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1867

Text

Schopenhauer, Arthur. Ueber den Willen in der Natur. 3. Aufl. [ID D11903].
Schopenhauer schreibt im Kapitel Sinologie :
Für den hohen Stand der Zivilisation China's spricht wohl nichts so unmittelbar, als die fast unglaubliche Stärke seiner Bevölkerung, welche, nach Gützlaff s Angabe, jetzt auf 367 Millionen Einwohner geschätzt wird. Denn, wir mögen Zeiten oder Länder vergleichen, so sehn wir, im Ganzen, die Zivilisation mit der Bevölkerung gleichen Schritt halten.

Die Jesuitischen Missionarien des 17. und 18. Jahrhunderts ließ der zudringliche Eifer, ihre eigenen, komparativ neuen Glaubenslehren jenem uralten Volke beizubringen, nebst dem eiteln Bestreben, nach frühern Spuren derselben bei ihm zu suchen, nicht dazu kommen, von den dort herrschenden sich gründlich zu unterrichten. Daher hat Europa erst in unsern Tagen vom Religionszustande China's einige Kenntnisse erlangt. Wir wissen nämlich, daß es daselbst zuvorderst einen nationalen Naturkultus gibt, dem alle huldigen, und der aus den urältesten Zeiten, angeblich aus solchen stammt, in denen das Feuer noch nicht aufgefunden war, weshalb die Tieropfer roh dargebracht wurden. Diesem Kultus gehören die Opfer an, welche der Kaiser und die Großdignitarien, zu gewissen Zeitpunkten, oder nach großen Begebenheiten, öffentlich darbringen. Sie sind vor allem dem blauen Himmel und der Erde gewidmet, jenem im Winter-, dieser im Sommersolstitio, nächstdem allen möglichen Naturpotenzen, wie dem Meere, den Bergen, den Flüssen, den Winden, dem Donner, dem Regen, dem Feuer u.s.w. jedem von welchen ein Genius vorsteht, der zahlreiche Tempel hat: solche hat andrerseits auch der jeder Provinz, Stadt, Dorf, Straße, selbst einem Familienbegräbnis, ja, bisweilen einem Kaufmannsgewölbe vorstehende Genius; welche letztern freilich nur Privatkultus empfangen. Der öffentliche aber wird außerdem dargebracht den großen, ehemaligen Kaisern, den Gründern der Dynastien, sodann den Heroen, d.h. allen denen, welche, durch Lehre oder Tat, Wohltäter der (chinesischen) Menschheit geworden sind. Auch sie haben Tempel: Konfuzius allein hat deren 1650. Daher also die vielen kleinen Tempel in ganz China. An diesen Kultus der Heroen knüpft sich der Privatkultus, den jede honette Familie ihren Vorfahren, auf deren Gräbern, darbringt. - Außer diesem allgemeinen Natur- und Heroenkultus nun, und mehr in dogmatischer Absicht, gibt es in China drei Glaubenslehren. Erstlich, die der Taossee, gegründet von Laotse, einem altern Zeitgenossen des Konfuzius. Sie ist die Lehre von der Vernunft, als innerer Weltordnung, oder inwohnendem Prinzip aller Dinge, dem großen Eins, dem erhabenen Giebelbalken (Taiki), der alle Dachsparren trägt und doch über ihnen steht (eigentlich der alles durchdringenden Weltseele), und dem Tao, d.i. dem Wege, nämlich zum Heile, d.i. zur Erlösung von der Welt und ihrem Jammer. Eine Darstellung dieser Lehre, aus ihrer Quelle, hat uns, im Jahr 1842, Stanislas Julien geliefert, in der Übersetzung des Laotseu Taoteking [Laozi Dao de jing] : wir ersehn daraus, daß der Sinn und Geist der Tao-Lehre mit dem des Buddhaismus ganz übereinstimmt. Dennoch scheint jetzt diese Sekte sehr in den Hintergrund getreten und ihre Lehrer, die Taossee, in Geringschätzung geraten zu sein. - Zweitens finden wir die Weisheit des Konfuzius, der besonders die Gelehrten und Staatsmänner zugetan sind: nach den Übersetzungen zu urteilen, eine breite, gemeinplätzige und überwiegend politische Moralphilosophie, ohne Metaphysik sie zu stützen, und die etwas ganz spezifisch Fades und Langweiliges an sich hat. - Endlich ist, für die große Masse der Nation, die erhabene und liebevolle Lehre Buddha's da, welcher Name, oder vielmehr Titel, in China Fo, oder Fuh, ausgesprochen wird, während der Siegreich-Vollendete in der Tartarei mehr, nach seinem Familien-Namen, Schakia-Muni genannt wird, aber auch Burkhan-Bakschi, bei den Birmanen und auf Ceilon meistens Götama, auch Tatägata, ursprünglich aber Prinz Siddharta heißt. Diese Religion, welche, sowohl wegen ihrer innern Vortrefflichkeit und Wahrheit, als wegen der überwiegenden Anzahl ihrer Bekenner, als die vornehmste auf Erden zu betrachten ist, herrscht im größten Teile Asiens und zählt, nach Spence Hardy, dem neuesten Forscher, 369 Millionen Gläubige, also bei weitem mehr, als irgend eine andere. - Diese drei Religionen China's, von denen die Verbreiteteste, der Buddhaismus, sich, was sehr zu seinem Vorteil spricht, ohne allen Schutz des Staates, bloß durch eigene Kraft erhält, sind weit davon entfernt, sich anzufeinden, sondern bestehn ruhig neben einander; ja, haben, vielleicht durch wechselseitigen Einfluß, eine gewisse Übereinstimmung mit einander; so daß es sogar eine sprichwörtliche Redensart ist, daß "die drei Lehren nur eine sind". Der Kaiser, als solcher, bekennt sich zu allen dreien: viele Kaiser jedoch, bis auf die neueste Zeit, sind dem Buddhaismus speziell zugetan gewesen; wovon auch ihre tiefe Ehrfurcht vor dem Dalai-Lama und sogar vor dem Teschu-Lama zeugt, welchem sie unweigerlich den Vorrang zugestehn. - Diese drei Religionen sind sämtlich weder monotheistisch, noch polytheistisch und, wenigstens der Buddhaismus, auch nicht pantheistisch, da Buddha eine in Sünde und Leiden versunkene Welt, deren Wesen, sämtlich dem Tode verfallen, eine kurze Weile dadurch bestehn, daß eines das andere verzehrt, nicht für eine Theophanie angesehn hat. Überhaupt enthält das Wort Pantheismus eigentlich einen Widerspruch, bezeichnet einen sich selbst aufhebenden Begriff, der daher von denen, welche Ernst verstehn, nie anders genommen worden ist, denn als eine höfliche Wendung; weshalb es auch den geistreichen und scharfsinnigen Philosophen des vorigen Jahrhunderts nie eingefallen ist, den Spinoza, deswegen, weil er die Welt Deus nennt, für keinen Atheisten zu halten: vielmehr war die Entdeckung, daß er dies nicht sei, den nichts als Worte kennenden Spaßphilosophen unserer Zeit vorbehalten, die sich auch etwas darauf zu gute tun und demgemäß von Akosmismus reden: die Schäker! Ich aber möchte unmaßgeblich raten, den Worten ihre Bedeutung zu lassen, und wo man etwas anderes meint, auch ein anderes Wort zu gebrauchen, also die Welt Welt und die Götter Götter zu nennen.

