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Chronology Entries

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1 1922
Harley F[arnsworth] MacNair promoviert in chinesischer Geschichte an der University of California.
2 1922
Zur Feier von Johann Wolfgang von Goethes 90. Todestag erscheinen zahlreiche Artikel über ihn : Xi Di [Zheng Zhenduo] schreibt ein Gedicht. Hu Yuzhi zeichnet Goethes Lebensanschuaung anhand des Faust auf. Xie Liuyi schreibt über Gedanken zur Goethe-Feier. Bin Xin schreibt das Gedicht "Sehnsucht" 渴望.
3 1922-1923
Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe hat grossen Einfluss auf die Entwicklung der modernen chinesischen Prosa.
4 1922
Xu Zhimo kehrt nach China zurück. Er unterrichtet an der Beijing-Universität, der Qinghua-Universität und der Pingmin-Universität.
Er hält eine Vorlesung über Percy Bysshe Shelley an der Beijing-Universität : "[Upon reading his poetry] I came to feel the ordinary people's clumsiness and the poet's superiority. With him, each word seems to have a soul dancing therein ; when many words are combined, we get a big concertin which music is played in great harmony. Such an aesthetic feeling and a musical sense can only be experienced by oneself in an instant and can never be imparted to any other people".
5 1922
Guo Moruo schreibt im Vorwort zu seiner Übersetzung Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe [ID D11267] : Er wollte fünf Themen zum Ausdruck bringen : Emotionalismus, Pantheismus, Erhöhung der Natur, Verehrung des einfachen Lebens und Respekt vor Kindern. Er erwähnt auch, dass Werher Goethe nicht nur Lob, sondern auch Kritik eingebracht hat.
6 1922-1925
Zhu Guangqian unterrichtet am China College in Wusong, Shanghai und an der Chunhui High School in Shangyu, Zhejiang. Er ist Mitbegründer der Lida Society und des Lida Institute in Shanghai, gründet die Kaiming Book Company und die Zeitschrift Yi ban = High school student.
7 1922-
Durch den Einfluss von Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe erscheinen in China viele Erzählungen und Novellen in Briefform und Tagebuchform.
8 1922-1924
Zhang Wentian arbeitet als Herausgeber und Übersetzer für Datong daily, einer Zeitung für Übersee-Chinesen in San Francisco und arbeitet in der Bibliothek der University of California, Berkeley.
9 1922-1931
Gründung der Vereinigung Xu cheng durch Mei Guangdi, Hu Xiansu und Wu Mi in Nanjing. Sie führen Romantik und Realismus und westliche Klassiker in China ein.
10 1922 ca.-1924
Zhu Qianzhi ist Dozent an der Xiamen-Universität in Fujian.
11 1922
Klabund. Kunterbuntergang des Abendlandes : Grotesken. [ID D12524].
Er schreibt : Man soll nicht nach Asien schielen, denn dies würde dem heiligen Geist des Tao widersprechen, nach dem Du künftig leben und sinnen sollst, denn Du wirst der Chinese Europas werden.
12 1922
Hesse, Hermann. Siddhartha : eine indische Dichtung. (Berlin : S. Fischer, 1922).
Hermann Hesse schreibt : Keinem wird Erlösung zuteil durch Lehre. Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Man kann sie finden, man kann sie leben, man kann von ihr getragen werden… aber sagen und lehren kann man sie nicht.

Er schreibt an Felix Braun : Der Weg des Heraklius ist auch mir vertraut, ich spinne schon lang an etwas Ähnlichem, an etwas in indischem Kleid, das von Brahman und Buddha ausgeht und bei Tao endet.

Er schreibt an Stefan Zweig, nachdem er dessen Legende Die Augen des ewigen Bruders gelesen hat : Schon als ich Ihre Legende vom gerechten Richter las, schien mir dies meinem Siddhartha ein wenig verwandt zu sein. Mein Heiliger ist indisch gekleidet, seine Weisheit steht aber näher bei Lao Tse [Laozi] als bei Gotama. Laotse ist ja jetzt in unserem guten armen Deutschland sehr Mode, aber fast alle finden ihn doch eigentlich paradox, während sein Denken gerade nicht paroadox, sondern streng bipolar, zweipolig ist, also eine Dimension mehr hat. An seinem Brunnen trinke ich oft.

