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“Wang Kuo-wei und Schopenhauer, eine philosophische Begegnung : Wandlung des Selbstverständnisses der chinesischen Literatur unter dem Einfluss der klassischen deutschen Ästhetik” (Publication, 1986)

Year

1986

Text

Kogelschatz, Hermann. Wang Kuo-wei und Schopenhauer, eine philosophische Begegnung : Wandlung des Selbstverständnisses der chinesischen Literatur unter dem Einfluss der klassischen deutschen Ästhetik. (Stuttgart ; Wiesbaden : F. Steiner, 1986). (Münchener ostasiatische Studien ; Bd. 35). Diss. Univ. München, 1980. [Wang Guowei ; Arthur Schopenhauer]. (KH2)

Type

Publication

Contributors (1)

Kogelschatz, Hermann  (Berlin 1940-) : Sinologe, Professor für Sinologie am Seminar für Sinologie und Koreanistik der Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Mentioned People (2)

Schopenhauer, Arthur  (Danzig 1788-1860 Frankfurt a.M.) : Philosoph

Wang, Guowei  (Haining, Zhejiang 1877-1927) : Philosoph, Schriftsteller, Dichter, Professor Qinghua-Universität

Subjects

Literature : China : Poetry / Literature : China : Prose / Philosophy : China : Philosophy : Others / Philosophy : Europe : Germany / References / Sources / Sinology and Asian Studies : Europe : Germany

Chronology Entries (3)

# Year Text Linked Data
1 1904 [Wang, Guowei]. Shubenhua zhi zhe xue ji qi jiao yu xue shuo [ID D2748].
Wang schreibt : Schopenhauer vertrat in seiner Erkenntnistheorie die Lehre Kants und verkündete : Die Welt ist unsere Vorstellung… Heisst das nun, dass wir das Ansichsein der Dinge niemals erkennen könnnen ? Doch, meint Schopenhauer, im Hinblick auf andere Dinge sei uns das zwar unmöglich, was aber das Ich als solches betrifft, so gebe sich dasselbe als ein Teil des Dinges-an-sich klar zu erkennen. In der Anschauung erscheint das Ich als ein isoliertes Ding in Raum und Zeit wie alles andere ; in der nach innen gerichteten Anschauung aber identifizieren wir es ohne Zögern als Wille, und da die Formen unseres Intellekts sich nicht in unsere innere Anschauung einmischen, ist das Ich in der inneren Anschauung das Ich-an-sich. Demnach ist das Ich an sich Wille. Nun sind Wille und Leib in Wirklichkeit als identisch anzusehen, so dass wir den Leib als Objektivation des Willens, d.i. als Wille in der Form unseres Intellekts ansprechen dürfen. Während unsere Selbstwahnehmung also auf derart zweifache Weise möglich ist, ist uns die Wahrnehmung der Dinge nur von einer Seite her möglich, eben in der Form unseres Intellekts, so dass sich ihr Ansichsein unserer Erkenntnis entzieht. Jedoch nach Analogie unserer Selbstwahrnehmung beurteilt, stellt sich das Ansichsein aller Dinge als Wille dar. Auf diese Weise überwand Schopenhauer die Schwäche der kant’schen Kritik und stellte aufs neue eine Metaphysik auf. Statt Schopenhauer als Nachfolger von Kant zu betrachten, wäre es also angemessener, Kant als den Vorgänger Schopenhauers zu bezeichnen…
Im Gegensatz [zu jenen rationalistischen Philosophien] ruht Schopenhauers metaphysisches System auf dem Ergebnis seiner lebenslangen Beobachtungen. Die Klarheit seiner Sprache und der Reichtum des zusammengetragenen Materials sind hierauf zurückzuführen. Darum heisst es bei ihm, dass die Philosophie in Begriffen lebe, ohne aus Begriffen hervorgegangen zu sein. Hierin liegt die tiefere Ursache dafür, dass die Philosophie Schopenhauers einzigartig in der Geschichte dasteht. Mit den Augen eines Genies betrachtete er die Wirklichkeit des Universums und des Lebens…
