Borel, Henri. Weisheit und Schönheit aus China [ID D13027].
Borel schreibt : Der Chinese liebt die Natur leidenschaftlich. Das ist für uns unbegreiflich. Aber der Chinese ist auch ein Mysterium, in das kein Mensch je eindringen wird, auch ein anderer Chinese nicht. Ein Chinese ist eine Welt für sich. Er hat eine ganze, tiefsinnige Philosophie, mit der er keinen andern belästigt und in die er sich in unverstörbarer Ruhe einspinnt wie eine Katze in einem molligen Winkel. Es nützt nichts, ob man sich in staunender Verwunderung vor ihn hinstellt und ihm tiefsinnige Betrachtungen vororakelt. Die imperturbable Katze kneift die Augen eben zu und schnurrt und spinnt weiter...
Es ist in jedem Menschen ein Drang zur Bewegung, der, aus Tao gekommen, ihn wieder zu Tao zurückführen will. Aber die Menschen werden blind gemacht, durch ihre eigenen Sinnesorgane und Begierden... Sie wollen zuviel, um das Eine zu wollen. Sie wollen auch weise sein und gut, und das ist das Ärgste. Sie wollen zuviel wissen. Aber das einzige Heil ist : die Rückkehr zu unserem Ursprung. In uns ist Tao, Tao ist Ruhe. Wir können nur zur Ruhe kommen, indem wir nach Nichts verlangen, auch nicht nach Gutheit oder Weisheit...
Mit Nicht-Thun, Wu Wei, meinte Laotse nicht gewöhnliches Unthätigsein, einfaches Faulenzen mit geschlossenen Augen. Er meinte : Ruhenlassen der irdischen Bewegung, des Verlangens und Begehrens nach unrealen Dingen. Er meinte Nachgeben dem inneren Drange, der Bewegung, die uns aus Tao gegeben ist und die unsere Seele wieder zu Tao führt.
Ethnology and Anthropology