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“Thomas Mann und China” (Publication, 1990)

Year

1990

Text

Debon, Günther. Thomas Mann und China. In : Thomas-Mann-Jahrbuch ; Bd. 3 (1990). (TM1)

Type

Publication

Mentioned People (1)

Mann, Thomas  (Lübeck 1875-1955 Kilchberg, Zürich) : Schriftsteller

Subjects

Literature : Occident : Germany / References / Sources

Chronology Entries (15)

# Year Text Linked Data
1 1921 Thomas Mann erhält Kontakt mit der chinesischen Dichtung bei der Generalprobe zum Lied von der Erde von Gustav Mahler im Münchner Odeon. In diesem Werk hat Mahler sieben Gedichte aus der Tang-Zeit in der Nachdichtung Die chinesische Flöte von Hans Bethge [ID D11977] verwendet. Thomas Mann schreibt im Tagebuch, wie ergriffen er über Mahlers Schwanengesang war. 1922 schreibt er für die Zeitschrift The Dial : Umsonst, sich zu erinnern, dass ein einziges Werk der Liebe, wie Mahlers Lied von der Erde, welches altchinesische Lyrik mit der entwickeltsten Tonkunst des Abendlandes zu organischer menschlicher Einheit verschmilzt, die ganze Theorie von der radikalen Fremdheit, die zwischen den Kulturen herrscht, über den Haufen wirft.
2 1922 Mann, Thomas. Goethe und Tolstoi. In : Deutsche Rundschau ; März 1922. = Mann, Thomas. Goethe und Tolstoi : zum Problem der Humanität. Neue, veränderte Ausg. (Berlin : S. Fischer, 1932).
Mann schreibt : Man habe, sagte er [Peter der Grosse], das Gesetz des Fortschritts im Herzogtum Hohenzollern-Sigmaringen und an seinen dreitausend Einwohnern beobachtet. Andererseits aber habe man China mit seinen zweihundert Millionen Einwohnern, das unsere ganze Fortschrittstheorie über den Haufen werfe. Nichtsdestoweniger zweifle man keinen Augenblick daran, dass Fortschritt ein allgemeines Gesetz der Menschheit sei, und so ziehe man mit Kanonen und Gewehren aus, um den Chinesen die Fortschrittsidee beizubringen.
3 1922 Thomas Mann bespricht das Buch Balázs, Béla. Der Mantel der Träume : chinesische Novellen [ID D14456].
4 1924 Mann, Thomas. Der Zauberberg. Bd. 1-2. (Berlin : S. Fischer, 1924).

Mann schreibt : Man konnte das eine das asiatische Prinzip, das andere aber das europäische nennen, denn Europa war das Land der Rebellion, der Kritik und der umgestaltenden Tätigkeit, während der östliche Teil die Unbeweglichkeit, die untätige Ruhe verkörperte. Gar kein Zweifel, welcher der beiden Mächte endlich der Sieg zufallen würde, - es war die der Aufklärung, der vernunftgemässen Vervollkommnung. Denn immer neue Völker raffte die Menschlichkeit auf ihrem glänzenden Wege mit fort, immer mehr Erde erobert sie in Europa selbst und begann, nach Asien vorzudringen.

Settembrini : Reden Sie nicht, wie es in der Luft liegt, junger Mensch, sondern wie es Ihrer europäischen Lebensform angemessen ist. Hier liegt vor allem viel Asien in der Luft, - nicht umsonst wimmelt es hier von Typen aus der moskowitischen Mongolei. Diese Freigiebigkeit, diese barbarische Grossartigkeit im Zeitverbrauch ist asiatischer Stil, - das mag ein Grund sein, weshalb es den Kindern des Ostens an diesem Orte behagt… Der Osten verabscheut die Tätigkeit. Laotse lehrt, dass Nichtstun förderlicher sei als jedes Ding zwischen Himmel und Erde. Wenn alle Menschen aufgehört haben würden, zu tun, werde vollkommene Ruhe und Glückseligkeit auf Erden herrschen… Asien verschlingt uns. Wohin man blickt : tatarische Gesichter… Es focht ihn [Settembrini] nicht an, dass Naphta ihn ins Chinesische heimschicken wollte, wo die skurrilste Vergötterung des Abc herrsche, die je erreicht worden sei, und wo man Generalfeldmarschall werde, wenn man alle vierzigtausend Wortzeichen tuschen könne, was recht nach dem Herzen eines Humanisten sein müsse. [Siehe 1912 Otto Julius Bierbaum zum Gedächtnis].

