Wolz-Gottwald, Eckard. Die Wendung nach Asien [ID D7183].
Eckard Wolz-Gottwald : Heideggers Interesse am asiatischen Geistesleben gilt keineswegs in seiner Gesamtheit. Seine Beschäftigung mit Asien beschränkt sich auf ganz bestimmt Traditionen des östlichen Denkens, wobei der Schwerpunkt auf der philosophischen Mystik Japans und Chinas liegt.
Heidegger selbst schätzt die Bedeutung dieser Auseinandersetzung mit der chinesischen Philosophie für sein eigenes Schaffen zunächst eher gering ein. Die zahlreichen Stellen, in [welchen er nach 1946 auf den Begriff des Tao oder Laozi Bezug nimmt, lassen dagegen auf einen nicht unbedeutenden Einfluss der chinesischen Mystik auf sein späteres Denken schliessen. Hierbei mag wohl nicht nur Laozis Rede vom 'wu', dem 'Nichts', von zentraler Bedeutung gewesen sein, die sich von den von Heidegger als 'Verkleinerung' Gottes angesehenen Versuchen der abendländischen Gottesbeweise abhebt. Es ist vor allem auch der Gedanke des Tao als 'Weg' hervorzuheben, der auf ihn, als dem Philosophen des Weges, eine gewisse Faszination ausgeübt haben muss. Es ist das Phänomen der Lebendigkeit des Weges, der den Substantialismus des Seins und den Nihilismus des Nichts transzendierend, eine dritte Möglichkeit ursprünglichen Philosophierens aufzeigt, wie sie auch Heidegger am Herzen liegt.
Gerade in der Wendung zur asiatischen Mystik sah Heidegger die Chance, aus dem 'Gefängnis' der abendländischen Metaphysik, des abendländischen 'Gestells', auszubrechen. In den ostasiatischen Sprachen hoffte er dann den 'äussersten Gegenpol' zu den indogermanischen Sprachen zu finden, zu den Sprachen, aus welchen die 'Technik' erwachsen sei. Wenn die abendländische Metaphysik den Wesensgrund ihres gegenständlichen Dankens im 'stellenden' Charakter ihrer Sprache hat, so könnte die Verwandlung des abendländischen Ge-stells gerade in der Hinwendung zur asiatischen Welt gefunden werden, die diesen Stell-Charakter gerade nicht hätte.
Dass die Auseinandersetzung mit der fremden Philosophie Asiens produktiv für den Weg der Wandlung des abendländischen Denkens sein kann, dies war jedoch nicht immer die Erfahrung Heideggers. Gegenläufig zur Wendung nach Asien ist auch die Betonung des Rückbezugs auf die eigene, griechische und deutsche Tradition zu finden. Wenn dann eurozentristische oder gar nationalistische Vereinseitigungen bei Heidegger zu finden sind, dann scheint dies der soeben aufgezeigten Offenheit gegenüber der asiatischen Philosophie in paradoxer Weise entgegenzustehen.
Philosophy : Europe : Germany