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1 1917-1924 ca.
Gu Hongming ist Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten von Liang Dunyan.
2 1917-1921
Zheng Zhenduo studiert an der Beijing Railway Management School.
3 1917
Chen, Duxiu. Wen xue ge ming lun [ID11258] :
Chen schreibt : "Die europäische Kultur hat freilich viel der Politik und der Wissenschaft zu verdanken, doch auch nicht weniger der Literatur. Ich habe das Frankreich von Rousseau und Pasteur lieb, aber noch mehr das von Goethe und Hauptmann ; ich liebe das England von Bacon und Darwin, aber noch mehr das von Dickens und Wilde. Ist unter unseren heldenhaften Literaten jemand da, der den Mut hat, ein Hugo oder Zola, ein Goethe oder Hauptmann, ein Dickens oder Wilde zu werden ?" = "European culture has benefited considerably from the many contributions of political thinkers and scientists, but the contribution of writers has not been small either. I love the France of Hugo and Zola ; I love the Germany of Kant and Hegel, but I love especially the Germany of Goethe and Hauptmann ; I love the England of Bacon and Darwin, but I love especially the England of Dickens and Wilde. Is there some outstanding writer in our own national literature who will take on the role of China's Hugo, Zola, Goethe, Hauptmann, Dickens or Wilde ? Is there anyone bold enough to make a public challenge to the 'eighteen demons', ignoring the criticism of reactionary scholars ? If so, I am willing to drag out the cannon to from his vanguard."
[Jean-Jacques Rousseau, Louis Pasteur, Johann Wolfgang von Goethe, Gerhart Hauptmann, Francis Bacon, Charles Galton Darwin, Victor Hugo, Charles Dickens, Oscar Wilde, Emile Zola].

Bonnie S. McDougall : Chen meant no more than a literature in which the material world is shown to affect people's lives, and in which concern is shown particularly for the sufferings of the poor. The demand for 'freshness' should be taken in the context of 'stale classicism' ; Chen was not opposed to rich and elaborate descriptions of scenery or emotions as such, he only rejected the euphuistic and allusive language typical of a great deal of classical Chinese poetry and essays. His final aim, to create a simple and popular literature to replace obscure scholarly or eremitic literature, shows the most obvious reason for classing Wilde among the literary giants.
4 1917-1925
Wang Weike studiert an der Nanjing Hohai Engineering School (Hohai-Universität) in Nanjing, dann Naturwissenschaften an der Tatung-Universität in Shanghai und Französisch an der Zhendan-Universität in Shanghai.
5 1917-1918
Hofmannsthal, Hugo von. Semiramis : die beiden Götter. (München : Rupprecht-Presse, 1933). (Buch der Rupprecht-Presse ; 56). [Entstanden 1917-1918].
Hofmannsthal schreibt : Ninyas ist Geist und Liebe... Ninyas : der Kosmos, der unzerstörbar, wo auch eingekerkert... Ninyas immer unterm Bogen (eigentlich weiblich), Semiramis immer herauszielend (eigentlich männlich)... Semiramis : das Heroische will die Verewigung der Tat und der Person, aber nicht den Umschwung des Kosmos. - Ninyas gegen alles Heroische... Ninyas selbst, als reine Weltpotenz, wäre das Tao des Laotse [Laozi], wie Semiramis Stern...
In einer Notiz schreibt er : Der unbewegte Allbewegende, das ist Tao ; sein Tun, das ist sein Nicht-nichttun, ist, dass er seinen Willen in den Dingen und Ereignissen durch dieselben zur Tat werden lässt...

