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“Verborgener Orientalismus : Kafkas "Vor dem Gesetz"” (Publication, 1994)

Year

1994

Text

Goebel, Rolf J. Verborgener Orientalismus : Kafkas "Vor dem Gesetz". In : Franz Kafka "Vor dem Gesetz" : Aufsätze und Materialien. Hrsg. von Manfred Voigts. (Würzburg : Königshausen & Neumann, 1994). (Kaf104)

Type

Publication

Mentioned People (1)

Kafka, Franz  (Prag 1883-1924 Kierling, Klosterneuburg) : Österreichischer Schriftsteller

Subjects

Literature : Occident : Germany / References / Sources

Chronology Entries (2)

# Year Text Linked Data
1 1912 Dittmar, Julius. Im neuen China [ID D12662].
Meng Weiyan : Die von Dittmar dargestellte chinesische Mauer ist eine in Verfall geratene "grosse Anlage", die keine Funktion hat, weil die Mandschu die Macht des Landes an sich gerissen haben.
Rolf J. Goebel : Obwohl Dittmar um eine jobjektive Schilderung bemüht ist, gelingt es ihm nicht, seine europäischen Vorurteile Asien gegenüber abzulegen. Zudem stellt er unverholen seine deutsch-nationalen Gefühle und seine recht unkritische Bewunderung europäischer Kolonialpolitik zur Schau. Wohl warnt er vor der drohenden Gefahr der Fremdherrschaft in China, aber die deutsche Niederlassung in Qingdao lobt er als eine stattliche Ansiedlung eines grossen volkes, die in wenigen Jahren nocht stattlicher, noch grösser und lebenserfüllter sein wird und die den Völkern Asiens eine Art Anschauungsunterricht geben soll.
  • Document: Meng, Weiyan. Kafka und China. (München : Iudicium, 1986). (Studien Deutsch ; Bd. 4). Diss. Ludwig-Maximilians-Univ. München, 1986. S. 80. (Kaf2, Publication)
  • Person: Dittmar, Julius
2 1915 Kafka, Franz. Vor dem Gesetz. In : Selbstwehr ; 7.9.1915 / In : Vom jüngsten Tag : ein Almanach deutscher Dichtung ; 1915. [Legende aus Der Prozess].
Quellen : Heilmann, Hans. Chinesische Lyrik [ID D11976] und Dittmar, Julius. Im neuen China [ID D12662].
Ernst Weiss schreibt im ‚Berliner Börsen Courier’ (26.4.1925) über den Roman Der Prozess, wobei er Kafkas Parabel Vor dem Gesetz dem Gleichnis von Zuangzi und Konfuzius gleichsetzt.

Lee Joo-dong : Vor einem unbekannten Gesetz steht ein Türhüter. Zu diesem Türhüter kommt ein Mann vom Lande und bittet um Eintritt in das Gesetz. Man kann annehmen, dass das unbekannte Gesetz dem Tao als verborgenem und unerkennbarem Gesetz entspricht. Das Gesetz stellt sich als ein Gebäude, ein Haus oder Tor dar. Auch das Tao erscheint in taoistischen und buddhistischen Texten oft als „Himmels Schatzhaus“, „Haus“, „Tor des Wunderbaren“, „Taotor“, „Tore des Himmels“, „Pforte“ oder „Türe“. Friedrich von Schelling beschreibt das Tao als die Pforte in das wirkliche sein : Tao heisst Pforte, Tao-Lehre, die Lehre von der grossen Pforte in das Sein, von dem Nichtseienden, dem bloss seinkönnenden durch das alles endliche Sein in das wirkliche Sein eingeht. (Schellings Werke, Philosophie der Mythologie 1857).
Der Eintritt oder Nicht-Eintritt in das Gesetz scheint davon abhängig zu sein, ob der Mann vom Lande die Aussage des Türhüters, dass er ihm jetzt den Eintritt nicht gewähren kann, verstehen kann oder nicht, ob er selbst seinen jetzigen existentiellen Zustand der Schuld erkennen kann oder nicht. Alle Verantwortlichkeit für den Eintritt liegt bei ihm selbst. Die Parabel erinnert an den Aphorismus Kafkas der buddhistischen und taoistischen Lehre : „Wer sucht, findet nicht, aber wer nicht sucht, wird gefunden“. Der Mann vom Lande wusste nicht, dass das Gesetz das in seinem Innern schon gegebene Naturgesetz ist, und dass der Weg zu sich selbst gerade den Eintritt in das Gesetz bedeutet. Der Mann scheitert, denn er hat sein Lebensziel nicht in sich selbst gesucht, sondern im Aussen. Bei Kafka wird alles, was dem Menschen von seiner Natur aus nicht gegeben ist, sondern von den Menschen von aussen auferlegt wird, völlig negiert, weil das was man nicht ist, für ihn eine Lüge oder das Böse der Welt ist.

Rolf J. Goebel : Zwar verweist das Werk immer wieder auf die soziale Umwelt Prags, das Judentum, auf politische Machtverhältnisse und Missstände der Zeit, aber Kafka unterminiert zugleich den Referenzcharakter seines Schreibens, indem er Realitätspartikel und kulturelle Diskurse allenfalls aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen, ironisch gebrochen, metaphorisch verfremdet in seine Texte hineinlässt… Kafka beschränkt sich mit der Rezeption von Heilmanns Anthologie nicht nur auf die Charakterisierung der Figuren, sondern schliesst auch poetologische Momente mit ein. Es geht ihm nicht eigentlich um die Aneignung von chinesischen Themen und Gedanken, sondern um ein imaginativ-soziatives Spiel mit einzelnen Signifikanten, die sich von ihren ursprünglichen Signifkanten lösen, und mit Motivfragmenten, die den Kontext weitgehend hinter sich lassen… Dittmar erwähnt drei aufeinander folgende Stadt-Tore, die von chinesischen Soldaten bewacht werden. Diese fragmentarischen Wortbrocken könnten, auch hier von ihrem usrpünglichen Kontext gelöst, Kafka zur Konzeption der aufeinander folgenden schrecklichen Türhüter inspiriert haben…Kafka hat zwar Dittmars Bericht als Fundus fragmentarischer Motive und sprachlicher Signifikanten benutzen können, den ideologischen Orientalismus-Kontext des übernommenen Sprachmaterials als solchen aber unterdrückt.
  • Document: Lee, Joo-dong. Taoistische Weltanschauung im Werke Franz Kafkas. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1985). (Würzburger Hochschulschriften zur neueren deutschen Literaturgeschichte ; 8). Diss. Julius-Maximilians-Univ. zu Würzburg, 1985. S. 121, 250, 256-257, 261, 270, 272. (Lee10, Publication)
  • Person: Kafka, Franz

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)