Seghers, Anna. Chinas Schlachtgesang : Betrachtungen zum Buch von Agnes Smedley. In : Alemania libre, Mexico ; no 3 (1943/44).
Seghers schreibt : Das Buch ist auch nie entrückt oder enfremdet durch die Ereignisse dieser Tage, die jedes nebensächliche Thema ausschalten würden. Die Fragen des Buches sind nur noch brennender geworden, jetzt wo alle Fragen um die zweite Front gerade uns Europäer zutiefst beunruhigen. Denn, wo ein wesentliches Thema angeschlagen wird, kann es wohl eine zeitlang beschattet werden, aber es muss in den entscheidenden Momenten in aller Klarheit und Schroffheit wieder zu Tage treten. Ein solches Thema ist China : Die erste grandiose Episode im Weltkrieg gegen den Faschismus, da vielleicht jetzt die entscheidende letzte begonnen hat… Auf mich, die ich das Land [China] nicht kenne, hat das Buch gewirkt wie ein Niederschlag des Gefühls, das die Smedley bewegte, als sie am Tage der Kriegserklärung an Japan die chinesischen Massen an sich vorbeiziehen sah. Ich war nie fähig, den Eindruck völlig wiederzugeben, den sie auf mich machten…
[Veränderter Text aus Verwirklichung] : Die Kuomintang [Guomindang] war längst zum Werkzeug der alten Feudalfamilien und neuen Bankiers geworden. Agnes Smedley zeigte das ganze widerliche Gemisch von Feudalismus und Kapitalismus. Sie schilderte ihren Besuch in einem vornehmen Gutshaus. Die Töchter gehen auf die amerikanische Schule. Das Tischgespräch ist englisch. Es klirrt dabei aus einer Ecke der weiten, düsteren Halle. Das sind die Ketten gefangener Bauern, die dieser Gutsherr der Polizei übergibt, weil sie mit der Pacht im Rückstand liegen…
Albrecht Richter : Leseerlebnis und die eigene Beziehung zu China und seinen Menschen aktivieren hier jene Elemente des China-Bilder von Anna Seghers : die starke Affinität der Autorin zu China und „Chinesischem“, die Bewunderung für die chinesischen Menschen angesichts ihrer „revolutionären Geschlossenheit“ und die Fasziniertheit von der Grossartigkeit und Ursprünglichkeit dieses fernen Landes… ihr unvermindert starkes Interesse an China, insbesondere an dessen innen- und aussenpolitischer Situation… Die in diesem Text nachweisbare Parteinahme Anna Seghers für die Schwachen, Entrechteten und Armen, ermöglicht eine Re-Transformation des Kontrastes Arm / Reich auf das Verhältnis Eigenes / Fremdes und legt als ihre weltanschauliche Botschaft folgendes frei : Hinter äusserlicher Zivilisiertheit und Kultur der Reichen verbirgt sich grausame Menschenverachtung. Inhumanes, Barbarisches erscheinen als Bestandteile feudalistischer, kapitalistischer Gesellschaftsstrukturen.
Literature : Occident : Germany
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Literature : Occident : United States of America