Hartmut Zelinsky : Ninyas, der "als reine Weltpotenz das Tao wäre", ist gegen das Heroische, während Semiramis als das Heroische "die Verewigung der Tat und der Person" will, und er wird, "als er einmal die Beschaffenheit der Welt erkannt hat, zu handeln unfähig" und verharrt im Nicht-tun. Und wenn es von Semiramis heisst, sie sei "immer in Angst, von Ninyas verschlungen zu werden, aufgehoben zu werden : gerade von dem Nicht-tuenden", dann erweist sich das taoistische Nicht-tun als die auszeichnende Eigenschaft des Ninyas, zu dessen Sterbeszene Hofmannsthal sich notiert : "nun richtet er sich auf wie ein Gesunder, spricht zu ihr (Semiramis) lange und klar, den grossen Tao preisend".

Ingrid Schuster : Hofmannsthal stützt sich weitgehend auf das Tao-te-king in der Übersetzung von Victor von Strauss. Der Gott Semiramis verkörpert das männliche yang, das aktive Prinzip der Macht und der Gott Ninyas das weibliche yin, das passive Prinzip des Nicht-Handelns. Im 28. Spruch des Dao de jing, den Hofmannsthal ebenfalls anrührt, heisst es : Wer seine Mannheit kennt, an seiner Weibheit hält, der ist das Strombett aller Welt. Hofmannsthal deutet einen Sieg des passiven Prinzips, des Nicht-Handelns, an.

Liu Weijian : Im dichterischen Entwurf Die beiden Götter, der 1917 und 1918 entstand, behandelt Hofmannsthal die Problematik von Handeln und Nicht-Handeln, von Macht und Ohnmacht. Explizite Bezüge zur taoistischen Philosophie treten zutage. Semiramis, die das Prinzip der Tat verkörpert, steht dem Tao-Zustand fern, während Ninyas das Prinzip des Nicht-Handelns darstellt und der reinen Weltpotenz, dem Tao des Laotse [Laozi] gleicht. Ninyas redet von sich wie von dem Fisch, dessen Element, das weiche Wasser, für ihn der harten Erde überlegen sei. Wie das unbewegte Allbewegende vereinigt er auf geheimnisvolle Weise Nicht-Handeln und Handeln, indem er einerseits durch stummes Dasitzen und Einfachheit wirkt, andrerseits seinen Willen in den Dingen und Ereignissen und durch dieselben zur Tat werden lässt.
6 1917
Pannwitz, Rudolf. Die Krisis der europäischen Kultur. (Nürnberg : H. Carl, 1917). (Freiheit des Menschen ; Bd. 1. Werke ; Bd. 2).
Ingrid Schuster : Es finden sich in diesem Buch vom Dao de jing abgeleitete Tiefsinnigkeiten : "die natur ist das unendliche der mensch das endliche der mensch als natur ist das unendliche der Übermensch das endliche der typus mensch ist der weg vom unendlichen ins endliche die kultur des menschen ist das mittel die natur des menschen zu überwinden die spannung des bogens bis der pfeil fliege.
Pannwitz nennt Buddha und Konfuzius an erster Stelle, Laozi scheint ihm ebenfalls wichtig, aber im Wesentlichen beschränkt er sich auf unsachliche Kritik. Er schreibt : "wir brauchen dringend vollwertige übertragungen der klassischen werke des orients. Kungfutse ist uns überhaupt noch nicht zugänglich gemacht so wenig wie irgend etwas chinesisches, übertragungen wie die der gespräche des kungfutse oder des werks des laotse von dr. richard wilhelm spotten jedes begriffs und verdienen die härteste verdammung es ist unbeschreiblich mit welcher rohheit und frechheit die letzten zartesten bilder und sinne da in ein deutsches pastoren und assessoren tohuwabbohu zusammengerührt werden".
Pannwitz, der keinerlei sinologische Qualifikation hatte, verliess sich ganz auf Gu Hongming. Er schreibt : "Der klassische chinese Kuhungming wie zu fürchten ist der einzige Mensch der heute noch lautere absichten mit der kultur hat - nicht der materialismus der idealismus im materialismus ist die verderbnis - hat die erstaunliche vergleichung der letzten vornehm geistigen bewegung in china mit der bis ins einzelne entsprechenden englischen oxfordbewegung die shelleyschen geist erweckt erschütternd durchgeführt und damit auf beide weltgeschichtes licht geworfen der chinesische demosthenes"... trotzdem sieht er das ganz entscheidende die krisis der europäischen kultur als tatsache und ihre letzten ursachen richtiger als die europäer heute und gibt weite strecken hin endgültige lösungen ob auch gerade die politische lösung aussichtslos optimistisch ist. damit dass wir keinen andern weg haben als die reine sittlichkeit - religion des kungfutse um aus unserer sogenannten sozialen frage herauszukommen wird er einfach recht haben - wenn wir jetzt nicht europäer werden so müssen wir schliesslich chinesen werden und grosze schichten europäer wollen und müssen chinesen werden auf alle fälle...

