# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1986 |
Krüger, Michael. Warum Peking ? [ID D15088]. Qixuan Heuser : Seit dem Empfang am Flughafen lässt sich der chinesische Betreuer des Ich-Erzählers nicht mehr blicken. Im Hotelzimmer wartet er verzweifelt, wird aber von der chinesischen Akademie für den Konfuzius-Kongress öffentlich für krank erklärt und von einem chinesischen Arzt behandelt. Die ärztliche Untersuchung erweist sich als eine politische Umerziehung auf chinesische Art. Als der Kongress zu Ende ist, fliegt er nach Deutschland zurück, ohne daran teilgenommen zu haben. Im Zusammenhang mit dem Kongress hat der Ich-Erzähler ein negatives China-Bild dargestellt. Die Chinesen sind hinterlistig, sie geben ihm keine Erklärung für den Mangel der Gastfreundschaft und halten ihn durch Manipulationen vom Kongress fern. Die chinesische Akademie ist fragwürdig, die chinesische Presse unzuverlässig und verbreitet Lügen, was den Bericht über den Kongress betrifft. China steht noch unter ideologischer Macht – das lässt sich am Verschwinden des Manuskriptes des Ich-Erzählers und an der Diagnose des chinesischen Arztes erkennen. Seine bitteren Erfahrungen und sein schlechter Seelenzustand führen zu Feindlichkeit gegenüber den Chinesen. Sowohl die eigenen Bekenntnisse als auch die Zitate aus den chinesischen philosophischen Büchern sprechen dafür, dass sich der Ich-Erzähler für das alte geistige China interessiert hatte. Das Buch I-ging [Yi jing], das ihm sonst als Lebenshilfe gedient hat, vermisst er : "Ich sehne mich plötzlich nach meiner schönen alten Ausgabe des I-ging, die mir schon manches Mal in hoffnungsferner Zeit ein Licht gesteckt hat, wenn Zaudern meines Lebens einziger Antrieb war". Er hatte auch eine Vorliebe für Lao Tse [Laozi] : "Konfuzius nein, Lao Tse ja". Zu seiner Verbindung zu Konfuzius äussert er sich : „meine einzige Verbindung zu Konfuzius… bestand allein darin, dass ich in unserer Werkzeitung… einen Aufsatz über Konfuzius veröffentlicht hatte – nicht viel mehr als eine Marginalie, die im wesentlichen in der Ausschmückung eines Lexikonartikels bestand“. Von seiner tieferen Beziehung zu Laozi zeugen seine Kenntnisse des Dao de jing, aus dem er direkt und indirekt zitiert : "Unsterblich ist der tiefe Geist des Tals, der dunkle Mutterschoss sei er benannt, und dieses dunklen Mutterschosses Pforte – genannt wird sie die Wurzel des Alls, sich hinschlingend durch alles, allgegenwärtig wirkt sie und wirkt doch mühelos". "von der zahllosen Vielfalt der Dinge wird jede zurückfinden zur Wurzel, zurückfinden zur Wurzel ein jedes und doch nichts wissen davon". "Frag nicht nach ihren Namen, erkunde nicht ihre Daseinsweise, und die Dinge werden von selbst gedeihen". "Wer weiss, spricht nicht, wer spricht, weiss nicht". "Das Tao als das Unendliche, das das Flüchtige ist, das Flüchtige, das das Vergängliche ist, und das Vergängliche, das die Rückkehr ist". "Schwaches überwindet das Starke, Weiches überwindet das Harte“. "denn so ist der Weise – tut und verlangt nichts für sich, nimmt nicht für sich, was er vollbracht, und will nicht gepriesen sein, wie es bei den Klassikern heisst". "Klein sei das Land, das Volk gering an Zahl, so viele Werkzeuge es gibt, gebraucht sie nicht ! Lehrt das Volk den Tod scheuen und weites Wandern meiden ! Gibt es auch Boote und Wagen, man besteige sie nicht, gibt es auch Harnisch und Waffen, man hole sie nicht hervor, das Schreiben schafft ab. Lehrt die Menschen wieder Knoten knüpfen, die Speise sei ihnen süss, die Kleidung schön, die Hütten bequem, die Sitten fröhlich. Die Nachbarstaaten liegen dicht beisammen, man hört die Hühner gackern, die Hunde bellen, und doch verkehrt man bis zum Tode mit seinen Nachbarn nicht". Konfuzius ist mit einem Zitat aus dem Lun yu vertreten : "Ein Amt abschlagen, heisst es sinngemäss bei Konfuzius, heisst seine Pflicht vergessen. Wer nur seine persönliche Unschuld und Reinheit bewahren will, der lässt Unordnung in den menschlichen Beziehungen zu. Der gebildete, hochstehende Mensch übernimmt öffentliche Ämter und verwaltet sie pflichtgemäss". Adrian Hsia : China wird zu einer unheimlichen Kraft stilisiert, in der der Autor seine China-Begegnung durch esoterische Lektüre aller Art seit der Studenten-Revolte verarbeitet. 