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“Asiatische Einflüsse auf Günter Eich : vom Chinesischen zum Japanischen” (Publication, 1983)

Year

1983

Text

Yamane, Keiko. Asiatische Einflüsse auf Günter Eich : vom Chinesischen zum Japanischen. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1983). (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 691). (Eich2)

Type

Publication

Contributors (1)

Yamane, Keiko  (Wakayama 1949-) : Professorin für Germanistik Hosei Universität Tokyo

Mentioned People (1)

Eich, Günter  (Lebus 1907-1972 Salzburg) : Schriftsteller, Dichter, Hörspielautor

Subjects

Literature : Occident : Germany / References / Sources

Chronology Entries (9)

# Year Text Linked Data
1 1925-1927 Günter Eich studiert Sinologie, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin.
Er beschreibt bei einem Rundfunkgespräch 1933 den Grund für sein Studium der Sinologie :
„Ich lerne Chinesisch“ : Es war eigentlich alles nur ein Zufall und es begann damit, dass ich eines Tages in ein chinesisches Restaurant in Berlin kam und dort versuchte, auf chinesische Weise mit den Essstäbchen zu essen. Wie das gemacht wurde, davon hatte ich keine Ahnung. Ich nahm also die beiden Stäbchen, jedes in eine Hand, und versuchte nun vergeblich, damit einen Bissen zum Mund zu bringen. Ich hätte wahrscheinlich stundenlang so herumhantiert, ohne satt zu werden, wenn mir nicht mein Nachbar am Tische, ein junger Chinese, zu Hilfe gekommen wäre… Ich geriet mit meinem Nachbar in ein Gespräch über Tischsitten und Essen bei Chinesen und Europäern und er erzählte mir von den vielen Sagen, die in Europa über chinesische Gerichte verbreitet sind… Er erzählte mir vielerlei von China und schliesslich kamen wir auch auf die chinesische Sprache zu sprechen und das, was er mir darüber sagte, war so interessant, dass ich Lust bekam, mich näher damit zu befassen. Mein freundlicher Nachbar, der schon mehrfach Unterricht im Chinesischen gegeben hatt, erbot sich, mich in die Anfangsgründe dieser geheimnisvollen Sprache einzuführen.
  • Document: Wei, Maoping. Günter Eich und China : Studien über die Beziehungen des Werks von Günter Eich zur chinesischen Geisteswelt. (Heidelberg : Universität Heidelberg, 1989). Diss. Univ. Heidelberg, 1989. S. 6, 8. (Eich4, Publication)
  • Person: Eich, Günter
2 1927 Günther, Erich [Eich, Günter]. Europa contra China [ID D13445].

Eich schreibt : Und was war in China in den Jahrhunderten vor der Berührung mit Europa ? Blühte er da, der chinesische Geist, war es ein herrliches Leben da, Segen und selbstverständliches Gedeihen ? Nicht viel davon, die seit anderthalb Jahrtausenden hochgehaltenen Lehren der Staatskunst leer geworden, ein totes Gehäuse für ein lebendiges Volk, vielleicht waren sie nie sehr voll gewesen, Stagnation, Konservatismus, Bürokratie…
Aber der „chinesische Geist“ ist uns nicht not. Not ist die Hingabe an das Bewusstsein, not ist, dass wir unser eigenes Leben uns unverfälscht erhalten. Wir sind vor allem Europäer. Europas Weg ist die Tapferkeit im Sinnlosen. Vielleicht ist das wenig, aber das Chinesentum und alles andere ist noch weniger. Hören wir auf, von China zu reden, und reden lieber von uns selbst…
Konfuzius ist ein nüchternes Holzgestell mit moralischem Anstrich, der ganz Mann ein drohend erhobener Zeigefinger. Ihm verdankt, Gott sei’s geklagt, China das Meiste.
Laotse, geboren als Greis und Weiser, schattenhafte Rätselgestalt : Er ist von allen noch der Konsequenteste, will wirklich zur Natur, weg von der Kultur, aber er grenzt nicht ab, sein Ideal sind zwar privitive Zustände, aber immer noch menschliche, und Natur fängt erst an und Kultur hört erst auf, wo der Mensch aufhört. … Der Chinese will sich anpassen, der Europäer zwingt der Natur sein Werk auf, das ist der einzige, der notwendige, wenn vielleicht auch resignierte Standpunkt. Denn zurück können wir nicht. Die grosse Fähigkeit des Chinesen, sich in die Natur einfühlen zu können, sei „das Sein selbst“… Wer wirklich Teil von ihr [Natur] sein wollte, müsste weitergehen als Laotse ; der radikalste Chinese müsste ein Tier werden, denn Kultur beginnt mit dem Bewusstsein…
Alle chinesischen Denker zeigen den Weg zum Einklang mit der Natur – jeder einen anderen. Nie werden irgendwelche Zweifel laut an der Möglichkeit einer solchen Einordnung, einer solchen Rückkehr zur Natur, obwohl dagegen schon die Häufigkeit der Forderung sprach. Wer ganz in der Natur ist, verlangt nicht nach ihr. Nie in China schwang mehr als bei uns der Mensch im kosmischen Geschehen, er müsste aber kein Mensch sein. Darüber hin täuscht auch nicht die „Urwüchsigkeit“ und die gewiss grosse Fähigkeit des Chinesen, sich einzufühlen, in Pflanzen, Stein, Berg und Landschaft, wie sich das in seiner herrlichen Malerei und seiner Dichtung offenbart.