Luo Wei : Über Buddha und Konfuzius schreibt Pannwitz : Dies sind die beiden gröszten Sittenlehrer des Ostens und eben die Elemente der Sittlichkeit fehlen dem Europäer… Wenn wir nicht Europäer werden so müssen wir schliesslich Chinesen werden und grosze Schichten Europäer wollen und müssen Chinesen werden auf alle Fälle. Trotz seines gleichzeitigen Interesses am Taoismus und Buddhismus, kommt für ihn an erster Stelle im Konfuzianismus das Vorbild und der Ausweg aus der Kulturkrise für den Westen… in der Verschmelzung der europäischen Halbkulturen mit den grossen orientalischen klassischen Kulturen.
7 1917-1920
Zhou Zuoren ist am National History Compilation Office in Beijing tätig und wird Professor für griechische, römische und europäische Literatur an der Faculty of Arts der Beijing-Universität.
8 1917
Kafka, Franz. Beim Bau der chinesischen Mauer [ID D124553].
Quellen : Heilmann, Hans. Chinesische Lyrik [ID D11976]. Bethge, Hans. Die chinesische Flöte [ID D11977]. Dittmar, Julius. Im neuen China.
Max Brod sagt, dass Kafka das Buch Chinesische Lyrik von Hans Heilmann [ID D11976] sehr geliebt, zeitweilig allen anderen vorgezogen und oft mit Begeisterung daraus vorgelesen hat.

Ma Jia : China ist bei Franz Kafka ein Ideenschauplatz in seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit Macht und Gesetz. Beim Bau der chinesischen Mauer ist eines der wichtigsten Werke aus Kafkas China-Beschäftigung, denn darin werden die China-Motive häufiger und konzentrierter als in anderen Werken verwendet... Das Ziel, die chinesische Mauer zu bauen, bedeutet, Nordchina vor Angriffen der Nomaden zu schützen. Es ist aber ein illusionäres, imaginäres Ziel. Denn der Schutzfunktion, die der Mauer zukommen soll, kann diese nicht gerecht werden, zunächst wegen der mangelnden Kontinuität beim Mauerbau. Wie kann man aber eine Mauer schützen, die nicht zusammenhängend gebaut ist…. Die chinesische Mauer wird zum Symbol der Vergeblichkeit aller menschlichen Bemühungen und des Tragischen des Menschen, mit grösster Sorgfalt und unermüdlichem Fleiss das verwirklichen, dem Sinn geben zu wollen, was in der Gesamtheit unzweckmässig, ja überflüssig ist… China ist nur ein Schauplatz zwischen Traum und Wirklichkeit, auf dem Kafka seine Erfahrung des Menschen in einem undurchschaubaren mystischen Ganzen zeigt und das scheinbar sinnvolle Dasein in Frage stellt.

Meng Weiyan : Kafka behauptet, dass die Mauer zum ersten Mal in der Menschenzeit ein sicheres Fundament für einen neuen Babelturm schaffen werde. Der Babelturm ist ein Traum, der nur unter der Beteiligung aller Menschen in Erfüllung gehen kann. Die geographische Entfernung dient bei Kafka dazu, die Nutzlosigkeit der Mauer zu betonen. Er betont die Entfernung zwischen dem Kaiser und dem Volk, die ein Bote nicht hinter sich bringen kann, nicht nur weil das Land gross ist, sondern die Menge der Höflinge um den Kaiser, das Gedränge im Palast und auf den Strassen, sein Vorwärtskommen vereiteln.

