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Chronology Entry

Year

1773

Text

Unzer, Ludwig August. Über die chinesischen Gärten [ID D26926].
Unzer schreibt : "Die englische Nation, von der man mit Recht sagen kann, dass sie mehr als andere geneigt ist, das erhabene Schöne zu fühlen, hat sich schon längst von den Vorzügen des chinesischen Geschmacks im Gartenbau überzeugt". Die Schlangenlinie chinesischer Gärten sei Ausdruck geistiger Beweglichkeit : "Sie treiben die Neigung zu der schlangenförmigen Linie, welche ihnen mit Recht mehr Lebhaftigkeit und Bewegung als die Gerade zu haben scheint, so wei, dass sie nicht nur ihren Fusssteigen, ihren Felsentreppen, ihren Tälern und Kanälen, sondern sogar ihren Brücken diese Gesalt geben. Die chinesischen Künstler unterscheiden drey Gattungen von Aussichten oder Schilderungen, welche sie für geschickt halten, in Gärten angebracht zu werden. Erstlich angenehme, reizende und das Denken befördernde Vorstellungen, worunter sie sogar die Bilder einer sanften Schwermuth begreifen. Zweitens solche Gegenden, welche eine Art von Schrecken und Furcht einflössen ; und drittens solche, die dazu bestimmt sind, die Wirkungen des Erstaunens und einer täuschenden Bezauberung hervorzubringen. Zehnfache Echos, auf die geschickteste Art zusammengesetzt, machen einen solchen Aufenthalt vollkommen zur Begeisterung fähig. Wasserfälle stürzen ineinander, Ruinen abgebrannter Häuser dabei erhöhen das Gefühl des Schreckens. Aber auf grausige Szenen folgen sogleich anmutige, welche doch stets die Hauptidee des Gartens ausmachen. Den dunkeln und sanften Farben setzen sie blendende und lebhafte, den einfachen Formen zusammengesetzte entgegen. Endlich bilden sie durch eine Anordnung, bey der ihnen der Geschmack zur einzigen Regel dient, ein Ganzes, dessen Teile sehr merklich voneinander unterschieden sind, welches ist um so bedeutsamer, als wir lebendige Zeugnisse dafür heute kaum mehr besitzen : Unter allen Gärten, welche die Weltteile besitzen mögen, haben keine in der neueren Zeit ein solches Ansehen erhalten, als die chinesischen, oder das, was man unter diesem Namen reizend genug geschildert hat. Soviel ist gewiss, dass der Engländer von einem grossen Vorurteil für diese Gärten in China erfüllt ist, und dass der Franzose und mit ihm der Deutsche sich diesem Vorurteil zu überlassen anfängt. Man verlangt jetzt nicht etwa Gärten, die mit eigener Überlegung, mit besserem Geschmack als die alten angelegt wären, man verlangt chinesische oder chinesisch-englische Gärten."

Willy Richard Berger : Unzer wiederholt William Chambers' Ideal des Landschaftsgartens mit den bekannten Forderungen nach Mannigfaltigkeit, Abwechslung, Überraschung und nach dem Ineinander von Kunst und Natur. Wie Chambers favorisiert er besonders die Fusssteige und Felsentreppen, die schlangenförmig gewundenen Täler und Kanäle der chinesischen Gärten, und mehr noch als dieser betont er die Rolle des Wild-Pittoresken und Schaurigen dabei ; ganz offensichtlich hat er versucht, einiges von solchen Vorstellungen in der Landschaftsschilderung seiner Elegie zu realisieren.

Jörg Deuter : Der Essay verwendet die von Chambers eingeführte Terminologie, unterscheidet also im Chinesischen Garten die drei grundlegenden Kategorien 'the pleasing, the terrible and the surprising'.

Mentioned People (1)

Unzer, Ludwig August  (Wernigerode 1748-1774 Ilsenburg bei Wernigerode) : Schrifsteller