Yamane Keiko : Man spürt Eichs unsichere, paradoxe Einstellung gegenüber China. Er lehnt zunehmende Einflüsse Chinas auf Europa ab. „Diejenigen Europäer seinen schlecht, die sich selbst und uns zu Chinesen machen. Wenn die Europäer manches nötig hätten, hat China ebenso viel und mehr nötig“. Eich betont die negative Seite Chinas und meint, dass es als das klassische Land des Bürgerkrieges jetzt und seit hundert Jahren immer mehr irre an seinem Geist werde. Eich kann allerdings nicht alles, was in China steckt, als unnütz für den Westen abtun und gibt doch als einen der grossen Unterschiede zu, dass der chinesische Geist „eine imponierende Einheitlichkeit in seinen vielfachen Verzweigungen hat ; als Letztes und Wichtigstes kehrt immer und bei allen wieder die Idee der Eingliederung in den Lauf des Naturganzen, in das „Tao“.
Eich hält zwar an Europa fest, aber weniger deswegen, weil Europäer einen besseren Weg gehen als Chinesen, sondern auf Grund der Einsicht, dass eine solche weitreichende Entwicklung wie in Europa nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Er fordert seine Leser auf, allen Gefahren zum Trotz den geraden Weg weiter zu schreiten ; denn er hält Passivität überhaupt, die in China als Tugend angesehen wird, für primitiv und deshalb für rückständiger als die Aktivität der Europäer. China ist das Land, das nachholen soll, was Europa schon erreicht hat. „Wir sind vor allem Europäer. Europas Weg ist die Tapferkeit im Sinnlosen“.
Eich ist der Meinung, dass man die Kriege in China nicht einfach Europa zur Last legen kann, als wäre ihre Ursache die steigende Verwirrung durch die Berührung mit dem Fremdländischen.

Wei Maoping : Eichs Kritik bezieht sich hauptsächlich auf die strengen, aber „schrullenhaften“ Vorschriften, die das chinesische Leben vom Alltäglichen bis zur Politik damals noch weitgehend bestimmt haben.

