# | Year | Text |
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1 | 1920-1921 |
Hermann Hesse schreibt in sein Tagebuch : Wir können und dürfen nicht Chinesen werden, wollen es im Innersten auch gar nicht. Wir dürfen Ideal und höchstes Bild des Lebens nicht in China und nicht in irgendeiner Vergangenheit suchen, sonst sind wir verloren und hängen an einem Fetisch. Wir müssen China, oder das, was es uns bedeutet, in uns selber finden und pflegen.
Hier schmeckt mir die reine Vernünftigkeit der Buddhalehre heute nicht mehr so vollkommen, und gerade was ich in der Jugend an ihr bewunderte, wird mir jetzt zum Mangel : diese Vernünftigkeit und Gottlosigkeit, diese unheimliche Exaktheit und dieser Mangel an Theologie, an Gott, an Ergebung. Hesse schreibt über Chinesische Landschaftsmalerei von Otto Fischer [ID D653] : Wunderbar ist die Erzählung vom Tode des berümtesten chinesischen Malers, des Wu Tao Tse [Wu, Daozi] : er malt, in Gegenwart von Zuschauern und Freunden, an eine Wand ein Landschaftsbild, dann geht er magisch in sein gemaltes Bild hinein, verschwindet darin in einer gemalten Höhle und ist weg, mit ihm ist auch sein Bild verschwunden. |
2 | 1920 |
Nach eigener Aussage fängt Carl Gustav Jung ca. 1920 an, mit dem Yi jing zu experimentieren. Er studiert die Übersetzung The Yi king von James Legge [ID D7031].
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3 | 1920-1921 |
Zhang Wentian studiert Japanisch und Philosophie in Japan.
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4 | 1920 |
Döblin, Alfred. Der deutsche Maskenball. (Berlin : S. Fischer, 1921).
Darin enthalten : Alfred Döblin. Der rechte Weg. (1920) : Rezension der 4. Aufl. (1919) von Ular, Alexander. Die Bahn und der rechte Weg des Lao-tse… [ID D11974]. Er schreibt : Einundachtzig Sprüche, einige nur vier bis sechs Zeilen lang, hat Laotses Taoteking, die Bahn und der rechte Weg. Neben diesem Buch kann sich keins halten, denn es nimmt sie alle auf. Es überwindet sie im Hegelschen Sinne, indem er sie nicht beseitigt oder widerlegt, sondern ihnen ihren Platz anweist. Es haben noch einige Jahrtausende Literatur Raum in diesem Buch… Dies Buch müsste klein bequem gebunden sein. Es wird so gebunden werden ; wird von vielen Europäern der folgenden Jahrzehnte in den Taschen getragen werden. |
5 | 1920 |
Ab 1920 beschäftigt sich Bertolt Brecht intensiv mit der chinesischen Philosophie. Während er sich der taoistischen Lehre in deren Gesellschafts- und Zivilisationskritik verbunden fühlt, interessiert ihn der Konfuzianismus als Wissenschaft vom Verhalten der Menschen.
Antony Tatlow : In den Schriften der chinesischen Philosophen fand Brecht eine vorwegnehmende Bestätigung der durch das Marxismusstudium gewonnenen Erkenntnisse und eine nützliche Analyse menschlichen Verhaltens in einer chaotischen Welt. |
6 | 1920-1937 |
Zhou Zuoren ist Herausgeber der New Tide Society, Leiter des Institute for the Research of Folks Songs der Beijing-Universität und übersetzt ausländische Literatur
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7 | 1920-1926 |
Lu Xun arbeitet für das Ministry of Education in Beijing und ist Dozent für Literatur an der Beijing-Universität, der Beijing Normal University (Beijing shi fan da xue) und am Beijing Woman’s Normal College.