Subjects

Art : Architecture and Landscape Architecture

Documents (3)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1923 Reichwein, Adolf. China und Europa : geistige und künstlerische Beziehungen im 18. Jahrhundert. Mit 26 Abbildungen. Berlin : Oesterheld & Co., 1923). Diss. Univ. Marburg, 1923.
=
Reichwein, Adolf. China and Europe : intellectual and artistic contacts in the 18th century. Transl. by J.C. Powell. (London : Routledge & Paul, 1968). S. 132-133.
Publication / Reich
2 1990 Berger, Willy Richard. China-Bild und China-Mode im Europa der Aufklärung. (Köln ; Wien : Böhlau, 1990). S. 257. Publication / Berg
  • Source: Vondel, Joost van den. J. v. Vondels Zungchin of Ondergang der Sineesche heerschappye : treurspel. (Amsterdam : Voor de weduwe van Abraham de Wees, 1667). [Drama über die Eroberung Pekings durch die Mandschu-Rebellen, den gescheiterten Fluchtversuch des besiegten Ming-Kaisers und seinen Selbstmorde]. (Vond1, Publication)
  • Source: Regnard, Jean François. Les Chinois : comédie en 5 actes : représentée pour la première fois par les Comédiens italiens du Roy dans leur Hostel de Bourgogne, le 13 de Decembre 1692. ([S.l. : s.n., 1700). [Erstaufführung Hôtel de Bourgogne, 1692 vor höfischem Publikum mit Pagoden]. (Reg1, Publication)
  • Source: Bouvet, Joachim. L'estat present de la Chine, en figures dedié à Monseigneur le Duc à Madame la Duchesse de Bourgogne. (Paris 1697). (Bouv1, Publication)
  • Source: Rameau, Jean-Philippe. Les Indes galantes : ballet heroique. (Paris : Ballard, 1735). [Aufführung mit chinesischen Kostümen]. (RamJ1, Publication)
  • Source: Hurd, Richard. A discourse concerning poetical imitation. In : Flaccus, Quintus Horatius [Horaz]. Q. Horatii Flacci epistola ad Augustum. With an English commentary and notes. To which is added, a discourse concerning poetical imitation. By the author of the Commentary, &c. on the epistle to the Pisos. (London : Printed for W. Whurlbourn in Cambridge and sold by R. Dodsley in Pall-Mall, 1751). [Enthält Eintragungen über Zhao shi gu er von Ji Junxiang, die erste literarkritische Auseinandersetzung eines Europäers mit einem Stück chinesischer Dichtung]. (Hurd1, Publication)
  • Source: Hau kiou choaan ; or, the pleasing history : a translation from the Chinese ; to which are added I. The arguments or story of a Chinese play. II. A collection of Chinese proverbs, and III. Fragments of Chinese poetry. In four volumes, with notes. Translated by James Wilkinson, an East India merchant ; edited by Thomas Percy. Vol. 1-4. (London : R. & J. Dodsley, 1761). Übersetzung von Mingjiaozhongren. Hao qiu zhuan = Xia yi feng yue zhuan (ca. 1683). 好逑传
    http://books.google.com/books?id=7V8iAAAAMAAJ&printsec=frontcover&hl=
    de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false.
    [Vol
    . 1 fehlt]. (Hau1, Publication)
  • Source: Gozzi, Carlo. Turandot, principessa chinese : fabia tragica. ([S.l. : s.n.], 1762). [Gozzi, Carlo. Opere. Tomo 1-9. Venezia : Colombani, 1772-1787). T. 1 enthält La Turandot]. Der Stoff des Stückes stammt aus dem Persischen und ist die Heldin einer Erzählung aus der Märchensammlung 1001 Nacht. Die Handlung spielt am Kaiserhof in Beijing. Gozzi hat auf typische Märcheneffekte verzichtet, alles spielt in natürlichen menschlichen Verhältnissen und das phantastische Element ist allein durch das ferne Fabelreich China verbürgt. (Schi39, Publication)
  • Source: Unzer, Ludwig August. Über die chinesischen Gärten : eine Abhandlung. ([Lemgo : Meyer], 1773). (Unz2, Publication)
  • Source: Lichtenberg, Georg Christoph. Von den Kriegs- und Fast-Schulen der Schinesen, nebst einigen andern Neuigkeiten von daher. In : Göttinger Taschen Calender für 1796. (Lich1, Publication)
  • Source: Quinault, Philippe. Roland : tragédie lyrique mise en trois actes, avec quelques changemens. Musique de [Niccolò] Piccini. (Paris : Aux dépens de l'Académie, 1778). [Mit chinesischen Balletten in den Zwischenakten]. (Quin1, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
3 1997 Sir William Chambers und der Englisch-chinesische Garten in Europa. Hrsg. von Thomas Weiss. (Ostfildern-Ruit bei Stuttgart : G. Hatje, 1997). (Kataloge und Schriften der Staatlichen Schlösser und Gärten Wörlitz, Oranienbaum, Luisium ; Bd. 2). [Internationales Symposium Oranienbaum, 5.-7. Okt. 1995]. S. 108. Publication / Cham8
  • Source: Die Kunst, Gärten anzulegen bey den Chinesern, von Herrn Chambers, Architekten und Mitgliede der Kaiserlichen Academie der Künste zu Florenz. In : Bremisches Magazin zur Ausbreitung der Wissenschaften, Künste und Tugend. (Hannover : Förster, 1756-1765). [Übersetzung der Zusammenfassung von William Chambers Designs of Chinese buildings im Gentlemen's Magazin. (1759). (Chamb10, Publication)
  • Cited by: Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich (ETH, Organisation)
  • Person: Chambers, William (1)
  • Person: Weiss, Thomas