Die Europäer, welche vom Religionszustande China's Kunde zu gewinnen sich bemühten, gingen dabei, wie es gewöhnlich ist und früher auch Griechen und Römer, in analogen Verhältnissen, getan haben, zuerst auf Berührungspunkte mit ihrem eigenen einheimischen Glauben aus. Da nun in ihrer Denkweise der Begriff der Religion mit dem des Theismus beinahe identifiziert, wenigstens so eng verwachsen war, daß er sich nicht leicht davon trennen ließ; da überdies in Europa, ehe man genauere Kenntnis Asiens hatte, zum Zweck des Arguments e consensu gentium, die sehr falsche Meinung verbreitet war, daß alle Völker der Erde einen alleinigen, wenigstens einen obersten Gott und Weltschöpfer verehrten, und da sie sich in einem Lande befanden, wo sie Tempel, Priester, Klöster in Menge und religiöse Gebräuche in häufiger Ausübung sahen, gingen sie von der festen Voraussetzung aus, auch hier Theismus, wenn gleich in sehr fremder Gestalt, finden zu müssen. Nachdem sie aber ihre Erwartung getäuscht sahen und fanden, daß man von dergleichen Dingen keinen Begriff, ja, um sie auszudrücken keine Worte hatte, war es, nach dem Geiste, in welchem sie ihre Untersuchungen betrieben, natürlich, daß ihre erste Kunde von jenen Religionen mehr in dem bestand, was solche nicht enthielten, als in ihrem positiven Inhalt, in welchem sich zurechtzufinden überdies europäischen Köpfen, aus vielen Gründen, schwer fallen muß, z.B. schon weil sie im Optimismus erzogen sind, dort hingegen das Dasein selbst als ein Übel, und die Welt als ein Schauplatz des Jammers angesehn wird, auf welchem es besser wäre, sich nicht zu befinden; sodann, wegen des dem Buddhaismus, wie dem Hinduismus wesentlichen, entschiedenen Idealismus, einer Ansicht, die in Europa bloß als ein kaum ernstlich zu denkendes Paradoxon gewisser abnormer Philosophen gekannt, in Asien aber selbst dem Volksglauben einverleibt ist, da sie in Hindostan, als Lehre von der Maja, allgemein gilt und in Tibet, dem Hauptsitze der Buddhaistischen Kirche, sogar äußerst populär vorgetragen wird, indem man, bei einer großen Feierlichkeit, auch eine religiöse Komödie aufführt, welche den Dalai-Lama in Kontrovers mit dem Ober-Teufel darstellt: jener verficht den Idealismus, dieser den Realismus, wobei er unter anderm sagt: "was durch die fünf Quellen aller Erkenntnis (die Sinne) wahrgenommen wird, ist keine Täuschung, und was ihr lehrt, ist nicht wahr". Nach langer Disputation wird endlich die Sache durch Würfeln entschieden: der Realist, d.i. der Teufel, verliert und wird mit allgemeinem Hohn verjagt. Wenn man diese Grundunterschiede der ganzen Denkungsart im Auge behält, wird man es verzeihlich, sogar natürlich finden, daß die Europäer, indem sie den Religionen Asiens nachforschten, zuvorderst bei dem negativen, der Sache eigentlich fremden Standpunkte stehen blieben, weshalb wir eine Menge sich darauf beziehender, die positive Kenntnis aber gar nicht fördernder Äußerungen finden, welche alle darauf hinauslaufen, daß den Buddhaisten und den Chinesen überhaupt der Monotheismus, -freilich eine ausschließlich jüdische Lehre, - fremd ist. Z.B. in den Lettres edifiantes (edit. de 1819, Vol. 8, p. 46) heißt es: "die Buddhaisten, deren Meinung von der Seelenwanderung allgemein angenommen worden, werden des Atheismus beschuldigt" und in den Asiatic Researches Vol. 6, p. 255, "die Religion der Birmanen (d.i. Buddhaismus) zeigt sie uns als eine Nation, welche schon weit über die Rohheit des wilden Zustandes hinaus ist und in allen Handlungen des Lebens sehr unter dem Einfluß religiöser Meinungen steht, dennoch aber keine Kenntnis hat von einem höchsten Wesen, dem Schöpfer und Erhalter der Welt. Jedoch ist das Moralsystem, welches ihre Fabeln