Liu Weijian : Für Hesse stellt die Einheit der Polarität einen Weg zur Selbstverwirklichung des Menschen dar. Er befreit sich von der christlich-bürgerlichen Ethik und will seinen eigenen, von der taoistischen Einheit der Polarität geprägten Werten suchen. Er ist überzeugt, dass er die tatsächliche Erlösung allein durch die beharrliche Suche nach dem Selbst erlangen kann : Der Weg der Erlösung führt nicht nach links und nicht nach rechts, er führt ins eigene Herz, und dort allein ist Gott, und dort allein ist Friede.
Hesse schreibt in einem Brief (1923) darüber : Nicht bloss drei Jahre voll Arbeit und schwerem Erleben, sondern auch mehr als zwanzig Jahre einer inneren, vielfältigen Beschäftigung mit ostasiatisches Weisheit.

Adrian Hsia : Nicht zufällig wählt Hesse das strömende Wasser als die unpersönliche Verkörperung des Tao. Denn der Fluss ist Inbegriff aller Wandlung… Die Vermutung liegt nahe, dass Hesse in seinem Siddhartha nicht nur die Lehren, sondern auch die Person des Lao Tse [Laozi] dargestellt hat. Diese Vermutung wird zusätzlich bestätigt durch Hesses Äusserung, Siddhartha ende im Tao.

