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Year

1869-1908.2

Text

Buddhismus bei Friedrich Nietzsche :
Liu Weijian : Nietzsche hat sich Bücher über Buddhismus aus der Basler Universitätsbibliothek ausgeliehen. So z.B. Die Religion des Buddha von Carl Friedrich Koeppen [ID D12205] und von bedeutendem Einfluss Buddha von Hermann Oldenberg [ID D18109]. Auch in seiner Bibliothek gibt es Bücher über indische Philosophie und Buddhismus. Nietzsche steht der Interpretation des Buddhismus durch Arthur Schopenhauer kritisch gegenüber. Er weist auf die Auffassung von einer müden agnostischen und mystischen Art des Buddhismus hin, die den freien kritischen Geist entkräftigt und den Willen zum Leben schwächt... Er erklärt den Buddhismus als ein Synonym des antidogmatischen Nihilismus und fasst seine geistige Funktion aus der Perspektive des Niedergangs des Christentums auf…
Nietzsche weist auf die Auffassung von einer 'müden' agnostischen und mystischen Art des Buddhismus hin, die den freien kritischen Geist entkräftigt und den Willen zum Leben schwächt. Für ihn ist das Christentum ein Unterdrückungsmittel, den Menschen 'krank zu machen' und seine Raubtier-Natur geistig zu zähmen, zu ‚civilisieren’. Einen solchen, mit dem Christentum vergleichbaren Buddhismus charakterisiert er als 'passivischen Nihilismus, als ein Zeichen der Schwäche : die Kraft des Geistes kann ermüdet, erschöpft sein, so dass die bisherigen Ziele und Werte unangemessen sind und keinen Glauben mehr finden'. Dieser passiven Art begegnet Nietzsche durch eine Interpretation des Buddhismus im Sinne der skeptischen Kraft. Er erklärt den Buddhismus als ein Synonym des antidogmatischen Nihilismus und fasst seine geistige Funktion aus der Perspektive des Niedergangs des Christentums auf. Nietzsches Auffassung dieses ‚nihilistischen’ Buddhismus ist unmittelbar aus dem Hintergrund des Endes der christlichen metaphysischen und Moralischen Welt- und Wertauslegung in Europa zu verstehen : 'Sein Maximum von relativer Kraft erreicht er als gewaltige Kraft der Zerstörung : als aktiver Nihilismus'. Er ist eine geschichtlich notwendige Konsequenz aus der Zeit, wo der konfessionelle Glaube und der krankhafte moralische Zwang zusammenbrechen. Die realitätsfernen metaphysischen Kategorien 'Sinn' und 'Wahrheit', mit denen man ansonsten die Welt interpretiert, werden als Irrtum und Lüge hinfällig. Es gilt jetzt, dass sich der Mensch selbst als religiöses Subjekt betrachtet, im eigenen Lebensfeld neuen Wert sucht und setzt.
Nietzsches Hinweis auf Buddhas Begriff der Kausalität betrifft offensichtlich die buddhistische zwölfgliedrige Kausalitätsformel, die Verkettung von Ursachen und Wirkungen, in der das eine nicht ohne das andere besteht und keine Ursache zum alleinigen Entscheidungsfaktor emporgehoben werden kann. Diese Formel der Abhängigkeit des Entstehens beginnt vorerst mit dem 'Nichtwissen' der Wahrheit über die Entstehung der leidvollen Welt, aus dem der 'Wille zum Leben', die Triebkräfte hervorgehen. Aus diesen kommt dann das 'Bewusstsein', das eine scheinbare Persönlichkeit mit 'Namen und Körperlichkeit' erzeugt. Daraus ergeben sich 'Sechs Sinne', die die gewöhnlichen fünf äusseren Sinne und den sogenannten sechsten Denksinn beinhalten.
Die Gemeinsamkeit von Buddhas Ethik und Nietzsches Übermenschmoral liegt in der Selbsterlösung. So soll sich das Streben des Menschen zum höheren Übermenschentypus auf seine eigene Kraft stützen.
Der Buddhismus ist für Nietzsche keine nihilistische Weltanschauung über die Sinnlosigkeit des Daseins, sondern ein realistischer Weg aus den überlieferten Erklärungsmustern, ein subversives Konzept für das Denken und Handeln, mit dem der Mensch sich selbst als der Seiende aus dem Bann der überkommenen abstrakten Wahrheit herauszieht, die Wirklichkeit als positivistisches Phänomen erfasst und den neuen Sinn durch eigene Kraft schöpft. Eben vor dieser geistesgeschichtlichen Zeitkulisse lässt Alfred Döblins Hinweis auf den Versuch Nietzsches, des 'antichristlichen Advokaten des Teufels ohne Gott', die alte Religion wieder ins Leben zu rufen, als Buddhismus bezogen gewahr werden. Aufgrund eines skeptischen Geistes schlägt für Nietzsche der Buddhismus als 'nihilistisches' Konzept ins Konstruktive um, indem er als Kampfmittel gegen alle abstrakten, lebensfernen Werte fungiert und einen aktiven, diesseitig orientierten Charakter zeigt.
Die gütige Mitempfindung des Buddhismus gegenüber den anderen ist nach Nietzsche zugleich mit dem gesunden selbstliebenden 'Egoismus' angesichts der Erlösung vom Leiden verbunden, was das christliche Dogma mit der scheinheiligen Lobeserhebung des Altruismus und der daraus resultierenden 'geistig-diätetischen' 'Schwächung des Individual-Interesses' übertrifft : Er kämpft nicht ‚gegen die Sünde’, sondern praktisch 'gegen das Leiden' ; er hat im ‚tiefen’ Unterschied zum Christen, ‚die Selbst-Betrügerei der Moral-Begriffe bereits hinter sich. In der Lehre Buddha’s wird der Egoismus Pflicht : das 'Eins ist Noth', das 'Wie kommst du vom Leiden los' reguliert und begrenzt die ganze geistige Diät.