anempfehlen, vielleicht so gut, als irgend eines von denen, welche die unter dem Menschengeschlechte herrschenden Religionslehren predigen". - Ebendaselbst S. 258. "Gotama's (d. Atheisten". - Ebendaselbst S. 180. "Gotama's Sekte hält den Glauben an ein göttliches Wesen, welches die Welt geschaffen, für höchst irreligiös (impious)". - Ebendas. S. 268 führt Buchanan an, daß der Zarado, oder Oberpriester der Buddhaisten in Ava, Atuli, in einem Aufsatz über seine Religion, den er einem katholischen Bischof übergab, "unter die sechs verdammlichen Ketzereien auch die Lehre zählte, daß ein Wesen dasei, welches die Welt und alle Dinge in der Welt geschaffen habe und das allein würdig sei, angebetet zu werden". Genau das Selbe berichtet Sangermano, in seiner description of the Burmese empire, Rome 1833, p. 81, und er beschließt die Anführung der sechs schweren Ketzereien mit den Worten: "der letzte dieser Betrüger lehrte, daß es ein höchstes Wesen gebe, den Schöpfer der Welt und aller Dinge darin, und daß dieser allein der Anbetung würdig sei" (the last of these impostors taught that there exists a Supreme Being, the Creator of the world and all things in it, and that he alone is worthy of adoration). Auch Colebrooke, in seinem, in den Transactions of the R. Asiat. Society, Vol. I, befindlichen und auch in seinen Miscellaneous essays abgedruckten Essay on the philosophy of the Hindus, sagt S. 236: "die Sekten der Jaina und Buddha sind wirklich atheistisch, indem sie keinen Schöpfer der Welt, oder höchste, regierende Vorsehung anerkennen". - Imgleichen sagt J.J. Schmidt, in seinen "Forschungen über Mongolen und Tibeter" S. 180: "Das System des Buddhaismus kennt kein ewiges, unerschaffenes, einiges göttliches Wesen, das vor allen Zeiten war und alles Sichtbare und Unsichtbare erschaffen hat: diese Idee ist ihm ganz fremd, und man findet in den Buddhaistischen Büchern nicht die geringste Spur davon". - Nicht minder sehn wir den gelehrten Sinologen Morrison, in seinem Chinese Dictionary, Macao 1815 u.f.J., Vol. I, p. 217, sich bemühen, in den chinesischen Dogmen die Spuren eines Gottes aufzufinden und bereit, alles, was dahin zu deuten scheint, möglichst günstig auszulegen, jedoch zuletzt eingestehn, daß dergleichen nicht deutlich darin zu finden ist. Ebendaselbst S. 268 fg. bei Erklärung der Worte Thung und Tsing, d.i. Ruhe und Bewegung, als auf welchen die chinesische Kosmogonie beruht, erneuert er diese Untersuchung und schließt mit den Worten: "es ist vielleicht unmöglich, dieses System von der Beschuldigung des Atheismus frei zu sprechen". - Auch noch neuerlich sagt Upham in seiner History and Doctrine of Buddhism, Lond. 1829, S. 102: "Der Buddhaismus legt uns eine Welt dar, ohne einen moralischen Regierer, Lenker, oder Schöpfer". Auch der deutsche Sinologe Neumann sagt in seiner, weiter unten näher bezeichneten Abhandlung, S. 10, 11: "in China, in dessen Sprache weder Mohammedaner, noch Christen ein Wort fanden, um den theologischen Begriff der Gottheit zu bezeichnen". ... "Die Wörter Gott, Seele, Geist, als etwas von der Materie Unabhängiges und sie willkürlich Beherrschendes, kennt die chinesische Sprache gar nicht". ... "So innig ist dieser Ideengang mit der Sprache selbst verwachsen, daß es unmöglich ist, den ersten Vers der Genesis, ohne weitläufige Umschreibung, ins Chinesische so zu übersetzen, daß es wirklich Chinesisch ist". - Eben darum hat Sir George Staunton 1848 ein Buch herausgegeben, betitelt: "Untersuchung über die passende Art, beim Übersetzen der heiligen Schrift ins Chinesische, das Wort Gott auszudrücken" (an inquiry into the proper mode of rendering the word God in translating the Sacred Scriptures into the Chinese language).

