Brecht, Bertolt. Leben des Konfutse. In : Brecht, Bertolt. Gesammelte Werke. (Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1967). Bd. 7 : Stücke ; 7).
Entstanden 1940-1941 im finnischen Exil.
Quellen : Waley, Arthur. The Analects of Confucius [ID D8879]. Crow, Carl. Master Kung [ID D3398].
Brecht schreibt im Arbeitsjournal : ein stück dürfte sich nicht um die zutaten späterer, zivilisierter zeiten kümmern ; es müsste unbekümmert und frisch das kämpferische und halbbarbarisches des gründers der zivilisation zeigen. es besteht ein unterschied darin, ob der goldene mittelweg begangen oder gebaut wird. und es besteht ein unterschied zwischen einer benehmens- und einer zeremonielehre… ich dachte daran, ein für kinder spielbares stück zu schreiben, und am besten scheint mir Das Leben des Konfutse geeignet. es muss eine bedeutende figur sein, dazu eine, welche eine humoristische darstellung aushält.
Christoph Gellner : Dieses Fragment gebliebene Schulstück für Kinder zeigt, was Brecht an der Konfuzius-Figur interessierte : Die Demonstration des Widerspruchs, dass dieser grosse Verhaltenslehrer in einer weltgeschichtlichen Epoche der Aufklärung so etwas wie eine humanistische Wende im alten China in Gang setzte, dabei jedoch die materiellen Grundlagen des sittlichen Verhaltens unverändert liess. In Brechts Augen mussten seine Reformen zwangsläufig scheitern, weil er die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse der Moral ausser Acht liess und so faktisch, unter dem Deckmantel von Humanität und Volksbildung, der Aufrechterhaltung einer schlechten, ausbeuterischen Herrschaft diente. In Brechts Lehrstück zieht Konfuzius daher am Ende einsam und unverstanden durch das Land, überzeugt, dass sein Leben ein Fehlschlag gewesen sei, während der Konfuzianismus im Dienst der herrschenden Feudalordnung seinen Siegeszug antritt. „Zur Staatsreligion erhoben, geniesst der grosse Lehrer, der zu Lebzeiten nie ein Mann des Establishments gewesen war, jetzt göttliche Ehrungen.“
Yim Han-soon : In diesem Stückprojekt handelt es sich weniger um eine historisch begründete Interpretation der Person und Lehre des Konfuzius als um die künstlerische Gestaltung einer Persönlichkeit von weltgeschichtlichem Format. Brecht hat sich dennoch darum bemüht, sich an den äusseren Verlauf der chinesischen Geschichte und an die persönlichen Daten des Konfuzius zu halten…
War Brecht früher von der Schlichtheit der Lehrgespräche im Lun yu beeindruckt, so scheint er auch jetzt nicht gerade die Benehmenslehre Kungs zu verwerfen, sondern den Zustand, der diese Lehre bloss zu einer Zeremonienlehre werden lässt. Auch der Kampfgeist des Lehrers sollte zur Geltung gebracht werden. Wenn auch im Zweifel an der historischen Authentizität seiner Deutung, wollte Brecht die Komik zum Vorschein bringen, die sich aus der Spannung zwischen dem überholten Ideal des politisch-gesellschaftlich engagierten Philosophen und der im Umbruch begriffenen Realität zwischen dem Ernst und der Wirkungslosigkeit des „Reformators“ ergibt.
Literature : Occident : Germany
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Philosophy : China : Confucianism and Neoconfucianism