HomeChronology EntriesDocumentsPeopleLogin

Chronology Entry

Year

1827

Text

Johann Wolfgang von Goethe im Gespräch mit Johann Peter Eckermann :

Gespräch über Hao qiu zhuan :
Goethe zu Eckermann : In diesen Tagen, seit ich Sie nicht gesehen, habe ich vieles und mancherlei gelesen, besonders auch einen chinesischen Roman, der mich noch beschäftiget und der mir im hohen Grade merkwürdig erscheint.“ Eckermann fragt : „Chinesischen Roman, der muss wohl sehr fremdartig aussehen“. Goethe anwortet : Die Menschen denken, handeln und empfinden fast ebenso wie wir und man fühlt sich sehr bald als ihres Gleichen, nur dass bei ihnen alles klarer, reinlicher und sittlicher zugeht. Es ist bei ihnen alles verständig, bürgerlich, ohne grosse Leidenschaft und poetischen Schwung, und hat dadurch viele Ähnlichkeit mit meinem Hermann und Dorothea, sowie mit den englischen Romanen des Richardson. Es unterscheidet sich aber wieder dadurch, dass bei ihnen die äussere Natur neben den menschlichen Figuren immer mitlebt. Die Goldfische in den Teichen hört man immer plätschern, die Vögel auf den Zweigen singen immerfort, der Tag ist immer heiter und sonnig, die Nacht immer klar ; vom Mond ist viel die Rede, allein er verändert die Landschaft nicht, sein Schein ist so helle gedacht wie der Tag selber. Und das Innere der Häuser so nett und zierlich wie ihre Bilder.

Eckermann fragt, ob der chinesische Roman einer der vorzüglichsten sei. Goethe antwortet : Keineswegs, die Chinesen haben deren zu Tausenden und hatten ihrer schon, als unsere Vorfahren noch in den Wäldern lebten.

Christine Wagner-Dittmar : In Goethes Gespräch mit Eckermann über die chinesischen Romane, schliesst sich eine Betrachtung über den Charakter der Weltliteratur an, ein Begriff, den Goethe selbst prägte und der ihn in den letzten Jahren seines Lebens in Briefen, Gesprächen und Schriften beschäftigt… Dieser Begriff der Weltliteratur wird auch in Goethes Auseinandersetzung mit China wirksam : In dem Bemühen, den politischen, sozialen und kulturellen Zustand Chinas kennenzulernen. In der Aneignung wesentlicher Merkmale chinesischer Lyrik und in der künstlerischen Möglichkeit, jene Merkmale zur Entwicklung seines eigenen Dichtens wieder aufzunehmen.

Goethe zu Eckermann : Durch die strenge Mässigung in allem hat sich denn auch das chinesische Reich seit Jahrtausenden erhalten und wird dadurch ferner bestehen.

Goethe zu Eckermann : Ich sehe immer mehr, dass die Poesie ein Gemeingut der Menschheit ist, National-Literatur will jetzt nicht viel sagen, die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit, und jeder muss jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen.

Eckermann schreibt : Mit welch feinem Gespür für die verbindenden, ja sogar gemeinsamen Momente und Elemente, die für ihn [Goethe] zwischen der chinesischen und europäischen Literatur bestanden.

Mentioned People (2)

Eckermann, Johann Peter  (Winsen, Luhe 1792-1854 Weimar) : Dichter, Freund von Goethe

Goethe, Johann Wolfgang von  (Frankfurt a.M. 1749-1832 Weimar) : Schriftsteller, Dichter, Dramatiker

Subjects

Literature : China : Prose / Literature : Occident : China as Topic / Periods : China : Qing (1644-1911)