Liu Weijian : Die Erlösungslehre verspricht Siddhartha das Nivana nur im Jenseits, während er einen Ausweg im vielfältigen, beweglichen Diesseits sucht. So kann ihn Buddhas Heilversprechten nicht befriedigen. Ausserdem kann er Buddhas Ablehnung des Bösen als Voraussetzung zum Nirvana nicht akzeptieren… Er steht Laozi näher, dem nicht der Erwerb des Wissens anderer, sondern die Selbsterkenntnis Lebensweisheit bedeutet : Wer andere kennt, ist klug. Wer sich selber kennt, ist weise. Hesse greift diese Idee auf und stellt sie weiterhin in Zusammenhang mit einem einheitlichen Weltbild… Siddhartha muss das weltliche äussere Leben auskosten, um dann zum inneren Wesen des Ich zurückzukehren… Siddharthas Liebe zu den Menschen und sein Hineinversetzen in die Dinge verrät Hesses Einsicht in die daoistische Dialektik. Er lässt Siddhartha zur Erkenntnis kommen, dass Weich stärker ist als Hart, Wasser stärker als Fels, Liebe stärker als Gewalt… So wird der Gedanke, dass der Mensch über die die zwei Erfahrungsbereiche Yang und Yin, der Welt des Geistigen und der Welt des Irdischen, hinausgeht und sich in einem dritten Bereich, dem des Tao, findet…
13 1922
Hermann Hesse schreibt an einen seiner Leser : So werden Sie vermutlich ganz von selber mit der Zeit sich dem Gedanken der Einheit nähern, werden Laotse [Laozi] oder Buddha und andere Weise und Heilige finden und werden dann auch die Bibel, namentlich das Neue Testament ganz anders lesen als früher.
14 1922-1924
Zhang Wentian ist Herausgeber und Übersetzer des Datong daily in San Francisco.
15 1922
Hesse, Hermann. Besuch aus Indien. (S.l. : s.n., 1922). In : Gesammelte Werke ; Bd. 6.
Er schreibt : Ich musste aufhören, dort [in Indien und China] die Erlösung von Europa zu suchen, ich musste aufhören, Europa im Herzen zu befeinden, ich musste das wahre Europa und den wahren Osten mir im Herzen und Geist zu eigen machen, und das dauerte wieder Jahre um Jahre, Jahre des Leidens, Jahre der Unruhe, Jahre des Krieges, Jahre der Verzweiflung.
16 1922
Döblin, Alfred. Gespräch im Palast Khien-lungs. In : Sonntagsbeilag des Berliner Börsen-Couriers ; 16. April 1922.
Untertitel : Ungedrucktes Stück aus dem Roman Wang-lun. Gespräch zwischen Kaiser und Sohn mit dem Hintergrund der Bezwingung der freumden Völker und der kaiserlichen Macht.
17 1922-1925
Liu Dajie studiert am Chinese Literature Department des Wuchang Normal College. Er beginnt zu schreiben und gründet die Yilin Press.
18 1922-1926
Egbert Hamilton Walker unterrichtet am Canton Christian College in Guangzhou (Guangdong).
19 1922
Zhou Zuoren ist Vorsteher des Literature Department der Yanjing-Universität.
20 1922
Klabund. China : Laotse und das magische Denken [ID D12628].
