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“Theorie der Gartenkunst” (Publication, 1779-1785)

Year

1779-1785

Text

Hirschfeld, Christian Cajus Lorenz. Theorie der Gartenkunst. (Leipzig : Bey M.G. Weidmanns Erben und Reich, 1779-1785). [Enthält Eintragungen über China und William Chambers].
http://www.bsb-muenchen-digital.de/~web/web1029/bsb10295957
/images/index.html?digID=bsb10295957&pimage=1&v=pdf&nav=0&l=de
. (Cham12)

Type

Publication

Contributors (1)

Hirschfeld, Christian Cajus Lorenz  (Nüchel bei Eutin 1742-1792 Kiel) : Schriftsteller, Professor der Philosophie, Theoretiker der Gartenkunst

Mentioned People (1)

Chambers, William (1)  (Göteborg 1723-1796 London) : Architekt, Gartenarchitekt, Autor

Subjects

Art : Architecture and Landscape Architecture / Literature : Occident : Germany / Literature : Occident : Great Britain

Chronology Entries (1)

# Year Text Linked Data
1 1779-1785 Hirschfeld, Christian Cajus Lorenz. Theorie der Gartenkunst [ID D26947].
Er schreibt : Die Chinesischen Gärten sind unstreitig diejenigen in einem andern Welttheil, welche in den neueren Zeiten bey uns das meiste Aufsehen gemacht haben. Sie sind schon beschrieben und zu bekannt, als dass hier noch eine Schilderung derselben wiederholt werden dürfte. Wenn man sich gleich verwundern muss, wie ein Volk, das sonst fast nichts von den schönen Künsten kennt, und in Ansehung seines Geschmacks so weit zurücksteht, auf eine so gute Anlage der Gärten komment können ; so scheint der Bericht des Chambers (Von seiner Dissertation on oriental Gardening ist im vorigen Jahre eine deutsche Übersetzung zu Gotha herausgekommen), der selbst in China mit seinen Augen gesehen, die Sache fast ausser Zweifel zu setzen. Indessen da dieser Bericht in vielen Stellen die sinnreichsten Gemälde der Phantasie und die wunderbarsten Feenbezauberungen enthält, so möchte vielleicht nur einem Theil davon historische Wahrheit zukommen. Ja ich möchte fast vermuthen, dass Chambers, wenn er sich nicht durch die Erzählungen späterer Reisender hat hintergehen lassen, das, was er selbst gesehen, nur zum Grunde gelegt, um darauf ein Ideal nach seiner eigenen Einbildungskraft aufzuführen, und dabey seinen Landsleuten, die noch zu sehr dem alten Geschmack anhiengen, seinen Wink auf eine neue Bahn zu geben. Übrigens muss man gestehen, der Chinese folgte allein der Natur ; und man weis, dass die Schritte gemeiniglich da am sichersten sind, wo man von keinen falschen Wegweisern von dem Pfade der Natur abgeleitet wird. Wenn es wahr ist, dass die Engländer durch die chinesischen Gärten auf die ächte Spur des Natürlichen in Anlegung ihrer Parks geleitet sind ; so ist es auch nicht zu leugnen, dass sie schon vorher, manche richtige Aufklärungen über diesen Gegenstand von ihren eigenen Schriftstellern erhalten hatten. Es ist dabey offenbar, dass nicht allein in den chinesischen Gärten, selbst nach den schmeichelhaftesten Beschreibungen, viel Übertriebenes, Spitzfündiges und Abgeschmacktes herrscht, worüber sich wohl eben kein Kenner der Nation verwundern wird, sondern dass auch verschiedene neuere Schriftsteller diese Gärten mit einem ungebränzten und gar zu partheyischen Lobe erheben. Selbst die kopirten Beschreibungen enthalten manche Widersprüche und sind mit Zusätzen überladen, die ihnen eine günstige Phantasie geschenkt hatte, die ihnen die Wahrheit aber mit einer gerechten Hand wieder entreisst. War es denn nicht genug zu sagen, dass manches Natürliche in den chinesischen Anlagen Nachahmung oder Aufmerksamkeit verdiene ?...
Weil man oft der ersten Art des Kontrastes gar zu anhängig war, so sind dadurch die sonderbarsten Übertreibungen entstanden. Man wollte gewisse romantische Scenen der Natur nachahmen, die sie mir hie und da als Spiele ihrer Laune zu bilden pflegt, und man verfiel in das Abgeschmackte ; zumal da man anfieng, aus dem, was bey der Natur nur seltene Erscheinung ist, ein eigenes Hauptwerk zu machen. Dieser Tadel trift nicht unsere gewöhnlichen Gärten, die noch weit davon entfernt sind, sondern einige Parks der Engländer und der Chineser, am meisten aber der letztern. Dass diese die Gegeneinandersetzung noch der Zügellosigkeit des orientalischen Geschmacks übertreiben, darüber darf man sich nicht wundern ; aber wohl darüber, dass Chambers diese Ausschweifung billigt.
Den angenehmen Scenen, sagt er, setzen die Chineser die fürchterlichen entgegen ; diese sind eine Zusammensetzung düsterer Gehölze, tiefer der Sonne unzugängliche Thäler, überhangenden unfruchtbarer Felsen, dunkler Hölen und ungestümer Wasserfälle, die sich von allen Seiten von den Bergen herabstürzen. Die Bäume sind übel gestaltet, aus ihrem natürlichen Wachsthum herausgezwungen und dem Anschein nach von der Gewalt der Gewitter zerrissen. Einige sind ausgerissen und hemmen den Lauf der Ströme ; andere sind wie vom Blitz verbrannt und zerschmettert. Die Gebäude sind Ruinen, oder halb vom Feuer verzehrt, oder durch die Wuth der Gewässer weggespült. So weit möchte alles dieses noch leidlich seyn, und so weit hat man auch zum Theil in einigen brittischen Parks die Nachahmung schon getrieben. Aber nun ! Fledermäuse, Eulen, Geyer und alle Raubvögel flattern in den Gehölzen umher ; Wölfe und Tyger heulen in den Wäldern ; halb verhungerte Thiere schleichen über die Haiden ; Galgen, Kreuze, Räder und alle Torturwerkzeuge kann man von den Landstrassen her sehen. In dem schrecklichen Innern der Wälder, wo die Wege uneben und mit Unkraut bewachsen sind, stehen dem Gott der Rache geweihete Tempel. Neben allen diesen sieht man steinerne Pfeiler mit Beschreibungen tragischer Begebenheiten und allerhand schreckliche Handlungen der Grausamkeit. Dazu kommen abgelegene Örter, die mit kolossalischen Figuren von Drachen, höllischen Furien, und andern grässlichen Gestalten angefüllet sind. Was Chambers mehr davon erzählt, zeugt, wie dieses, von einer Ausschweifung, die vielleicht nirgends weiter getrieben ist. Das Seltsame ist, dass diese Scenen des Schreckens deswegen angelegt werden, um die Wirkungen der angenehmen Auftritte durch den Kontrast zu heben…
Bey allen Gartengebäuden muss Pomp und Überfluss an Zierrathen sorgfältig entfernt seyn, und eine leichte, freye und anmuthige Architektur herrschen. Man hüte sich, dass man nicht verführt durch das Beyspiel des Engländers, in dessen Parks sich zuweilen in Einem Prospect ein Wohnhaus von edler Architectur, ein Obelisk, ein gothischer Thurm, ein römisches Monument und ein chinesischer Tempel vereinigen, auf eine seltsame Vermischung verschiedener fremder Bauarten verfalle ; eine Ausschweifung, die selbst der scharfsinnige Whately ausdrücklich in einem Garten verstattet wissen will, und die gleichwohl so auffallend ist, dass sie nicht einmal Nachsicht finden sollte. [Whately, Thomas. Betrachtungen über das heutige Gartenwesen. (Leipzig : Junius, 1771)].