Was Schopenhauer 'Die Tugend ist keine Sache der Erziehung' nannte, heisst mitnichten, dass sie wirklich nicht zu lehren sei, sondern lediglich, dass man nicht mit Hilfe abstrakter Begriffe zum Guten führen könne…
2 1904 Wang, Guowei. Shubenhua yu Nicai [ID D17705].
Wang schreibt : [Schopenhauer und Nietzsche] besitzen beispielloses literarisches Talent. Damit verbreiten sie ihre Lehren. Sie faszinierten die ganze Welt und wurden zugleich zwiespältig beurteilt. Betrachtet man die Lehren beider Denker, so betonten sie den Vorrang des Willens. In der Lehre Schopenhauers finden sich Inspirationen für Nietzsche. Nietzsches Lehre entstammt im ganzen der Schopenhauers. Man sollte Nietzsche nicht als einen Gegner der Lehre Schopenhauers, sondern vielmehr als sein Fortsetzer sehen…
Der normale Mensch nimmt etwas zu sich, wenn er Hunger und Durst hat. Um den Lebensdrang zu befriedigen, benötigt er Nachkommenschaft, wenn er alt wird. Sein Leiden ist das Leiden des Lebens… Der geniale Mensch, der mit dem stärkeren Willen und dementsprechenden grossen Verständnisvermögen ausgestattet ist, ist in der Lage, das zu wissen, was der normale Mensch nicht weiss. Er kann verlangen, was der normale Mensch nicht verlangen kann. Wille des Genies geht über Himmel und Erde hinaus. Er muss aber durch Körperlichkeit des Menschen eingeschränkt werden. Kausale Gesetze und Formen von Zeit- und Raumdimensionen, die von aussen kommen, behindern Verständnisvermögen des Genies. Unendliche Motivationen und nationale Moralgesetze, die von innen kommen, unterdrücken den Willen des Genies…
Der Lehre Schopenhauers nach ist der Satz vom zureichenden Grunde dem Genie nicht nur in keiner Weise dienlich, eben die von jenem Satz freie Betrachtung der Dinge macht das Genie aus. Der Lehre Nietzsches nach ist das moralische Gesetz nicht nur von keinem Nutzen für den Übermenschen, das Handeln jenseits von Moral ist das Merkmal des Übermenschen. Laut Schopenhauer liegt die höchste Erkenntnis in der Überwindung der Erkenntnisgesetze, laut Nietzsche die höchste Moral in der Überwindung der moralischen Gesetze. Das Genie zeichnet sich aus durch uneingeschränktes Erkennen, der Übermensch durch uneingeschränktes Wollen.
Schopenhauers geniale Leiden sind der Tag des Fronarbeiters, der Aristokratismus seiner Ästhetik sowie die Lehre von der Einheit des Willens in seiner Mataphysik die königliche Nacht desselben. Im Gegensatz dazu war Nietzsche, der die Genialität eines Schopenhauer besass, aber dessen metaphysichen Glauben nicht teilen konnte, ein Fronarbeiter bei Tag und bei Nacht, im Wachen sowie im Träume. Und so konnte er denn nicht anders, als sich seiner Last zu entledigen und die Umwerung aller Werte anzustreben. Was Schopenhauer im Traume zum Trost gereichte, er wollte es am hellichten Tage verwirklicht sehen. So ist es zu verstehen, dass Schopenhauers Lehren noch nicht in Widerstreit zur gewöhnlichen Moral gerieten, während Nietzsche hemmungslos gegen dieselbe rebellierte. Der Grund ist allein darin zu sehen, dass es für ihn keinen andern Weg des Trostes gab.