1985 war er zum ersten Mal in Beijing, ein Jahr danach erschien seine Erzählung, in der Beijing als Labyrinth erscheint, dessen Zentrum die fiktive Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften ist. Von dieser Akademie ist der Ich-Erzähler zu der ersten Konfuzius-Konferenz Chinas eingeladen um sein Land mit einem Vortrag zu vertreten. Er fertigt ein Referat an, in dem er für die Rückeinführung des Buddhismus in China plädiert, damit China nicht in die Arme des Westens falle, was seinen politischen Standort verrät. Dieses Referat verschwindet auf mysteriöse, d.h. chinesische Weise auf dem Weg vom Flughafen Beijings zum Hotel. Von Anfang an, glaubt er, dass die Chinesen ihn bespitzeln… Er erfährt, das der Titel seines Vortrages „Konfuzianismus und das Christentum“ lautet… Krüger hat in seinen Berliner Tagen vieles über das esoterische China gelesen. Nach wie vor gilt sein Interesse eher dem Buddhismus, Taoismus und Yi jing, nicht aber dem Konfuzianismus… Krüger schreibt bewusst ein Buch der „Chineseleien“, um seine „Chineseleien“ und die seiner Generation zu entlarven und somit zu erledigen. Gao Yunfei : Krüger beginnt seine Geschichte mit einem Zitat von Konfuzius : Konfuzius ging einmal nach Ch’u. Unterwegs traf er in einem Wald einen Buckligen, der mit Vogelleim Zikaden fing, und zwar so geschickt, als ob er von der Erde etwas aufheben würde. Konfuzius sagte zu ihm : Wie geschickt bist du doch ! Gibt es dazu einen Weg ? Da entgegnete der Bucklige : Es gibt für mich einen Weg. Im Mai und Juni übt man mit zwei Vogelleimkügelchen, auf eine Rute aufgetragen. Und wenn man so weit kommt, dass kein Vogelleimkügelchen herunterfällt, dann misslingt der Zikadenfang nur selten. Wenn die Übung mit drei Kügelchen aus Vogelleim klappt, dann kann man so werden wie ich, als ob man nur etwas von der Erde aufheben würde. Wenn ich mich zum Fangen vorbereite, dann sehe ich aus wie ein dürrer Baumast. So gross und weit der Himmel und die Erde auch sein mögen, in meinen Sinnen sind nur die Zikadenflügel. Ich drehe mich nicht, ich blicke nicht seitwärts, in diesem interesselosen Zustand gibt es nichts, das man nicht erreichen könnte. – Da wandte sich der Meister an seine Jünger und sagte : Man sagt, mit voller ungeteilter Konfzentration wird man fast göttlich. Damit ist wahrscheinlich dieser alte Bucklige gemeint. Der Ich-Erzähler kommt nach Beijing, um die eigene Vergangenheit zu bewältigen und mit der "Chinainflation" im Westen abzurechnen. In China muss er erleben, dass ihn der Taoismus nicht aus seiner Not retten kann. Er verschliesst sich in Beijing in sein Hotelzimmer und beschäftigt sich statt mit der fremden Wirklichkeit mit seinen grotesken Gedanken und Phantasien.. Seine Unfähigkeit zur Wahrnehmung seiner neuen Umgebung zeigt sich in seiner Interaktion mit anderen. Die amerikanische Archäologin Gwendolyn ist die einzige Figur, die ihn von Anfang an begleitet. Gleichgültig was sie unternimmt, sie bleibt in seinen Augen eine Spionin der chinesischen Seite… Aus seiner Beziehung zu einer früheren Lebensgefährtin ist auch nichts geworden. Auch die Erinnerung an sie kann dem Erzähler nicht aus der jetzigen Situation heraushelfen. Seine Verschlossenheit und Kommunikationsunfähigkeit existierte schon vor seiner Chinareise. Da er nicht am Leben von anderen teilnehmen kann oder will, wird seine Existenz in der Gesellschaft bedroht. Mitte der 1970er Jahre kam er zum ersten Mal durch ein Mädchen mit dem Tao in Berührung. Das Mädchen und das Tao werden von Krüger von Anfang an ironisch dargestellt, denn ihr reales Menschsein, ihre menschliche Lebensfähigkeit werden von Anfang an in Frage gestellt. Das Mädchen verschwand plötzlich und hinterliess einen Zettel "Frag nicht nach ihrem Namen, erkunde nicht ihre Daseinsweise, und die Dinge werden von selbst gedeihen". Als sich die Polizei nach dem Mädchen erkundigt, antwortet der Erzähler : "Wer weiss, spricht nicht, wer spricht, weiss nicht". Der Erzähler erklärt Professor Muller wortreich die Soziallehre des Taoismus, doch dieser ist eingeschlafen. Das taoistische "Wuwei", als