Mann, Thomas. Versuch über Tschechow. In : Sinn und Form ; Sept/Dez 1954.
Shu Changshan : Die Übersetzung beruht auf einer russischen Übersetzung. Da der Essay dem russischen Publikum gefallen hatte, wird er auch in China enthusiastisch begrüsst, da er der ideologischen Ausrichtung und dem Kulturbewusstsein im kommunistischen China, insbesondere in den 1950er Jahren, entgegenkam… Zweifellos hat das, was Thomas Mann in seinem Essay schreibt, das Thomas-Mann-Bild der chinesischen Leser stark geprägt. Da er Tschechow wegen seiner Bescheidenheit, seiner materialistischen Weltanschauung, seines Standpunktes gegenüber den Arbeitenden usw. äusserst positiv herausstellt, könnte beim chinesischen Leser die Vorstellung erweckt werden, Thomas Mann selbst sei ein bescheidener Mensch, habe eine materialistische Weltanschauung und hege tiefe Sympathie für die Arbeitenden.
Konstantin Fedin schreibt im Nachwort der russischen Übersetzung : Es ist die vortreffliche Arbeit eines Künstlers über einen Künstler, mit Liebe geschrieben, mit Einfühlung in die kluge, schöne und einfache Welt jenes Tschechow, der einer der träumerischsten und zugleich nüchternsten russischen Schriftsteller bleibt. Dieser äusserst subtile Meister des kritischen Realismus in der heutigen schönen Literatur hat in diesem Aufsatz zum Gedenktag Tschechows nicht nur seine eigenen Auffassungen von dem Wesen, den charakteristischen Merkmalen, den Forderungen und Funktionen der Literatur usw. dargelegt, sondern auch den grossen Schmerz und die Schwermut einer vernünftigen, gutherzigen und ehrlichen Seele zum Ausdruck gebracht, womit die ‚tschechowisch-typischen’ geistigen Leiden und heftigen Sehnsüchte mancher modernen westlichen Schriftsteller, für die Thomas Mann als Vertreter gelten kann, widergespiegelt werden…
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