Kaneko Sho : Eich steht vor der Alternative : Europa oder China, Kultur oder Natur, Bewusstsein oder Unbewusstsein, Zergliederung der Welt oder Eingliederung des Menschen, die mögliche und notwendige Eingliederung in den Lauf der Naturganzen.
  • Document: Kaneko, Sho. Naturlyrik als Entscheidung - Günter Eichs Lyrik bis 1955. In : Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte ; Bd. 51, H. 2. S. 269. (Eich5, Publication)
  • Document: Wei, Maoping. Günter Eich und China : Studien über die Beziehungen des Werks von Günter Eich zur chinesischen Geisteswelt. (Heidelberg : Universität Heidelberg, 1989). Diss. Univ. Heidelberg, 1989. S. 95, 98, 102. (Eich4, Publication)
  • Person: Eich, Günter
3 1928-1929 Günter Eich studiert Sinologie in Paris und beginnt mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit.
4 1930 Eich, Günter. Eine Karte im Atlas [ID D13446].
Eich schreibt in der Einleitung : Auf Seite vierunddreissig die Karte Mittel- und Ostasien. Sie reicht vom Pamir bis Yokohama, vom Baikalsee bis Rangun. Grosse graune Gebirgszüge und Hochflächen, rechts der breite blaue Streifen des Pazifischen Ozeans, durchbrochen von der Inselkette Japans, von Korea und Tai-wan.
Ich lege meine linke Hand auf die Mitte der Karte, sie bedeckt die Wüste Gobi und das Land im Hoangho-Knie, der Mittelfinger reicht bis Kaifen-fu. Ich neige mein Ohr herab und höre, wie unter der Höhlung meiner Handfläche das lehmige Wasser des Hoangho gurgelt und steigt.

Yamane Keiko : Das Prosastück ist eine Karte von Asien, sie umfasst ein Gebiet, das im Westen von Tibet, im Osten von Japan, im Norden von der Mongolei und im Süden von Birma begrenzt wird ; mit anderen Worten den ganzen unter dem Einfluss der chinesischen Tradition stehenden Kulturbereich. Die chinesischen Ortsnamen sind nicht nur reichlich genannt, sondern sie werden mit Hilfe der Imagination des Dichters zu einer lebendigen Alltäglichkeit verarbeitet und zeigen Eichs Kenntnisse über China, die Mongolei, Tibet und deren Kultur.
  • Document: Wei, Maoping. Günter Eich und China : Studien über die Beziehungen des Werks von Günter Eich zur chinesischen Geisteswelt. (Heidelberg : Universität Heidelberg, 1989). Diss. Univ. Heidelberg, 1989. S. 5. (Eich4, Publication)
  • Person: Eich, Günter
5 1932 Eich, Günter. Ein Traum am Edsin-Gol. In : Die Kolonne ; Jg. 3, Nr. 4 (1932).
Das erste Hörspiel Eichs spielt in der Mongolei.
Wei Maoping : Eich übernimmt das chinesisch klingende Schema „Ist es Wirklichkeit, ist es Traum“ und führt es konsequent in seinen Hörspielen weiter. Für die taoistische Philosophie gibt es keine klare Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit. Wenn es sie doch gibt, ist sie fliessend. Das führt wieder auf den Begriff der Einheit aller Dinge zu. Die bekannteste chinesiche Traum-Geschichte ist der „Schmetterlingstraum“ von Zhuangzi. Eines der wichtigsten Elemente Eichs ist die Technik des Identitätswechsels, wie es auch bei Zhuangzi präsentiert wird. Ein anderes wichtiges Element ist der Versuch, die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit aufzuheben.
  • Document: Wei, Maoping. Günter Eich und China : Studien über die Beziehungen des Werks von Günter Eich zur chinesischen Geisteswelt. (Heidelberg : Universität Heidelberg, 1989). Diss. Univ. Heidelberg, 1989. S. 129-130. (Eich4, Publication)
  • Person: Eich, Günter
6 1949-1951 Eich, Günter. Aus dem Chinesischen [ID D13099].
Quellen : Übersetzungen von Leopold Woitsch und Alfred Forke.

Yamane Keiko : Günter Eich übersetzt 95 chinesische Gedichte. 56 stammen aus der Tang-Zeit und 37 aus der Song-Zeit, vor allem Gedichte von Li Bo, Du Fu, Bo Juyi und Wang Wei. Im Vordergrund stehen meistens die Natur und die Landschaft. Eich meint ironisch, dass die Chinesen im Einklang mit der Natur zu leben versuchen. Die Natur war für sie mehr oder minder ein Vorbild. Man kann die chinesischen Gedichte kaum von der Naturlyrik getrennt sehen.
Viele der Gedichte sind in China allgemein verbreitet und zu dieser Zeit auch teilweise im Westen bekannt. Die Übersetzungen sind unterschiedlich gelungen, wobei die Gedichte von Su Shi, die ersten von Eich übersetzten Gedichte, sich vom Orignal weit entfernen. Die Gedichte von Bo Juyi sind wegen ihres Stils vorzüglich übersetzt. Am besten übertragen sind die Gedichte von Li Bo, Du Fu und Wang Wei : In der Genauigkeit der Wort- und Sinnübertragung, und in seiner poetischen Kraft, was Metrik und Ausdrucksweise betrifft. Die Themen sind das Verhältnis zwischen Natur und Mensch, Melancholie und Neigung zum Alkohol.