Durch diese Auseinandersetzung und Anführungen habe ich nur die höchst merkwürdige Stelle, welche mitzuteilen der Zweck gegenwärtiger Rubrik ist, einleiten und verständlicher machen wollen, indem ich dem Leser den Standpunkt, von welchem aus jene Nachforschungen geschahen, vergegenwärtigte und dadurch das Verhältnis derselben zu ihrem Gegenstand aufklärte. Als nämlich die Europäer in China auf dem oben bezeichneten Wege und in dem angegebenen Sinne forschten und ihre Fragen immer auf das oberste Prinzip aller Dinge, die weltregierende Macht u.s.f. gerichtet waren, hatte man sie öfter hingewiesen auf dasjenige, welches mit dem Worte Tien (engl. T'heen) bezeichnet wird. Dieses Wortes nächste Bedeutung ist nun "Himmel", wie auch Morrison in seinem Diktionär angibt. Allein es ist bekannt genug, daß es auch in tropischer Bedeutung gebraucht wird und dann einen metaphysischen Sinn erhält. Schon in den Lettres edifiantes (edit. de 1819, Vol. II, p. 461) finden wir hierüber die Erklärung: "Hing-tien ist der materielle und sichtbare Himmel; Chin-tien der geistige und unsichtbare". Auch Sonnerat in seiner Reise nach Ostindien und China, Buch 4, Kap. I, sagt: "als sich die Jesuiten mit den übrigen Missionarien stritten, ob das Wort Tien Himmel oder Gott bedeute, sahen die Chinesen diese Fremden als ein unruhiges Volk an und jagten sie nach Makao". Jedenfalls konnten Europäer zuerst bei diesem Worte hoffen, auf der Spur der so beharrlich gesuchten Analogie chinesischer Metaphysik mit ihrem eigenen Glauben zu sein, und Nachforschungen dieser Art sind es ohne Zweifel, die zu dem Resultat geführt haben, welches wir mitgeteilt finden in einem Aufsatz, überschrieben "Chinesische Schöpfungstheorie" und befindlich im Asiatic Journal, Vol. 22. Anno 1826. Über den darin erwähnten Tschu-fu-tze, auch Tschu-hi [Zhu Xi] genannt, bemerke ich, daß er im 12. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung gelebt hat und der berühmteste aller chinesischen Gelehrten ist; weil er die gesamte Weisheit der Früheren zusammengebracht und systematisiert hat. Sein Werk ist die Grundlage des jetzigen chinesischen Unterrichts und seine Auktorität von größtem Gewicht. Am angeführten Orte also heißt es, S. 41 u. 42: "Es möchte scheinen, daß das Wort Tien" das Höchste unter den Großen oder "über alles was Groß auf Erden ist bezeichnet: jedoch ist im Sprachgebrauch die Unbestimmtheit seiner Bedeutung ohne allen Vergleich größer, als die des Ausdrucks Himmel in den europäischen Sprachen". ...

