Herder, Johann Gottfried. Fragment einer Abhandlung über die Mythologie, besonders über die indische.
Herder schreibt : Um zu einem Anblick des Ganzen zu kommen muss man zuerst die allgemeine Vernunft-Charte einzelner Völker wohl aufnehmen ; und offenbar sind unter diesen die unvermischten, alten, policirten Nationen die merkwürdigsten, wenigstens die nächsten für eine allgemeinere Betrachtung. Bei ihnen siehet man nicht nur was man auch bei barbarischen Völkern gewahr wird, Eigenheit und Originalität, sondern auch die Methode des Fortganges in den Wirkungen ihrer Seelenkräfte, bis auf den Punct, über den sie nicht hinauskonnten und also stillstanden oder sich unter einander verwirrten. Das schönste Feld dieser Betrachtung bleibt immer die griechische Mythologie und Dichtkunst : ihm zur Seiten würden die Ägypter und die Mythologien des Vorder-Asiens stehen, wenn wir aus den ältesten Zeiten mehres von ihnen wüssten ; indessen bleiben sie auch in den schmalsten Bruchstücken ihrer Tradition und Zeyt sehr merkwürdig. Die Völker des östlichen Asiens aber geben uns dafür eine desto vollere Ernte. Indien, Tibet, Sina und Japan nebst den angränzenden Ländern sind grosse Götzentempel, in welchen Vernunft und Einbildungskraft, viel sonderbare Formen erdacht, viel ungeheuere Bilder aufgestellt und verewiget haben. Das letzte Volk Asiens, das sich des höchsten Alterthums rühmet, die Sineser, haben nichts historisch-gewisses, das über das 722. Jahr von unsrer Zeitrechnung hinausginge. Die Reiche des Fohi und Hoangti sind Mythologie und was vor Fohi hergeht, das Zeitalter der Geister oder der personificrten Elemente, wird von den Sinesen selbst als dichtende Allegorie betrachtet.
Ulrich Faust : Herder fasst das Shu jing für seine Zwecke kurz zusammen, ohne mit der Verkürzung den Sinn zu ändern oder durch besondere Erkenntnisse zu bereichern.
Philosophy : Europe : Germany