Liang, Qichao. Yin bing shi he ji [ID D20119].
Liang schreibt : "Die Lehren des 18. Jahrhunderts hatten eine aufklärerische Wirkung. Sie erschütterten die existierende Gesellschaft und führten zu neuen Phänomenen [westliche Demokratie], die durch zwei Momente gekennzeichnet sind, nämlich Gleichheit und Freiheit. Ich bon von dieser Lehre sehr angetan. Deswegen habe ich beschlossen, diese grosse Lehre in meinem Heimatland einzuführen, damit unsere Nation das Elend der tausendjährigen Despotie abschüttelt."
"Die zivilisierte Freiheit ist die, welche nur unter Gesetzen möglich ist. Aus der Sicht der Barbaren mag sie Unfreiheit sein. Die wahrhafte Freiheit besteht im Gehorsam dem Gesetz gegenüber. Gesetze werden von uns selbst gegeben. Sie sind dafür da, unsere Freiheit zu schützen. Zugleich bedeuten sie sicherlich eine Einschränkung unserer individuellen Freiheit."
Zhang Junhua : Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts in Europa und Amerika hat dank zahlreicher Übersetzungen und Einführungen in die Werke westlicher Denker, grossen Einfluss auf die chinesischen Intellektuellen. Die Forderung nach Freiheit war eine Selbstverständlichkeit. Vor diesem Hintergrund versuchte Liang Qichao im Bewusstsein seiner aufklärerischen Aufgabe in seinen Essays die Idee der politischen Freiheit zu beleuchten. Die politische Philosophie des 18. Jahrhunderts und die Vorbilder der westlichen, insbesondere der amerikanischen Demokratie dienten ihm als Denk- und Handlungsmodell. Ihn interessierte in erster Linie der Zustand der Freiheit im Sinne einer emanzipatorischen Bewegung, weil Freiheit für ihn ein Gemeingut der Menschheit und deshalb begrifflich nicht diskussionsbedürftig war. Liang zufolge besteht ein grosser Unterschied zwischen dem Westen und China hinsichtlich der Zielsetzung der Freiheitsbestrebung. Das Problem Chinas unterscheidet sich vom westlichen dadurch, dass China kein Land mit starker religiöser Prägung ist. Auch das chinesische Bürgertum ist nicht stark ausgeprägt. Der Klassenkampf, welcher den Kernpunkt der marxistischen Theorie bildet, scheint für ihn in der Geschichte und Gegenwart Chinas ebenfalls irrelevant zu sein. China habe sich hauptsächlich mit der Frage der politischen Partizipation und mit dem Aufbau eines Nationalstaates zu beschäftigen. Die politische Partizipation ist für Liang ein Indiz der Freiheitsrechte. Sie kann nur garantiert werden, wenn eine demokratische Verfassung und entsprechende Gesetze geschaffen werden. Mit der These, dass es zivilisierte und primitive Freiheit gebe, versucht er diese politische Ordnung zu erläutern und die im Westen vorhandene Demokratie als Vorbild für China zu rechtfertigen.
Literature : China
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Periods : China : Qing (1644-1911)
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Periods : China : Republic (1912-1949)