Armin Schäfer : Kafka kennzeichnet China durch seine Grösse und das Volk, den Kaiser als Symbol und das Reich sind symbolische Üercodierungen einer dezentralen Politik.

Nakazawa Hideo. In : JDZB : Veröffentlichungen des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin ; Bd. 12 (1991), S. 233-235.
Die Erzählung ist ein allegorisches Werk, in dem das Wort „Jude“ durchwegs durch das Wort „Chinese“ ersetzt ist, und das sich mit der Situation des Judentums auseinandersetzt. Nach Kafkas Meinung hat weder der Kaiser noch die Nordvölker den Bau angeordnet. Es ist eher die „Führerschaft“, die ihn beschlossen haben. Die Führerschaft ist eine allegorische Darstellung der jüdischen Überlieferung, der Aufbau des Judenstaates.
9 1917
Kuei-fen Pan-Hsu : Klabund veröffentlicht einen offenen Brief an Kaiser Wilhelm II., in dem er den Kaiser auffordert, dem Wunsch des Volkes entsprechend baldigst seinen Willen zum Frieden zu bekunden. In : NZZ ; 3.6.1917
Die seit der Beschäftigung Klabunds mit der chinesischen Kriegslyrik langsam eintretende Veränderung in der Einstellung zum Krieg ist in diesem Brief deutlich abzulesen. In diesem Brief basiert der Friede nach der Vorstellung Klabunds nicht auf der Regierungsform, sondern einzig und allein auf der Menschlichkeit, die er durch die chinesische Kiregslyrik kennengelernt hat.
10 1917
Franz Kafka schreibt sein erstes Oktavheft, in dem sich die Szene über eine fiktive Begegnung mit einem Chinesen befindet, was bedeutet, dass er in seiner Phantasie sich weiter mit China beschäftigen will.
11 1917
Franz Kafkas Neigung zu einem zurückgezogenen und asketischen Leben verstärkt sich durch den Ausbruch seiner Lungenkrankheit. Diese Lebensform kann mit der taoistischen verglichen werden.
In einem Brief an Milena spricht er das asketische Leben eines chinesischen Weisen an : „Ich lese ein chinesisches Buch, bubácká kniha (Gespensterbriefe), deshalb erinnere ich mich daran, es handelt nur vom Tod. Einer liegt auf dem Sterbebett und in der Unabhängigkeit, die ihm die Nähe des Todes gibt, sagt er : Mein Leben habe ich damit verbracht, mich gegen die Lust zu wehren und es zu beenden“.
Lee Joo-dong : Vor allem will Kafka einen Sinn der Welt und des Menschen nicht im Aussen, sondern immer im Innern suchen, denn er glaubt daran, dass das Unzerstörbare in uns selbst verborgen ist. Deshalb will er nicht Handelnder sein, sondern stets Passiver, Nicht-Handelnder bleiben. Er schreibt : „Es ist nicht notwendig, dass du aus dem Haus gehst. Bleib bei diesem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still und allein. Anbieten wird sich dir die Welt zur Entlarvung, sie kann nicht anders, verzückt wird sie sich vor dir winden“. Diese Stelle erinnert deutlich an den 47. Spruch des Dao de jing : „Ohne aus dem Hause zu gehen, kann man die Welt erkennen…“
12 1917-1918
Franz Kafka hält sich bei seiner Schwester Ottla in Zürnau, Nordböhmen auf um die Trennung von Felice zu überwinden. Er beschäftigt sich vor allem mit der chinesischen Philosophie und liest Martin Buber, sowie Richard Wilhelms Übersetzungen Laotse [Laozi] und Dschuang Dsi [Zhuangzi].
Kafka beschreibt, dass die chinesische Philosophie und Religion grundsätzlich das Leben bejahen, als einen mächtigen Reichtum der geistigen Weltgeschichte, und dass die chinesische Lebensphilosophie, in der Leben und Tod nicht unterschiedlich, sondern von einem grossen Zusammenhang sind, als das Grund- und Hauptproblem aller Religion und Lebensweisheit.
Lee Joo-dong : Den Weg zum traumhaften inneren, höheren und ewigen Leben nennt Kafka häufig „den rechten“, „den richtigen Weg“, oder „den wahren Weg“. Dieser rechte Weg, den Max Brod „Tao“ nennt, kann erst erreicht werden, wenn der Mensch jeden Augenblick des Lebens als den existentiellen Augenblick erleben und aufnehmen kann.
Max Brod weist 1951 darauf hin, dass Franz Kafkas Lebensvorstellung auf „Tao“ beruht : Die Ehe bedeutet für Kafka Eingliederung in das richtige Leben, in menschliche und kosmische Gemeinschaft, in die Weisheit Chinas das „Tao“ nennt. Die Chinesen haben es immer als selbstverständlich gehalten, dass die Ehe, die Vereinigung von Mann (yang) und Frau (yin) eine zentrale Stelle im Leben einnimmt. Er stellt die These auf, dass in Kafkas religiösem Glauben das Absolute vorhanden sei, ja „Tao“ für Idee als Ethos steht, es aber wegen unserer gottfernen Lebens- und Denkweise immer unmöglich ist, in das vollendete Leben, in das Tao einzutreten.
