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“Naturlyrik als Entscheidung - Günter Eichs Lyrik bis 1955” (Publication, 1977)

Year

1977

Text

Kaneko, Sho. Naturlyrik als Entscheidung - Günter Eichs Lyrik bis 1955. In : Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte ; Bd. 51, H. 2. (Eich5)

Type

Publication

Mentioned People (1)

Eich, Günter  (Lebus 1907-1972 Salzburg) : Schriftsteller, Dichter, Hörspielautor

Subjects

Literature : Occident : Germany / References / Sources

Chronology Entries (1)

# Year Text Linked Data
1 1927 Günther, Erich [Eich, Günter]. Europa contra China [ID D13445].

Eich schreibt : Und was war in China in den Jahrhunderten vor der Berührung mit Europa ? Blühte er da, der chinesische Geist, war es ein herrliches Leben da, Segen und selbstverständliches Gedeihen ? Nicht viel davon, die seit anderthalb Jahrtausenden hochgehaltenen Lehren der Staatskunst leer geworden, ein totes Gehäuse für ein lebendiges Volk, vielleicht waren sie nie sehr voll gewesen, Stagnation, Konservatismus, Bürokratie…
Aber der „chinesische Geist“ ist uns nicht not. Not ist die Hingabe an das Bewusstsein, not ist, dass wir unser eigenes Leben uns unverfälscht erhalten. Wir sind vor allem Europäer. Europas Weg ist die Tapferkeit im Sinnlosen. Vielleicht ist das wenig, aber das Chinesentum und alles andere ist noch weniger. Hören wir auf, von China zu reden, und reden lieber von uns selbst…
Konfuzius ist ein nüchternes Holzgestell mit moralischem Anstrich, der ganz Mann ein drohend erhobener Zeigefinger. Ihm verdankt, Gott sei’s geklagt, China das Meiste.
Laotse, geboren als Greis und Weiser, schattenhafte Rätselgestalt : Er ist von allen noch der Konsequenteste, will wirklich zur Natur, weg von der Kultur, aber er grenzt nicht ab, sein Ideal sind zwar privitive Zustände, aber immer noch menschliche, und Natur fängt erst an und Kultur hört erst auf, wo der Mensch aufhört. … Der Chinese will sich anpassen, der Europäer zwingt der Natur sein Werk auf, das ist der einzige, der notwendige, wenn vielleicht auch resignierte Standpunkt. Denn zurück können wir nicht. Die grosse Fähigkeit des Chinesen, sich in die Natur einfühlen zu können, sei „das Sein selbst“… Wer wirklich Teil von ihr [Natur] sein wollte, müsste weitergehen als Laotse ; der radikalste Chinese müsste ein Tier werden, denn Kultur beginnt mit dem Bewusstsein…
Alle chinesischen Denker zeigen den Weg zum Einklang mit der Natur – jeder einen anderen. Nie werden irgendwelche Zweifel laut an der Möglichkeit einer solchen Einordnung, einer solchen Rückkehr zur Natur, obwohl dagegen schon die Häufigkeit der Forderung sprach. Wer ganz in der Natur ist, verlangt nicht nach ihr. Nie in China schwang mehr als bei uns der Mensch im kosmischen Geschehen, er müsste aber kein Mensch sein. Darüber hin täuscht auch nicht die „Urwüchsigkeit“ und die gewiss grosse Fähigkeit des Chinesen, sich einzufühlen, in Pflanzen, Stein, Berg und Landschaft, wie sich das in seiner herrlichen Malerei und seiner Dichtung offenbart.

Yamane Keiko : Man spürt Eichs unsichere, paradoxe Einstellung gegenüber China. Er lehnt zunehmende Einflüsse Chinas auf Europa ab. „Diejenigen Europäer seinen schlecht, die sich selbst und uns zu Chinesen machen. Wenn die Europäer manches nötig hätten, hat China ebenso viel und mehr nötig“. Eich betont die negative Seite Chinas und meint, dass es als das klassische Land des Bürgerkrieges jetzt und seit hundert Jahren immer mehr irre an seinem Geist werde. Eich kann allerdings nicht alles, was in China steckt, als unnütz für den Westen abtun und gibt doch als einen der grossen Unterschiede zu, dass der chinesische Geist „eine imponierende Einheitlichkeit in seinen vielfachen Verzweigungen hat ; als Letztes und Wichtigstes kehrt immer und bei allen wieder die Idee der Eingliederung in den Lauf des Naturganzen, in das „Tao“.
Eich hält zwar an Europa fest, aber weniger deswegen, weil Europäer einen besseren Weg gehen als Chinesen, sondern auf Grund der Einsicht, dass eine solche weitreichende Entwicklung wie in Europa nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Er fordert seine Leser auf, allen Gefahren zum Trotz den geraden Weg weiter zu schreiten ; denn er hält Passivität überhaupt, die in China als Tugend angesehen wird, für primitiv und deshalb für rückständiger als die Aktivität der Europäer. China ist das Land, das nachholen soll, was Europa schon erreicht hat. „Wir sind vor allem Europäer. Europas Weg ist die Tapferkeit im Sinnlosen“.
Eich ist der Meinung, dass man die Kriege in China nicht einfach Europa zur Last legen kann, als wäre ihre Ursache die steigende Verwirrung durch die Berührung mit dem Fremdländischen.

Wei Maoping : Eichs Kritik bezieht sich hauptsächlich auf die strengen, aber „schrullenhaften“ Vorschriften, die das chinesische Leben vom Alltäglichen bis zur Politik damals noch weitgehend bestimmt haben.

Kaneko Sho : Eich steht vor der Alternative : Europa oder China, Kultur oder Natur, Bewusstsein oder Unbewusstsein, Zergliederung der Welt oder Eingliederung des Menschen, die mögliche und notwendige Eingliederung in den Lauf der Naturganzen.
  • Document: Yamane, Keiko. Asiatische Einflüsse auf Günter Eich : vom Chinesischen zum Japanischen. (Frankfurt a.M. : P. Lang, 1983). (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1. Deutsche Sprache und Literatur ; Bd. 691). S. 6-8, 12. (Eich2, Publication)
  • Document: Wei, Maoping. Günter Eich und China : Studien über die Beziehungen des Werks von Günter Eich zur chinesischen Geisteswelt. (Heidelberg : Universität Heidelberg, 1989). Diss. Univ. Heidelberg, 1989. S. 95, 98, 102. (Eich4, Publication)
  • Person: Eich, Günter

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)