Er schreibt : China wird von dem Gegensatz Kongfutse [Konfuzius] – "ordnende Vernunft" und Laotse [Laozi] – "sinnende Seele" im Gleichgewicht erhalten. Kongfutse (551 bis 479 v.Chr.) ist der Moralist, der praktische Politiker, dem China sein patriarchalisches Staats- und Familienleben verdankt. (Man muß abwarten, wie weit die von einigen in Amerika groß gewordenen chinesischen Intellektuellen angestiftete, gänzlich unchinesische Revolution von 1905 dauernden Erfolg zeigt.) Laotse ist der Mystiker, in sich selbst Versunkene, der nur ein sittliches Beispiel geben will, jeder aktivistischen zwangsmäßigen Verwirklichung ethischer Postulate aber aus dem Wege geht. Er ist der erste, der der stark pazifistischen Neigung der Chinesen Ausdruck gibt. "Wer in Weisheit dem Herren der Welt hilft, unterjocht nicht mit Waffen die Welt. Die Welt könnte ihre Waffen gegen ihn wenden." Laotse wurde 604 v.Chr. geboren. Er verwaltete das Reichsarchiv der Dynastie Choú und schrieb den Taoteking [Dao de jing]. Dessen Sinn: der Mensch soll nicht nach außen, sondern nach innen leben. Wenngleich das Klimatische bei der Entstehung des taoistischen Menschen eine Rolle gespielt haben mag, so scheint mir der Trennungsstrich zwischen östlichen und westlichen Menschen quer durch die Seele der Menschheit zu gehen, die nur durch das himmlische Gesetz der Waage, der Polaritäten, des Gegensatzes zwischen Tag und Nacht, Tod und Leben, Gott und Teufel, Mann und Weib, Gut und Böse sich in der Schwebe hält. Der Typ des östlichen und des westlichen Menschen, man kann ihn auch den Menschen des (Sonnen-) Aufgangs und des (Sonnen-) Untergangs bezeichnen, ereignet sich überall: in allen Zeiten und Völkern und Klimaten. Der faustische und der apollinische, der sentimentalische und der naive Mensch sind parallele Polaritäten. Das östliche Denken, wie Laotse es denkt, ist ein mythisches, ein magisches Denken, ein Denken an sich. Das westliche Denken ist ein rationalistisches, empiristisches Denken, ein Denken um sich, ein Denken zum Zweck. Der östliche Mensch beruht in sich und hat seinen Sinn nur in sich. Seine Welt ist eine Innenwelt. Der westliche Mensch ist 'außer sich'. Seine Welt ist die Außenwelt. Der östliche Mensch schafft die Welt, der westliche definiert sie. Der westliche ist der Wissenschaftler, der östliche der Weise, der Helle, der Heilige, der Wesentliche, der 'sein Geschmeide unter einem ärmlichen Gewande verborgen trägt'. Die großen chinesischen Dichter sind sämtlich von Laotse beeinflußt, der in seinen Sprüchen einer der großen Dichterphilosophen ist wie Plato oder Nietzsche. Seine Schüler Liä-dsi und Dschuang-dsi haben die Kunst des Gleichnisses, die die Kunst ist, gleichzeitig und gleichräumlich mit den gleichen Worten zu den Menschen vieler Ebenen zu sprechen, auf das höchste entwickelt. Das wahre Buch vom quellenden Urgrund trägt den Namen des Liä-dsi, Das wahre Buch vom südlichen Blütenland den des Dschuang-dsi. Viele dieser Gleichnisse gehören zu dem Schönsten und Tiefsten, was in menschlicher Sprache gedacht und gesagt wurde. Man lese, man träume den 'Schmetterlingstraum' des Dschuang-dsi: "Einst träumte Dschuang-dschu, daß er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang-dschu. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang-dschu. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang-dschu geträumt hat, daß er Dschuang-dschu sei, obwohl doch zwischen Dschuang-dschu und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge."