Ingrid Schuster : Thomas Mann setzt sich mit der Lehre vom Nicht-Handeln auseinander. Die Zukunft lässt er im Ungewissen. Ost oder West ? Das bedeutet auch : chinesische Philosophie des Nicht-Handelns oder abendländische Aktivität ? Pazifismus oder Patriotismus ?

Christiane Gabriel : Settembrinis wiederholte Mahnungen machen deutlich, auf welch komplizierte Art das Bild des Ostens mit der Werkstruktur verwoben ist. Seine Interpretation, die alle Bedrohung dem Geist des Ostens zuschreibt, wird durch den Gang des Romans zugleich eingeschränkt und bestätigt.
  • Document: Schuster, Ingrid. China und Japan in der deutschen Literatur 1890-1925. (Bern : Francke, 1977). S. 178. (Schu4, Publication)
  • Document: Gabriel, Christiane. Heimat der Seele : Osten, Orient und Asien bei Thomas Mann. (Rheinbach-Merzbach : CMZ-Verlag, 1990). (Bonner Untersuchungen zur Vergleichenden Literaturwissenschaft ; Bd. 6). S. 118. (Gab, Publication)
  • Person: Mann, Thomas
5 1933 Thomas Mann vergisst am Tag der Abreise nach Holland auf dem Nachttisch den chinesischer Roman Der Traum der roten Kammer übersetzt von Franz Kuhn [ID D4244].
6 1933 Thomas Mann schreibt in seine Tagebuch : In den Sprüchen Laotse’s gelesen. Es könnte die Übersetzung von Klabund sein [ID D12698].
7 1935 Thomas Mann notiert im Tagebuch : Sehr gut die chinesischen Novellen der [Pearl] Buck, in denen ich las. Am nächsten Tag setzt er die Lektüre fort und schreibt, dass er jenen grossen chinesischen Roman wiederzubeschaffen versucht, den er 1933 in München auf seinen Nachttisch liegen liess. Es betrifft Der Traum der roten Kammer übersetzt von Franz Kuhn [ID D4244].
8 1936 Vincenz Hundhausen, der mit einer Truppe chinesischer Schauspieler aus Beijing Zürich besucht, trifft Thomas Mann in Küsnacht.
9 1936 Thomas Mann liest im Schlafwagen Wien-Zürich den „bei Fischer erschienenen chinesischen Roman, der mich amüsierte, ohne mich auf die Dauer zu fesseln“. Es handelt sich vermutlich um den chinesischen Roman Dschung Kue : oder die Bezwinger der Teufel [ID D14741], der einzige chinesische Roman der bis 1936 im Fischer-Verlag erschienen ist und der Titel wird im Kommentar zum Tagebuch-Band 1935-1936 erwähnt.
10 1939 Mann, Thomas. Lotte in Weimar. (Stockholm : Bermann-Fischer, 1939).
Mann schreibt 1936 im 8. Kapitel : Goethes Erwähnung des Globus in der Grossherzoglichen Bibliothek, der in manchmal frappanten Inschriften knappe Charakteristiken der unterschiedlichen Erdenbewohner gebe, wo es denn über Deutschland heisse : ‚Die Deutschen sind ein Volk, welches eine grosse Ähnlichkeit mit den Chinesen aufweist’. Ob das nicht sehr drollig sei und sein Zutreffendes habe, wenn man sich der Titelfreude der Deutschen und ihres eingefleischten Respects vor der Gelehrsamkeit erinnere. Freilich bleibe solchen völkerpsychologischen Aperçus immer etwas Beliebiges, und der Vergleich passe ebenso gut oder besser auf die Franzosen, deren culturelle Selbstgenügsamkeit und mandarinenhaft rigoroses Prüfungswesen sehr stark ins Chinesische schlügen. Ausserdem seien sie Demokraten und auch hierin den Chinesen verwandt, wenn sie sie in der Radicalität demokratischer Gesinnung auch nicht erreichten. Die Landsleute des Confucius nämlich hätten das Wort geprägt : „Der grosse Mann ist ein öffentliches Unglück“.

