2007
Web
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1925 |
1925 Brecht, Bertolt. Die höflichen Chinesen. In : Berliner Börsen-Courier (1925) / Brecht, Bertolt. Werke ; Bd. 19. Prosa ; 4 (1925). Quelle : Wilhelm, Richard. Laotse. Tao te king [ID D4445]. Brecht schreibt : Weniger bekannt in unserer Zeit ist es, wie sehr ein der Allgemeinheit geleisteter Dienst der Entschuldigung bedarf. So ehrten die höflichen Chinesen ihren grossen Weisen Laotse [Laozi], mehr als meines Wissens irgend ein andres Volk seinen Lehrer, durch die Erfindung folgender Geschichte. "Laotse hatte von Jugend auf die Chinesen in der Kunst zu leben unterrichtet und verliess als Greis das Land, weil die immer stärker werdende Unvernunft der Leute dem Weisen das Leben erschwerte. Vor die Wahl gestellt, die Unvernunft der Leute zu ertragen oder etwas dagegen zu tun, verliess er das Land. Da trat ihm an der Grenze des Landes ein Zollwächter entgegen und bat ihn, seine Lehren für ihn, den Zollwächter, aufzuschreiben, und Laotse, aus Furcht, unhöflich zu erscheinen, willfahrte ihm. Er schrieb die Erfahrungen seines Lebnes in einem dünnen Buche für den höflichen Zollwächter auf und verliess erst, als es geschrieben war, das Land seiner Geburt". Mit dieser Geschichte entschuldigen die Chinesen das Zustandekommen des Buches Taoteking [Dao de jing], nach dessen Lehren sie bis heute leben. Yim Han-soon : Brecht greift das Klischee – die Chinesen sind höflich – auf, um es jedoch zu konkretisieren. Eine Spannung zwischen Parodie und Anerkennung ist spürbar, überwiegend ist aber die letztere… Was er in seiner Laotse-Geschichte von der Überlieferung übernimmt, ist ein legendäres, aber noch möglich erscheinendes zwischenmenschliches Verhalten von Geben und Nehmen... Es scheint jedoch feststellbar, das Brecht in der Beziehung zwischen dem alten Weisen und dem Zollwächter eine Alternative zur „trostlosen“, „unendlichen Vereinzelung des Menschen“ in der bürgerlichen Welt erblickt… In dem Laotse-Motiv sind folgende Momente angezeigt, die für Brechts Verhältnis zur chinesischen Philosophie allgemein bestimmend und zugleich für sein Denken und Werk relevant sind : Die Auffassung der Philosophie als einer antimetaphysischen Verhaltenslehre ; die chinesische Philosophie als Ausgangs- bzw. Bezugspunkt für die Kritik am klassischen Philosophiebegriff ; die Beziehung zwischen Laotse und dem Zollwächter als Sinnbild für ein produktives Lehrer-Schüler-Verhältnis, das auch in Brechts Traditionsbegriff reflektiert ist ; der historische Hintergrund des alten China als ein Gesellschaftszustand, in dem die Menschen unterdrückt und vertrieben wurden ; inhaltliche und funktionale Gehalte der chinesischen Philosophie als Stoff und Material… Die eigentliche Bedeutung der chinesischen Philosophie hat Brecht in der Laotse-Geschichte ausdrücklich formuliert : Es handelt sich um eine „Kunst zu leben“, eine Lehre des Verhaltens, die in den Alltag des Niederen Volkes einzugreifen vermag. Der chinesische Traditionalismus spielt in Brechts Beziehung zu China eine grosse Rolle. Er spricht nicht nur von der Lehre des Weisen – der Kunst zu leben – sondern auch von der Dauerhaftigkeit und Fortführbarkeit der Lehre : Die Chinesen leben bis heute danach. Die alte Lehre bleibt lebendig, weil sie eine Lebenskunst und eine Lehre der gegenseitigen Anerkennung und Bereicherung ist. Der zweite Themenkomplex in Brechts Denken und Werk ist das Lehrer-Schüler-Verhältnis. Brechts Verhältnis zur chinesischen Philosophie kennzeichnet sich durch die Auffassung der Philosophie als Verhaltenslehre und als Ausgangs- und Bezugspunkt für die Kritik an der klassischen Philosophie. In dieser Ballade hat Brecht das schiefe Verhältnis von Erzähler und Erzähltem zugunsten des letzteren ausgeglichen, indem er vor allem die konkrete Lehre von Laozi an einem Wasserbild vorführt, und zwar gerade in der gewichtigen 5. Strophe. Der Spruch von Laozi selbst, dass das weiche Wasser das harte überwinde, hat in Brechts Version zwei Konditionalen erhalten, die im Original fehlen : 'Mit Bewegung' und 'mit der Zeit'. |
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2 | 1926 |
Brecht, Bertolt. Mann ist Mann : die Verwandlung des Packers Galy Gay in den Militärbaracken von Kilkoa im Jahre 1925 : Lustspiel. (Berlin : Propyläen-Verlag, 1926). [Uraufführung Darmstadt 1926 ; geschrieben 1924-1925]. Liu Weijian : Brecht übernimmt Handlungselemente aus Döblin, Alfred. Die drei Sprünge des Wang-lun [ID D12338]. Das Wuwei als Aufhebung der Individualität kommt deutlich zum Ausdruck. Yim Han-soon : Beweglichkeit und Wandlung sind die zentralen Themen des Dao de jing und des Taoismus, über die Brecht bei der Arbeit an seinem ersten Parabelstück von Anfang an reflektiert haben muss. Das Verwandlungsmotiv des Stücks berührt insofern auch die taoistische Lehre, als behauptet wird, dass alles ständiger Veränderung unterworfen sei und dass im Bild fliessenden Wassers die emanzipatorische Antriebskraft der Unterdrückten versinnbildlicht ist. |