Nicht-Tun oder Nicht-Handeln erfährt er in eigener Erfahrung in Beijing : "Da es aber in China für mich nichts zu tun gab, musste ich befürchten, bald wieder der Gleichgültigkeit mit all ihren unbegreiflichen Nebenzweigen zu erliegen". China ist ihm nicht gleichgültig, er fühlt sich mit "seinem" China verbunden und verteidigt es bei jeder Gelegenheit. Er sorgt dafür, dass das "wahre Chinesische" nicht vom Westen verdorben wird. Eine zweite Möglichkeit zur Rettung des Chinesischen sieht er in der Wiedererstarkung des Buddhismus, und plädiert dafür, damit China nicht in die Arme des Westens falle : "Sie [die Chinesen] hatten Kultur, aber keinen Begriff für Kultur, und wenn es so weitergeht, haben sie bald einen Begriff von Kultur, aber keine Kultur mehr". Bodo Plachta : Odyssee eines Kongressteilnehmers zwischen Flugplatz, Hotel und deutscher Botschaft in Beijing, ohne dass er sein Reiseziel, die Teilnahme an einem Konfuzius-Kongress erreicht. Er meint : "Überdies verbot sich eine novellistische Behandlung meines Lebens in Peking ja schon deshalb von selber, weil ich genaugenommen ausser einem Blick aus dem Fenster nichts von Peking gesehen hatte, was einer ausschmückenden Beschreibung wert gewesen wäre, und auch die Fahrt durch die nächtliche Hauptstadt hätte bestenfalls für ein paar beiläufige Bemerkungen zur Illustration des atmosphärischen Hintergrunds getaugt". Krügers Erzählung dokumentiert die Stationen einer Flucht, deren Ungewolltheit vom Ich-Erzähler zwar mehrfach beteuert wird, deren Inszenierung aber unter einer von Obsessionen und Wahnvorstellungen zusammenbrechende Dramaturgie zur banalen Parodie auf vergleichbare literarische Vorwürfe zu verkommen droht. Der eigentliche Anlass der Reise, die Einladung der chinesischen Akademie zu einem Vortrag auf einem internationalen Konfuzius-Kongress, setzt einen Prozess von tatsächlichen und phantasierten Ereignissen und Verwicklungen in Gang, der anfangs noch eine Lösung aus den heimatlichen sozialen Bindungen verspricht. Die läuternde Wirkung der Ferne aber wird überschätzt, im Endeffekt werden die sozialen und kommunikativen Defizite des Ich-Erzählers noch vergrössert, er selbst mehr und mehr isoliert, so dass er seine Umgebung schliesslich als "Folterkrammer" und "Zwinger" wahrnimmt… In der Erzählung werden nur zwei genau lokalisierbare Örtlichkeiten erwähnt, die exemplarisch das landläufige China-Bild repräsentieren : zum einen der Platz des Himmlischen Friedens in Peking mit Fahrradgewirr, Lampenmasten und Lautsprecherkränzen, bunten Fahnen sowie dem Bild Mao Zedongs am Eingangstor zur Verbotenen Stadt, und zum anderen die Gräber der Ming-Dynastie. Dieses kulissenhafte China-Bild setzt sich fort in den ebenso plakativen Gegenüberstellungen vom "modernen China" und dem "wahren China"… Die Pekinger Erlebnisse werden durch ein Tagebuch und durch Notizbücher dokumentiert : "Es lag ein Nachmittag hinter mir, dessen letztes Drittel ich darauf verwendet hatte, all die chinesischen Ungereimtheiten in meinem Tagebuch, alle offenen, später zu klärenden Fragen in das grüne, alle theoretischen Exkurs in das schwarze Notizbuch einzutragen… während das Tagbuch dazu herhalten musste, einen schematischen Grundriss der Ereignisse in Peking in zeitlicher Folge aufzunehmen, der es mir später einmal ermöglichen sollte, die Dinge aus meiner Sicht zu rekonstruieren, falls dies – etwa vor Gericht – gewünscht würde". |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 1986 | Krüger, Michael. Warum Peking ? : eine chinesische Geschichte. (Berlin : K. Wagenbach, 1986). | Publication / Krü1 |
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# | Year | Bibliographical Data | Type / Abbreviation | Linked Data |
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1 | 1997 | Gao, Yunfei. China und Europa im deutschen Roman der 80er Jahre : das Fremde, das Eigene in der Interaktion : über den literarischen Begriff des Fremden am Beispiel des Chinabildes von Adolf Muschg, Michael Krüger, Gertrud Leutenegger und Hermann Kinder. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1997). (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 1593). | Publication / Gao1 |