen und sich erhöhen. Auf dem Weg zum ständigen Vorwärtskommen macht die Entwicklung das Ziel und die höchste Freiheit aus : das Vorhandensein des menschlichen Potentials und des Willens zur Selbstüberwindung. Nietzsches Übermensch ist der Mensch, der es wagt, alle Werte neu zu bewerten und die alte Werteliste zu zerstören, insbesondere die des Christentums. Übermensch ist auch der Mensch, der mit reicher Lebenskraft fähig ist, neue Werte aufzustellen.
Der Wille zur Macht stellt eine Triebkraft von Nietzsches Philosophie dar. Der im Innern befindliche Wille ist latente Energie oder potentielle Energie. Der sich nach aussen äussernde Wille ist Antriebskraft. In der Philosophie Nietzsches ist der Wille zur Macht ein wichtiger Begriff. Viele beachten nur das Wort Macht und verstehen es sogar als Macht und Einfluss. In der Tat meint Nietzsche mit dem Wort Macht kreative Kraft, nicht konventionelle Macht. Daraus ergibt sich, dass die alte Übersetzung des Chinesischen leicht zu Missdeutungen führt. Es ist auch nicht angebracht, wenn man ihn als Willen zur Kraft übersetzen soll, denn es enthält noch potentielle Energie. Man soll es als 'chong chuang yi zhi' übertragen, denn dieser Wille zeigt sich ständig nach aussen und nach oben.
Nietzsches Denken besteht darin, den ständigen Vollzug des Lebens des Einzelnen zu entfalten, zur unbeschränkten Selbsterhöhung zu gelangen. Das Leben soll in das System der grossen Kräfte integriert werden. Lebenskraft verleiht dem Schöpferischen einen Sinn.

Yu Longfa : Das Werk von Chen Guying besteht aus vier Teilen : Nietzsche – Philosoph der Tragödie (1962) über Leben und Werk, vor allem Also sprach Zarathurstra. Über Nietzsches Gedanken zum Lebensgebriff, zum Tod Gottes und zur Umwertung aller Werte (1960er-1970er Jahre). Vergleich zwischen Nietzsche und Zhuangzhi. Vergleich der Kulturansichten von Nietzsche und Chen Duxiu. Übersetzungen von Auszügen aus Geburt der Tragödie, Die fröhliche Wissenschaft, Also sprach Zarathustra, Ecce homo, Antichrist. Lebensdaten von Nietzsche.
Chen vergleicht zwischen der abendländischen Welt, die sich in grossem Masse mit Nietzsche beschäftigte und der chinesischen Geisteswelt, die sich nur in geringem Mass mit Nietzsche auseinandersetzt. Dabei vertritt er die Ansicht, man solle sich der Philosophie Nietzsches zuwenden, wenn man zur modernen westlichen Philosophie gelangen will.

Bibliography (6)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1965 Chen, Guying. Bei ju zhe xue jia Nicai. (Beitou : Kai tuo chu ban she, 1965). = Neuaufl. (Taibei : Shang wu yin shu guan, 1966 ; Beijing : Sheng huo, du shu, xin zhi san lian shu dian, 1989, 1994, 1996). [Biographie ; Der tragische Philosophe Friedrich Nietzsche].
悲剧哲学家尼采
Publication / Nie56
2 1967 Cun zai zhu yi. Chen Guying bian. (Taibei : Taiwan shang wu yin shu guan, 1967). (Ren ren wen ku ; 352-353). [Abhandlung über Existentialismus].
存在主義
Publication / CamA3
3 1970 Chen, Guying. Laozi jin zhu jin yi ji ping jie. Wang Yunwu zhu bian. (Taibei : Taiwan shang wu yin shu guan, 1970). [Vergleichende Untersuchung über Friedrich Nietzsche und Laozi].
老子今註今譯及評介
Publication / Nie57
4 1971 [Sartre, Jean-Paul]. Shate xiao shuo xuan. Chen Guying deng yi. (Taibei : Ji wen chu ban she, 1971). (Xin chao wen ku ; 20). Übersetzung von Sartre, Jean-Paul. Les mots. (Paris : Gallimard, 1964).
沙特小說選
Publication / Sar63
5 1977 Chen, Guying. Lao Tzu : text, notes, and comments. Translated and adapted by Rhett Y.W. Young, Roger T. Ames. (San Francisco, Cali Chinese Materials Center, 1977). (Occsional series / Chinese Materials and Research Aids Service Center ; no 17). [Laozi]. Publication / Ames16
6 1988 Chen, Guying. Nicai xin lun. (Xianggang : Shang wu yin shu guan, 1988). (Shang wu jiu shi cong shu). [Abhandlung über Friedrich Nietzsche].
尼采新論
Publication / Nie184