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Year

1986

Text

Zhou, Guoping. Nicai zai shi ji de zhuan zhe dian shang [ID D18327].
Ru Xin schreibt im Vorwort : Das Schicksal der Lehre Nietzsches in China war nicht glücklich. Anfang dieses Jahrhunderts, als sie nach China eingeführt wurde, waren manche Intellektuelle von seiner Lehre eine Zeitlang sehr begeistert. Später wurde Nietzsches Lehre missverstanden und falscher Gebrauch von ihr gemacht, was der vom deutschen Faschismus provozierten ‚Nietzsche-Welle’ entsprach. Von da an war Nietzsche immer von bösartigen Bezeichnungen belastet. Obwohl Nietzsches Einfluss in der modernen westlichen Welt immer grösser wird, sieht es bei uns immer noch schlecht aus : Seit über dreissig Jahren gibt es keine Übersetzung der Schriften Nietzsches, auch kein einziges Studienwerk, das von chinesischen Gelehrten selbst geschrieben wurde. Dieses Phänomen kann ja nicht als normal verstanden werden.

Zhou Guoping schreibt : In der Geburt der Tragödie hat Nietzsche die Prinzipien für den Ursprung der Kunst aufgestellt : die Kunsttriebe des Dionysischen und des Apollinischen. Sie gelten als prinzipielle Grundlage für die frühe Kunstphilosophie, aus der sich die späte Lehre des Willens zur Macht entwickelt hat. Besonders dieser Aspekt soll ins Auge gefasst werden.
Nietzsche war Schopenhauer begegnet, als er zu Anfang dem Dasein des Menschen nachging. Er hat die Voraussetzung des Schopenhauerischen Pessimismus akzeptiert. Das ist aber kein Wunder. Wo es Zweifel gibt, da gibt es ständiges aufrichtiges Nachvollziehen. Der Pessimismus kann nur Ausgangspunkt der Überlegungen sein, aber nicht Schlusspunkt. Selbst wenn das Dasein im eigenlichen Sinne ohne jede Bedeutung ist, wollen wir ihm einen Sinn verleihen. Um dies zu realisieren, hat er zunächst vom ‚Dionyischen’ und dann vom ‚Willen zur Macht’ gesprochen. Im Wesentlichen sind das Dionysische und der Wille zur Macht eins und meinen das Hervorheben von Lebenskraft. Die Schlussfolgerung von Nietzsche war, dass man mit dem Hervorheben der Lebenskraft die tragische Eigenschaft des Lebens überwindet. Dies ist entscheidend für den Sinn des Daseins.
Nietzsches Philosophie setzte mit der ästhetischen Frage an, er fragte nämlich nach dem Entstehen der Tragödie. Unter dem besonderen Aspekt der Ästhetik musste er das menschliche Leben betrachten. Einerseits beeinflusst von Schopenhauers pessimistischen Ansichten zum Leben konnte er andererseits das sinnlose Leben nicht dulden. Er suchte deswegen in der Ästhetik einen Weg zu finden, mittels der Kunst dem Dasein Sinn zu verleihen. Der Anfgang seiner ästhetischen Gedanken findet sich gerade in der Schrift Die Geburt der Tragödie, in der er sich von den Einflüssen der Schopenhauerschen Philosophie zu distanzieren suchte, um seine eigene Philosophie zu entwerfen. Aus den frühen ästhetischen Prinzipien hat sich das Phänomen des Dionysischen ergeben, aus dem sich dann der Begriff 'Wille zur Macht' entwickelt hat. Sowohl das Dionysische als auch der Wille zur Macht dienen dazu, auf die Frage nach dem Sinn des Daseins zu beantworten.
Sowohl die Naturwissenschaften als auch die idealistische Philosophie haben die Grundlagen des christlichen europäischen Glaubens stark erschüttert. An die Stelle ist der Aberglaube an Wissenschaft, Vernunft und materielle Zivilisation getreten. Nach kurzer Zeit wurde dieser Glaube auch erschüttert. Man hat gesehen, dass Wissenschaften auch beschränkt sind. Die materielle Blüte kann nur ein scheinbares Glück bringen. Von da an hat man im Westen den Glauben ans Leben verloren und war angesichts der öden Wüste der traditionellen Werte rat- und fassungslos.
Nicht das reine akademische Interesse hat Nietzsche zum Philosophieren geführt, sondern die Suche nach dem Sinn des Lebens. Philosophie war nicht sein Beruf, nicht sein Hobby, sondern sein ganzes Leben. Für ihn bedeutet Philosophie nicht die Trennung des Lebens, sondern die einzige Aufgabe, nach dem Sinn des Lebens zu suchen. Die Aufrichtigkeit der Lebenssuche in seinem Charakter ist mit dem Zeithintergrund der allgemeinen Wertekrise in der kapitalistischen Welt verbunden, was Nietzsche zu einem Propheten über die künftige Menschensentwicklung in der westlichen Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts geworden.
Wir können seine Antworten zusammenfassend so formulieren : Erstens die Beseitigung der Unterdrückung der Instinkte des Menschen durch Vernunft und Moral, um die menschlichen Instinkte gesund zu entwickeln. Zweitens die Entfaltung des Vermögens der Selbst-Überwindung, damit der Mensch zum Schöpfer der Kulturwerte wird. Drittens soll das Ethische und Wissenschaftliche durch das Ästhetische ersetzt werden.
Wenn man heutzutage den Quellen der abendländischen Denkströmungen dieses Jahrhunderts nachgehen will, hat man gesehen, dass man Nietzsche auf keinen Fall ausser Acht lassen dar. Er ist von uns gegangen, aber sein Schatten fällt noch immer auf das ganze Zeitalter. Wenn man die Literatur über die westliche Philosophie seit einem halben Jahrhundert liest, ist Nietzsches Einfluss ganz eindeutig. Was die heutige westliche Philosophie diskutiert, hat Nietzsche bereits in expliziter Weise besprochen. Nietzsche war der Anreger für die wichtigsten westlichen Denkströmungen.