Günther Debon : Thomas Mann hat folgende Passage in : Bertram, Ernst. Nietzsche : Versuch einer Mythologie. (Berlin : Bondi, 1918) angestrichen :
Im Grunde haben alle Civilisationen jene tiefe Angst vor dem „grossen Menschen“, welche allein die Chinesen sich eingestanden haben, mit dem Sprichwort : „der grosse Mensch ist ein öffentliches Unglück“. Im Grunde sind alle Institutionen darauf hin eingerichtet, dass er so selten als möglich entsteht und unter so ungünstigen Bedingungen, als nur möglich ist, heranwächst : was Wunder ! Die Kleinen haben für sich, für die Kleinen gesorgt !.
Die Hofrätin aus Hannover, mit einem Blick auf ihren Gastgeber, denkt anders : „Die Chinesen haben recht“. Aber schon auf der Heimfahrt nimmt sie das Urteil zurück : „Er ist gross, und ihr seid gut. Aber ich bin auch gut, so recht von Herzen gut und will es sein. Denn nur gute Menschen wissen die Grösse zu schätzen. Die Chinesen, wie sie da hüpfen und zirpen unter ihren Glockendächern, sind alberne, böse Menschen“.
11 1939 Thomas Mann ist Gast bei Agnes E. Meyer und ihrem Gatten auf dem Landsitz Mount Kisco bei New York. Frau Meyer liest aus ihrem „Buch über China“. Dieses Buch könnte Meyer, Agnes Elizabeth. Chinese painting as reflected in the thought and art of Li Lung-mien, 1070-1106 sein. [ID D14735].
12 1940 Thomas Mann beginnt auf der Fahrt von Princeton nach Delaware mit der Lektüre eines nicht weiter bezeichneten chinesischen Romans. Er schreibt in sein Tagebuch : Schwer erträgliches Diktions-Clichee…. Einige Tage später liest er „liegend Erotik in dem chinesischen Roman“. Dann heisst es : Vorm Einschlafen in dem chinesischen Roman, dessen deutscher Vortrag grässlich, aber interessante Sittenschilderung. Noch zweimal wird der Roman erwähnt, aber „wegen entsetzlicher Stillosigkeit der Übersetzung“ aufgegeben.
Die Worte Erotik und Sittenschilderung deuten darauf hin, dass es sich um Der Traum der roten Kammer von Franz Kuhn [ID D1014] handelt. Das Buch hat Thomas Mann 1936 von Erich von Kahler als Geschenk bekommen.
13 1942 Thomas Mann schreibt in sein Tagebuch : Las in dem Oprecht-Büchlein ‚Chinesische Lyrik’ von Charlot Strasser mit Erstaunen. [Strasser, Charlot. Das Drachenpferd ID D14457].
14 1944 Thomas Mann schreibt über einen Brief von Agnes E. Meyer in sein Tagebuch : Konfutse und die Demokratie. Laotse würde sich nur in Deutschland und Russland zu Hause fühlen. Der Gegensatz auf europäisch : Aristoteles und Plato. Sie wolle nachweisen, dass ich die Brücke zwischen ihnen sei.
15 1947 Thomas Mann schreibt in einem Brief an Maximilian Brantl : Der grosse Mann ist ein öffentliches Unglück“, sagen die Chinesen. Besonders der deutsche grosse Mann ist das… Ich kann Nietzschen nicht böse sein, weil er „mir meine Deutschen verdorben hat“. Wenn sie so dumm waren, auf seinen Diabolismus hineinzufallen, so ist das ihre Sache, und wenn sie ihre grossen Männer nicht vertragen können, so sollen sie keine mehr hervorbringen.

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)