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8 | 1920 |
Tschuang-tse [Zhuangzi]. Reden und Gleichnisse des Tschuang-tse. Deutsche Auswahl von Martin Buber. 2. Aufl. [ID D11978]
Han Ruixin : Martin Buber macht im Nachwort einen religiös-mystischen Versuch über die Lehre des Tao. Nach Buber ist die Lehre eine der drei Grundmächte, in denen sich der 'weisende' Geist des Orients aufbaut und von denen das Abendland nur zwei, nämlich Wissenschaft und Gesetz besitzt. Das Eigentümliche an der Lehre ist, dass sie auf das Eine geht. Sie hat nur einen Gegenstand : das Notwendige. Es wird verwirklicht im wahrhaften Leben und diese Verwirklichung bedeutet nichts anderes als die Einheit des Menschenlebens und der Menschenseele. Der Weg der Lehre ist der zur reinen Erfüllung in einem zentralen Menschenleben. Der chinesische Taoismus ist als eine solche Lehre zu betrachten. Buber versteht unter Dao den Grund und Sinn des eeinten Lebens, der seine eigene Erfühllung zum Ziele hat. Der Mensch, in dem Dao reine Einheit wird, ist der Vollendete. Im Einklang mit dem Dao stehend tut der Vollendete, was sein Verhältnis zur Welt betrifft, das Nichttun, denn jedes Eingreifen in das Leben der Dinge heisst sie und sich schädigen. |
9 | 1920 |
Klabund contra Pfemfert. In : Der Revolutionär ; 1.3.1920.
Klabund schreibt : Es liegt mir fern, mich dem Proletariat in einer gloriosen Apotheose als Märtyrer des proletarischen Gedanken vorzuführen : das war ich nicht. Wenn ich gelitten habe, so habe ich für mich persönlich gelitten. Ich bin, wie Sie wissen, Taoist, und mich trennt eine Welt vom Gedanken des Klassenkampfes, des Terrors und der Diktatur. Ich glaube auch nicht an eine sozialistische Welt, sondern nur an eine sozialistische Wirtschaftsanschauung. Wenn auch meine ganz Sympathie den revolutionären Arbeitern gehört, so bin ich doch Revolutionär der Seele oder glaube es wenigstens zu sein. |
10 | 1920-1924 |
Klabund. Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Bd. 1-6. (Wien : Phaidon, 1930). Bd. 6 : „Östliche Gleichnisse“ : enthält die Erzählungen Der letzte Kaiser : Erzählung. Mit Zeichnungen von Erich Büttner. (Berlin : F. Heyder, 1923). (Wandersmann-Bücherei ; 30) ; Das Totenfest (1922 in Spuk) ; Die zwei Reiche (1920) ; Gleichnisse (1924).
Kuei-fen Pan-hsu : Diese Werke scheinen nicht auf bestimmten Vorlagen zu beruhen ; zwar tragen sie Züge chinesischer Gedankenwelt und weisen Bezüge zu chinesischen historischen Ereignissen auf, doch sind ihre Handlungen Klabunds eigene Schöpfungen. Klabund verwendet taoistische Ideen für seine Gleichnisse, verfolgt jedoch seine eigenen Intentionen. |
11 | 1920 |
Bertolt Brecht liest Döblin, Alfred. Die drei Sprünge des Wang-lun [ID D12338]. Er lernt darin die taoistische Anschauung von Liezi kennen. Er schreibt später : Es ist eine grosse Kraft drinnen, alle Dinge sind in Bewegung gebracht, die Verhältnisse der Menschen zueinander in unerhörter Schärfe herausgedreht.
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12 | 1920 |
Bertolt Brecht liest bei Frank Warschauer in Baden-Baden zum ersten Mal Dao de jing von Laozi und schreibt in sein Tagebuch : Warschauer glaubt an Fortschritt und dass ein Lurch eben nicht anders kann als irgendeinmal ein Affe werden. Aber er zeigt mir Laotse, und der stimmt mit mir so sehr überein, dass er immerfort staunt.
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13 | 1920 |
Keyserling, Hermann von. Philosophie als Kunst. (Darmstadt : Otto Reichel, 1920).
