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“Oeconomische Encyclopädie oder allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft” (Publication, 1776)

Year

1776

Text

Krünitz, Johann Georg. Oeconomische Encyclopädie oder allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft. (Berlin : Pauli, 1776). (Krün1)

Type

Publication

Contributors (1)

Krünitz, Johann Georg  (Berlin 1728-1796 Berlin) : Enzyklopädist, Lexikograph, Naturwissenschaftler, Arzt

Subjects

Art : Architecture and Landscape Architecture / Economics and Trade / References / Sources

Chronology Entries (1)

# Year Text Linked Data
1 1776 Krünitz, Johann Georg. Oeconomische Encyclopädie oder allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft [ID D26950].
Er schreibt :
Die chinesischen Gärten sind unstreitig diejenigen in einem andern Welttheile, welche in den neuern Zeiten bey uns das meiste Aufsehen gemacht haben. Nach der Beschreibung, die der Engländer Chambers von den chinesischen Gärten gegeben hat, erhellet, dass diese Nation bey Anlegung und Verzierung ihrer Gärten die Natur zum Muster nimmt, und ihre Absicht dabey ist, sie in allen ihren schönen Nachlässigkeiten nachzuahmen. Zuerst richten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Beschaffenheit des Platzes, ob er eben oder abhängend ist, und ob er Hügel hat, ob er in einer offenen oder eingeschlossenen Geben, trocken oder feucht ist, ob er Quellen und Bäche, oder Mangel an Wasser habe. Auf alle diese Umstände geben sie genau Achtung, und ordnen alles so an, wie es sich jedesmahl für die Natur des Platzes am besten schicket, zugleich die wenigsten Unkosten verursachet ; wobey sie die Fehler des Landes zu verbergen, und seine Vortheil hervorleuchten zu machen suchen. Da dieses Volks sich wenig aus den Spatziergängen macht, so trifft man bey ihm selten solche breite Alleen und Zugänge an, der gleichen man in den europäischen Gärten findet. Das ganze Land in mancherley Scenen eingetheilt, und krumme Gänge, durch Büsche ausgehauen, führen zu verschiedenen Aussichten, die das Auge durch ein Gebäude oder sonst einen sich auszeichnenden Gegenstand auf sich ziehen. Die Vollkommenheit dieser Gärten besteht in der Menge, Schönheit und Mannigfaltigkeit solcher Scenen. Die chinesischen Gärtner suchen, wie die europäischen Mahler, die angenehmsten Gegenstände einzeln in der Natur auf, und bemühen sich dieselben so zu vereinige, dass nicht nur jeder für sich gut angebracht sey, sondern aus ihrer Vereinigung zugleich ein schönes Ganze entstehe. Sie unterscheiden dreyerley Arten von Scenen, welche sie lachende, fürchterliche und bezaubernde nennen. Die letzte Art ist die, die wir romantisch nennen ; und die Chinesen wissen durch mancherley Kunstgriffe sie überraschend zu machen. Sie leiten bisweilen einen rauschenden Bach unter der Erde weg, der das Ohr derer, welche an die Stellen, darunter sie wegströmen, kommen, mit einem Geräusche rührt, dessen Ursprung man nicht erkennt. Ein ander mahl machen sie ein Gemäuer von Felsen, oder bringen sonst in Gebäuden, und andern in dem Garten angebrachten Gegenständen, Öffnungen und Ritzen dergestalt an, dass die durchstreichende Luft fremde und seltsame Töne hervorbringt. Für diese besondere Partien suchen sie die seltensten Bäume und Pflanzen aus ; auch bringen sie in denselben verschiedene Echo an, und unterhalten darin allerhand Vögel und seltene Thiere. Ihre fürchterlichen Scenen bestehen aus überhangenden Felsen, dunkeln Grotten und brausenden Wasserfällen, die von allen Seiten her von Felsen herab stürzen. Dahin setzen sie krummgewachsene Bäume, die vom Sturm zerrissen scheinen. Hier findet man solche, die umgefallen mitten im Strohm lieben, und von ihm dahin geschwemmt scheinen. Dort sieht man andere, die vom Wetter zerschmettert und versengt scheinen. Einige Gebäude sind eingefallen, andere halb abgebrannt, und einige elende Hütten, hier und da auf Bergen zerstreuet, scheinen Wohnstellen armseliger Einwohner zu seyn. Nach Scenen von dieser Art folgen insgemein wieder lachende ; und die chinesischen Künstler wissen immer schnelle Abwechselungen und Gegensätze sich wechselsweise erhebender Scenen, sowohl in den Formen als Farben, und im Hellen und Dunkeln zu erhalten. Wenn der Platz von beträchtlicher Grösse ist und eine Mannigfaltigkeit der Scenen erlaubet, so ist insgemein jede für einen besondern Gesichtspunct eingerichtet ; wenn dieses aber des engern Raumes halber nicht angeht, so suchen die dem Mangel dadurch abzuhelfen, dass die Partien nach den verschiedenen Ansichten immer andere Gestalten annehmen. Dieses wissen sie so gut zu machen, dass man dieselbe Partie aus den verschiedenen Ständen gar nicht mehr für dieselbe erkennen kann. Man findet daher alle Arten von optischem Betrug hier angebracht ; Mahlereyen auf künstlich zubereitetem Grunde, die aus einem Gesichtspuncte eine Gruppe von Menschen, aus einem andern ein Thiergefecht, aus einem dritten Felsen, Wasserfälle, Bäume, Gebirge, und aus dem vierten Tempel, Säulengänge und eine Menge anderer ergetzender