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“Stefan Zweig in China” (Publication, 2000)

Year

2000

Text

Zhang, Yushu. Stefan Zweig in China. In : East-West dialogue ; vol. 4, no 2-vol. 5, no 1 (2000). (Zwe78)

Type

Publication

Mentioned People (1)

Zweig, Stefan  (Wien 1881-1942 Petrópolis bei Rio de Janeiro, Selbstmord) : Schriftsteller

Subjects

Literature : Occident : Austria / References / Sources

Chronology Entries (2)

# Year Text Linked Data
1 1957 Zweig, Stefan. Yi ge nü ren de 24 xiao shi [ID D13874]. [Vierundzwanzig Studen aus dem Leben einer Frau].
Zhang Yushu : In den 1950er Jahren wurden fast nur literarische Werke aus der Deutschen Demokratischen Republik übersetzt. Die Menschen in der DDR wurden in ihrer Literatur dargestellt wie Figuren auf einem Schachbrett, die nur dazu da sind, um eine ideologische Wahrheit zu beweisen, daher wirkten die Menschen wie Schatten oder Marionetten, ohn Blut und Fleisch, ohne eigenen Willen. Solche schablonenhaften, nach Etiketten geformten Helden, die aus lauter politischen Begriffen bestehen, können nicht Mitleid und Furcht erregen.
Die ausserordentliche Liebesgeschichte zwischen einer bürgerlichen Frau und einem adligen Spieler, der Selbstmord begeht, ist ein Motiv, das weder in der sozialistischen Literatur in China noch in der DDR-Literatur je behandelt wurde. Den Chinesen liegen diese bürgerlichen Gestalten wegen ihrer menschlichen Gefühlsregungen trotz ihrer Klassenherkunft viel näher als alle Helden, die zwar besungen werden mussten aber so unerreichbar hoch standen, so dass sie mehr wie revolutionäre Titanen der modernen Zeit auf uns herabschauen als mit uns das Schicksal teilen. Diese Frau ist ein normaler Mensch, hilfsbereit, gutherzig, mit edelmütigen Gefühlen und menschlichen Schwächen, ein Mensch wie wir alle. Diese Novelle ist so verschieden von der orthodoxen Vorstellung von der Literatur und deren erzieherischen Funktion, dass die linientreuen Literaturkritiker frustriert und verwirrt, die chinesischen Leser aber davon angetan waren.
2 1979 Zweig, Stefan. Vier Erzählungen [ID D14136].
Zweig, Stefan. Schachnovelle.
Zhang Yushu : Die Veröffentlichung der Schachnovelle kurz nach der Kulturrevolution hat grosses Aufsehen in China erregt und die Nachfrage nach seinen Werken ist gross.
Schon in den fünfziger Jahren haben die chinesischen Leser durch die Romane von Willi Bredel und Anna Seghers die Greueltaten der Gestapo kennengelernt, in deren Schilderungen es sich mehr um physische Folterungen handelt. Da die meisten Helden aus "besonderem Material" gemacht worden sind, wie Stalin einmal auf einem Parteitag der KPDSU gepredigt hat, so ließen sie sich nicht einschüchtern und konnten auch unerträgliche Schmerzen ertragen und trotz aller Mißhandlungen und Folterungen standhaft bleiben. Viele schablonenhafte Schilderungen und formalistische Figuren, von denen wir schon längst die Nase voll hatten. Da zeigte uns Stefan Zweig in seiner "Schachnovelle" etwas anderes.
Diese Novelle unterscheidet sich von den übrigen antifaschistischen Erzählungen dadurch, dass es sich darin hauptsächlich um die seelischen Folterungen des Menschen handelt. Er ist nicht an der Oberfläche stehen geblieben, sondern in die Seele der Menschen eingedrungen. Für die sensiblen Menschen, für die Intellektuellen sind die geistigen Qualen noch unerträglicher als die physischen. Ausserdem sind die seelischen Folterungen auch viel raffinierter, sie treffen auch viel mehr leute, die, selbst wenn sie nicht ins Gefängnis geworfen, doch auch den unsichtbaren teuflischen seelischen Misshandlungen ausgesetzt sind. Die chinesischen Leser, die vor ein paar Jahren mehr oder weniger die ähnlichen Qualen erlitten hatten, waren besonders empfänglich für solche Beschreibungen. Es wurde keine Märchenwelt geschildert, es war eine Welt, die vor kurzem noch wie ein Alptraum auf uns drückte. Diese Realitätsnähe und Aktualitätsbezogenheit dieser Novelle hat mitgeholfen, daß sie in China zu einer populären Lektüre geworden ist. Dazu kam noch das tragische Schicksal des Verfassers, der sich im Jahre 1942 mit seiner Frau zusammen im Exil das Leben genommen hat. Mehr hat man in der Zeitung noch nicht zu lesen bekommen. Aber sein Selbstmord ist ja ein Beweis dafür, daß er ein Opfer der faschistischen Verfolgung war und daher das Mitleid der Leser verdienen sollte. Das Schicksal des Autors erinnert viele an das Schicksal derer, die ihnen nah standen und auch Opfer der Kulturrevolution geworden sind. Daraus wird ersichtlich, daß die chinesischen Leser damals unter solchen emotionellen seelischen Voraussetzungen diese Novelle gelesen und den Schriftsteller kennengelernt haben. Das war die erste Begegnung der Chinesen mit Stefan Zweig, nach einer langen Unterbrechung.

Zweig, Stefan. Der Brief einer Unbekannten [ID D14136].
Zhang Yushu : Besonders warm aufgenommen wurde diese Novelle. Dass sie als eine Lieblingslektüre begrüßt wurde, ist aus vielen Gründen zu erklären : Jahrelang wurde Liebe, Gefühlsregung, Zuneigung und Zärtlichkeit in China als bürgerlich oder dekadent abgestempelt und galt als Tabu, als ob die Revolutionäre nur eine Art von Gefühlen kennten, nämlich Klassenhaß und Klassenliebe und proletarischen Revolutionselan.
Man feierte nun die geistige Befreiung der menschlichen Gefühle und fühlte sich von der Heldin dieser Erzählung angezogen, weil sie in vieler Hinsicht dem Frauenideal der Chinesen entspricht. Sie weist wertvolle Wesenszüge auf : Charakterstärke trotz der körperlichen Zartheit, Selbstlosigkeit und absolute Hingabe in der Liebe, aussergewöhnliche Selbstachtung und eine stoische Willenskraft, womit sie alle Demütigungen und Schicksalsschläge im Leben ertragen hat.

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)