»Tschu-fu-tze [Zhu Xi] sagt: "daß der Himmel einen Menschen (d.i. ein weises Wesen) habe, welcher daselbst über Verbrechen richte und entscheide, ist etwas, das schlechterdings nicht gesagt werden sollte; aber auch andrerseits darf nicht behauptet werden, daß es gar nichts gebe, eine höchste Kontrolle über diese Dinge auszuüben".

"Derselbe Schriftsteller wurde befragt über das Herz des Himmels, ob es erkennend sei, oder nicht, und gab zur Antwort: >man darf nicht sagen, daß der Geist der Natur unintelligent wäre; aber er hat keine Ähnlichkeit mit dem Denken des Menschen". ...

"Nach einer ihrer Autoritäten wird Tien Regierer oder Herrscher (Tschu) genannt, wegen des Begriffes der höchsten Macht, und eine andere drückt sich so darüber aus: wenn der Himmel (Tien) keinen absichtsvollen Geist hätte; so würde es sich zutragen, daß von der Kuh ein Pferd geboren würde und der Pfirsichbaum eine Birnblüte trüge. - Andrerseits wird gesagt, daß der Geist des Himmels abzuleiten sei aus dem, was der Wille des Menschengeschlechts ist!" (Durch das Ausrufungszeichen hat der englische Übersetzer seine Verwunderung ausdrücken wollen.) Ich gebe den Text:

The word Teen would seem to denote "the highest of the great" or "above all what is great on earth": but in practise its vagueness of signification is beyond all comparison greater, than that of the term Heaven in European languages. ... Choo-foo-tze [Zhu Xi] tells us that "to affirm, that heaven has a man (i.e. a sapient being) there to judge and determine crimes, should not by any means be said; nor, on the other band, must it be affirmed, that there ist nothing at all to exercise a supreme control over these things".