Keyserling schreibt : Das bisher vollkommenste Menschentum als Normalerscheinung überhaupt hat China herausgearbeitet, und auch dieses Mal rührt der Erfolg zum grossen Teil daher, dass es sich um ein Volk handelt, in dessen konservativer Gesamtanlage seelische Qualitäten über den geistigen überwogen, mochten diese noch so erheblich sein. Indem der nationale Vollkommenheitsstandard verlangte, dass die Weisheit als Anmut zutage träte, indem dort die Schönheit als Gradmesser der Tiefe beurteilt wurde, und die Moralität als gebildete Natur, indem vor allem der Mittelpunkt des Lebens ins Moralische verlegt wurde, zentrierte es sich tatsächlich im Wesenszentrum, und Chinas werbende Kraft, welche diejenige Englands um ein Vielfaches übertrifft, beweist, dass es den Akzent auf die richtige Stelle gesetzt hat. Fang Weigui : Keyserling wird es nicht müde, die moralische Durchschnittslage der chinesischen Welt gegenüber der von Gegensätzen geprägten geistigen Lage Europas hervorzugeben. Sein Chinabild basiert hauptsächlich auf dem Begriff Moralität. Der Abendländer denke moralisch, der Chinese aber empfinde moralisch. Der Konfuzianismus ist für ihn die Grundkraft der chinesischen Welt. |
14 | 1920 |
Stolzenburg, Wilhelm. Li-tai-po : vor den Bastionen südwärts. In : Mannheimer Tageblatt (1920). Die Übersetzung eines Gedichtes von Li Bo ist die erste Beschäftigung Stolzenburgs mit chinesischer Lyrik. Darin wird die grausame Kriegswirklichkeit geschildert und an die Menschenliebe appelliert.
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15 | 1920 |
Ch'en Shou-yi graduiert an der Lingnan-Universität.
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16 | 1920-1924 |
Ch'en Shou-yi ist Instructor of Chinese Literature an der Lingnan-Universität.
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17 | 1920 |
Kafka, Franz. Die Truppenaushebung. In : Kafka, Franz. Die Erzählungen. (Frankfurt a.M. : S. Fischer, 1961).
Quelle : Heilmann, Hans. Chinesische Lyrik [ID D11976]. Meng Weiyan : Die Erzählungen hat mehrere Übereinstimmungen mit dem altchinesischen Gedicht Shi hao li [Der Rekrutenjäger] von Du Fu. In beiden Texten handelt es sich um eine Truppenaushebung, ziehen sich die Männer voller Angst davor zurück, während Frauen an die Stelle ihrer Männer treten und in beiden Texten ist eine militärische Auseinandersetzung mit dem Nachbarland die gleiche Ursache. |
18 | 1920 |
Kafka, Franz. Abweisung. In : Kafka, Franz. Sämtliche Erzählungen. (Frankfurt a.M. : S. Fischer, 1970).
Elias Canett : Die Erzählung ist ein vorzügliches Beispiel für den natürlichen Taoismus und die besondere Färbung des Ritualismus. Han Ruixin und Hartmut Binder : Die Erzählung ist durch Kafkas Lektüre über Tibet Durch Asiens Wüsten von Sven Hedin [ID D2666] entstanden. Franz Kafka schreibt in einem der ersten Briefe an Milena Jesenská : Ich lese ein Buch über Tibet ; bei der Beschreibung einer Niederlassung an der tibetanischen Grenze im Gebirge, wird mir plötzlich schwer ums Herz, so trostlos verlassen scheint dort das Dorf, so weit von Wien. Wobei ich dumm die Vorstellung nenne, dass Tibet weit von Wien ist. Wäre es denn weit ? |
19 | 1920 |
Elias Canetti schreibt 1980 über die chinesische Ausstellung von 1920 : Chinesische Ausstellung : Es wird alles immer staunenswerter, was von dort kommt. Niemand wird es erschöpfen in diesem knappen Leben. Aber ich sage mir nicht ohne Stolz, wie lange ich schon von China weiss, nur die Griechen waren früher schon für mich da, aber nicht mehr als sechs oder sieben Jahre früher und wenn ich die frühesten Nachrichten über Marco Polo gelten lasse, kamen sie sogar gleichzeitig. Es ist so, dass ich seit 60 Jahren etwa eine Vorstellung von China im Kopf trage und wenn sie sich ändert, so heisst das, das sie differenzierter und gewichtiger wird.
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20 | 1920 |
Thomas Mann streicht in Erinnerungen an Lew Nikolajewitsch Tolstoi von Maxim Gorky (München : Der neue Merkur, 1920) folgende Stelle an :
"Der Chinese Lao-tse lehrt : Das Einzige, was ich fürchte, - das ist das tätige Wesen. Alle Welt soll des Tuns entraten. Nichttun ist förderlicher denn alles, was zwischen Himmel und Erde existiert. Wenn die Menschen alle aufhören werden zu tun, wird vollkommene Ruhe auf Erden herrschen." |