Shao Lixin : Nietzsche gave meaning to individual existence through the concept of the universal life. He demanded that indivuduals, from the standpoint of universal life, welcome the eternal becoming, including the destruction of finite indivuduals.
When Nietzsche stressed that the highest degree of affirmation is possible only when the eternal recurrence is accepted as fate, he was actually saying that life is meaningless, and the yesayers should accept this meaningless life as it is. After seeing through the true nature of life – the meaninglessness of life, if you still love life and glorify it, only then you prove yourself a true tragic hero, and only then you arrive at the ultimate affirmation of life. There is a heroism in this attitude, but unmistakably there is also a desperation in it.
Among many choices that are open to him, man ought to choose those that will guarantee his access to further choices. That is, man should always remain undefined, man's every activity of self-creation should simultaneously create freedom for new creation. Therefore Nietzsche has proposed a new kind of morality for creators.
Nietzsche was dissatified with the status quo of the bourgeois society. Instead of formulating a more progressive social ideal, he was always nostalgic of a hierarchical society based largely on slavery. This is a most distressing contradiction in Nietzsche’s thought.
We must understand that when Nietzsche emphasized the instincts of life he had the species in mind ; when such instincts are expressed in an individual, they are the individual’s inner vitality.

Yu Longfa : Zhou Guoping plädiert für eine nüchterne Beschäftigung mit der Lehre Nietzsches. Unter dem Banne der marxistischen Methodologie, die er auf seine Weise verstanden hat, beginnt er Nietzsches Philosophie zum Gegenstand seiner wissenschaftlichen Arbeit zu machen, indem er zunächst dem Originalwerk Nietzsches nachzugehen versucht. Es geht im wesentlichen um die Frage nach zentralen Ideen der Philosophie Nietzsches, mit denen die chinesische Gelehrtenwelt konfrontiert sein soll.
Zhou sagt, dass niemand an Nietzsche vorbeikommen könne, denn Nietzsches Philosophie sei neben dem Marxismus für die chinesische Rezeption der westlichen Philosophie ein gleichwertiger Platz einzuräumen. Diese bevorzugte Feststellung der Position der Philosophie Nietzsches wurde später von manchen linksorientierten chinesischen Wissenschaftlern in Frage gestellt.
Das Übermensch-Konzept wird als Konzeption einer Art von neuen Menschen angesehen, die nach Ansicht Zhous reich an Willen zur Macht sein sollten. Die Expansion des Willens zur Macht gilt hier als Massstab für die Umwertung aller Werte. Zhous Hinweise auf Nietzsches Gedanken wie 'Wille zur Macht' 'Übermensch' und 'Umwertung aller Werte', die auf das Dionysische zurückgehen, haben dem chinesischen Leser geholfen, Mängel bei der Erkenntnis des Dionysischen Geistes zu beseitigen.
Zhou Guopings Vermittlung der Einflüsse Nietzsches auf die moderne westliche Philosophie gibt dem chinesischen Leser ein unzulängliches Bild von der Aufnahme und Wirkungsgeschichte in der westlichen Welt.

