Hecker, Hellmuth. Heidegger und Schopenhauer [ID D19230].
Hecker schreibt : In seinem Vortrag von 1953 über Nietzsches Zarathtustra findet sich eine der wenigen Stellen im Werk Heideggers, wo der Buddhismus erwähnt wird, und zwar hier im Zusammenhang mit Schopenhauer. Heidegger fragt sich hier:
"Doch worin besteht diese Erlösung vom Widerwillen gegen das 'Vergehen'? Besteht sie in einer Befreiung vorn Willen überhaupt? Im Sinne Schopenhauers und des Buddhismus? Insofern nach der Lehre der neuzeitlichen Metaphysik das Sein des Seienden Wille ist, käme die Erlösung vom Willen einer Erlösung vom Sein und somit einem Fall in das leere Nichts gleich."
Nachdem dieser Vortrag 1954 veröffentlicht war, fragte ich am 29. 1.1955 brieflich bei Heidegger an:
"Sollen Schopenhauer und der Buddhismus gleich gesetzt werden? Schopenhauer hat doch vom Buddhismus wegen der mangelnden Quellen nur einen sehr fragmentarischen Eindruck gewinnen können. Alles, was er über den Buddhismus sagt, gründet sich nicht auf ein Studium der Urtexte, sondern auf Kommentare und Kompilationen. Daher läßt sich auf Grund der Ausführungen Schopenhauers in keiner Weise ein seinsgerechtes Bild des Buddhismus gewinnen."
Ich berichtete ihm, daß ich schon verschiedentlich gefragt worden sei ob von ihm, Heidegger, Ausführungen über das Denken Schopenhauers existierten. Als ich das hätte verneinen müssen, schrieb ich ihm, sei ich weiter gefragt worden, 'worin der Grund läge, daß Sie [Heidegger] die Grund-gedanken aller wesentlichen Denker des Abendlandes herausgeschält hätten, aber Schopenhauer nicht berücksichtigten'.
Heidegger schrieb mir am 16. 2.1955. Seine Antwort, die schon z.T. oben zitiert wurde, sei hier im Zusammenhang vollständig wiedergegeben:
"1. Die Erwähnung Schopenhauers und des Buddhismus geschieht an der genannten Stelle aus der Perspektive Nietzsches in dem Sinne, wie N. beide gesehen hat.
2. Daß der Buddhismus, u. nicht weniger das chinesische und japanische Denken, einer ganz anderen Auslegung bedarf, die frei ist von den Vorstellungen des 18. u. 19. europäischen Jahrhunderts, bedarf im Hinblick auf meine Bemühung um die antike Philosophie keiner weiteren Erörterung. Zu beiden fehlen mir die Voraussetzungen.
3. Bevor man zu Schopenhauer Stellung nimmt, muß man Fichte - Schelling - Hegel durchdacht haben. Schopenhauers Poltern gegen diese Denker ist nur ein Beweis seiner völligen u. außerdem verflachenden Abhängigkeit von ihnen. Schopenhauers Interpretation von Platon u. Kant ist in jeder Hinsicht -unzureichend. Aber er hat den Stil des 19Jahrh. glänzend getroffen u. ist für viele Leser heute noch anregend. Vielleicht ist meine Notiz einseitig. Ich lasse mich gern eines Besseren belehren."
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