The same author being ask'd about the heart of heaven, whether it was intelligent or not, answer'd: it must not be said that the mind of nature is unintelligent, but it does not resemble the cogitations of man. ...

According to one of their authorities, Teen is call'd ruler or sovereign (choo), from the idea of the supreme control, and another expresses himself thus: "had heaven (Teen) no designing mind, then it must happen, that the cow might bring forth a horse, and on the peach-tree be produced the blossom of the pear". On the other hand it is said, that the mind of Heaven is deducible from what is the Will of mankind !

Die Übereinstimmung dieses letzten Aufschlusses mit meiner Lehre ist so auffallend und überraschend, daß, wäre die Stelle nicht volle acht Jahre nach Erscheinung meines Werks gedruckt worden, man wohl nicht verfehlen würde zu behaupten, ich hätte meinen Grundgedanken daher genommen. Denn bekanntlich sind gegen neue Gedanken die Hauptschutzwehren drei: Nicht-Notiz-nehmen, Nicht-gelten-lassen, und zuletzt Behaupten, es sei schon längst dagewesen. Allein die Unabhängigkeit meines Grundgedankens von dieser chinesischen Auktorität steht, aus den angegebenen Gründen, fest: denn daß ich der chinesischen Sprache nicht kundig, folglich nicht im Stande bin, aus chinesischen, andern unbekannten Originalwerken Gedanken zu eigenem Gebrauch zu schöpfen, wird man mir hoffentlich glauben. Bei weiterer Nachforschung habe ich herausgebracht, daß die angeführte Stelle, sehr wahrscheinlich und fast gewiß, aus Morrison's Chinesischem Wörterbuch entnommen ist, woselbst sie unter dem Zeichen Tien zu finden sein wird: mir fehlt nur die Gelegenheit es zu verifizieren. -Illgen's Zeitschrift für historische Theologie, Bd. 7, 1837, enthält einen Aufsatz von Neumann: "die Natur- und Religions-Philosophie der Chinesen, nach dem Werke des Tschu-hi [Zhu Xi]", in welchem, von S. 60 bis 63, Stellen vorkommen, die mit denen aus dem Asiatic Journal hier angeführten offenbar eine gemeinschaftliche Quelle haben. Allein sie sind mit der in Deutschland so häufigen Unentschiedenheit des Ausdrucks abgefaßt, welche das deutliche Verständnis ausschließt. Zudem merkt man, daß dieser Übersetzer des Tschu-hi [Zhu Xi] seinen Text nicht vollkommen verstanden hat; woraus ihm jedoch kein Vorwurf erwächst, in Betracht der sehr großen Schwierigkeit dieser Sprache für Europäer und der Unzulänglichkeit der Hülfsmittel. Inzwischen erhalten wir daraus nicht die gewünschte Aufklärung. Wir müssen daher uns mit der Hoffnung trösten, daß, bei dem freier gewordenen Verkehr mit China, irgend ein Engländer uns ein Mal über das obige, in so beklagenswerter Kürze mitgeteilte Dogma näheren und gründlichen Aufschluß erteilen wird.

Mentioned People (1)

Schopenhauer, Arthur  (Danzig 1788-1860 Frankfurt a.M.) : Philosoph

Subjects

Philosophy : Europe : Germany

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# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2000- Asien-Orient-Institut Universität Zürich Organisation / AOI
  • Cited by: Huppertz, Josefine ; Köster, Hermann. Kleine China-Beiträge. (St. Augustin : Selbstverlag, 1979). [Hermann Köster zum 75. Geburtstag].

    [Enthält : Ostasieneise von Wilhelm Schmidt 1935 von Josefine Huppertz ; Konfuzianismus von Xunzi von Hermann Köster]. (Huppe1, Published)