Yu Longfa : Wang Guowei bezeichnet Schopenhauer und Nietzsche als grosse Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts und untersucht Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihren Lehren.
Wang schreibt über die Lebensphilosophie von Schopenhauer und Nietzsche und versucht sich mit dem Willens-Begriff auseinanderzusetzen. Er bezeichnet sie als 'Genie der Welt, das mit starkem Willen und grosser Begabung in der geistigen Welt hoch stand und weitblickend war'. Die Betonung des starken Willens des Menschen und die Hocheinschätzung des Genies stellen Wangs Beschäftigung mit Nietzsche als seinen Schwerpunkt dar.

Yu Longfa : Durch die Begegnung mit Schopenhauer, der sagte : Da nun der Mensch sich aber unter den schmerzreichen Umständen vorfinde, müsse er den Drang zum Leben überwinden, um die ihm einzig mögliche Ruhe zu erreichen, indem er sich selbst Askese und Abstinenz offenlege, führen diese dem Buddhismus ähnlichen Gedanken Wang Guowei zur Einsicht, dass der Weg zur Befreiung vom Leiden über das Sich-von-der-Welt-Zurückziehen und das Vernichten des Lebenswillens stattfindet. Wang stellt fest, dass 'die Aufgabe der Literatur darin besteht, das Leiden des Lebens darzustellen und dessen Befreiungswege aufzuzeigen. Das Ziel der Literatur ist, dass man in dieser vom Leiden gefesselten Umgebung dem Lebenswillen, den jeder hat, entsagt, um geistigen Frieden zu gewinnen'. Wang hat zwar Quellen des Leidens bei Schopenhauer gefunden, wo es heisst, man solle seinen Willen vernichten. Allerdings hat er ein sehr wichtiges Phänomen im Werk Schopenhauers vernachlässigt, nämlich : die Wirkung der Meditation der Kunst und vor allem der Musik. Wang hat auch Unebenheiten bezüglich der Frage nach der Vernichtung des Willens entdeckt, denn gerade der Wille zur Vernichtung des Willens sei, so Nietzsche, auch ein Wille. In diesem Sinne stellt er fest : "Dies ist eine Frage, die nicht zu beantworten ist, ob Vernichtung des Willens möglich ist oder nicht". Eine Lösung dieser Frage hat er bei Nietzsche gefunden, der im Gegensatz zu Schopenhauer dem Begriff Willen einen positiven Ausdruck verleiht : Wille zur Macht. In Bezug auf Nietzsches positive Haltung zum Begriff des Willens zur Macht geht Wang auf die Theorie des Genies ein. Nach ihm besteht ein Unterschied zwischen den Leiden des Genies und denen der normalen Menschen, wobei das Leiden sowohl im Inhalt wie auch im Ausmass verschieden ist. Dem normalen Menschen geht es im Leiden vorwiegend um sein Dasein, das die Grundbedürfnisse Trinken und Essen beinhaltet. In Wangs Sinne ist dies das kleine Leiden. Vom kleinen Leiden des normalen Menschen unterscheidet sich das schwere Leiden des Genies.
Wang Guowei zieht die Schlussfolgerung : 'Je grösser das Genie ist, desto schwerer werden die Fesseln des Inneren und die Unterdrückung durch das Aussen, und desto tiefer wird sein Leid'. Aus der Sicht des geistigen Leidens des genialen Menschen sieht er in Nietzsches Lebensbejahung ein Verlangen nach Macht, das sich vom Verlangen nach Dasein des normalen Menschen unterscheidet. Er bezieht sich auf das Verlangen nach Macht auf Menschen, die sowohl körperlich, wie auch geistig anderen überlegen sind. Die Literatur ist bei Wang als die beste Massnahme gegen das Leiden in den Herzen zu betrachten. Zugleich ist die Literatur in der Lage, den längst unterdrückten Gefühlen Ausdruck zu gebe, das Leiden des Lebens darzustellen, um nach innerem Frieden zu suchen. Darüber hinaus befriedigt die Literatur Wünsche und Träume, die in der Realität nie zu erfüllen sind. Da er für sich Gefühl als Kraft des Verstehens beansprucht, wendet er sich von der Philosophie zur Literatur hin.

He Lin : Wang Guowei kommt nach einem Vergleich der beiden Philosophen zur Schlussfolgerung, dass Nietzsche in seiner Frühzeit Schopenhauers Ideen total und unkritisch annahm und auch in seinen späten Jahren nicht von ihnen abwich. Nietzsches Übermensch-Theorien erwuchs aus der Anwendung der Genietheorie im ethischen Bereich.
3 1904 Wang, Guowei. Hong lou meng ping lun [ID D11253].
Wang schreibt : Der philosophischen Lehre Schopenhauers nach ist die Wurzel aller Menschen und Dinge Eines. Darum ist ergänzend zu Schopenhauers Lehre von der Verneinung des Willens zum Leben zu bemerken, dass, wenn nicht alle Menschen und alle Dinge ihren Willen zum Leben verneinen, auch nicht der Wille eines Einzelnen verneint werden kann.

Liu Gangji : Wang stellt seine auf Grundlage der Ästhetik- und Tragödientheorie Schopenhauers vorgenommene Neuinterpretation dar. Er preist den Roman als das einzige echte, tragische Meisterwerk in der chinesischen Literatur und kritisiert, dass die Chinesen keinen Gefallen an einem tragischen Ende fänden, sondern immer versuchen, einen tragischen Ausgang in einen befriedigenden und idealen zu verwandeln. Wang Guowei übernimmt zwar die Ästhetik des Tragischen von Schopenhauer, folgt dessen Theorie aber nicht bedingungslos. Das lässt sich an seinen Überlegungen, wie man vom Leiden des menschlichen Lebens erlöst werden könne, deutlich zeigen. Er zweifelt daran, dass man durch religiöse Askese eine wirkliche Erlösung erreichen kann… Wang Guowei übernimmt zwar die Ästhetik des Tragischen von Schopenhauer, folgt dessen Theorie aber nicht bedingungslos. Das lässt sich an seinen Überlegungen, wie man vom Leiden des menschlichen Lebens erlöst werden könne, deutlich zeigen. Er zweifelt daran, dass man durch religiöse Askese eine wirkliche Erlösung erreichen kann…
  • Document: Liu, Gangji. Verbreitung und Einfluss der deutschen Ästhetik in China. Hrsg. von Karl-Heinz Pohl. In : Trierer Beiträge : aus Forschung und Lehre an der Universität Trier. Sonderheft 10 (1996). S. 6. (LiuG1, Publication)
  • Person: Schopenhauer, Arthur
  • Person: Wang, Guowei

Sources (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2004 Wang, Guowei. Shi li. Teil 1-3. In : Jiao yu shi jie ; Vol. 14, no 82 ; vol. 15, no 83 ; vol. 18, no 86 (2004). [Abhandlung über den Vernunftbegriff].
题名 : 论说 : 释理
Publication / Schop8