Jügen Offermanns : Es scheint, dass der Buddhismus Nietzsche als Kontrastmittel dient, um die Schwächen des Christentums noch besser hervorheben zu können. Sein Buddhismus ist markant von seinen eigenen philosophischen Ideen geprägt, von seinem verbissenen Hass auf das Christentum und seiner Abneigung gegenüber Kantianischer Moralphilosophie. Für ihn ist der Buddhismus atheistisch und er sieht darin eine antiritualistische und rationalistische Lehre.

Mentioned People (1)

Nietzsche, Friedrich  (Röcken bei Lützen 1844-1900 Weimar) : Philosoph, Klassischer Philologe

Subjects

Philosophy : Europe : Germany

Documents (3)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000 Ostasienrezeption zwischen Klischee und Innovation : zur Begegnung zwischen Ost und West um 1900. Walter Gebhard (Hg.). (München : Iudicium, 2000). S. 89-100, 111. Publication / Geb1
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
2 2002 Offermanns, Jürgen. Der lange Weg des Zen-Buddhismus nach Deutschland : vom 16. Jahrhundert bis Rudolf Otto. (Lund : Religionshistoriska avdelningen, Lunds universitet ; Stockholm : Almqvist & Wiksell, 2002). (Lund studies in history of religions ; vol. 16). S. 207. Publication / Off1
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
3 2003 Luo, Wei. "Fahrten bei geschlossener Tür" : Alfred Döblins Beschäftigung mit China und dem Konfuzianismus. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 2003). (Europäische Hochschulschriften ; Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 1896). Diss. Beijing-Univ., 2003. S. 26-30. Publication / Döb2
  • Source: Dehmel, Richard. Chinesisches Trinklied : nach Li-tai-po. In : Moderner Musen-Almanach auf das Jahr 1893. Hrsg. von Otto Julius Bierbaum. [Li Bo]. (Deh1, Publication)
  • Source: Dehmel, Richard. Die ferne Laute, Der dritte im Bund, Frühlingsrausch : [drei Nachdichtungen von Li-Tai-Pe]. In : Die neue Rundschau ; Jg. 17 (1906). [Li Bo]. (Deh2, Publication)
  • Source: Wilhelm, Richard. Licht aus Osten. In : Genius. Buch 1 (1921). (WilR1, Publication)
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    外国文艺 (Döb6, Publication)
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  • Source: [Döblin, Alfred]. Di san zhe. Cai Maoyou zhu bian. In : Mo sheng nü ren di lai xin. Cai Maoyou zhu bian. (Beijing : Huaxia chu ban she, 1994). (Shi jie hun lian xiao shuo cong shu. Deguo juan). [Übersetzung von Der Dritte. In : Die Ermordung einer Butterblume : ausgewählte Erzählungen 1910-1950. (Olten : Walter, 1962). (Ausgewählte Werke in Einzelbänden). Ehe und Liebe. Darin wird in Form einer Inhaltsangabe Berlin Alexanderplatz erwähnt].
    第三者 / 陌生女人的来信 (Döb10, Publication)
  • Source: Er shi shi ji Ou Mei wen xue shi. Zhang Yushu zhu bian. (Beijing : Beijing da xue chu ban she, 1995). [Europäische und amerikanische Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts]. Darin werden Alfred Döblin einige Seiten gewidmet.
    二十世纪欧美文学史 (Döb12, Publication)
  • Source: Wei, Maoping. Zhongguo dui Deguo wen xue ying xiang shi shu. (Shanghai : Shanghai wai yu jiao yu chu ban she, 1996). [ Geschichte des chinesischen Einflusses auf die deutsche Literatur]. [Erwähnung von Alfred Döblins Roman Die drei Sprünge des Wang-lun].
    中国对德国文学影响史述 (Döb13, Publication)
  • Source: Gao, Zhongfu ; Ning, Ying. 20 shi ji Deguo wen xue shi. (Qingdao : Qingdao chu ban she, 1998). (20 shi ji wai guo guo bie wen xue shi cong shu). [Deutsche Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts]. Darin enthalten ist ein Beitrag über Alfred Döblins frühes Schaffen.
    20世纪德囯文学史 (Döb14, Publication)
  • Source: [Döblin, Alfred]. Bolin Yalishan da guang chang. Debulin zhu ; Luo Wei yi. (Shanghai : Shanghai yi wen, 2003). Übersetzung von Döblin, Alfred. Berlin Alexanderplatz : die Geschichte von Franz Biberkopf. (Berlin : S. Fischer, 1929). Erster von Döblin übersetzter Roman.
    阿德布林著 (Döb15, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Döblin, Alfred
  • Person: Luo, Wei