Mentioned People (3)

Nietzsche, Friedrich  (Röcken bei Lützen 1844-1900 Weimar) : Philosoph, Klassischer Philologe

Ru, Xin  (um 1986) : Professor für Philosophie Beijing

Zhou, Guoping  (1945-) : Philosoph, Institute of Philosophy, Chinese Academy of Social Sciences, Professor für Philosophie Beijing-Universität

Subjects

Philosophy : Europe : Germany

Documents (2)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1999 Shao, Lixin. Nietzsche in China. (New York, N.Y. : Lang, 1999). (Literature and the sciences of Man ; vol. 11). S. 121-124. Publication / Shao1
  • Source: Chen, Duxiu. Gong li he zai. In : Mai zhou ping lun ; no 7 (1919). [Wo ist die Gerechtigkeit].
    公理何在 (Nie39, Publication)
  • Source: Chen, Duxiu. Jidu jiao yu Zhongguo ren. In : Xin qing nian ; vol. 6, no 3 (1919). [Christentum und die Chinesen ; Friedrich Nietzsche].
    基督教與中國人 (Nie40, Publication)
  • Cited by: Asien-Orient-Institut Universität Zürich (AOI, Organisation)
  • Person: Nietzsche, Friedrich
  • Person: Shao, Lixin
2 2000 Yu, Longfa. Begegnungen mit Nietzsche : ein Beitrag zu Nietzsche-Rezeptionstendenzen im chinesischen Leben und Denken von 1919 bis heute. Diss. Univ. Wuppertal, 2000.
http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=959811869. S. 138-147, 150-151.
Publication / Yu1
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    進化論革命者頡德之學說 (Nie16, Publication)
  • Source: Lu, Xun. Po’e sheng lun. In : He’nan ; Dez. (1908). [Über das Durchbrechen böser Stimmen ; Friedrich Nietzsche]. (Nie20, Publication)
  • Source: Lu, Xun. Wen hua pian zhi lun. In : Henan ; no 7 (1908). [Über die Einseitigkeiten in der Kultur ; Friedrich Nietzsche, Henrik Ibsen].
    文化偏至論 (Nie21, Publication)
  • Source: Chen, Duxiu. Jin gao qing nian. In : Xin qing nian ; vol. 1, no 1 (1915). [Aufruf an die Jugend ; Friedrich Nietzsche]. (Nie22, Publication)
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    德國大哲學者尼采之略傳及學說 (Nie23, Publication)
  • Source: Chen, Duxiu. Ren sheng zhi zhen yi. In : Xin qing nian ; Vol. 6, no 6 (1916). [Betr. Friedrich Nietzsche].
    人生之真意 (Nie24, Publication)
  • Source: Chen, Duxiu. Ren sheng zhen yi. In : Xin qing nian ; vol. 4, no 1 (1918). [Der wahre Sinn des Lebens ; Friedrich Nietzsche].
    人生真義 (Nie30, Publication)
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  • Source: Lin, Tongji. Nicai Salatusiteda de lian zhong yi ben. In : Jing ri ping lun (1940). [Zwei Übersetzungen von Friedrich Nietzsches Also sprach Zarathustra].
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  • Source: Lin, Tongji. Gao Zhongguo qing nian. In : Zhanguo ce (Juni 1940) [An die chinesische Jugend ; Friedrich Nietzsche].
    告中國青年 (Nie53, Publication)
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    魯迅先生二三事 (Nie55, Publication)
  • Source: Zhou, Guoping. Cong jiu shen chong dong dao quan li yi zhi. In : Wai guo mei xue ; vol. 8 (1986). [Vom Dionysischen Geist zum Willen zur Macht].
    從酒神衝動到權力意志 (Nie63, Publication)
  • Source: Zhou, Guoping. Sheng ming de kun ao he chuang zao de huan xin. In : Qing nian lun tan ; no 5 (1986). [Kummer des Lebens und Freude des Schaffens].
    生命的苦惱和創造的歡心兼談尼采的酒神精神 (Nie64, Publication)
  • Source: Zhou, Guoping. Nicai. In : Xu, Chongwen. Cun zai zhu yi zhe xue. Beijing : Zhongguo she hui ke xue chu ban she, 1986. [Philosophie des Existentialismus].
    存在主义哲学 (Nie65, Publication)
  • Person: Nietzsche, Friedrich
  • Person: Yu, Longfa