Wei Maoping : Eichs Übersetzungen sind keineswegs Nachdichtungen, in dem meisten Fällen hat er die Originaltexte zugezogen. Der besondere Wert seiner chinesischen Gedichte liegt darin, dass sie von einem Lyriker und Sinologen stammen… In seiner Lyrik zeigt sich die Sehnsucht nach dem Einswerden mit der Natur durch die Anlehnung an die Tiere.
Motive in den Gedichten Eichs sind der Drache, der Vogel, die Wildgans, der Mond und die Trunkenheit.
  • Document: Wei, Maoping. Günter Eich und China : Studien über die Beziehungen des Werks von Günter Eich zur chinesischen Geisteswelt. (Heidelberg : Universität Heidelberg, 1989). Diss. Univ. Heidelberg, 1989. S. 23, 27-50, 108. (Eich4, Publication)
  • Person: Eich, Günter
7 1950 Eich, Günter. Chinesisch : Beitrag zur Sprachkenntnis [ID 13448].
Eich schreibt : Wer von der Sprache spricht, spricht vom Geist eines Volkes… Unsere Sprache zerlegt, - wir sind geneigt, die Welt zu analysieren, der östliche Mensch bewahrt die Einheit, ihm liegt alles Zergliedern fern ; unsere Sprache zielt auf den wissenschaftlichen Menschen, die chinesische auf den weisen.

Yamane Keiko : Eich gibt zu, dass das feste Kulturgefüge Chinas durch das Eindringen der abendländischen Zivilisation aufs schwerste erschüttert worden ist. Ferner geht er davon aus, dass die Sprache mit dem Geist ihres Volkes zusammenhänge, und setzt die beiden sogar gleich.
8 1956 Günter Eich schreibt ein Manuskript zu einer Hörfunksendung für Jugendliche. Er spricht von der Faszination, die man beim Lernen einer fremden Sprache empfindet, denn durch die Sprache lernt man gleichzeitig eine neue Welt und das Wesen eines Volkes kennen. Die Sprache besteht nicht nur aus leeren Buchstaben oder Schriftzeichen, sondern ist ist auch die Mitteilung der gesamten Kultur.
9 1956 Eich, Günter. Das lachende Mädchen. In : Eich, Günter. Gesammelte Werke in 4 Bänden. Hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Verbindung mit Ilse Aichinger. (Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1973). Bd. 3.
Hörspiel, das 1956 in der Rundfunkserie „Phantastische Erzählungen“ gesendet wird.

Yamane Keiko : Nach eigenen Angaben lernt Eich die Geschichte bei seiner Lektüre der Chinesische Geister- und Liebesgeschichten von Martin Buber [ID D3083] kennen. Bubers Übersetzung unterscheidet sich wenig vom Original, in Eichs Übersetzung gibt es jedoch ziemliche Abweichungen. Eich muss aus dem Original übersetzt haben, da er mehrere Stellen übersetzt hat, die bei Buber nicht vorkomen.

Wei Maoping : Eich hat weder die Übersetzung von Martin Buber noch die chinesische Vorlage benutzt, sondern Chinesische Volksmärchen von Richard Wilhelm [ID D1585]. [Wei Maoping belegt es an Hand von Beispielen].
  • Document: Wei, Maoping. Günter Eich und China : Studien über die Beziehungen des Werks von Günter Eich zur chinesischen Geisteswelt. (Heidelberg : Universität Heidelberg, 1989). Diss. Univ. Heidelberg, 1989. S. 63. (Eich4, Publication)
  • Person: Eich, Günter

Sources (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1950 Eich, Günter. Chinesisch : Beitrag zur Sprachkenntnis. In : Eich, Günter. Gesammelte Werke in 4 Bänden. Hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Verbindung mit Ilse Aichinger. (Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1950). Bd. 4. Publication / Eich11

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)