Documents (5)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1923 Reichwein, Adolf. China und Europa : geistige und künstlerische Beziehungen im 18. Jahrhundert. Mit 26 Abbildungen. Berlin : Oesterheld & Co., 1923). Diss. Univ. Marburg, 1923.
=
Reichwein, Adolf. China and Europe : intellectual and artistic contacts in the 18th century. Transl. by J.C. Powell. (London : Routledge & Paul, 1968).
Publication / Reich
2 1933 Chen, Chuan. Die chinesische schöne Literatur im deutschen Schrifttum. (Kiel : Christian-Albrecht-Universität, 1933). Diss. Christian-Albrecht-Univ. Kiel, 1933. = Zhong de wen xue yan jiu. (Shanghai : Shang wu yin shu guan, 1936). Publication / Che2
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
3 1971 Wagner-Dittmar, Christine. Goethe und die chinesische Literatur. In : Studien zu Goethes Alterswerken. Hrsg. von Erich Trunz. (Frankfurt a.M. : Atenhäum Verlag, 1971). (Goethezeit ; Bd. 2). S. 182, 183. Publication / Wag1
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Goethe, Johann Wolfgang von
  • Person: Wagner-Dittmar, Christine
4 1976 Eckermann, Johann Peter. Gespräche mit Goethe. Hrsg. von Ernst Beutler. (Zürich : Artemis, 1976). Publication / Eck1
  • Cited by: Zentralbibliothek Zürich (ZB, Organisation)
5 1990 Berger, Willy Richard. China-Bild und China-Mode im Europa der Aufklärung. (Köln ; Wien : Böhlau, 1990). Publication / Berg
  • Source: Vondel, Joost van den. J. v. Vondels Zungchin of Ondergang der Sineesche heerschappye : treurspel. (Amsterdam : Voor de weduwe van Abraham de Wees, 1667). [Drama über die Eroberung Pekings durch die Mandschu-Rebellen, den gescheiterten Fluchtversuch des besiegten Ming-Kaisers und seinen Selbstmorde]. (Vond1, Publication)
  • Source: Regnard, Jean François. Les Chinois : comédie en 5 actes : représentée pour la première fois par les Comédiens italiens du Roy dans leur Hostel de Bourgogne, le 13 de Decembre 1692. ([S.l. : s.n., 1700). [Erstaufführung Hôtel de Bourgogne, 1692 vor höfischem Publikum mit Pagoden]. (Reg1, Publication)
  • Source: Bouvet, Joachim. L'estat present de la Chine, en figures dedié à Monseigneur le Duc à Madame la Duchesse de Bourgogne. (Paris 1697). (Bouv1, Publication)
  • Source: Rameau, Jean-Philippe. Les Indes galantes : ballet heroique. (Paris : Ballard, 1735). [Aufführung mit chinesischen Kostümen]. (RamJ1, Publication)
  • Source: Hurd, Richard. A discourse concerning poetical imitation. In : Flaccus, Quintus Horatius [Horaz]. Q. Horatii Flacci epistola ad Augustum. With an English commentary and notes. To which is added, a discourse concerning poetical imitation. By the author of the Commentary, &c. on the epistle to the Pisos. (London : Printed for W. Whurlbourn in Cambridge and sold by R. Dodsley in Pall-Mall, 1751). [Enthält Eintragungen über Zhao shi gu er von Ji Junxiang, die erste literarkritische Auseinandersetzung eines Europäers mit einem Stück chinesischer Dichtung]. (Hurd1, Publication)
  • Source: Hau kiou choaan ; or, the pleasing history : a translation from the Chinese ; to which are added I. The arguments or story of a Chinese play. II. A collection of Chinese proverbs, and III. Fragments of Chinese poetry. In four volumes, with notes. Translated by James Wilkinson, an East India merchant ; edited by Thomas Percy. Vol. 1-4. (London : R. & J. Dodsley, 1761). Übersetzung von Mingjiaozhongren. Hao qiu zhuan = Xia yi feng yue zhuan (ca. 1683). 好逑传
    http://books.google.com/books?id=7V8iAAAAMAAJ&printsec=frontcover&hl=
    de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false.
    [Vol
    . 1 fehlt]. (Hau1, Publication)
  • Source: Gozzi, Carlo. Turandot, principessa chinese : fabia tragica. ([S.l. : s.n.], 1762). [Gozzi, Carlo. Opere. Tomo 1-9. Venezia : Colombani, 1772-1787). T. 1 enthält La Turandot]. Der Stoff des Stückes stammt aus dem Persischen und ist die Heldin einer Erzählung aus der Märchensammlung 1001 Nacht. Die Handlung spielt am Kaiserhof in Beijing. Gozzi hat auf typische Märcheneffekte verzichtet, alles spielt in natürlichen menschlichen Verhältnissen und das phantastische Element ist allein durch das ferne Fabelreich China verbürgt. (Schi39, Publication)
  • Source: Unzer, Ludwig August. Über die chinesischen Gärten : eine Abhandlung. ([Lemgo : Meyer], 1773). (Unz2, Publication)
  • Source: Lichtenberg, Georg Christoph. Von den Kriegs- und Fast-Schulen der Schinesen, nebst einigen andern Neuigkeiten von daher. In : Göttinger Taschen Calender für 1796. (Lich1, Publication)
  • Source: Quinault, Philippe. Roland : tragédie lyrique mise en trois actes, avec quelques changemens. Musique de [Niccolò] Piccini. (Paris : Aux dépens de l'Académie, 1778). [Mit chinesischen Balletten in den Zwischenakten]. (Quin1, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)