Sekundärliteratur
Jörg Deuter : Hirschfeld war der erste, der William Chambers' Chinaverehrung in Beziehung zur tatsächlichen chinesischen Gartenkunst setzte und sie als das erkannte, was sie war, eine Maske, historisch nicht ernst zu nehmen, unter der dieser verborgen für einen weiteren anglo-chinoisen Gartenstil kämpfte, der wenig mit der historisch-exakten Nachahmung konkreter Vorbilder zu tun hat. Indem er aus Chambers' Theorie der Gartenkunst seitenlang zitierte, wurde Hirschfeld aber nicht nur sein scharfsinnigster Kritiker, sondern auch sein (zumindest im deutschen Sprachraum) wirkungsvollster Propagandist.
  • Document: Sir William Chambers und der Englisch-chinesische Garten in Europa. Hrsg. von Thomas Weiss. (Ostfildern-Ruit bei Stuttgart : G. Hatje, 1997). (Kataloge und Schriften der Staatlichen Schlösser und Gärten Wörlitz, Oranienbaum, Luisium ; Bd. 2). [Internationales Symposium Oranienbaum, 5.-7. Okt. 1995]. S. 108-109. (Cham8, Publication)
  • Person: Chambers, William (1)
  • Person: Hirschfeld, Christian Cajus Lorenz

Cited by (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 2007- Worldcat/OCLC Web / WC