Trotz seiner negativen Grundhaltung gegenüber dem konventionellen jüdisch-christlichen Gedankengut, wendet sich Franz Kafkas mystische Gläubigkeit an ein unbeschreibbares Etwas, was sich unserer sinnlichen und kognitiven Wahrnehmung entzieht.
13 1917-1918
Kafka, Franz. Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg. In : Kafka, Franz. Prosa. (Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1963). (Bibliothek Suhrkamp ; Bd. 97). [Aphorismen].
Meng Weiyan : Kafka hat einige Elemente der chinesischen Philosophie entnommen. In Gesprächen mit Gustav Janouch sagte er, dass er sich ziemlich tief und lange mit dem Taoismus beschäftigt hat und fast alle Bände der deutschen Übersetzungen dieser Richtung besitze.
Han Ruixin : Darin enthalten sind Parallelen zu Laozi, Zhuangzi und Liezi.
14 1917
Israel Epstein kommt mit seiner Familie in China an.
15 1917
Hu, Shi. Wen xue gai liang chu yi [ID D15650].
Hu Shi schreibt : Die Literatur im umgangssprachlichen Stil sei Standardform für die chinesische Literatur ; das Chinesische müsse Medium sein, das der Schöpfung lebendiger Literatur angemessen ist.
16 1917-1925
Xie Fuya arbeitet in der Young Men's Christian Association (YMCA).
17 1917
Cai, Yuanpei. Yi mei jiao dai zong jiao shuo [ID D16933].
Liu Gangji : Cai Yuanpeis Idee einer 'Ästhetischen Erziehung statt Religion' gründet sich zunächst auf seine Analyse und sein Verständnis der Ästhetik Immanuel Kants. Dabei hebt er besonders Kants Gedanken, dass das Schöne 'Transzendenz' und „Universalität“ aufweisen, hervor. Die 'Transzendenz' verkörpere das Nicht-Utilitaristische, das Interesselose des Schönen. Weil das Schöne in keinerlei Verbindung zum Nutzen stehe, verkörpere es etwas, das jeden durch dessen Genuss Freude finden liesse und keinerlei Exklusivität oder Eigennutz aufweise. Bei Kant handelt es sich hier um die abstrakte Analyse, dass das ästhetische Urteil vom logischen und moralischen Urteil verschieden sei. Cai entwickelt diesen Gedanken weiter und kommt zum Schluss, dass das Schöne, da es sowohl Transzendenz als auch Universalität besitze, zur emotionalen Vervollkommnung und zur Entwicklung einer edlen Gesinnung beitragen könne, die weder zwischen sich und anderen unterscheide, noch eine schädliche Ichbezogenheit aufweise. So könne man Menschen heranbilden, die keine Rücksicht auf Gewinn oder Verlust nähmen und sich für die Mitmenschen aufopfern… Cai bringt die Kantsche Idee des 'Schönen' und 'Erhabenen' mit den Lehren des Konfuzianismus in Verbindung…
Er setzt alles daran, die traditionelle chinesische Philosophie mit den Gedanken der Aufklärung zu interpretieren, um dann beide miteinander verschmelzen zu können. Sein Konzept hängt darüber hinaus auch mit der Frage nach der Beziehung zwischen Erscheinung und Substanz in Philosophie und Ästhetik zusammen. Kant zufolge sei das ästhetische Wohlgefallen ohne alles Interesse und entspräche damit dem 'freien Wohlgefallen', das zwar eine natürliche Notwendigkeit aufweise, dabei aber nicht von dieser Notwendigkeit bestimmt sei… Cai übernimmt zwar einersetis die Ansicht von Kant und Schiller, durch ästhetisches Empfinden könne man 'Freiheit' erlangen, modifiziert aber gleichzeigig : Kant zufolge kann diese 'Freiheit' nur in der „Erscheinungswelt“ existieren, vertritt aber die Ansicht, dass 'Erscheinung' und 'Substanz' keine voneinander istolierte Welt darstellen… Cai schätzt die Philosophie Kants, weil in ihr die Vorstellung von Gott kein hoher Stellenwert zukommt.
Er orientiert sich zwar an der Ästhetik Kants, fügt aber zugleich charakteristische Elemente der traditionellen chinesichen Philosophie ein.
18 1917
Mao, Dun. Xue sheng yu she hui [ID D18289].
Mao Dun schreibt : Die von neuen Gedanken beeinflussten Intellektuellen verschlingen mit grossem Wissensdurst alles, was aus dem Ausland eingeströmt war. Sie stellten verschiedene Ismen, Ideen und Lehren vor. Damals gab es die Ansicht, dass die feudale Sozialordnung gründlich umgestürzt werden müsse und eine neue Ordnung für China nur im Ausland zu finden sei.