Objecte abbilden. Mosaische Arbeit findet man häufig in den Zimmern der Gebäude dieser Gegenden, die vielleicht in der Nähe betrachtet, nichts als Stücke Marmor zu seyn scheinen, die ohne Ordnung eingelegt sind, die aber von einem gewissen Standorte Menschen, Thiere, Gebäude oder Landschaften vorstellen. Hin und wieder sind mit grosser Kunst angeordnete Perspective, entweder von Gebäuden oder selbst von ganzen Prospecten, welche auf die Weise hervorgebracht werden, dass die Tempel, Brücken, Fahrzeuge, oder andere Objecte kleiner und kleiner sind, und schwächere ins Graue fallende Farben haben, je weiter sie entfernt scheinen sollen, und dass die Bäume je weiter von dem Geschichtspunct ebenfalls von schwächerm Grün und kleinerm Wuchs ausgesucht werden, als die im Vordergrunde sind, so, dass man aus einem gewissen Stand-Puncte eine beträchtliche Entfernung zu sehen glaubt, wo in der That doch nur eine geringe ist. In grossen Gärten bringt man Scenen, die siche für jede Tages-Zeit schicken, an, und führt an bequemen Stellen Gebäude auf, welche sich zu den verschiedenen jeder Tageszeit eigenen Ergetzlichkeiten schicken. Weil das Klima in diesem Lande sehr heiss ist, so sucht man viel Wasser in die Gärten zu bringen. Die kleinen werden, wenn es die Lage gestattet, oft ganz unter Wasser gesetzt, dass nur wenig kleine Inseln und Felsen hervorstehen. In grossen Gärten findet man Seen, Flüsse und Canäle. Nach Anleitung der Natur werden die Ufer der Gewässer verschiedentlich behandelt ; bald sind sie sandig und steinig, bald grün und mit Holz bewachsen ; bald flach mit Blumen und kleinen Gesträuchen bekleidet, bald mit steilen Felsen besetzt, welche Höhlen und Klüfte bilden, in die sich das Wasser mit Ungestüm wirft. Bisweilen trifft man darin Fluren, worauf zahmes Vieh weidet, oder Reissfelder, die bis in die Seen hinein treten, zwischen denen man in Kähnen herumfahren kann, an. An andern Orten findet man Büsche von Bächen durchschnitten, die kleine Nachen tragen. Ihre Ufer sind an einigen Orten dergestalt mit Bäumen bewachsen, dass ihre Äste von beyden Ufern sich in einander schlingen, und gewölbte Decken ausmachen, unter welchen man durchfährt. Auf einer solchen Fahrt wird man insgemein an einen interessanten Ort geleitet, an ein prächtiges Gebäude, etwa auf einen terrassirten Berg, an eine einsame Hütte auf einer Insel, an einen Wasserfall, an eine Grotte. Die Flüsse und Bäche der Gärten nehmen keinen geraden Lauf, sondern schlängeln sich durch verschiedene Krümmungen ; sind bald schmal, bald breit, bald sanft fliessend, bald rauschend. Auch wächst Schilf und anderes Wassergras darin. Man trifft Mühlen und hydraulische Maschinen darauf an, deren Bewegung den Gegenden ein Leben giebt.
Wenn man sich gleich verwundern muss, wie ein Volk, welches sonst fast nichts von den schönen Künst4en kennt, und in Ansehung seines Geschmacks so weit zurück steht, auf eine so gute Anlage der Gärten kommen können : so scheint der Bericht des Chambers, der selbst in China mit seinen Augen gesehen, die Sache fast ausser Zweifel zu setzten. Indessen, da dieser Bericht in vielen Stellen die sinnreichsten Gemählde der Phantasie und die wunderbarsten Feenbezauberungen enthält, so möchte vielleicht nur einem Theile davon historische Wahrheit zukommen. Ja, man möchte fast vermuthen, dass Chambers, wenn er sich nicht durch die Erzählungen später Reisenden hat hintergehen lassen, dasjenige, was er selbst gesehen, nur zum Grunde gelegt, um darauf in Ideal nach seiner eigenen Einbildungs-Kraft aufzuführen : und dabey seinen Landsleuten, die noch zu sehr dem alten Geschmack anhingen, einen Wink auf eine neue Bahn zu geben. Übrigens muss man gestehen, der Chineser folgte allein der Natur ; und man weiss, dass die Schritte gemeiniglich da am sichersten sind, wo man von keinen falschen Wegweisern von dem Pfade der Natur abgeleitet wird. Wenn es wahr ist, dass die Engländer durch die chinesischen Gärten auf die echte Spuhr des Natürlichen in Ansehung ihrer Parks geleitet sind, so ist es auch nicht zu läugnen, dass sie schon vorher manche richtige Aufklärungen über diesen Gegenstand von ihren eigenen Schriftstellern erhalten hatten. Es ist dabey offenbar, dass nicht allein in den chinesischen Gärten, selbst nach den schmeichelhaftesten Beschreibungen, viel Übertriebenes, Spitzfindiges und Abgeschmacktes herrscht, worüber sich wohl eben kein Kenner der Nation verwundern wird, sondern dass auch verschiedene neuere Schriftsteller diese Gärten mit einem unbegränzten und gar zu parteyischen Lobe erheben. Selbst die copierten Beschreibungen enthalten manche Widersprüche und sind mit Zusätzen überladen, die ihnen eine günstige Phantasie geschenkt hatte, die ihnen die Wahrheit aber mit einer gerechten Hand wieder entreisst. War es denn nicht genug zu sagen, dass manches Natürliche in den chinesischen Anlagen Nachahmung oder Aufmerksamkeit verdiene ?
  • Person: Chambers, William (1)
  • Person: Krünitz, Johann Georg

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2007- Worldcat/OCLC Web / WC