Die chinesische Literatur ist so umfangreich wie die Ausdehnung des chinesischen Reiches. Das älteste Literaturdokument ist eine Inschrift des Kaisers Yao von etwa 2400 v. Chr., die das Sintflutmotiv anschlägt. Schon damals zeigte die chinesische Literatur einen festen Umriß, der auf eine jahrtausendalte Tradition zurückweist. Im 18. Jahrhundert plante ein Kaiser die Drucklegung einer Auswahl der klassischen Literatur. Diese Auswahl war auf 163 000 Bände berechnet, von denen bis 1818 ungefähr 80 000 erschienen. Wir kennen nur einen geringen Bruchteil dieser Literatur. Vermutlich stehen dem Europäer noch große Entdeckungen darin bevor, vielleicht nicht unwichtiger als die Entdeckung Amerikas. Man denke, daß sich in der Münchener Staatsbibliothek eine Sammlung von etwa 10 000 chinesischen Büchern befindet, die noch nicht einmal katalogisiert ist.

Die chinesische Sprache besteht aus lauter einsilbigen Worten, die kurz und prägnant ohne Bindung aneinandergereiht werden. Die Substantiva werden nicht dekliniert, die Verba nicht konjugiert. Mond steht Berg. Glanz über Wald. Ferne Flöte. Helle Seide. Mädchen tanzt. Dies (etwa) ist die Fiktion eines chinesischen Gedichts. Nur: daß der Reim fehlt. Die chinesischen Gedichte reimen sich. Der Vokal, je nachdem er getönt ist, gibt dem chinesischen Wort den Sinn. Ein Wort kann zwanzigfach gedeutet werden. Wird es geschrieben, entfaltet es sich wie eine Blüte noch reicher. Es gibt kein Alphabet. Die Schrift ist eine Sinogrammschrift. Die Schriftzeichen zaubern ohne klangliche Überleitung im chinesischen Bewußtsein farbige Begriffe hervor: Man sieht ein Zeichen – und denkt: Trauer, Armut, Helligkeit. Man setzt Zeichen zusammen. Spielerisch.Baut Mosaik: Auge...Wasser, gleich Träne. Unendliche Möglichkeiten für den Dichter, der sein Gedicht zugleich denkt, malt, formt und singt. Alle Gedichte werden auch gesungen. Nach durch Tradition vorgeschriebenen Melodien. Für den Chinesen ist nur der lyrische Dichter der wahre Dichter. Roman, Novelle und Drama gehören wohl zur Literatur, aber nicht zur Dichtung. Deshalb verzichtet auch der Schriftsteller von Romanen und Dramen meistens auf seine Signatur und bleibt anonym. Die Redaktion der alten chinesischen Volksliedersammlung des Schi-king [Shi jing] (500 v.Chr.) stammt von Kongfutse, der auch der Dichter eines herrlichen „Epitaph auf einen Krieger“ ist. Die bedeutendsten Vorläufer der klassischen chinesischen Epoche sind Kiü-yüan (Qu Yuan] (300 n.Chr.) und Mei-scheng [Mei Sheng] (140 n.Chr.). Die Blütezeit der Dichtung fällt in die Dynastie Thang (618 bis 907), welche Litaipe [Li Bo], vielleicht den größten Lyriker aller Zeiten und Völker, hervorgebracht hat. Litaipe lebte von 702 bis 763 n.Chr. Als ewig trunkener, ewig heiliger Wanderer wandert er durch die chinesische Welt. Kunstsinnige Herrscher beriefen den erlauchten Vagabunden an ihren Hof, und oft genug erniedrigte und erhöhte sich der Kaiser zum Sekretär des Dichters, wenn Litaipe nach einem Zechgelage ihm seine Verse im Morgengrauen in den Pinsel diktierte. Der Kaiser, der den Dichter und Menschen brüderlich liebte, machte ihn zum kaiserlichen Beamten, setzte ihm eine Rente aus und gab ihm als Zeichen seiner Gnade ein kaiserliches Prunkgewand zum Geschenk – für einen Chinesen die höchste Ehrung. Litaipe schleifte das kaiserliche Gewand durch alle Gassen der Provinz und ließ sich an Abenden voll Trunkenheit als Kaiser huldigen. Oder er hielt, in des Kaisers Kleidern, rebellische Ansprachen an die Trinkkumpane und das herbeigelaufene Volk. Er starb im Rausch, indem er bei einer nächtlichen Bootsfahrt aus dem Kahne fiel. Die Legende läßt ihn von einem Delphin erretten, der ihn, während in den Lüften engelhafte Geister ihn betreuen, auf Meer hinaus und in die Weiten der Unsterblichkeit entführt. Sein Volk vergöttert ihn und errichtete ihm einen Tempel; der kunstreichste der chinesischen Lyriker wurde auch der volkstümlichste. Neben Litaipe ist der elegische Thu-fu [Du Fu] (714 bis 764 n.Chr.) zu nennen. Pe-Kiü-ys [Bo Juyi] (772 bis 846 n.Chr.) tausend Gedichte ließ Kaiser Sien tsung [Xianzong] auf Steine gravieren und die Steine auf einem heiligen Hügel aufstellen. Su-tung-po [Su Shi] (1036 bis 1101 n.Chr.) ist der bekannteste unter den späteren Lyrikern. Ende des 19. Jahrhunderts erwarb sich der bedeutende Staatsmann Li-hung-tschang [Li Hongzhang] auch als Lyriker einen Namen.

Im chinesischen Drama spielen Helden, Heldenjungfrauen, Zauberer, Dämonen ihre Rolle. Je weniger der Chinese selber ein Held ist und sein will, um so lieber sieht er ihn sich auf der Bühne an. Das chinesische Theater findet im Freien oder in einem Tempelhof statt und ist ganz auf Improvisation gestellt. Es gibt keine Dekorationen. Die Kostüme sind reich und prunkvoll. Der Schauspieler zieht sich auf offener Bühne um und an. Die Szenerie wird symbolisch angedeutet. Eine Schale mit Wasser bedeutet einen Wolkenbruch. Eine kleine Flamme einen Weltbrand. Musik von Gong, Geige und Flöte begleitet die Handlung, die durch keinen Applaus unterbrochen wird. Schweigend stehen die Chinesen an Bäumen oder sitzen auf mitgebrachten Stühlen. Übrigens sind die bürgerlichen Lustspiele oft von Damen der halben Welt geschrieben, die eine ganze Welt aus ihrem Herzen heraufbeschwören.

Die Prosa zeigt als Haupthelden der Handlung fast immer die gleichen Typen: einen Studenten, der die Tochter eines Mandarinen liebt. Darum rankt sich ein ganzer Rattenkönig von Intrigen, oft über viele hundert Bände ausgesponnen. Der Autor weiß im dritten Band schon nicht mehr, was er im ersten geschrieben, und im zwanzigsten sind die Helden des ersten sämtlich verstorben und haben andern Platz gemacht. Aber es ist, wie beim Theater, nur ein Kostümwechsel. Entzückend sind die chinesischen Märchen, kleineren Novellen, die Geister und Gespenstergeschichten.

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