Raoul David Findeisen : Mao Dun fordert die Studenten auf, sich mit westlicher Philosophie und Wissenschaft zu beschäftigen, um mit deren Hilfe ideologische und damit soziale Reformen in Gang zu bringen. Er bezeichnet China als ein rückständiges Land, das dringend der jungen Intellektuellen als 'Zivilisationsfaktoren' bedürfe.
19 1917
Cai Yuanpei sagt über Friedrich Nietzsche in einer Rede vor Politikwissenschaftlern :
Nietzsche, der grosse deutsche Schriftsteller, hat den Grundsatz der Erhaltung der Starken und ].des Untergangs der Schwachen entwickelt. Auf der Welt sollten die Starken die Schwachen vereinnahmen, und dann der Stärkere den Zweitstärksten. Wenn es nach dieser Logik ginge, würden die Schwachen um ihre weitere Existenz fürchten müssen und den Starken mit allen Kräften Widerstand leisten. Nur auf diese Weise kann sich die Welt von Tag zu Tag entwickeln. Sonst müsste sie entarten, selbst wenn man den Wunsch hegte, die Schwachen zu schützen. Demzufolge vertritt Deutschland heutzutage den Volutionismus und proklamiert die natürliche Aussonderung der Schwachen. Deshalb übt dieser Krieg einen überaus starken Einfluss auf die heutige Welt aus. Falls Deutschland den Sieg davonträgt, wird der Imperialismus die heutige Welt beherrschen ; falls Frankreich siegt, wird der Humanismus die Welt regieren.
20 1917-1943
Maud Russell ist Sozialarbeiterin der Young Women's Christian Association in China.

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